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Gemeinsamer Bundesausschuss


Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA): Definition und rechtlicher Rahmen

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen. Er nimmt eine zentrale Rolle bei der Festlegung des Leistungsrahmens der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ein und regelt maßgeblich die medizinische Versorgung in Deutschland. Seine rechtliche Verankerung und detaillierte Aufgabenbeschreibung resultieren aus dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), insbesondere in § 91 SGB V.


Rechtliche Grundlagen des Gemeinsamen Bundesausschusses

Verankerung im Sozialgesetzbuch

Die rechtliche Grundlage des Gemeinsamen Bundesausschusses ergibt sich aus § 91 SGB V, der die Zusammensetzung, Aufgaben und Befugnisse im Kontext der GKV regelt. Der G-BA ist ein eigenständiges, rechtsfähiges Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung von Leistungserbringern und Kostenträgern.

Zusammensetzung und Struktur

Der G-BA setzt sich gemäß § 91 SGB V aus den Vertreterinnen und Vertretern der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, der Deutschen Krankenhausgesellschaft sowie dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen zusammen. Ergänzt wird das Gremium durch Patientenvertretungen mit Beratungs- und Antragsrecht, jedoch ohne Stimmrecht. Die Geschäftsführung übernimmt eine eigene Geschäftsstelle.

Rechtsform und Aufsicht

Der G-BA ist eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Rechtsaufsicht obliegt dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG), das bei gesetzeswidrigen Beschlüssen Einschreiten und Korrekturen anordnen kann (§ 94, § 91 Abs. 4 SGB V).


Aufgaben und Befugnisse des Gemeinsamen Bundesausschusses

Richtlinienkompetenz

Zentrale Aufgabe des G-BA ist die Erstellung von verbindlichen Richtlinien für die medizinische Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten. Diese Richtlinien regeln insbesondere:

  • Den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 92 SGB V)
  • Qualitätsanforderungen an medizinische Leistungen
  • Richtlinien zu Arzneimittel, Heilmitteln, Hilfsmitteln, ärztlicher Versorgung, zahnärztlicher Versorgung, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege und weiteren Bereichen

Innovationsfonds und Methodenbewertung

Der G-BA verantwortet zudem die Fördermaßnahmen des Innovationsfonds nach §§ 92a ff. SGB V zur Verbesserung der Versorgung, insbesondere durch die Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden hinsichtlich Nutzen, Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit. Methoden werden vor Aufnahme in den GKV-Katalog auf evidenzbasierte Wirksamkeit geprüft (Medizinischer Nutzen nach § 135 SGB V).

Qualitätssicherung und Dokumentation

Im Rahmen der Qualitätssicherung legt der G-BA bundesweite Qualitätssicherungsmaßnahmen fest, bestimmt Anforderungen an Dokumentationsverfahren und evaluiert diese fortlaufend.

Krankenkassenindividuelle Regelungen

Darüber hinaus ist der G-BA befugt, Rahmenbedingungen für Selektivverträge, integrierte Versorgung und andere Vertragstypen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern zu bestimmen.


Beschlussverfahren und Transparenz

Beratungs- und Beschlussverfahren

Die Verfahren zur Erstellung oder Änderung von Richtlinien sind formal und rechtsstaatlich ausgestaltet. Hierbei sind Stellungnahmen der Patientenvertretungen, Fachgesellschaften und anderer betroffener Gruppen zu berücksichtigen. Sitzungen sind teilweise öffentlich, und Beschlüsse werden regelmäßig im Bundesanzeiger veröffentlicht.

Rechtsmittel und Überprüfung

Beschlüsse des G-BA können durch betroffene Akteure beim Bundessozialgericht überprüft werden. Klagen sind insbesondere dann möglich, wenn Beschlüsse unmittelbar Rechte der Leistungserbringer oder Patienten betreffen (wegen sog. Normenkontrollverfahren nach § 86a SGG).


Rolle des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

Das IQWiG unterstützt den G-BA als wissenschaftlicher Dienstleister insbesondere bei der evidenzbasierten Bewertung medizinischer Verfahren, Arzneimittel und Leitlinien. Die Zusammenarbeit ist in § 139a SGB V geregelt.


Bedeutung des G-BA für das deutsche Gesundheitswesen

Der G-BA hat entscheidenden Einfluss auf die Versorgungssicherheit, Qualität und Innovationsbereitschaft im deutschen Gesundheitswesen. Seine Beschlüsse prägen Art und Umfang erstattungsfähiger Leistungen und sind für alle Akteure der GKV rechtsverbindlich. Damit ist der G-BA ein zentrales Element der regulatorischen Steuerung und der Umsetzung gesundheitspolitischer Vorgaben.


Literaturhinweise und weiterführende Quellen


Der Gemeinsame Bundesausschuss ist somit das maßgebliche Gremium für verbindliche Standardsetzung in der medizinischen Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland und unterliegt dabei strengen gesetzlichen Anforderungen hinsichtlich Legitimation, Transparenz und Rechtsstaatlichkeit.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Aufgaben und Befugnisse des Gemeinsamen Bundesausschusses?

Die Aufgaben und Befugnisse des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) werden im Wesentlichen durch das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), insbesondere in den §§ 91 ff. SGB V, gesetzlich festgelegt. Weitere relevante Rechtsquellen sind die Geschäftsordnung des G-BA, verschiedene Richtlinien, die der G-BA im Rahmen seiner Regelungskompetenz erlässt, sowie untergesetzliche Normen wie Verordnungen und Verwaltungsvorschriften. Der G-BA agiert als oberstes Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen und ist damit ein Organ mit gesetzlichem Auftrag. Seine Beschlüsse wirken unmittelbar auf die Versorgung von gesetzlich Versicherten ein, indem sie Sektorgrenzen überschreitende Richtlinien zur Sicherung der medizinischen Versorgung und deren Qualität erlassen. Das Gremium unterliegt der Rechtsaufsicht durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), welches die Rechtmäßigkeit, aber nicht die Zweckmäßigkeit der Beschlüsse überwacht. Zudem ist die Verbindlichkeit der G-BA-Richtlinien im Sinne von § 92 SGB V durch nachgelagerte Regelungen und eine etwaige gerichtliche Kontrolle, z.B. durch das Bundessozialgericht, rechtlich eingerahmt.

Welche Bedeutung hat die Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit über den G-BA?

Die Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) über den G-BA ist ein wesentliches rechtliches Kontrollinstrument. Sie ist in § 94 SGB V geregelt und erstreckt sich ausschließlich auf die Überprüfung der Gesetz- und Rechtmäßigkeit der Beschlüsse und nicht auf deren Zweckmäßigkeit oder inhaltliche Angemessenheit. Bei festgestellten Rechtsverstößen ist das BMG befugt, Beanstandungen gegenüber dem G-BA zu erheben und kann im Einzelfall Beschlüsse ganz oder teilweise aufheben. Die Beanstandung muss binnen zwei Monaten nach Eingang des Beschlusses ausgesprochen werden. Diese Rechtsaufsicht sichert, dass die Entscheidungen des G-BA mit höherrangigem Recht, insbesondere auch den Grundrechten und europarechtlichen Vorgaben, vereinbar sind. Darüber hinaus ist für den G-BA die Möglichkeit vorgesehen, im Streitfall den Rechtsweg zu den Sozialgerichten, insbesondere zum Bundessozialgericht, zu beschreiten.

Welche rechtliche Wirkung haben die Richtlinien des G-BA gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung und den Leistungserbringern?

Die vom G-BA erlassenen Richtlinien haben rechtsverbindlichen Charakter. Sie präzisieren Leistungsansprüche der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung anhand des im Gesetz vorgegebenen Rahmens und sind für die Krankenkassen und Leistungserbringer bindend. Das bedeutet, sowohl Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser als auch andere an der Versorgung beteiligte Einrichtungen dürfen Leistungen nur im Rahmen der G-BA-Richtlinien erbringen und abrechnen. Überdies haben die Richtlinien konkretisierende Wirkung: Sie legen beispielsweise fest, welche diagnostischen und therapeutischen Verfahren dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und im Leistungskatalog enthalten sind. Die Einhaltung der Richtlinien wird durch den gemeinsamen Medizinischen Dienst und ggf. durch Prüfverfahren sichergestellt. Bei Streitigkeiten über die Anwendung finden ggf. sozialgerichtliche Verfahren statt.

Wie ist der Rechtsschutz gegen Beschlüsse des G-BA ausgestaltet?

Rechtsschutz gegen die Beschlüsse des G-BA steht grundsätzlich jenen offen, die durch dessen Regelungen unmittelbar und individuell betroffen sind. Zu den Rechtsmitteln zählt insbesondere die Anrufung der Sozialgerichte auf Grundlage des § 54 SGG (Sozialgerichtsgesetz). Betroffene können im Rahmen einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage gegen G-BA-Beschlüsse vorgehen. Besonders relevant ist dies für Industrieunternehmen, Versorgungseinrichtungen oder Leistungserbringer, deren Produkte, Methoden oder Leistungen nicht in den Leistungskatalog aufgenommen wurden. Es gilt das Prinzip der Offenen Tür zum Rechtsschutz: Jedoch ist wegen der Allgemeinverbindlichkeit der Richtlinien nur eine begrenzte direkte Anfechtbarkeit möglich, sodass häufig die Individualbetroffenheit und die Verletzung subjektiver Rechte nachgewiesen werden muss. Zudem bestehen besondere Verfahrensregelungen für Eilrechtsschutz (§ 86b SGG).

Spielt das europäische Recht bei den Entscheidungen des G-BA eine Rolle?

Ja, das europäische Recht nimmt eine stets wachsende Rolle in der Arbeit und den Beschlüssen des G-BA ein. Die vom G-BA erlassenen Richtlinien und Entscheidungen müssen mit den bindenden Vorgaben des europäischen Primärrechts, etwa aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), sowie dem sekundären Unionsrecht, zum Beispiel der EU-Transparenzrichtlinie (89/105/EWG), in Einklang stehen. Dies gilt insbesondere bei der Bewertung und Zulassung von Arzneimitteln sowie Medizinprodukten, da viele dieser Produkte eine EU-weite Zulassung besitzen. Der G-BA steht hierbei unter der Verpflichtung, nationale Regelungen mit dem Diskriminierungsverbot sowie den Prinzipien des freien Warenverkehrs und des Wettbewerbsrechts abzustimmen. Im Falle einer Kollision nationaler Richtlinien mit Unionsrecht haben Betroffene zudem die Möglichkeit, europarechtlich argumentierend vor nationalen Gerichten Rechtsschutz zu suchen.

Wie ist das Verfahren zur Beteiligung Dritter im Rechtsetzungsprozess des G-BA geregelt?

Das rechtliche Verfahren zur Beteiligung Dritter im Regelsetzungsprozess des G-BA ist in § 91 und insbesondere in § 92 Abs. 2 SGB V detailliert geregelt. Danach ist der G-BA verpflichtet, betroffene Fachkreise und Verbände – dazu zählen insbesondere Patientenvertreter, Wissenschaft, Fachgesellschaften sowie relevante Industrieverbände – frühzeitig und wirksam am Prozess der Richtlinienerstellung zu beteiligen. Dies erfolgt vor allem im Rahmen von Anhörungen, Stellungnahmeverfahren sowie durch die Beteiligung von Patientenvertretern mit Beratungs- und Antragsrecht, aber ohne Stimmrecht. Die Anforderungen an Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Dokumentation sind im Verwaltungsverfahren von zentraler Bedeutung, um die Rechtmäßigkeit und Akzeptanz der Beschlüsse sicherzustellen. Die Beteiligung Dritter dient auch dem Rechtsstaatsprinzip und der Sicherung effektiven Rechtsschutzes.

Unterliegen die Entscheidungsverfahren des G-BA den Grundsätzen des Verwaltungsrechts?

Die Entscheidungsverfahren des G-BA unterliegen im Wesentlichen den Grundsätzen des deutschen Verwaltungsrechts, auch wenn der G-BA als Selbstverwaltungsorgan besondere Eigenheiten aufweist. Insbesondere gelten die Grundsätze des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) nach Maßgabe des § 69 SGB X. Zentral sind hierbei die Prinzipien der Wirtschaftlichkeit, Verhältnismäßigkeit, Transparenz, Anhörung und Begründung bei der Beschlussfassung. Die Beschlüsse sind zu dokumentieren, zu veröffentlichen und nachprüfbar zu begründen, um einer gerichtlichen Kontrolle standzuhalten. Ferner gilt das Rechtsstaatsprinzip im Hinblick auf das Recht der Betroffenen auf rechtliches Gehör und den Zugang zu Rechtsschutz. Bei Gesetzes- oder Verfahrensverstößen können Beschlüsse des G-BA für rechtswidrig erklärt und aufgehoben werden.