Legal Lexikon

Gebührenstreitwert


Begriff und Rechtsgrundlage des Gebührenstreitwerts

Der Gebührenstreitwert ist ein zentraler Begriff im deutschen Verfahrensrecht und bezeichnet den Wert, nach dem sich die Höhe der Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren in zivilrechtlichen Verfahren bemisst. Der Gebührenstreitwert, häufig auch bloß als „Streitwert” bezeichnet, unterscheidet sich in manchen Verfahrensarten vom sogenannten „Gegenstandswert” und spielt eine entscheidende Rolle für die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Rechtsstreits.

Gesetzliche Grundlagen

Die maßgeblichen Vorschriften zum Gebührenstreitwert finden sich insbesondere im Gerichtskostengesetz (GKG), im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) sowie in verfahrensspezifischen Vorschriften wie dem Kostenrecht in Familiensachen (FamGKG) oder dem Gerichtskostengesetz für das Arbeitsgericht (ArbGG, GKG). Die allgemeine Bestimmung des Streitwerts regelt § 3 Zivilprozessordnung (ZPO), der Gerichten bei der Wertfestsetzung einen weiten Ermessensspielraum einräumt.

Funktionen und Bedeutung des Gebührenstreitwerts

Grundlage für Gebührenberechnung

Der Gebührenstreitwert ist Ausgangspunkt für die Berechnung folgender Kostenpositionen:

  • Gerichtskosten
  • Rechtsanwaltsgebühren
  • Vorschusszahlungen
  • Kostenerstattungspflichten

Anhand bundeseinheitlicher Gebührentabellen, etwa nach dem Gerichtskostengesetz (Anlage 2 zu § 34 GKG), steigen die Gebühren degressiv mit dem Gebührenstreitwert. Die korrekte Streitwertfestsetzung ist daher für die Kostenfolgen des Verfahrens von existenzieller Bedeutung.

Steuerung der Prozessrisiken

Für die Parteien bestimmt der Gebührenstreitwert das Kostenrisiko eines Verfahrens. Bei Einschaltung eines Rechtsanwalts ist die ordnungsgemäße Information über die zu erwartenden Gebührenpflichten, die sich am Gebührenstreitwert orientieren, vorgeschrieben.

Ermittlung und Festsetzung des Gebührenstreitwerts

Allgemeine Wertbestimmung

Nach § 3 ZPO wird der Gebührenstreitwert „nach freiem Ermessen des Gerichts nach der Bedeutung der Sache für die Parteien” bestimmt, sofern das Gesetz keine spezielle Bestimmung trifft. Im Regelfall entspricht der Streitwert der bezifferten Forderung (beispielsweise einem Klagebetrag).

Immaterielle Ansprüche

Bei Unterlassungsansprüchen, Feststellungsklagen, einstweiligem Rechtsschutz oder Ansprüchen ohne bezifferbaren Geldwert erfolgt die Streitwertbemessung nach gerichtlichem Ermessen, wobei Faktoren wie Bedeutung, Umfang und wirtschaftliche Wirkung zu berücksichtigen sind.

Mehrere Streitgegenstände und Beteiligte

Sind im Verfahren mehrere Streitgegenstände anhängig, so werden die Streitwerte gemäß § 39 GKG grundsätzlich addiert, sofern es sich nicht um denselben Lebenssachverhalt handelt („Streitwertzusammenrechnung”).

Spezialregelungen

Familiensachen

Im Bereich des Familienrechts gelten u.a. die §§ 41 ff. FamGKG. Für Ehesachen ist meist das dreifache monatliche Nettoeinkommen beider Ehegatten als Streitwert anzusetzen.

Arbeitsgerichtliche Verfahren

Im Arbeitsrecht orientiert sich der Streitwert an der dreifachen Bruttovergütung, sofern eine Kündigungsschutzklage vorliegt (§ 42 Abs. 3 GKG, § 61 ArbGG).

Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit

In der Verwaltungsgerichtsbarkeit und in der Sozialgerichtsbarkeit finden sich abweichende Vorschriften, die zum Teil eigene Wertvorschriften oder Wertfestsetzungsermächtigungen enthalten (vgl. § 52 GKG, § 202 SGG).

Streitwert, Gegenstandswert und Beschwer

Im deutschen Kostenrecht ist zwischen Streitwert, Gegenstandswert und Beschwer zu unterscheiden:

  • Der Streitwert ist maßgeblich für die gerichtliche Gebührenerhebung.
  • Der Gegenstandswert beeinflusst vorrangig die Höhe der anwaltlichen Vergütung, kann jedoch deckungsgleich mit dem Streitwert sein (§ 23 RVG).
  • Die Beschwer betrifft die statthafte Rechtsmittelbefugnis und ist achtenswert als eigenständiger Wertbegriff.

Streitwertfestsetzungsverfahren

Erstmalige Festsetzung

Die Festsetzung eines Gebührenstreitwerts erfolgt in der Regel auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen durch das zuständige Gericht (§ 63 GKG).

Abänderung und Beschwerde

Gegen die Streitwertfestsetzung ist grundsätzlich die Streitwertbeschwerde gemäß § 68 GKG statthaft. Die Beschwerde richtet sich an das Verfahren vor Abschluss der Hauptsache und muss binnen einer festgelegten Frist eingelegt werden.

Rechtsfolgen und Bedeutung in der Praxis

Die Festsetzung des Gebührenstreitwerts kann entscheidende wirtschaftliche Auswirkungen auf die Beteiligten eines Rechtsstreits haben. Falsch festgesetzte Werte haben Einfluss auf die Berechnung sowohl der erstattungsfähigen als auch der selbst zu tragenden Kosten. In komplexen Verfahren kann der Streitwert zu strategischen Überlegungen bei der Gestaltung von Klageanträgen oder bei Vergleichen führen.

Literaturhinweise und Weblinks


Hinweis: Die in diesem Artikel dargestellten Informationen ersetzen keine individuelle Rechtsberatung. Für Einzelheiten und Sonderkonstellationen sind die maßgeblichen Gesetze und ggf. gerichtliche Entscheidungen zu berücksichtigen.

Häufig gestellte Fragen

Wie wird der Gebührenstreitwert im Zivilprozess festgelegt?

Der Gebührenstreitwert im Zivilprozess wird anhand des wirtschaftlichen Interesses bestimmt, das die Parteien mit ihrer Klage oder ihrem Antrag verfolgen. In den meisten Fällen entspricht der Streitwert dem Wert des eingeklagten Gegenstands, etwa einer Geldforderung. Bei nicht bezifferbaren Ansprüchen – etwa bei Unterlassungsklagen oder Feststellungsklagen – entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 3 ZPO) und berücksichtigt dabei das Interesse des Klägers. Weitere Grundlagen für die Streitwertfestsetzung finden sich in spezialgesetzlichen Bestimmungen, etwa im FamFG oder GKG. Das Gericht kann die Parteien zur Angabe ihrer Interessenhöhe auffordern, ist daran jedoch nicht gebunden, sondern trifft am Ende eine eigenständige Entscheidung unter Berücksichtigung aller Umstände.

Welche Auswirkungen hat der Gebührenstreitwert auf die Gerichtskosten?

Die Höhe der Gerichtskosten richtet sich maßgeblich nach dem festgesetzten Gebührenstreitwert. Die Kosten werden gemäß dem Gerichtskostengesetz (GKG) oder anderen relevanten Kostengesetzen in einer Gebührenstaffel berechnet, wobei mit steigendem Streitwert die Kosten exponentiell ansteigen. Dies betrifft sowohl die Verfahrensgebühr als auch andere anfallende gerichtliche Gebühren. Die korrekte Festlegung des Streitwerts ist demnach nicht nur für den Kostenvorschuss (§ 67 GKG), sondern auch für die endgültige Kostenerhebung und mögliche Erstattungsansprüche von zentraler Bedeutung.

Ist der Gebührenstreitwert bindend bzgl. der Anwaltsvergütung?

Ja, der Gebührenstreitwert ist auch für die Vergütung der Rechtsanwälte maßgeblich, da sich viele Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) am Streitwert orientieren. Das gilt vor allem im Bereich der Gebührentatbestände für außergerichtliche und gerichtliche Tätigkeiten (insbesondere VV RVG Nr. 3100 ff., 1000 ff.). Wird der Streitwert später geändert, etwa durch eine gerichtliche Zwischen- oder Schlussentscheidung, so erfolgt auch eine Anpassung der Anwaltsgebühren. Es ist daher für Anwälte von erheblicher Bedeutung, Einfluss auf die Streitwertfestsetzung zu nehmen und diese ggf. anzufechten.

Kann der Gebührenstreitwert nachträglich geändert werden?

Der Gebührenstreitwert ist nicht in jedem Fall endgültig mit der ersten Festsetzung bestimmt. Besondere Bedeutung hat die Regelung des § 63 GKG, nach deren Maßgabe das Gericht den Streitwert jederzeit von Amts wegen oder auf Antrag anpassen kann, soweit sich im Laufe des Verfahrens das wirtschaftliche Interesse ändert (zum Beispiel durch Teilklagerücknahme, Klagänderung oder Sacherweiterung). Auch nach Abschluss des Verfahrens ist binnen sechs Monaten die Änderung auf Antrag zulässig. Diese nachträgliche Korrektur wirkt sich auf die Kostenpflicht aus – etwa bei der anwaltlichen Vergütung oder den Gerichtskosten.

Wie kann gegen die Festsetzung des Gebührenstreitwerts vorgegangen werden?

Die Parteien können gegen die Festsetzung des Streitwerts gemäß § 68 GKG ein Rechtsmittel in Form der Erinnerung einlegen, wenn sie nach Ansicht sind, dass der Wert zu hoch oder zu niedrig angesetzt wurde. Die Erinnerung ist beim Gericht der Hauptsache einzubringen und bedarf keiner besonderen Form, muss aber begründet werden. Im weiteren Verfahren entscheidet in der Regel das übergeordnete Gericht (bei Amtsgerichten die nächste Instanz, bei Landgerichten das Landgericht selbst durch den Einzelrichter). Die Erinnerung ist insbesondere bedeutsam, um eine Belastung mit überhöhten Gerichtskosten oder unberechtigten Anwaltsgebühren zu vermeiden.

Gibt es Besonderheiten beim Gebührenstreitwert in speziellen Verfahrensarten?

Ja, im Familienrecht, Arbeitsrecht und Verwaltungsrecht gelten teilweise abweichende Regelungen zur Streitwert-Berechnung. Beispielsweise sind im FamFG für bestimmte Verfahren (z. B. Scheidung, Kindschaftssachen) die Streitwerte durch Gesetz oder Verordnung pauschal oder durch bestimmte Berechnungsvorgaben festgelegt (§ 43 FamFG, Streitwertkatalog). Im Arbeitsrecht gibt es vereinfachende Regelungen zur Streitwert-Bestimmung nach Maßgabe der Arbeitsgerichtsbarkeit sowie Besonderheiten bei Statusverfahren. Auch im Verwaltungsprozessrecht (VwGO) existieren eigene Vorschriften, die Einfluss auf die Wertbemessung nehmen und Abweichungen von der ZPO darstellen.

Wie wird der Gebührenstreitwert in Verfahren mit mehreren Ansprüchen berechnet?

Erhebt eine Partei mehrere Ansprüche in einer Klage (sog. objektive Klagehäufung), werden die Werte der einzelnen Ansprüche grundsätzlich addiert (§ 5 ZPO). Allerdings gibt es Ausnahmen, etwa wenn ein Anspruch den anderen wirtschaftlich ausschließt oder überlappt. In solchen Fällen wird nur der höchste oder ein entsprechend gekürzter Wert angesetzt, um eine realistische Bewertung des Interesses und der Kosten zu gewährleisten. Bei verbundenen Klagen oder Streitgegenständen, die nur teilweise denselben Gegenstand betreffen, erfolgt eine Einzelfallprüfung durch das Gericht, um Doppelbewertungen zu vermeiden.