Begriffserläuterung: Freischuss
Der Freischuss ist ein in der deutschen Rechtsordnung verankerter Begriff, der insbesondere im Rahmen von Hochschulprüfungen Anwendung findet. Er umschreibt das Recht von Prüflingen, eine Prüfungsleistung unter bestimmten Voraussetzungen „versuchsweise”, das heißt ohne Anrechnung auf die reguläre Anzahl der Prüfungsversuche, abzulegen. Der Freischuss findet maßgeblich in den Prüfungsregelungen zahlreicher Studiengänge Anwendung und ist insbesondere im rechtswissenschaftlichen Bereich (Erste Juristische Prüfung) und in verschiedenen landesrechtlichen Prüfungsordnungen verankert. Die konkrete Ausgestaltung, die Voraussetzungen, die Auswirkungen auf die Prüfungsbiografie sowie die rechtlichen Grundlagen sind Gegenstand detaillierter Regelungen und vielfacher Rechtsprechung.
Rechtliche Grundlagen des Freischusses
Gesetzliche Regelungen
Die gesetzlichen Grundlagen für den Freischuss finden sich nicht kodifiziert im Bundesgesetz, sondern setzen sich vorrangig aus den jeweiligen Studien- und Prüfungsordnungen sowie Landesgesetzen zusammen.
Rechtswissenschaft (Juristische Ausbildung)
Im rechtswissenschaftlichen Bereich ist der Freischuss insbesondere in den Landesgesetzen zur Ausbildung und Prüfung von Juristinnen und Juristen (zum Beispiel dem JAG – Juristenausbildungsgesetz) geregelt. Die Regelungen zum Freischuss sind nicht bundesweit einheitlich, sondern unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland.
Beispielhaft regelt § 22 des Hamburgischen Juristenausbildungsgesetzes (HJAG) das Freischussverfahren. Entsprechende Regelungen finden sich auch in den JAG der Länder Bayern, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und anderer Bundesländer.
Weitere Anwendungsbereiche
Neben der juristischen Ausbildung existieren auch in anderen Studiengängen Freischussregelungen, beispielsweise in der Medizin, Pharmazie oder im Lehramtsstudium. Deren rechtliche Grundlage bilden die jeweiligen Prüfungsordnungen der Hochschulen sowie landesrechtliche Ausbildungsgesetze, wie das Landeshochschulgesetz (LHG) oder das Hochschulgesetz (HG).
Rechtsprechung und Verwaltungspraxis
Die Ausgestaltung und Auslegung der Freischussregelungen ist vielfach Gegenstand von Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, insbesondere im Zusammenhang mit Anfechtungen von Prüfungsentscheidungen, Anerkennung von Freischussvoraussetzungen oder Härtefallregelungen.
Voraussetzungen des Freischusses
Voraussetzungen im Überblick
Der Freischuss kann in der Regel nur unter bestimmten Voraussetzungen in Anspruch genommen werden:
- Regelstudienzeit: Die Prüfungsleistung muss zumeist binnen der Regelstudienzeit oder innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens nach deren Ablauf, häufig mit einer Toleranzfrist, abgelegt werden.
- Erfüllung bestimmter Leistungsanforderungen: Bis zum Antritt der Freischussprüfung müssen oftmals sämtliche erforderlichen Leistungsnachweise erbracht worden sein.
- Kein vorheriger endgültiger Nichtbestehensversuch: Der Freischuss ist in der Regel nur möglich, wenn die betreffende Prüfung erstmals abgelegt wird und bisher kein endgültiger Misserfolg eingetreten ist.
Beispielhaft bestimmt das Bayerische Juristenausbildungsgesetz (BayJAG), dass die Erste Juristische Staatsprüfung als Freischuss abgelegt werden kann, wenn bestimmte Fristen (Regelstudienzeit plus ein Semester) eingehalten und erforderliche Leistungsnachweise rechtzeitig erbracht wurden.
Rechtsfolgen des Freischusses
Auswirkungen eines nicht bestandenen Freischusses
Wird die Prüfungsleistung im Rahmen des Freischusses nicht bestanden, bleibt dies grundsätzlich ohne Auswirkung auf die erlaubte Zahl der regulären Prüfungsversuche. Das heißt, die Prüfung gilt als nicht abgelegt und es entsteht kein Malus im Sinne eines Fehlversuchs. Die Wiederholung ist in vollem Umfang möglich.
Auswirkungen bei Bestehen und Notenverbesserung
Wird die Prüfungsleistung im Freischuss bestanden, wird das Prüfungsergebnis regulär anerkannt. Viele Prüfungsordnungen sehen zudem eine Möglichkeit zur Notenverbesserung vor: Besteht der Prüfling eine Freischussprüfung, darf er diese einmalig zur Notenverbesserung wiederholen. In diesem Fall bleibt das bessere Ergebnis bestehen. Die Bedingungen und Fristen für eine Notenverbesserung sind je nach Studiengang und Prüfungsordnung unterschiedlich ausgestaltet.
Abgrenzung zu ähnlichen Rechtsinstituten
Rücktritt und Fernbleiben
Ein Freischuss unterscheidet sich maßgeblich von einem Rücktritt oder dem entschuldigten Fernbleiben von einer Prüfung. Während bei Rücktritt oder entschuldigtem Fernbleiben die Prüfungsleistung nicht als Fehlversuch gewertet wird, wird der Freischuss darüber hinaus gezielt als „nicht zählender” Prüfungsversuch eingesetzt, selbst wenn die Prüfung absolviert wurde.
Härtefallregelungen
Die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Freischusses ist regelmäßig an die Erfüllung starrer Fristen oder Voraussetzungen gebunden. Allerdings sehen viele Prüfungsordnungen Ausnahmeregelungen für Härtefälle vor. Hierbei kann beispielsweise durch Nachweis schwerwiegender persönlicher oder familiärer Gründe eine Verlängerung der Freischussfrist beantragt werden.
Rechtliche Bewertung und praktische Bedeutung
Sinn und Zweck des Freischusses
Der Freischuss dient dem Zweck, leistungsstarken Studierenden einen Anreiz zur frühzeitigen Ablegung der Prüfung zu geben, ohne das Risiko eines regulären Fehlversuchs einzugehen. Er trägt so zur Verkürzung der Studiendauer bei und belohnt besondere Studienleistungen.
Kritik und Diskussion
Kritisch wird angemerkt, dass die sehr starren Fristen des Freischusses insbesondere Studierende mit atypischen Lebensläufen, chronischen Erkrankungen oder familiären Verpflichtungen benachteiligen könnten. Die administrativen Hürden zur Erlangung einer Härtefallregelung sind teilweise hoch, was in Rechtsprechung und Literatur regelmäßig diskutiert wird.
Zusammenfassung
Der Freischuss stellt ein wesentliches Prüfungsinstrument im deutschen Hochschulrecht dar, das in zahlreichen Prüfungsordnungen und landesrechtlichen Vorschriften verankert ist. Die Regelungen zum Freischuss sind differenziert und variieren je nach Bundesland, Studiengang und konkreter Prüfungsordnung. Im Kern ermöglicht der Freischuss unter bestimmten Voraussetzungen das Ablegen einer Prüfungsleistung ohne Anrechnung auf die regulären Prüfungsversuche. Im Falle des Bestehens bestehen zusätzliche Rechte zur Notenverbesserung. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind durch zahlreiche Gesetze, Verordnungen und die einschlägige Rechtsprechung geprägt und unterliegen einer fortlaufenden Weiterentwicklung.
Häufig gestellte Fragen
Welche gesetzlichen Grundlagen regeln den Freischuss und wo sind diese zu finden?
Der rechtliche Rahmen für den sogenannten “Freischuss” wird in Deutschland überwiegend durch die jeweiligen Hochschulgesetze der Länder, die entsprechenden Hochschulprüfungsordnungen sowie die spezifischen Studiengangsprüfungsordnungen geregelt. Insbesondere gibt es keine bundeseinheitliche Regelung, sodass die Voraussetzungen, das Verfahren und die Rechtsfolgen länderspezifisch variieren können. Typischerweise enthalten beispielsweise das Hochschulgesetz eines Bundeslandes (§§ zu Studien- und Prüfungsangelegenheiten) sowie die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen für Rechts- und medizinische Studiengänge detaillierte Vorschriften dazu, wann und unter welchen Voraussetzungen ein Freischuss in Anspruch genommen werden darf. In der Regel ist die Regelstudienzeit einzuhalten und bestimmte Fristen zu beachten. Zusätzlich verweisen die Prüfungsämter in ihren Verwaltungsvorschriften häufig auf weiterführende Details. Für eine gerichtliche Überprüfung sind zudem Entscheidungen der Verwaltungsgerichte maßgeblich, die gelegentlich interpretative Maßstäbe zu unklaren Gesetzesformulierungen setzen.
Wer entscheidet im Streitfall über die Gewährung eines Freischusses?
Die primäre Zuständigkeit zur Entscheidung über die Gewährung eines Freischusses liegt beim jeweils zuständigen Prüfungsamt der Hochschule. Dieses Amt prüft, ob die gesetzlichen und satzungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Im Falle einer ablehnenden Entscheidung kann der Antragsteller Widerspruch einlegen, wobei gegebenenfalls eine Widerspruchsstelle innerhalb der Hochschule den Vorgang nochmals überprüft. Wird auch dieser Widerspruch abgelehnt, steht dem Antragsteller grundsätzlich der ordentliche Verwaltungsrechtsweg offen. Zuständig ist dabei zunächst das örtlich zuständige Verwaltungsgericht, das prüft, ob die Entscheidung der Hochschule rechtmäßig war. In Einzelfällen können auch Ombudsstellen oder Schlichtungsstellen innerhalb der Hochschule konsultiert werden, deren Entscheidungen jedoch in der Regel keinen rechtsverbindlichen Charakter besitzen.
Welche rechtlichen Folgen hat die Inanspruchnahme eines Freischusses bei Nichtbestehen einer Prüfung?
Wird ein Freischuss rechtswirksam in Anspruch genommen, so sieht die Rechtsfolge in der Regel vor, dass ein Nichtbestehen der Prüfung – entgegen der sonstigen Vorschriften – als nicht unternommen gewertet wird. Das bedeutet, dass kein Prüfungsversuch angerechnet wird, Fristen weder beginnen noch weiterlaufen, und etwaige Prüfungswiederholungen nicht tangiert werden. Die Rechtsfolge gilt jedoch ausschließlich unter strenger Beachtung der in der Prüfungsordnung genannten Voraussetzungen; das Nichtbestehen darf nicht auf Täuschung, Plagiat oder Ordnungsverstoß beruhen. In medizinischen und juristischen Studiengängen kann zudem eine Verbesserungsklausel vorgesehen sein, die bei einem erstmaligen Bestehen im Freischuss eine Notenverbesserung durch Wiederholung möglich macht.
Können Härtefallregelungen für die Fristen des Freischusses beantragt werden?
Das Hochschulrecht sieht grundsätzlich die Möglichkeit vor, dass in besonderen Härtefällen (z.B. längere Krankheit, Schwangerschaft, Pflege von Angehörigen) die für den Freischuss maßgeblichen Fristen angepasst oder verlängert werden können. Voraussetzung ist in der Regel ein rechtzeitig gestellter Antrag sowie die Vorlage entsprechender Nachweise (z.B. ärztliche Atteste). Die jeweilige Prüfungsordnung bestimmt im Detail, unter welchen Umständen ein Härtefall vorliegen kann und welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben (z.B. Nachholung des Freischusses, Fristverlängerung). Die Entscheidung liegt regelmäßig im Ermessen des Prüfungsamtes, wobei nach § 114 VwGO gerichtlich überprüfbar ist, ob das Ermessen fehlerfrei ausgeübt wurde.
Sind Rechtsmittel gegen eine ablehnende Entscheidung über den Freischuss möglich?
Ja, gegen eine ablehnende Verwaltungsentscheidung hinsichtlich des Freischusses, sei es bezüglich der Gewährung, Fristverlängerung oder einer etwaigen Notenverbesserung, stehen dem Betroffenen die regulären verwaltungsrechtlichen Rechtsmittel offen. Dies umfasst zunächst den Widerspruch (sofern nach Landesrecht vorgesehen) und im Anschluss die Klage zum Verwaltungsgericht. In den meisten Bundesländern ist das Verwaltungsgericht erster Instanz. Bei Rechtsstreitigkeiten über Regelungen zum Freischuss werden regelmäßig Fragen wie Gleichbehandlung, Vertrauensschutz und rechtliches Gehör erörtert. Die betroffene Person hat das Recht, den gesamten Verwaltungsakteingang einsehen zu dürfen, um ihre Interessen sachgerecht vertreten zu können.
Was muss rechtlich beachtet werden, wenn während der Freischussfrist Prüfungen krankheitsbedingt versäumt werden?
Erkrankt ein Prüfling während der maßgeblichen Freischussfrist und kann er deshalb eine Prüfung nicht wahrnehmen, so regeln die Prüfungsordnungen üblicherweise, dass durch die rechtzeitige Vorlage eines ärztlichen Attests eine Fristverlängerung oder eine Zulassung zu einem späteren Freischuss möglich ist. Maßgeblich ist, dass das Attest unverzüglich vorgelegt und die Erkrankung zweifelsfrei attestiert ist, wobei ggf. ein amtsärztliches Attest verlangt wird. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (u.a. BVerwG) ist die Möglichkeit der Nachholung prinzipiell zu gewähren, soweit kein Missbrauch vorliegt und die subjektiven Prüfungsbedingungen erheblich beeinträchtigt sind. Wichtig ist, dass mit dem Prüfungsamt eine verbindliche Abstimmung erfolgt und sämtliche Fristen eingehalten werden, um Rechtsnachteile zu vermeiden.