Begriff und rechtliche Einordnung von Freiexemplaren
Definition von Freiexemplaren
Freiexemplare sind Exemplare eines Werkes, die ohne gesonderte Berechnung an bestimmte Personen oder Institutionen abgegeben werden. Der Begriff findet vor allem im Verlagswesen, bei der Verbreitung von gedruckten Medien wie Büchern, Zeitungen und Zeitschriften sowie im Kontext von Urheberrecht und Pflichtexemplarabgaben Anwendung. Freiexemplare können verschiedene rechtliche Grundlagen besitzen und umfassen sowohl gesetzlich vorgeschriebene als auch vertraglich vereinbarte Exemplare.
Arten von Freiexemplaren
Vertraglich vereinbarte Freiexemplare
Im Verlagsrecht werden Freiexemplare oft als Bestandteil von Autorenverträgen geregelt. Autoren erhalten in der Regel vertraglich festgelegte Exemplare ihres veröffentlichten Werks ohne zusätzliche Zahlung. Die Anzahl und Art der Exemplare (gebundene Ausgabe, Taschenbuch, Sonderausgaben) sind dabei individuell verhandelbar und werden im Verlagsvertrag festgelegt.
Gesetzlich vorgeschriebene Freiexemplare (Pflichtexemplare)
Gesetzlich vorgeschriebene Freiexemplare sind insbesondere Pflichtexemplare, die nach den jeweiligen Landesgesetzen der Bundesländer an nationale und regionale Bibliotheken abzuliefern sind. In Deutschland regelt dies das Gesetz über die Ablieferung von Pflichtexemplaren an die Deutsche Nationalbibliothek (DNBG) auf Bundesebene sowie die jeweiligen Landesmediengesetze auf Landesebene. Ziel ist die Archivierung und Bibliothekserschließung sämtlicher Publikationen.
Werblich motivierte Freiexemplare (Rezensionsexemplare)
Freiexemplare werden häufig für Marketing- und Werbezwecke bereitgestellt, z. B. als Rezensionsexemplare für die Presse, Influencerinnen oder Buchhändler. Ziel ist die Steigerung der Bekanntheit und Reichweite eines Werkes. Die Abgabe erfolgt in der Regel freiwillig und orientiert sich an den Marketingstrategien der Verlage oder Urheber.
Rechtsrahmen für Freiexemplare
Verlagsrechtliche Bestimmungen
Das Verlagsrecht, insbesondere geregelt durch das Verlagsgesetz (VerlG), sieht in § 15 VerlG vor, dass dem Urheber im Rahmen eines Verlagsvertrages mindestens fünf kostenneutrale Belegexemplare zustehen, sofern nichts anderes vereinbart wurde. Die genaue Zahl und Ausgestaltung können vertraglich angepasst werden.
Urheberrechtsgesetz (UrhG)
Das Urheberrechtsgesetz (UrhG) gibt keine expliziten Regelungen zu Freiexemplaren vor. Gleichwohl sind die Rechte aus den Freiexemplaren auch am Urheberrecht zu messen, da Urheber durch die Überlassung von Freiexemplaren einen geldwerten Vorteil erlangen, der Teil der Vergütung für die Rechteübertragung sein kann. In manchen Fällen sind Freiexemplare sogar steuerlich relevant.
Gesetzliche Ablieferungspflichten (Pflichtexemplare)
Gemäß § 16 Abs. 1 DNBG ist jeder, der in Deutschland ein Werk veröffentlicht, verpflichtet, zwei Freiexemplare an die Deutsche Nationalbibliothek abzugeben. Die Bundesländer haben darüber hinaus eigene Regelungen für die Ablieferung von Freiexemplaren an Landes- oder Regionalbibliotheken. Die Einhaltung dieser Ablieferungspflicht stellt sicher, dass sämtliche im Bundesgebiet erschienen Publikationen dokumentiert und archiviert werden.
Steuerrechtliche Aspekte
Die Bereitstellung von Freiexemplaren ist nach deutschem Umsatzsteuergesetz (UStG) relevant, sofern diese für nicht überwiegend unternehmerische Zwecke abgegeben werden. In der Regel gilt die Abgabe von Freiexemplaren als unentgeltliche Wertabgabe (§ 3 Abs. 1b UStG) und ist somit umsatzsteuerpflichtig, sofern kein Ausnahmetatbestand greift (z.B. bei Pflichtabgaben an Bibliotheken).
Wettbewerbsrechtliche Beachtung
Die Abgabe von Freiexemplaren zu Werbezwecken kann wettbewerbsrechtliche Fragestellungen aufwerfen, etwa im Hinblick auf das Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Voraussetzung ist, dass die Abgabe nicht gegen bestehende Regelungen zur Werbeartikelfreigrenze oder Good-Practice-Verhaltensregeln verstößt.
Praxisrelevanz und Anwendungsbereiche
Buchverlage und Autoren
Im Vertragsverhältnis zwischen Buchverlagen und Autoren sind Freiexemplare ein häufiges Gestaltungsmittel bei der Ausgestaltung der Vergütung des Autors und der gegenseitigen Rechte und Pflichten. Gängige Praxis ist das Überlassen einer festgelegten Anzahl von Belegexemplaren unmittelbar nach Veröffentlichung des Werkes.
Zeitschriften- und Zeitungsverlage
In der Pressebranche stellen Verlage regelmäßig Freiexemplare an Redaktionen, Werbepartner oder Medienverteiler zur Verfügung. Der genaue Umfang wird individuell geregelt, ist aber häufig Bestandteil von Vertriebsvereinbarungen und Marketingstrategien.
Wissenschaftliche Publikationen
Im wissenschaftlichen Sektor erhalten Autoren oft eine Anzahl von sogenannten „Autorenexemplaren”, die als Freiexemplare ohne zusätzliche Kosten zu Lehr- und Forschungszwecken verwendet werden dürfen. Dabei gelten entsprechende Verlagsbedingungen und interne Regelwerke der Institutionen.
Pflichtexemplarabgabe an Bibliotheken
Die rechtlich vorgeschriebene Abgabe von Freiexemplaren an öffentliche Bibliotheken ist speziell im Verlagswesen von zentraler Bedeutung. Das Nichtbefolgen dieser Pflicht kann zu Ordnungswidrigkeiten und Bußgeldern führen, wie sie in den Landesmediengesetzen geregelt werden können.
Abgrenzungen und Besonderheiten
Unterschied zu Werkbelegen und Musterstücken
Freiexemplare sind von reinen Werkbelegen oder Musterstücken zu unterscheiden: Während Freiexemplare im Regelfall zur dauerhaften Nutzung bereitgestellt werden, dienen Musterexemplare oft nur zu Prüf- und Demonstrationszwecken.
Steuerrechtliche Bewertung bei Sachzuwendungen
Die Abgabe von Freiexemplaren kann in steuerlicher Hinsicht als geldwerter Vorteil zu betrachten sein, was Einkommensteuer- und Umsatzsteuerfolgen auslösen kann. Besonders bei der Abgrenzung von Werbegeschenken zu vertraglich geschuldeten Freiexemplaren ist auf die jeweilige Höchstbetraggrenze bzw. Pauschalierungsregelung zu achten.
Rechtsprechung und Literatur
Gerichtsurteile und Fachliteratur thematisieren wiederholt die genaue Ausgestaltung und steuerliche Behandlung von Freiexemplaren. Maßgebliche Orientierungspunkte sind neben dem Verlagsvertrag vor allem die gesetzlichen Ablieferungsvorschriften sowie steuerrechtliche Kommentierungen zum UStG.
Zusammenfassung
Freiexemplare sind ein integraler Bestandteil des deutschen Buch-, Verlags- und Bibliothekswesens. Sie unterliegen je nach Zweck – ob als vertraglich geregelte Autorenexemplare, gesetzlich vorgeschriebene Pflichtexemplare oder freiwillig abgegebene Rezensionsexemplare – unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen. Wesentliche Regelungsbereiche umfassen das Verlagsgesetz, das Gesetz über die Ablieferung von Pflichtexemplaren, steuerrechtliche Vorgaben sowie wettbewerbsrechtliche Bestimmungen. Ihre richtige rechtliche Einordnung und Behandlung ist sowohl für Verlage als auch für Urheber, Nutzende und Institutionen von großer Bedeutung.
Häufig gestellte Fragen
Wann dürfen Verlage Freiexemplare ohne Zustimmung der Rechteinhaber herausgeben?
Die Herausgabe von Freiexemplaren durch Verlage ist rechtlich nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Grundsätzlich bedarf jede Vervielfältigung oder Verbreitung eines urheberrechtlich geschützten Werkes der Zustimmung der Rechteinhaber, das heißt in der Regel des Autors oder Lizenzgebers. Die Verlagsverträge regeln meist, ob und in welchem Umfang der Verlag das Recht hat, Freiexemplare zu erstellen und zu verteilen. Ohne eine explizite Vereinbarung ist der Verlag nicht berechtigt, Freiexemplare unentgeltlich an Dritte weiterzugeben. Zulässig ist dies regelmäßig nur dann, wenn der Verlagsvertrag eine entsprechende Klausel enthält – beispielsweise, dass dem Autor und/oder bestimmten Personen eine festgelegte Anzahl von Freiexemplaren zusteht. Fehlt eine derartige Klausel, kann jede unautorisierte Herausgabe als Urheberrechtsverletzung gewertet werden, die Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz nach sich ziehen kann.
Welche gesetzlichen Regelungen gelten für die Herausgabe von Freiexemplaren?
Im deutschen Urheberrecht ist die Herausgabe von Freiexemplaren nicht explizit im Gesetz geregelt, sondern ergibt sich aus dem allgemeinen Grundsatz, dass Vervielfältigungen und Verbreitungen nur mit Zustimmung des Urhebers gestattet sind (vgl. §§ 15, 16, 17 UrhG). Die Regelungen dazu werden normativ üblicherweise im Verlagsvertrag getroffen. Dabei wird die Anzahl, der Kreis der Begünstigten und der Verwendungszweck der Freiexemplare festgelegt. Der Verlag muss dabei außerdem beachten, dass Freiexemplare keine entgeltlichen Handelswaren sind; ihre Weitergabe darf weder dem Umsatz von Verlagsprodukten dienen noch gegen Buchpreisbindungsgesetze oder Wettbewerbsrecht verstoßen. Relevant können auch steuerliche Vorschriften werden, da die unentgeltliche Abgabe von Exemplaren unter bestimmten Voraussetzungen umsatzsteuerpflichtig sein kann.
Haben Autoren einen gesetzlichen Anspruch auf Freiexemplare?
Ein gesetzlicher Anspruch von Autoren auf Freiexemplare besteht nicht. Ob und wie viele Freiexemplare der Autor erhält, ergibt sich ausschließlich aus dem zwischen Autor und Verlag geschlossenen Verlagsvertrag. In der Praxis hat sich eingebürgert, dass Autoren eine bestimmte Anzahl (beispielsweise fünf bis zwanzig Stück) als persönliche Belegexemplare erhalten. Ist im Vertrag keine Regelung enthalten, besteht kein automatischer Anspruch. Einige Verbandsverträge, wie etwa der Normvertrag für den Abschluss von Verlagsverträgen, sehen entsprechende Regelungen vor, diese sind aber nur verbindlich, wenn sie vertraglich vereinbart wurden.
Müssen Freiexemplare gekennzeichnet werden?
Im rechtlichen Sinne gibt es keine explizite Verpflichtung, Freiexemplare zu kennzeichnen. Dennoch empfiehlt es sich aus Gründen der Dokumentation sowie zur Vermeidung von Preisbindungsverstößen, Freiexemplare als solche oder als Belegexemplare kenntlich zu machen, beispielsweise durch einen entsprechenden Aufdruck oder Stempel. Insbesondere im Bereich der wissenschaftlichen Literatur ist dies üblich. Eine fehlende Kennzeichnung kann jedoch, sofern die vertraglichen Vorgaben eingehalten werden, keine rechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen, solange keine Täuschung über den Status des Exemplars erfolgt und keine geltenden Buchpreisbindungsregeln umgangen werden.
Dürfen Freiexemplare verkauft oder weitergegeben werden?
Die rechtliche Zulässigkeit des Verkaufs oder der Weitergabe von Freiexemplaren hängt sowohl von urheberrechtlichen Bestimmungen als auch von vertraglichen Vorgaben ab. Grundsätzlich darf jeder Eigentümer eines Buches dieses – nach dem Erschöpfungsgrundsatz des Urheberrechts – weiterverkaufen, wenn es legal in den Verkehr gebracht wurde (§ 17 Abs. 2 UrhG). Allerdings können Verlags- oder Autorenverträge Einschränkungen festlegen, etwa dass Freiexemplare nicht für den Weiterverkauf bestimmt sind, sondern lediglich als Belegexemplare dienen sollen. Werden solche Vorgaben verletzt, drohen vertragsrechtliche Konsequenzen. Die kommerzielle Verwertung von als Freiexemplar gekennzeichneten Büchern kann zudem zu Problemen mit der Buchpreisbindung führen oder als wettbewerbswidrig angesehen werden, wenn damit Marktpreise unterlaufen werden.
Was ist bei der steuerlichen Behandlung von Freiexemplaren zu beachten?
Bei der steuerlichen Behandlung von Freiexemplaren unterscheidet das deutsche Umsatzsteuerrecht grundsätzlich zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Lieferungen. Die unentgeltliche Abgabe von Druckerzeugnissen, wozu auch Freiexemplare zählen, kann grundsätzlich als unentgeltliche Wertabgabe (§ 3 Abs. 1b UStG) einen umsatzsteuerbaren Vorgang darstellen, sofern der Verlag für die Herstellung der Freiexemplare zum Vorsteuerabzug berechtigt war. In der Praxis sind Freiexemplare an Autoren, Mitarbeiter oder Pressevertreter jedoch oft von der Umsatzsteuerpflicht befreit bzw. als „Handmuster” anerkannt. Dennoch empfiehlt es sich, im Einzelfall mit dem Steuerberater Rücksprache zu halten und die Handhabung im Rahmen der Betriebsprüfung dokumentieren zu können.
Welche Risiken bestehen für Verlage bei einer unsachgemäßen Ausgabe von Freiexemplaren?
Verlage laufen bei einer Ausgabe von Freiexemplaren ohne vertragliche Grundlage oder entgegen bestehenden Vereinbarungen das Risiko von urheber- und vertragsrechtlichen Ansprüchen. Autoren können Unterlassungsansprüche, Schadensersatzforderungen oder eine Nachvergütung geltend machen. Bei Verstoß gegen Auflagen der Buchpreisbindung drohen zudem wettbewerbsrechtliche Abmahnungen. Wird Freiexemplaren ein Marktwert beigemessen oder werden sie gezielt zur Umgehung marktüblicher Preise eingesetzt, kann dies außerdem einen Verstoß gegen das Preisbindungsrecht und unlauteren Wettbewerb darstellen. Steuerrechtliche Risiken bestehen bei nicht ordnungsgemäßer Dokumentation und Umsatzbesteuerung, was bei einer Betriebsprüfung nachteilige Konsequenzen haben kann.