Legal Lexikon

Freie Berufe


Begriff und rechtliche Einordnung der Freien Berufe

Die Freien Berufe stellen einen eigenständigen und vielschichtigen Bereich des deutschen Wirtschafts- und Gesellschaftsrechts dar. Sie unterscheiden sich sowohl in ihrer rechtlichen Stellung als auch in ihrer wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung grundlegend von gewerblichen Tätigkeiten. Der Begriff „Freie Berufe” ist gesetzlich nicht einheitlich definiert, wird jedoch vor allem im Einkommensteuergesetz, im Partnerschaftsgesellschaftsgesetz und in verschiedenen standesrechtlichen Vorschriften verwendet und durch die langjährige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs präzisiert.

Historische Entwicklung und Bedeutung

Die Herausbildung der Freien Berufe geht auf das 19. Jahrhundert zurück und ist eng mit dem gesellschaftlichen Wandel und der Entstehung beratender, wissenschaftlicher und künstlerischer Tätigkeiten verknüpft. Freie Berufe waren klassisch Berufe, bei denen ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Mandanten und eine persönliche, unabhängige, eigenverantwortliche Dienstleistung im Vordergrund stand.

Rechtsquellen und gesetzliche Grundlagen

Einkommensteuergesetz (EStG)

Grundlage für die rechtliche Abgrenzung freiberuflicher von gewerblichen Tätigkeiten bildet § 18 Absatz 1 Nummer 1 EStG. Laut diesem gelten als freiberufliche Tätigkeiten insbesondere:

  • selbstständige Berufsausübung als Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Rechtsanwalt, Notar, Ingenieur, Architekt, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratender Volks- und Betriebswirt, vereidigter Buchprüfer, Heilpraktiker, Journalist, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer sowie ähnliche Berufe.

Das Gesetz zählt diese sogenannten Katalogberufe abschließend auf und öffnet zugleich durch die Formulierung „ähnliche Berufe” die Möglichkeit, auch neue oder verwandte Berufsbilder als Freie Berufe einzuordnen.

Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG)

Das Partnerschaftsgesellschaftsgesetz trifft spezifische Regelungen für Personen, die in freiberuflicher Partnerschaft zusammenarbeiten. In § 1 Absatz 2 PartGG wird der Begriff weiter präzisiert: Freie Berufe sind demnach „die selbständige Ausübung wissenschaftlicher, künstlerischer, schriftstellerischer, unterrichtender oder erzieherischer Tätigkeiten oder die selbständige Berufsausübung der in § 18 Absatz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes bezeichneten Berufe oder ähnlicher Berufe”.

Weitere Rechtsvorschriften

Neben den oben genannten Gesetzen finden sich detaillierte Regelungen in den jeweiligen Berufsgesetzen (z. B. Bundesärzteordnung, Bundessteuerberaterordnung) und den Berufsordnungen der verschiedenen Professionen.

Wesensmerkmale der Freien Berufe

Geistige, persönliche und eigenverantwortliche Dienstleistung

Charakteristisch für die Tätigkeit in einem Freien Beruf ist die eigenständige geistige Leistung. Im Mittelpunkt steht stets die persönliche, eigenverantwortliche Erbringung der Dienstleistung auf der Basis besonderer fachlicher Qualifikation. Diese Merkmale grenzen die Freien Berufe zentral von gewerblichen Tätigkeiten ab, bei denen die persönliche Leistungserbringung kein zwingendes Kriterium ist.

Qualifikation und besondere Vertrauensstellung

Freie Berufe setzen in der Regel ein abgeschlossenes Hochschulstudium oder eine mindestens gleichwertige Ausbildung voraus. Zudem liegt ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Auftraggeber beziehungsweise Patienten zugrunde, das über die bloße Vertragserfüllung hinausgeht.

Weisungsunabhängigkeit

Die Selbstständigkeit in Organisation und Ausführung der beruflichen Aufgaben ist zwingende Voraussetzung. Freiberufliche Tätigkeiten unterliegen im Regelfall nicht den Weisungen Dritter.

Abgrenzung zwischen freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit

Steuerrechtliche Abgrenzungskriterien

Die korrekte Einordnung einer Tätigkeit als freiberuflich oder gewerblich hat insbesondere im Steuerrecht erhebliche Auswirkungen, etwa im Hinblick auf die Gewerbesteuerpflicht. Während freiberufliche Tätigkeiten von der Gewerbesteuer befreit sind, unterliegen gewerbliche Tätigkeiten dieser Abgabe.

Die Finanzverwaltung und Rechtsprechung greifen zur Abgrenzung auf folgende Grundsätze zurück:

  • Die Tätigkeit muss eine der genannten Katalogberufe oder einen diesen ähnlichen Beruf umfassen.
  • Die persönliche Arbeitsleistung des Berufsträgers muss prägend sein; die bloße organisatorische oder gewerbliche Tätigkeit genügt nicht.
  • Bei der Mitarbeit von Angestellten muss der Berufsträger weiterhin leitend und eigenverantwortlich tätig sein, das heißt, die eigene fachliche Tätigkeit muss das Berufsbild bestimmen.

Weitere Abgrenzungskriterien

Nur bei erzieherischen, schriftstellerischen oder künstlerischen Tätigkeiten kann auf ein abgeschlossenes einschlägiges Hochschulstudium verzichtet werden, falls die Qualifikation nachweislich auf andere Weise erworben wurde.

Organisationsformen freiberuflicher Tätigkeit

Einzelpraxis und Sozietät

Die Ausübung eines Freien Berufes kann als Einzelperson oder im Zusammenschluss mit anderen Berufsträgern erfolgen. Neben der klassischen Einzelpraxis sind insbesondere Sozietäten und Partnerschaftsgesellschaften verbreitete Rechtsformen.

Partnerschaftsgesellschaft

Die Partnerschaftsgesellschaft nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz ermöglicht den Zusammenschluss von Freiberuflern zur gemeinsamen Berufsausübung unter besonderer Haftungsbegrenzung für Berufsfehler.

Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)

Eine weitere häufig genutzte Rechtsform ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die auf vertraglicher Grundlage beruht und primär auf die gemeinsame Berufsausübung abzielt.

Sozialrechtliche Aspekte der Freien Berufe

Freiberufler unterliegen regelmäßig nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung, sondern sind in berufsständischen Versorgungswerken organisiert. Diese Versorgungswerke stellen eine eigenständige und verpflichtende Absicherung für verschiedene Freie Berufe dar (z. B. Ärzte, Steuerberater, Architekten).

Besonderheiten der Berufsausübung

Gebührenordnungen

Viele Freie Berufe unterliegen spezifischen Gebührenordnungen (z. B. Gebührenordnung für Ärzte, Gebührenordnung für Steuerberater), die die Vergütung der beruflichen Tätigkeit regeln und oftmals gesetzliche Mindest- oder Höchstsätze vorsehen.

Standesrechtliche Pflichten

Das Standesrecht der einzelnen Professionen legt besondere Pflichten fest, wie etwa Verschwiegenheit, Unabhängigkeit und verpflichtende Fortbildung. Dadurch wird die besondere Vertrauensstellung des Freiberuflers unterstrichen.

Bedeutung und Abgrenzung auf europäischer Ebene

Auch auf europäischer Ebene werden die Freien Berufe zunehmend unionsrechtlich koordiniert, beispielsweise durch Dienstleistungsrichtlinien oder Anerkennung von Berufsqualifikationen. Die nationale Ausgestaltung und Regulierung bleibt jedoch weiterhin maßgeblich.

Übersicht der wichtigsten Freien Berufe (Beispiele)

  • Ärztinnen und Ärzte
  • Zahnärzte
  • Tierärzte
  • Rechtsanwälte und Notare
  • Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Architekten und Ingenieure
  • Psychotherapeuten und Heilpraktiker
  • Journalisten und Übersetzer

Fazit

Freie Berufe sind aus dem deutschen Wirtschafts- und Gesellschaftsleben nicht wegzudenken. Sie vereinen besondere berufliche Qualifikation, Verantwortungsbewusstsein, Unabhängigkeit sowie ein spezielles Vertrauensverhältnis zum Auftraggeber. Ihre rechtliche Abgrenzung zu gewerblichen Berufen bedarf einer sorgfältigen Prüfung, wobei ein hohes Maß an persönlicher Dienstleistung und geistiger Eigenleistung im Vordergrund steht. Die spezifischen gesetzlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen gewährleisten den hohen Standard und die Regelbindung der beruflichen Tätigkeit im Interesse der Allgemeinheit.

Häufig gestellte Fragen

Wann liegt eine Ausübung der freien Berufe im rechtlichen Sinne vor?

Die Ausübung eines freien Berufs im rechtlichen Sinne liegt vor, wenn die Tätigkeit selbstständig, eigenverantwortlich und fachlich unabhängig erbracht wird und auf der Grundlage einer besonderen beruflichen Qualifikation oder schöpferischen Begabung erfolgt. Die Tätigkeit muss auf die Erbringung persönlicher, geistiger Dienstleistungen gerichtet sein und darf keinen handwerklichen oder kaufmännischen Charakter haben. Relevant ist hierbei das Vorliegen der Merkmale gemäß § 18 Abs. 1 EStG sowie die Einordnung durch berufsrechtliche Regelungen, etwa durch die jeweiligen Kammern (wie Ärztekammer, Rechtsanwaltskammer, Architektenkammer) oder durch entsprechende Spezialgesetze. Außerdem ist zu beachten, dass der persönliche Einsatz des Berufsträgers im Mittelpunkt stehen muss; eine Delegation an fachfremde Kräfte oder eine vorwiegend gewerbliche Prägung (z.B. Handel mit Produkten oder Herstellung von Waren) schließen die Anerkennung als freier Beruf rechtlich aus.

Welche Pflichten ergeben sich für Freiberufler im Hinblick auf die Anmeldung der Tätigkeit?

Freiberufler sind verpflichtet, ihre selbstständige Tätigkeit beim zuständigen Finanzamt anzumelden. Eine Gewerbeanmeldung ist nicht erforderlich, da es sich um eine nicht-gewerbliche Tätigkeit handelt. Das Finanzamt prüft anhand eines Fragebogens zur steuerlichen Erfassung, ob es sich tatsächlich um eine freiberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 EStG handelt. In bestimmten Fällen – etwa bei Ärzten, Rechtsanwälten oder Architekten – besteht zusätzlich die Pflicht zur Mitgliedschaft in der jeweiligen berufsständischen Kammer. Verstöße gegen diese Anmeldepflichten können steuerrechtliche oder berufsrechtliche Konsequenzen (z. B. Zwangsgelder, Untersagungen) haben.

Wie wird die Abgrenzung zwischen freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit rechtlich vorgenommen?

Die rechtliche Abgrenzung erfolgt auf Grundlage des Einkommensteuergesetzes (§ 18 EStG für freie Berufe, § 15 EStG für gewerbliche Tätigkeiten) sowie durch zahlreiche Gerichtsentscheidungen, insbesondere des Bundesfinanzhofs (BFH). Charakteristisch für freie Berufe ist die persönliche, individuelle und eigenverantwortliche Dienstleistung, während bei gewerblichen Tätigkeiten der Verkauf von Waren oder eine unternehmerisch geprägte Tätigkeit mit Einsatz von Produktionsmitteln oder Handelswaren im Vordergrund steht. Mischformen (sogenannte „gemischte Tätigkeiten”) werden durch das Prinzip der Gesamtbetrachtung bewertet, wobei der prägende Tätigkeitsteil ausschlaggebend ist. Hierbei kommt es oft zu Streitfällen mit dem Finanzamt, da die steuerlichen Folgen erheblich sein können, etwa hinsichtlich der Gewerbesteuerpflicht.

Welche berufsrechtlichen Einschränkungen gelten für freie Berufe?

Freie Berufe unterliegen in vielen Fällen berufsrechtlichen Einschränkungen, die durch spezielle Gesetze oder Satzungen der jeweiligen Berufsstände, wie das Standesrecht der Rechtsanwälte, Ärzte oder Steuerberater, geregelt werden. Diese Einschränkungen können beispielsweise das Verbot der Fremdbesitzbeteiligung, das Verbot bestimmter Werbemaßnahmen, Verschwiegenheitspflichten, Fortbildungspflichten oder besondere Anforderungen an die Berufsausübungsgemeinschaft (z.B. Partnerschaftsgesellschaft) umfassen. Daneben existieren Zulassungsvoraussetzungen, wie der Nachweis einer staatlich anerkannten Examensprüfung oder Approbation sowie eine verpflichtende Berufshaftpflichtversicherung für bestimmte Berufsgruppen. Ein Verstoß gegen berufsrechtliche Verpflichtungen kann zu berufsgerichtlichen Verfahren oder zum Entzug der Berufszulassung führen.

Welche steuerlichen Besonderheiten gelten für freie Berufe?

Freiberufler unterliegen grundsätzlich der Einkommensteuer, jedoch nicht der Gewerbesteuer, sofern keine gewerblichen Tätigkeiten ausgeübt werden. Sie sind verpflichtet, ihren Gewinn durch eine Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) oder – bei freiwilliger Buchführung oder Überschreiten bestimmter Umsatz-/Gewinngrenzen – durch Bilanzierung zu ermitteln. Umsatzsteuerpflicht besteht grundsätzlich, allerdings können Freiberufler unter den Bedingungen des § 19 UStG die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen. Zudem sind Berufsgruppen wie Ärzte, Heilpraktiker oder bestimmte Therapeuten von der Umsatzsteuerpflicht auf ihre Honorare ausgenommen (§ 4 Nr. 14 UStG), sofern sie heilberufliche Tätigkeiten ausüben. Bei gemischten Tätigkeiten (z. B. zusätzlich Vertrieb von Produkten) ist die steuerliche Einordnung differenziert vorzunehmen.

Welche Rolle spielen Berufskammern und Berufszulassungen für die Ausübung freier Berufe?

Die Berufskammern sind bei den sogenannten „katalogähnlichen Berufen” (z. B. Ärzte, Architekten, Steuerberater) Träger der Selbstverwaltung und für die Überwachung der Berufsausübung, die Vergabe von Berufszulassungen und die Einhaltung des Berufsrechts zuständig. Sie stellen Berufsausweise aus, führen Prüfungen durch und überwachen die Einhaltung berufsrechtlicher Vorschriften. Die Mitgliedschaft ist für die Ausübung vieler katalogmäßiger Freien Berufe verpflichtend, und ohne Zulassung oder Approbation durch die Kammer darf die freiberufliche Tätigkeit nicht aufgenommen werden. Lediglich für die sogenannten „ähnlichen Berufe” besteht keine Kammerpflicht, trotzdem kann eine Anzeige beim Finanzamt ausreichen.

Welche Haftungsregelungen gelten im Rahmen der freien Berufe?

Freiberufler haften grundsätzlich unbeschränkt mit ihrem gesamten privaten Vermögen für Schäden, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit verursachen. Dies ist insbesondere bei Beratungsfehlern, Behandlungsfehlern oder sonstigen Pflichtverletzungen von Bedeutung. Für bestimmte Berufsgruppen, wie z. B. Ärzte, Steuerberater oder Rechtsanwälte, schreibt das Berufsrecht zwingend eine Berufshaftpflichtversicherung vor, um das Haftungsrisiko abzusichern. Bei Ausübung in Gesellschaftsform (wie Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung, PartG mbB) kann die Haftung für bestimmte Schäden auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt werden. Im Falle von grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz bleibt jedoch die persönliche Haftung bestehen.