Begriff und Bedeutung von „freibleibend”
Der Begriff „freibleibend” ist ein im deutschsprachigen Rechts- und Wirtschaftsverkehr gebräuchlicher Terminus, der insbesondere bei der Abgabe von Willenserklärungen in Vertragsverhandlungen Anwendung findet. Er bezeichnet eine rechtliche Vorbehaltsklausel, die signalisiert, dass die abgegebene Erklärung – etwa ein Angebot oder eine Offerte – unverbindlich erfolgt und somit keine rechtsverbindliche Verpflichtung auslöst.
Definition
„Freibleibend” bedeutet, dass der Erklärende sich ausdrücklich das Recht vorbehält, seine Erklärung zu ändern, zurückzuziehen oder abzulehnen, ohne dass ein bindender Vertrag zustande kommt. Wird ein Angebot als freibleibend bezeichnet, fehlt es am für einen Vertragsschluss notwendigen Rechtsbindungswillen. Eine Annahme des Angebots durch den Empfänger kann daher nicht unmittelbar zu einem wirksamen Vertrag führen, sondern stellt stattdessen ihrerseits ein neues Angebot dar, das vom ursprünglichen Offerierenden erst bestätigt werden muss.
Rechtliche Einordnung und Bedeutung im Zivilrecht
Das freibleibende Angebot im Rahmen des Vertragsrechts
Gemäß §§ 145 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ist zwischen einem verbindlichen Angebot und einer bloßen Invitatio ad offerendum (Aufforderung zur Abgabe eines Angebots) zu differenzieren. Das freibleibende Angebot ist rechtlich grundsätzlich als Invitatio ad offerendum zu verstehen. Der Anbieter gibt durch den Zusatz „freibleibend” zu erkennen, dass er nicht beabsichtigt, mittels seiner Erklärung eine rechtsverbindliche Verpflichtung einzugehen.
Eine Annahme des Empfängers gilt somit als eigenes Angebot, welches wiederum vom ursprünglichen Anbieter angenommen werden muss, um einen Vertrag zustande kommen zu lassen. Der Vorbehalt der Freibleibend-Erklärung verhindert damit das automatische Zustandekommen eines Vertrags im Sinne von § 151 BGB.
Unverbindlichkeit und Ausnahmefälle
Die Freibleibendklausel entzieht der empfangsbedürftigen Willenserklärung in aller Regel den Rechtsbindungswillen. In Ausnahmefällen kann nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (§ 157 BGB) aus einer objektiven Auslegung dennoch ein verbindliches Angebot angenommen werden, wenn der Empfänger berechtigterweise auf den Vertragsschluss vertrauen durfte. Dies setzt jedoch besondere Umstände voraus und ist an strenge Voraussetzungen geknüpft.
Branchen und Anwendungsbereiche
Kauf- und Handelsrecht
Im kaufmännischen Geschäftsverkehr (Handelsrecht) ist der Hinweis „freibleibend” insbesondere bei Preislisten, Katalogen sowie Angeboten mit Waren-, Dienstleistungs- oder Immobilienbezug anzutreffen. Er schützt den Anbieter vor zwischenzeitlichen Preisschwankungen, zwischenverkauf oder anderen unvorhergesehenen Entwicklungen, die eine nachträgliche Änderung der Angebotskonditionen erforderlich machen könnten.
Immobilienrecht
Im Immobilienrecht hat „freibleibend” eine besondere Bedeutung. Exposés von Maklern, Anzeigen und andere Inserate erfolgen regelmäßig freibleibend, sodass erst mit separatem Angebot und Annahme konkrete vertragliche Ansprüche entstehen. Die Formulierung dient hier dem Schutz vor ungewollten Bindungen in einem dynamischen Marktumfeld.
Liefer- und Leistungszusagen
Auch im Rahmen von Lieferzeiten und sonstigen Leistungszusagen kann „freibleibend” zum Einsatz kommen, um sich gegenüber Verpflichtungen etwa im Hinblick auf Verfügbarkeit, Mengen oder Qualität abzugrenzen.
Abgrenzung zu anderen Rechtsbegriffen
Invitatio ad offerendum
Die Invitatio ad offerendum (Aufforderung zur Angebotsabgabe) ist rechtlich von Bedeutung, da nicht jede Erklärung nach außen ein verbindliches Angebot darstellt. Ein freibleibendes Angebot ist stets als eine solche Aufforderung zur Abgabe eines Angebots zu begreifen. Typische Beispiele sind Schaufensterauslagen, Internetangebote oder Warenkataloge.
Das verbindliche Angebot
Demgegenüber steht das verbindliche Angebot, das mit Zugang beim Empfänger nach § 145 BGB nicht einseitig widerrufen werden kann, sofern es keine Befristung oder den ausdrücklichen Vorbehalt eines Widerrufs enthält. Ein Hinweis auf „freibleibend” negiert den Bindungswillen und macht das Angebot unverbindlich.
Das Angebot mit Widerrufsvorbehalt
Im Unterschied zur Freibleibendklausel kann ein Angebot auch einen gesonderten Widerrufsvorbehalt enthalten (vgl. § 145 BGB i.V.m. § 130 Abs. 1 BGB), der aber rechtsdogmatisch anders zu behandeln ist. Beim freibleibenden Angebot fehlt bereits der Bindungswille, während beim Angebot mit Widerrufsvorbehalt eine Bindung bis zum Eintritt des Widerrufs besteht.
Rechtsfolgen und Rechtsunsicherheiten
Annahme eines freibleibenden Angebots
Wird ein freibleibendes Angebot angenommen, entsteht zunächst keine unmittelbare Vertragsbindung. Die Annahme ist als Gegenangebot zu werten, das erst durch eine Bestätigung des ursprünglichen Anbieters (nunmehr Empfängers) zur Vertragsbindung führt. Das Risiko einer Vertragsenttäuschung trägt dabei der Empfänger des freibleibenden Angebots.
Rechtliche Streitfragen
In der Praxis kann Streit entstehen, ob ein freibleibend bezeichnetes Angebot tatsächlich unverbindlich oder in Einzelfällen als verbindlich anzusehen ist. Maßgeblich ist die objektive Auslegung der Erklärung im jeweiligen Einzelfall. Ist etwa die Freibleibendklausel irreführend oder widersprüchlich eingebunden, kann sich eine Bindungswirkung dennoch ergeben.
Abmahnungen und Wettbewerbsrecht
Im Wettbewerbsrecht ist zu beachten, dass die Verwendung des Begriffs „freibleibend” in Werbeanzeigen oder in der Preisauszeichnung für den Verbraucher transparent und klar sein muss (§ 5 UWG – Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb). Irreführende Angaben können abmahnfähig sein.
Gesetzliche Regelungen und relevante Rechtsprechung
Gesetzliche Grundlagen
- BGB §§ 145-150: Reglementierung von Angebot und Annahme.
- HGB: Praktische Auswirkungen im Handelsverkehr (z. B. unter Kaufleuten).
- UWG §§ 5 f.: Transparenz und Irreführungsverbot im Wettbewerb.
Wichtige Urteile
- BGH, Urteil vom 10.10.2001 – VIII ZR 13/01: Zum Verständnis und zur Auslegung freibleibender Angebote im Geschäftsverkehr.
- BGH, Urteil vom 30.10.1995 – II ZR 58/94: Zur Wirksamkeit und Auslegung des Zusatzes „freibleibend” bei Vertragsverhandlungen.
Praktische Hinweise zur Verwendung des Begriffs
Klarstellung und Transparenz
Der Einsatz des Begriffs „freibleibend” sollte eindeutig und nicht missverständlich erfolgen. Es empfiehlt sich, bereits im Angebot oder in der Offerte deutlich auf die Unverbindlichkeit hinzuweisen sowie die Freibleibendklausel nicht im Widerspruch zu anderen Klauseln zu verwenden.
Dokumentation
Aus Beweisgründen ist es ratsam, die Formulierung „freibleibend” ausdrücklich und klar im Angebot zu integrieren, um späteren Streitigkeiten vorzubeugen. Bei internationalen Geschäften ist auf sprachliche und rechtliche Unterschiede zu achten.
Fazit
Der Begriff „freibleibend” ist ein wesentliches Element im deutschen Zivil- und Wirtschaftsrecht und gewährleistet rechtliche Flexibilität bei der Anbahnung von Verträgen. Seine Verwendung schützt vor ungewollten Bindungen und ermöglicht eine Anpassung an Marktveränderungen und unvorhergesehene Umstände. Gleichzeitig setzt seine korrekte Anwendung umfassende Kenntnisse der relevanten Rechtsgrundsätze und eine eindeutige Kommunikation voraus, um Missverständnisse und Streitigkeiten zu vermeiden. Bei Unsicherheit empfiehlt sich im Einzelfall die Einholung individueller Beratung, um die Rechtsfolgen und die Wirksamkeit der Freibleibendklausel sicherzustellen.
Häufig gestellte Fragen
Wie wirkt sich die Freibleibend-Klausel rechtlich auf Vertragsverhandlungen aus?
Eine Freibleibend-Klausel in einem Angebot bedeutet aus rechtlicher Sicht, dass der Anbietende nicht an sein Angebot gebunden ist. Im deutschen Recht ist das Angebot grundsätzlich eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die mit ihrem Zugang bindend wird (§ 145 BGB). Wird jedoch ein Angebot mit dem Zusatz “freibleibend” oder “unverbindlich” versehen, handelt es sich dabei lediglich um die Einladung zur Abgabe eines Angebotes (invitatio ad offerendum), nicht um ein rechtsverbindliches Angebot im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches. Daraus folgt, dass der Empfänger des Angebots durch seine Annahme keinen Vertrag zustande bringen kann. Es bleibt dem Anbietenden somit vorbehalten, das endgültige Angebot noch zu bestätigen oder abzulehnen. Diese Klausel verhindert also, dass voreilig rechtsverbindliche Verträge geschlossen werden, insbesondere bei Geschäften mit regelmäßig wechselnden Preisen oder Warenbeständen.
Dürfen Konditionen in einem freibleibenden Angebot nach erfolgreicher Verhandlung geändert werden?
Rechtlich ist es zulässig, dass in freibleibenden Angeboten genannte Konditionen – wie Preise, Lieferfristen oder Mengen – nachträglich abgeändert werden, da diese Angaben gerade nicht verbindlich sind. Der Anbietende behält sich ausdrücklich das Recht vor, die angegebenen Bedingungen bis zur endgültigen Auftragsbestätigung zu modifizieren. Sobald jedoch eine Auftragsbestätigung über das zuvor freibleibende Angebot erteilt wird, sind die Konditionen für beide Vertragsparteien bindend. In der Praxis wird oft im Rahmen der Verhandlung nach dem Zugang einer Annahmeerklärung des Kunden nochmals eine finale Auftragsbestätigung verschickt, die die letztverbindlichen Vertragsinhalte festlegt.
Muss eine Freibleibend-Klausel explizit im Angebot erwähnt werden?
Vom rechtlichen Standpunkt aus ist die Wirksamkeit der Freibleibend-Klausel an keine bestimmte Form gebunden, sie muss jedoch klar und eindeutig aus dem Angebotstext hervorgehen. Wird ein Angebot ohne eine solche explizite Klausel abgegeben, gilt es nach den gesetzlichen Regelungen als bindend. Es liegt daher im Interesse des Anbietenden, die Freibleibend-Klausel schriftlich und unmissverständlich im Angebot aufzunehmen, um Missverständnisse und spätere Streitigkeiten zu vermeiden. In der Rechtsprechung wird überwiegend verlangt, dass die Einschränkung der Bindungswirkung für den Empfänger klar ersichtlich ist.
Welche rechtlichen Risiken bestehen bei unklaren Freibleibend-Erklärungen?
Wird die Freibleibend-Klausel unpräzise formuliert oder ist für den Empfänger nicht eindeutig, ob und inwieweit Verbindlichkeit besteht, kann das rechtliche Risiken bergen. In solchen Konstellationen kann ein Gericht im Streitfall dazu gelangen, dass dennoch ein rechtsverbindliches Angebot vorliegt und bei Annahme ein Vertrag zustande gekommen ist. Darüber hinaus sind widersprüchliche oder undeutliche Angaben im Angebot zu Lasten dessen auszulegen, der sie verwendet hat (§ 305c Abs. 2 BGB bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen). Für Unternehmen empfiehlt es sich daher, die Klausel juristisch eindeutig zu gestalten und nachweisbar in die Kommunikation einzubinden.
Ist die Freibleibend-Klausel auch im internationalen Warenverkehr rechtlich wirksam?
Im internationalen Handel, beispielsweise nach den Regelungen des UN-Kaufrechts (CISG), ist ebenfalls eine klare Unterscheidung zwischen verbindlichen und unverbindlichen Offerten erforderlich. Das CISG kennt zwar keine explizite “freibleibend”-Klausel, aber die Prinzipien ähneln dem deutschen Recht: Eine als “unverbindlich” oder “freibleibend” bezeichnete Offerte ist auch im internationalen Kontext nicht bindend, es sei denn, der Erklärende verzichtet ausdrücklich auf die Unverbindlichkeit. Dennoch können Abweichungen durch nationale Sonderregelungen oder die Auslegung international üblicher Formulierungen entstehen, weshalb in grenzüberschreitenden Geschäften eine besonders sorgfältige und ggf. mehrsprachige Formulierung empfohlen wird.
Können auch Auktionen oder Ausschreibungen mit Freibleibend-Klauseln versehen sein?
Ja, insbesondere bei Ausschreibungen oder Auktionen wird häufig eine Freibleibend-Klausel verwendet, um den Anbietenden die Möglichkeit zu geben, bis zur finalen Zuschlagserteilung weiterhin mit mehreren Interessenten zu verhandeln. Auch hier wird aus rechtlicher Sicht nicht bereits mit Abgabe eines Angebots ein Vertrag geschlossen, sondern es bleibt beim Bieter bis zur Annahme (bzw. Zuschlag) unverbindlich. Die Rechtslage ist daher ähnlich wie bei konventionellen Kaufangeboten: Erst mit dem Zuschlag beziehungsweise der ausdrücklichen Annahme wird eine vertragliche Bindungswirkung ausgelöst.
Welche Rolle spielt die Freibleibend-Klausel bei mündlichen Angeboten?
Auch bei mündlichen Angeboten kann eine Freibleibend-Klausel rechtswirksam sein, vorausgesetzt, sie wird eindeutig kommuniziert und ist dem Vertragspartner verständlich. Rechtlich ist jedoch die Beweisbarkeit von Aussagen im Streitfall problematisch, weshalb für alle freibleibenden Handlungen – insbesondere bei größeren Geschäften – eine schriftliche Fixierung empfehlenswert ist. Fehlt der mündliche Hinweis auf die Freibleibend-Klausel, droht unter Umständen eine Bindungswirkung gemäß den allgemeinen Regelungen über Willenserklärungen.