Begriff und Grundlagen des Folgerechts
Das Folgerecht (auch „droit de suite”) ist ein vertragliches und gesetzliches Recht des Urhebers bildender Kunstwerke oder von Fotografien im Bereich der bildenden Kunst, an bestimmten Weiterveräußerungen ihrer Werke nach der Erstveräußerung finanziell beteiligt zu werden. Das Folgerecht ist international anerkannt und insbesondere europaweit harmonisiert. Es verfolgt den Zweck, Urhebern einen Anteil an den steigenden Marktwerten ihrer Werke zu sichern, insbesondere wenn diese im Rahmen des Kunsthandels gehandelt werden.
Das Folgerecht ist nicht mit dem allgemeinen Urheberrecht zu verwechseln, sondern stellt ein besonderes Teilrecht dar, das ergänzend zum Urheberrechtsschutz besteht. Die gesetzliche Grundlage findet sich in Deutschland unter anderem in § 26 Urheberrechtsgesetz (UrhG).
Entstehung und Historische Entwicklung
Die Idee des Folgerechts entstand im 19. Jahrhundert in Frankreich, nachdem festgestellt wurde, dass Künstler im Unterschied zu Eigentümern bedeutender Werke häufig nicht von zwischenzeitlich erheblichen Preissteigerungen profitierten. Das französische Urheberrechtsgesetz führte 1920 erstmals das Folgerecht („droit de suite”) ein. Seither folgten zahlreiche europäische Staaten dem Beispiel. Dabei wurde die Europäische Union mit der „Folgerecht-Richtlinie” (2001/84/EG) zu einer treibenden Kraft bei der Harmonisierung.
Rechtsquellen und Regelungsinhalt
Nationales Recht
In Deutschland ist das Folgerecht in § 26 UrhG kodifiziert. Es betrifft die „Beteiligung des Urhebers am Erlös aus dem Weiterverkauf des Originals eines Werkes der bildenden Künste oder der Fotografie”. Das Recht ist unabdingbar und kann daher weder vertraglich ausgeschlossen noch abgetreten werden.
Europäisches Recht
Mit der Richtlinie 2001/84/EG wurde das Folgerecht in Europa vereinheitlicht. Die Richtlinie verpflichtet alle Mitgliedstaaten zur Einführung eines Folgerechts für Urheber von Originalkunstwerken und sieht unter anderem Mindeststandards bei der Bemessung und Durchsetzung vor.
Internationales Recht
Das Folgerecht ist zudem Gegenstand internationaler Abkommen. Die revidierte Berner Übereinkunft (Art. 14ter RBÜ) regelt das Folgerecht als optionales Recht für Vertragsstaaten, allerdings mit Vorbehalt des Prinzips der Gegenseitigkeit.
Persönlicher und Sachlicher Anwendungsbereich
Begünstigte Urheber
Das Folgerecht steht grundsätzlich dem ursprünglichen Urheber eines Werkes der bildenden Künste oder der Fotografie zu. Nach dem Tod des Urhebers können Erben das Recht ausüben (vgl. § 28 UrhG).
Begünstigte Werke
Betroffen sind nur Originale und vom Urheber hergestellte Vervielfältigungsstücke, die als Kunstwerke oder Fotografien anerkannt sind. Serienproduktionen und Industrieware sind ausgenommen.
Verkaufsfälle
Das Folgerecht gilt nur für bestimmte Weiterverkäufe, insbesondere wenn ein Kunsthändler, Galerist, Auktionator oder eine vergleichbare Institution als Verkäufer, Käufer oder Vermittler beteiligt ist. Verkäufe zwischen Privatpersonen oder direkte Verkäufe vom Urheber an den Endkäufer sind ausgenommen.
Rechtliche Ausgestaltung und Voraussetzungen
Anspruchsvoraussetzungen
- Originalität: Es muss sich um ein Original eines Werkes der bildenden Kunst oder eine signierte, vom Urheber autorisierte Kopie handeln.
- Professioneller Kunsthandel: Der Verkauf muss durch einen Kunsthändler, Auktionator, Galeristen oder ähnlichen Vermittler erfolgen.
- Grenzüberschreitende Anwendungen: Das Recht wird nur eingeräumt, wenn auch im Land des Käufers ein Folgerecht existiert (Prinzip der Gegenseitigkeit bei internationalen Verkäufen).
Anspruchsberechtigte und Verpflichtete
- Berechtigt: Der Urheber bzw. dessen Erben.
- Verpflichtet: In der Regel der Verkäufer, oft durch vertragliche Regelung auf den Handel (Galerien, Auktionshäuser) übertragen.
Berechnung und Höhe der Folgerechtsvergütung
Die Vergütung ist gestaffelt (degressiv), bemisst sich prozentual am Nettoverkaufserlös und darf eine Obergrenze nicht überschreiten. In Deutschland beträgt der Folgerechtsanspruch:
- 4 % für den Teil des Verkaufserlöses bis zu 50.000 Euro
- 3 % für den Teil von 50.000,01 bis 200.000 Euro
- 1 % für den Teil von 200.000,01 bis 350.000 Euro
- 0,5 % für den Teil von 350.000,01 bis 500.000 Euro
- 0,25 % für Beträge über 500.000 Euro
Der maximale Anspruch ist gemäß Gesetz auf 12.500 Euro je Verkauf begrenzt.
Durchsetzung und Verwaltung des Folgerechts
Geltendmachung
Die Geltendmachung erfolgt durch den Urheber oder seine Erben meist über Verwertungsgesellschaften, wie die VG Bild-Kunst in Deutschland. Diese Gesellschaften nehmen insbesondere kollektive Rechtewahrnehmung vor, schütten die erhobenen Beträge an die Anspruchsberechtigten aus und vertreten deren Interessen.
Auskunftsanspruch
Zur effektiven Durchsetzung gewährt § 26 Abs. 4 UrhG dem Urheber einen Auskunftsanspruch gegen Verkäufer und Kunsthändler, um den Weiterverkauf und den erzielten Erlös zu erfahren.
Verjährung
Ansprüche aus Folgerecht verjähren gemäß den allgemeinen Vorschriften des BGB binnen drei Jahren ab Kenntnis von Anspruch und Verpflichtetem.
Abweichende und ergänzende Regelungen
Bestimmte Besonderheiten ergeben sich aus nationalen Regelungen, insbesondere hinsichtlich
- der Definition betroffener Werke,
- der Mindestgrenze für einen auszahlungsfähigen Verkaufspreis (in Deutschland derzeit 400 Euro),
- steuerlichen Regelungen der Einnahmen aus Folgerechten,
- Fragen der internationalen Durchsetzung und Anwendbarkeit bei Auslandstransaktionen.
Bedeutung und praktische Auswirkungen
Das Folgerecht trägt zur finanziellen Absicherung von Kunstschaffenden bei und gleicht Marktungleichgewichte teilweise aus. Es beeinflusst die Marktmechanismen des Kunsthandels, indem es sowohl bei Auktionen als auch im Handel zu berücksichtigen ist. Gleichzeitig stellt es den Interessenausgleich zwischen Kreativen und dem Kunsthandel in den Mittelpunkt.
Zusammenfassung
Das Folgerecht sichert Urhebern bildender Kunst und ihren Erben eine finanzielle Beteiligung an der Wertsteigerung ihrer Werke im Handelsverkehr. Es ist ein eigenständiges, nicht übertragbares Recht, das besonders im europäischen Recht verankert ist. Mit festen Vergütungssätzen, klaren Anspruchsvoraussetzungen und einem gesetzlich vorgesehenen Auskunftsrecht stellt das Folgerecht ein zentrales Schutzinstrument im Urheberrecht dar und trägt signifikant zur Förderung kreativer Arbeit sowie zur Anerkennung künstlerischer Leistungen im Kunstmarkt bei.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist beim Folgerecht berechtigt, vom Verkauf eines Kunstwerks zu profitieren?
Berechtigt am Folgerecht nach deutschem Recht (§ 26 UrhG) ist grundsätzlich allein der bildende Künstler oder im Falle seines Todes dessen Erben. Das Folgerecht kann nicht auf Dritte übertragen werden, auch nicht durch einen Vertrag zu Lebzeiten, sondern geht ausschließlich vererblich auf rechtmäßige Erben über. Das heißt, wenn ein Kunstwerk weiterverkauft wird, steht dem Künstler oder seinen Erben ein Anteil am Erlös zu. Voraussetzung ist, dass es sich dabei um Originale oder authentische Kopien bildender Kunst handelt (wie Gemälde, Skulpturen oder Fotografien), und der Verkauf durch einen Kunstmarktteilnehmer (insb. Galerien, Auktionshäuser, Kunsthändler) erfolgt. Künstler, die keiner EU-Staatsangehörigkeit angehören, können das Folgerecht nur beanspruchen, sofern im Herkunftsland des Künstlers eine vergleichbare Vergütungspflicht besteht (sogenanntes Gegenseitigkeitsprinzip).
Wie erfolgt die Berechnung der Folgerechtsvergütung und wie hoch ist diese?
Die Folgerechtsvergütung bemisst sich nach dem Verkaufspreis ohne Umsatzsteuer, und die Berechnung erfolgt nach einer gesetzlichen Staffel. Der Satz liegt bei 4% für die ersten 50.000 Euro des Verkaufspreises und verringert sich für weitere Beträge gestaffelt bis zu 0,25% für alles über 500.000 Euro. Die Gesamtsumme der Vergütung für einen einzelnen Verkauf ist jedoch gedeckelt und darf maximal 12.500 Euro betragen, auch bei deutlich höheren Verkaufspreisen. Maßgeblich ist stets der Nettoverkaufspreis, abzüglich etwaiger Steuern und Gebühren, sodass beispielsweise Aufgelder beim Auktionshaus grundsätzlich den zu vergütenden Betrag nicht erhöhen. Bestehen Unsicherheiten über das Vorliegen eines Originalwerkes, kann eine Prüfung durch Sachverständige erfolgen.
Welche Kunstwerke unterliegen dem Folgerecht?
Das Folgerecht bezieht sich ausschließlich auf Originale der bildenden Kunst und Werke der angewandten Kunst, insbesondere auf Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen, Collagen, Druckgrafik, Fotografie sowie Kunsthandwerk (Designobjekte und Unikate). Herausgenommen sind Werke, die in industriell hergestellten Serien ohne Begrenzung der Stückzahl erschienen sind, beziehungsweise bei denen es sich nicht um handwerklich hergestellte Unikate oder limitierte Auflagen handelt. Ebenfalls nicht unter das Folgerecht fallen literarische Werke, Musik oder digitale Kunstwerke, sofern keine physischen Originale existieren.
Welche Pflichten und Fristen müssen Kunsthändler und Auktionshäuser beim Folgerecht beachten?
Kunsthändler, Auktionshäuser und Galerien sind nach dem Urheberrechtsgesetz verpflichtet, detaillierte Auskünfte über Verkäufe und die berechnete Vergütung innerhalb von drei Jahren nach dem Verkauf zu erteilen. Sie müssen auf Verlangen des Berechtigten mitteilen, ob ein Werk verkauft wurde, zu welchem Preis und an wen. Liegt ein Verkauf vor, haben sie die Folgerechtsvergütung binnen eines Monats nach Eingang einer entsprechenden Zahlungsaufforderung zu leisten. Zudem sind sie verpflichtet, die anfallenden Vergütungen von sich aus zu berechnen und abzuführen. Versäumen sie dies, droht ihnen nicht nur eine Nachzahlungspflicht nebst Zinsen, sondern auch potenzieller Schadensersatz, falls der Künstler aufgrund des Versäumnisses Einnahmen verliert.
Können Künstler auf das Folgerecht verzichten oder es abtreten?
Das Folgerecht gilt im deutschen Recht als zwingendes Recht und unterliegt daher einem gesetzlichen Abtretungs- und Verzichtsverbot (§ 29 UrhG). Das bedeutet, dass ein Künstler im Voraus nicht wirksam auf sein Recht auf die Vergütung verzichten kann; ebenso wenig kann er das Folgerecht zu Lebzeiten auf Dritte übertragen, beispielsweise eine Galerie oder einen Sammler. Im Todesfall des Künstlers geht das Recht allerdings, wie bereits erläutert, von Gesetzes wegen auf die Erben über. Ein nachträglicher Verzicht betreffend einen bereits entstandenen Anspruch (also nach erfolgtem Verkauf) ist hingegen rechtlich möglich, bedarf aber eindeutig erklärter Willenserklärung des Berechtigten.
Was passiert bei einem Verkauf im Ausland oder bei grenzüberschreitenden Verkäufen?
Das Folgerecht unterliegt grundsätzlich nationalem Recht. Wird ein Kunstwerk in Deutschland verkauft, gilt deutsches Recht und damit das deutsche Folgerecht. Erfolgt der Verkauf im Ausland, sind die dortigen nationalen Regelungen maßgeblich. Allerdings besteht in allen Ländern der Europäischen Union aufgrund der EU-Folgerecht-Richtlinie eine vergleichbare Regelung, sodass häufig auch grenzüberschreitend Ansprüche bestehen können. In Fällen, in denen Kunstwerke beispielsweise über eine deutsche Internetplattform an einen Käufer im Ausland verkauft werden, ist zu prüfen, in welchem Staat der Verkauf im rechtlichen Sinn „vollzogen” wurde, da dies Einfluss auf die Anwendung des einschlägigen Folgerechts hat.
Wie erfolgt die Durchsetzung und Abwicklung des Folgerechts in der Praxis?
Die Geltendmachung und Abwicklung des Folgerechts erfolgt in Deutschland meist durch Verwertungsgesellschaften wie die VG Bild-Kunst, bei der Künstler Mitglied werden können, um ihre Ansprüche effizient zu bündeln und geltend zu machen. Auch Erben können die Mitgliedschaft beantragen. Diese Verwertungsgesellschaften überwachen den Markt, nehmen die Ansprüche gebündelt wahr, führen Listen der relevanten Transaktionen und übernehmen die Kommunikation mit Kunsthändlern und Auktionshäusern. Alternativ können Künstler und Erben das Recht auch selbstständig geltend machen. Ist der Händler zur Zahlung verpflichtet, erfolgt die Begleichung an den Berechtigten oder die Verwertungsgesellschaft. Bestehen Streitigkeiten über die Verpflichtung oder die Höhe der Zahlung, steht der Rechtsweg offen: Ein Anspruch kann außergerichtlich und gegebenenfalls gerichtlich durchgesetzt werden, wobei das zuständige Landgericht am Sitz des Händlers regelmäßig angerufen werden muss.