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Erwerbsverbot


Begriff und rechtliche Einordnung des Erwerbsverbots

Das Erwerbsverbot ist ein rechtlich gewichtiger Begriff, der unterschiedliche rechtliche Kontexte in Deutschland, Österreich und der Schweiz umfasst. Er bezieht sich grundsätzlich auf die rechtliche Untersagung oder Einschränkung einer Person, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Das Erwerbsverbot dient dem Schutz öffentlicher Interessen, der staatlichen Ordnung, dem Schutz der Allgemeinheit oder besonders schutzwürdiger Personen(gruppen), etwa im Ausländer- und Sozialrecht, im Kinder- und Jugendschutz, im Gewerbe-, Arbeits- und Gesundheitsrecht.

Historische Entwicklung

Das Erwerbsverbot ist kein neues rechtliches Institut. Bereits im 19. Jahrhundert tauchten Erwerbsverbote im Zusammenhang mit sozialrechtlichen Schutzmaßnahmen sowie berufsrechtlichen Reglementierungen auf. Mit dem Wandel des Arbeitsmarktes und der internationalen Mobilität ergaben sich stetig neue Anwendungsbereiche, insbesondere im Ausländer- und Aufenthaltsrecht sowie im Rahmen von Sanktionen.


Rechtsgrundlagen und gesetzliche Regelungen

Erwerbsverbote im deutschen Recht

Arbeits- und Gewerberecht

Im deutschen Rechtsraum kennt das Arbeits- und Gewerberecht zahlreiche Erwerbsverbots-Tatbestände. Gemäß § 35 Gewerbeordnung (GewO) kann einem Gewerbetreibenden die selbständige Ausübung eines Gewerbes untersagt werden, wenn Tatsachen die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden belegen. Das Erwerbsverbot kann sowohl berufsbezogen (Berufsverbot) als auch branchenübergreifend ausgesprochen werden. Damit dient es dem Schutz der Allgemeinheit vor unzuverlässigen Gewerbetreibenden und zur Aufrechterhaltung des Rechtsfriedens.

Strafrechtliche Erwerbsverbote

Nach §§ 70 ff. Strafgesetzbuch (StGB) kann als Nebenstrafe ein Berufsverbot verhängt werden. Dieses Verbot untersagt einer Person ganz oder teilweise die Ausübung eines Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder einer selbständigen Tätigkeit, wenn durch die Ausübung eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit oder für Einzelne besteht. Das strafrechtliche Erwerbsverbot ist zeitlich befristet und wird gerichtlich angeordnet.

Aufenthalts- und Ausländerrecht

Ein Erwerbsverbot ist im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) relevant. Insbesondere § 4a AufenthG regelt die Erwerbstätigkeit von Nicht-EU-Ausländern. Einem Ausländer kann der Zugang zum Arbeitsmarkt ausdrücklich untersagt oder eingeschränkt werden, etwa durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels „ohne Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit“. Auch kann ein bereits bestehendes Arbeitsverhältnis aufgrund neuer ausländerrechtlicher Erwerbsverbote beendet werden.

Sozialrecht

Im Bereich des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) und des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) kommen Erwerbsverbote als gesundheitsschützende Maßnahmen zum Einsatz:

  • Mutterschutzgesetz (§ 16 MuSchG): Schwangere und stillende Frauen dürfen in bestimmten Fällen keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, sofern eine Gefährdung von Mutter oder Kind besteht.
  • Infektionsschutzgesetz (§ 31 IfSG): Personen, die an bestimmten Infektionserkrankungen leiden, kann untersagt werden, berufliche Tätigkeiten insbesondere im Lebensmittelbereich auszuüben.

Erwerbsverbot in Österreich

In Österreich ist der Begriff Erwerbsverbot insbesondere im Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) sowie im Gesundheitsschutz verankert. Erwerbstätigkeiten ohne entsprechende Bewilligung sind untersagt, wobei in Fällen einer Missachtung sowohl Sanktionen für die beschäftigende Person als auch für den Erwerbstätigen vorgesehen sind.


Erwerbsverbot in der Schweiz

Auch die Schweiz kennt Erwerbsverbote, vor allem im Ausländerrecht (Ausländergesetz, AuG) und zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung. Beispielsweise werden ausländische Staatsbürger ohne entsprechenden Aufenthaltstitel mit Erwerbsverboten belegt. Darüber hinaus können Erwerbsverbote im Strafrecht und bei Verstößen gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen angeordnet werden.


Erwerbsverbotsarten nach Anwendungsbereich

Absolute und relative Erwerbsverbote

  • Absolutes Erwerbsverbot: Umfasst jegliche gewerbliche sowie abhängige und selbständige Erwerbstätigkeit. Für die betroffene Person ist jegliche Erwerbstätigkeit untersagt.
  • Relatives Erwerbsverbot: Bezieht sich nur auf bestimmte Tätigkeiten bzw. Branchen. Ein Beispiel stellt das Verbot der Kinder- und Jugendarbeit dar (vgl. § 25 Jugendarbeitsschutzgesetz, JArbSchG).

Zeitliche Befristung und Aufhebung

Erwerbsverbote sind vielfach zeitlich befristet, etwa für die Dauer einer behördlichen Überprüfung, einer Krankheit, eines laufenden Ermittlungs- oder Strafverfahrens oder bis zur Erfüllung bestimmter gesetzlicher (z.B. gewerberechtlicher) Voraussetzungen. Die Aufhebung oder Verkürzung eines Erwerbsverbots kann auf Antrag erfolgen, sofern die Voraussetzungen für das Verbot nicht mehr gegeben sind.


Rechtsschutz und Rechtfolgen eines Erwerbsverbots

Anfechtung und gerichtlicher Rechtsschutz

Gegen Verwaltungsakte, mit denen ein Erwerbsverbot erteilt wird, können die Betroffenen regelmäßig Rechtsmittel einlegen. Abhängig vom jeweiligen Rechtsgebiet und Bundesland stehen Beschwerde, Widerspruch und Klage vor den Verwaltungs- oder Arbeitsgerichten zur Verfügung. Weitergehender Rechtsschutz kann im Eilverfahren gewährt werden, insbesondere wenn existenzielle Belange betroffen sind.

Folgen für Betroffene

Die Folgen eines Erwerbsverbots sind erheblich. Es kann zur Arbeitslosigkeit, zum Wegfall des Einkommens und zur Beeinträchtigung der eigenen wirtschaftlichen und sozialen Lebensgrundlage führen. Insbesondere im Ausländerrecht kann ein Verstoß gegen Erwerbsverbote zur Kündigung bestehender Arbeitsverhältnisse und im schlimmsten Fall zur Ausweisung oder Abschiebung führen.


Unterschied zum Berufsverbot und verwandte Rechtsbegriffe

Das Erwerbsverbot unterscheidet sich vom Berufsverbot, das spezifisch die Ausübung eines Berufs mit erforderlicher besonderer Qualifikation untersagt. Das Erwerbsverbot hingegen bezieht sich auf jegliche oder bestimmte Erwerbstätigkeiten, unabhängig von einer besonderen Qualifikation. Weitere verwandte Begriffe sind Arbeitsverbot, Branchenverbot oder Marktzutrittsverbot.


Literatur und weiterführende Gesetzestexte

  • § 35 Gewerbeordnung (GewO)
  • § 70 Strafgesetzbuch (StGB)
  • § 4a Aufenthaltsgesetz (AufenthG)
  • Mutterschutzgesetz (MuSchG)
  • Infektionsschutzgesetz (IfSG)
  • Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG)
  • Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG, Österreich)
  • Ausländergesetz (AuG, Schweiz)

Zusammenfassung

Das Erwerbsverbot ist ein komplexes rechtliches Instrument, das in verschiedenen Rechtsgebieten eine bedeutende Rolle einnimmt. Es schützt die Allgemeinheit, einzelne Personengruppen und die öffentliche Ordnung durch die rechtliche Einschränkung oder vollständige Untersagung der Berufsausübung. Je nach Fallgestaltung finden unterschiedliche rechtliche Maßstäbe Anwendung. Erwerbsverbote können behördlich oder gerichtlich angeordnet und unter bestimmten Voraussetzungen angefochten bzw. aufgehoben werden.

Häufig gestellte Fragen

Welche Behörde ist für die Anordnung eines Erwerbsverbots zuständig?

Für die Anordnung eines Erwerbsverbots ist in Deutschland grundsätzlich die jeweils zuständige Verwaltungsbehörde verantwortlich. Dies kann je nach Kontext das Gesundheitsamt, das Ordnungsamt oder auch das Gewerbeaufsichtsamt sein. Im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) etwa ordnet das zuständige Gesundheitsamt ein Erwerbsverbot an, wenn eine betroffene Person aufgrund einer ansteckenden Krankheit die Allgemeinheit gefährden könnte. Auch im Arbeitsrecht, insbesondere nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG), kann ein ärztlich attestiertes individuelles oder generelles Beschäftigungsverbot ausgesprochen und vom Arbeitgeber angeordnet werden, wobei dieser wiederum an die gesetzlichen Vorgaben gebunden ist. Wichtig ist, dass für jede spezielle rechtliche Grundlage unterschiedliche Behörden und Verfahrensabläufe gelten, die strikt einzuhalten sind. Die Anordnung erfolgt in der Regel durch einen schriftlichen Verwaltungsakt und kann zeitlich befristet oder auf bestimmte Tätigkeiten beschränkt sein.

Gibt es eine Entschädigung während eines behördlich angeordneten Erwerbsverbots?

Ja, im Falle eines behördlich angeordneten Erwerbsverbots kann ein Anspruch auf Entschädigung bestehen. Dies ist insbesondere im Infektionsschutzgesetz (IfSG) geregelt, das vorsieht, dass Personen, die aufgrund eines Erwerbsverbots einen Verdienstausfall erleiden, eine Entschädigung beantragen können (§ 56 IfSG). Die Entschädigung bemisst sich in der Regel nach dem Nettogehalt und wird entweder vom Arbeitgeber (mit Erstattung durch die Behörde) oder direkt von der zuständigen Behörde für einen bestimmten Zeitraum gezahlt. Sonderregelungen gelten für Selbständige, die ebenfalls einen Ausgleich für den Verdienstausfall beantragen können. Zu beachten ist, dass der Antrag auf Entschädigung fristgebunden ist; meist beträgt die Antragsfrist zwölf Monate ab Beginn des Erwerbsverbots. Ferner ist die Anspruchsvoraussetzung, dass tatsächlich ein durch behördliche Anordnung ausgesprochenes Verbot vorliegt.

Welche rechtlichen Folgen hat ein Verstoß gegen ein Erwerbsverbot?

Ein Verstoß gegen ein rechtlich verbindliches Erwerbsverbot kann straf- und ordnungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes kann der betroffenen Person beispielsweise eine Geld- oder Freiheitsstrafe drohen (§ 75, § 73 IfSG), wenn sie trotz eines Erwerbsverbots einer Tätigkeit nachgeht und dadurch eine Gefährdung Dritter entsteht. Auch im Arbeitsrecht kann die Missachtung eines Beschäftigungsverbots dazu führen, dass kein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht oder gar arbeitsrechtliche Sanktionen, wie eine Abmahnung oder Kündigung, drohen. Darüber hinaus kann die vorsätzliche oder fahrlässige Missachtung von Erwerbsverboten zivilrechtliche Haftungsansprüche begründen, etwa wenn durch den Verstoß Schäden entstehen.

Unter welchen Voraussetzungen kann ein Erwerbsverbot gerichtlich angefochten werden?

Ein behördlich angeordnetes Erwerbsverbot kann grundsätzlich im Rahmen des Verwaltungsrechts durch Anfechtungsklage gerichtlich überprüft werden. Voraussetzung hierfür ist zunächst der fristgerechte Widerspruch gegen den Verwaltungsakt, sofern ein Vorverfahren gesetzlich vorgesehen und nicht entbehrlich ist (§ 68 VwGO). Liegt ein ablehnender Widerspruchsbescheid vor oder ist das Vorverfahren entbehrlich, kann Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht erhoben werden. Die gerichtliche Überprüfung erstreckt sich auf die formellen und materiellen Voraussetzungen des Erwerbsverbots, insbesondere auf die Rechtmäßigkeit der behördlichen Begründung, die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme und die ausreichende Ermittlung des Sachverhalts. Während des laufenden Verfahrens besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu stellen, um die aufschiebende Wirkung der Klage zu erreichen (§ 80 Abs. 5 VwGO).

Wie lange kann ein Erwerbsverbot andauern und wie wird die Dauer festgelegt?

Die Dauer eines Erwerbsverbots richtet sich nach der jeweiligen gesetzlichen Grundlage und dem Sachverhalt. Im Infektionsschutzrecht etwa ist die Dauer eng an den medizinischen Befund und die epidemiologische Gefahrenlage gekoppelt. Das Gesundheitsamt überprüft regelmäßig, ob die Voraussetzungen für das Verbot noch vorliegen und hebt das Verbot auf, sobald keine Gefahr mehr von der betroffenen Person ausgeht. Im Arbeitsrecht, beispielsweise beim Mutterschutz, sind die Fristen gesetzlich genau geregelt (in der Regel sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung). Die Behörde beziehungsweise der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Verhältnismäßigkeit zu beachten und die Dauer regelmäßig zu überprüfen. Bei Wegfall der Begründung entfällt auch das Erwerbsverbot automatisch, ein entsprechender Aufhebungsbescheid ist zu erteilen.

Welche Rechtsmittel stehen einer von einem Erwerbsverbot betroffenen Person zur Verfügung?

Betroffene einer behördlichen Erwerbsverbotsanordnung haben verschiedene Rechtsschutzmöglichkeiten. Gegen die behördliche Anordnung kann zunächst formeller Widerspruch eingelegt werden, sofern das jeweilige Gesetz dies vorsieht. Anschließend besteht die Möglichkeit der Klage vor dem Verwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Für Eilbedürftigkeit kann ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt werden, um die sofortige Vollziehbarkeit der Maßnahme auszusetzen. Im arbeitsrechtlichen Kontext kann bei unrechtmäßigen Beschäftigungsverboten der Weg über das Arbeitsgericht gewählt werden. Dabei ist grundsätzlich auf die jeweiligen Fristen und Formerfordernisse zu achten, die sich je nach einschlägigem Rechtsgebiet unterscheiden.

Welche Rolle spielen ärztliche Gutachten bei der Anordnung eines Erwerbsverbots?

Ärztliche Gutachten können eine zentrale Rolle bei der Anordnung eines Erwerbsverbots einnehmen, insbesondere wenn gesetzlich vorgesehen ist, dass die Untersagung einer Erwerbstätigkeit oder Beschäftigung von einer medizinischen Einschätzung abhängt. Dies ist typischerweise bei Betretungs- oder Tätigkeitsverboten nach § 31 IfSG und bei Beschäftigungsverboten nach dem Mutterschutzgesetz der Fall. Das ärztliche Gutachten dient dabei der Feststellung, ob eine gesundheitliche Gefahr für die betroffene Person selbst oder für Dritte besteht und ob ein Erwerbsverbot erforderlich und verhältnismäßig ist. Die Behörde stützt sich bei ihrer Entscheidung auf dieses Gutachten, ist jedoch nicht in jedem Fall daran gebunden, sondern muss die Gesamtsituation unter rechtlichen und medizinischen Gesichtspunkten bewerten. Betroffene haben das Recht, die Entscheidungsgrundlage – also auch das Gutachten – einzusehen und gegebenenfalls durch ein Zweitgutachten überprüfen zu lassen.