Entsprechenserklärung

Begriff und Zweck der Entsprechenserklärung

Die Entsprechenserklärung ist eine öffentliche Erklärung von Unternehmen, in der dargelegt wird, ob die Empfehlungen eines anerkannten Corporate-Governance-Kodex eingehalten werden. Sie folgt dem Grundsatz „Comply or Explain“: Unternehmen berichten, inwieweit sie den Empfehlungen entsprechen, und erläutern Abweichungen. Ziel ist es, die Unternehmensführung transparent zu machen und das Vertrauen von Anlegern, Mitarbeitenden und Öffentlichkeit zu stärken.

Im deutschen Kapitalmarktumfeld bezieht sich die Entsprechenserklärung insbesondere auf den Deutschen Corporate Governance Kodex. Dieser enthält Empfehlungen zur Leitung und Überwachung von Unternehmen, etwa zu Zusammensetzung und Arbeitsweise von Vorstand und Aufsichtsrat, Transparenz der Berichterstattung und Umgang mit Interessenkonflikten.

Rechtliche Einordnung und Adressaten

Wer ist verpflichtet?

Adressaten sind vor allem börsennotierte Gesellschaften in Deutschland. Je nach Marktsegment, Unternehmensform und konkreter Ausgestaltung der Börsennotierung können die Veröffentlichungspflichten variieren. Auch Unternehmen in einer SE- oder KGaA-Struktur können erfasst sein, wenn sie im regulierten Markt notieren. Nicht börsennotierte Unternehmen sind im Regelfall nicht verpflichtet, können aber freiwillig berichten.

Verhältnis zum Corporate-Governance-Kodex

Der Kodex selbst ist kein Gesetz. Seine Empfehlungen entfalten Bindungswirkung über die Entsprechenserklärung: Wer die Empfehlungen befolgt, erklärt dies; wer abweicht, legt die Gründe offen. Damit wirkt der Kodex als flexibler Standard guter Unternehmensleitung, während die Entsprechenserklärung die rechtlich vorgesehene Schnittstelle zur Öffentlichkeit bildet.

Abgrenzung zur Konformitätserklärung im Produktrecht

Die Entsprechenserklärung ist von der Konformitäts- oder EU-Konformitätserklärung im Produktrecht zu unterscheiden. Letztere bezieht sich auf die technische und sicherheitsrechtliche Übereinstimmung von Produkten mit Normen und Richtlinien (z. B. im Zusammenhang mit CE-Kennzeichnungen). Die Entsprechenserklärung betrifft dagegen die organisatorische Leitung und Überwachung von Unternehmen.

Inhalt und Aufbau

Gegenstand der Erklärung: Empfehlungen und Anregungen

Gegenstand der Entsprechenserklärung sind die Empfehlungen des Kodex. Anregungen des Kodex sind hiervon zu unterscheiden; sie werden nicht zum verpflichtenden Berichtsgegenstand. Die Erklärung kann in strukturierter Form einzelne Themenbereiche adressieren (z. B. Unabhängigkeit im Aufsichtsrat, Vergütungssysteme, Transparenz der Berichterstattung).

Darstellung von Abweichungen („Comply or Explain“)

Abweichungen sind offen zu benennen und sachlich zu begründen. Die Begründung dient dazu, die getroffene Unternehmensentscheidung nachvollziehbar zu machen. Möglich sind zeitlich befristete Abweichungen (z. B. während einer Umstrukturierungsphase) oder Abweichungen aus inhaltlichen Gründen.

Zeitliche Geltung und Aktualität

Die Entsprechenserklärung bezieht sich typischerweise auf den Zeitraum seit der letzten Erklärung sowie auf die künftige Befolgung. Sie ist regelmäßig zu aktualisieren, insbesondere wenn sich die Befolgung ändert oder der Kodex angepasst wird. Zudem kann sich die Erklärung auf einen Stichtag oder einen Berichtszeitraum beziehen und sollte dies erkennbar machen.

Verfahren der Erstellung und Veröffentlichung

Zuständigkeit der Organe

Die Erklärung wird vom Leitungs- und Überwachungsorgan verantwortet (bei dualistischer Struktur typischerweise Vorstand und Aufsichtsrat). Beide Gremien befassen sich mit den Inhalten, da Empfehlungen des Kodex sowohl die Leitung als auch die Überwachung betreffen.

Form, Sprache und Zugänglichkeit

Die Entsprechenserklärung erfolgt in Textform und wird öffentlich zugänglich gemacht, etwa über die Unternehmenswebsite und im Rahmen der Finanz- oder Corporate-Governance-Berichterstattung. Üblich ist eine Veröffentlichung in deutscher Sprache; zusätzlich kann eine englische Fassung bereitgestellt werden.

Aufbewahrung und Archivierung

Entsprechenserklärungen werden über mehrere Jahre vorgehalten, damit die Öffentlichkeit Entwicklungen nachvollziehen kann. Unternehmen pflegen häufig ein Archiv früherer Erklärungen, um Vergleichbarkeit über Zeiträume herzustellen.

Rechtsfolgen und Haftungsfragen

Folgen unterlassener oder unzutreffender Erklärungen

Eine fehlende, verspätete oder inhaltlich irreführende Entsprechenserklärung kann rechtliche Risiken begründen. In Betracht kommt eine Verantwortlichkeit der Organmitglieder bei Pflichtverletzungen. Zudem bestehen Reputationsrisiken und mögliche nachteilige Auswirkungen auf die Kapitalmarktkommunikation. Börsen- oder regulierungsbezogene Anforderungen können weitere Konsequenzen vorsehen.

Bedeutung für Abschlussprüfung und Berichterstattung

Im Rahmen der Abschlussprüfung werden formale Aspekte der Unternehmenspublizität berücksichtigt. Die fachliche Bewertung einzelner Kodexempfehlungen liegt jedoch primär bei den Organen; die Entsprechenserklärung ist kein Prüfungsurteil über „Richtigkeit“ der Corporate Governance, sondern ein Transparenzinstrument.

Kapitalmarktrechtliche Bezüge

Die Entsprechenserklärung wirkt in die laufende Kapitalmarktkommunikation hinein. Unstimmigkeiten zwischen Entsprechenserklärung, Lagebericht, Vergütungsberichten oder Investor-Relations-Materialien können rechtliche und reputative Risiken verstärken. Eine konsistente und klare Darstellung ist für die Nachvollziehbarkeit durch Anleger von Bedeutung.

Bedeutung für Unternehmenspraxis und Stakeholder

Transparenz und Vertrauensbildung

Die Entsprechenserklärung schafft Klarheit über Standards guter Unternehmensführung und über Abweichungen. Sie erleichtert es Marktteilnehmern, Governance-Profile zu vergleichen, und trägt zur Vertrauensbildung bei.

Wechselwirkung mit internen Richtlinien

Die Erklärung spiegelt häufig interne Richtlinien wider, etwa Geschäftsordnungen, Kompetenzordnungen, Compliance-Regelwerke und Vergütungsgrundsätze. Änderungen solcher internen Regelungen können Auswirkungen auf die Entsprechenserklärung haben.

Sonder- und Grenzfälle

Unternehmensformen und Konzernstrukturen

In Konzernen stellt sich die Frage, ob die Erklärung auf Ebene der Muttergesellschaft genügt oder ob Besonderheiten in Tochtergesellschaften darzustellen sind. Maßgeblich ist, auf welche Einheit sich die Kodexempfehlungen rechtlich beziehen und wie die Konzernführung organisiert ist.

Auslandsbezug und Mehrfachnotierungen

Bei Auslandsnotierungen oder Mehrfachlistings können zusätzliche Governance-Standards einschlägig sein. Unternehmen adressieren in der Praxis mitunter mehrere Kodizes, um die Erwartungen verschiedener Märkte widerzuspiegeln.

Änderungen des Kodex und Übergangsphasen

Wird der Kodex überarbeitet, können Übergangsfragen entstehen, etwa zur zeitlichen Anwendung neuer Empfehlungen. In der Entsprechenserklärung kann erkennbar gemacht werden, wie mit geänderten Empfehlungen umgegangen wird.

Häufig gestellte Fragen

Was umfasst die Entsprechenserklärung inhaltlich?

Sie umfasst die Darstellung, inwieweit ein Unternehmen die Empfehlungen des einschlägigen Corporate-Governance-Kodex befolgt, sowie die Begründung etwaiger Abweichungen. Nicht betroffen sind die rein rechtlich zwingenden Vorschriften; diese gelten unabhängig von der Erklärung.

Wer muss eine Entsprechenserklärung abgeben?

In Deutschland betrifft dies vor allem börsennotierte Unternehmen. Der genaue Adressatenkreis hängt von der Marktsegmentierung und der Rechtsform ab. Freiwillige Erklärungen sind möglich, wenn keine Verpflichtung besteht.

Wie oft ist eine Entsprechenserklärung zu veröffentlichen?

Sie wird regelmäßig erstellt und veröffentlicht, typischerweise in jährlichem Turnus und bei relevanten Änderungen. Zudem wird sie über einen mehrjährigen Zeitraum zugänglich gehalten.

Was bedeutet „Comply or Explain“ konkret?

Es bedeutet, dass ein Unternehmen entweder den Empfehlungen des Kodex folgt („Comply“) oder Abweichungen offenlegt und sachlich begründet („Explain“). Die Transparenz über Abweichungen ist integraler Bestandteil des Systems.

Welche rechtlichen Folgen hat eine fehlerhafte Entsprechenserklärung?

Fehlerhafte oder irreführende Angaben können zu Verantwortlichkeiten der Organmitglieder führen und kapitalmarktrechtliche sowie reputationsbezogene Risiken nach sich ziehen. Die Konsequenzen hängen vom Einzelfall und den einschlägigen Publizitätsanforderungen ab.

Wird die Entsprechenserklärung geprüft?

Formale Aspekte der Veröffentlichung werden im Rahmen der Berichterstattung berücksichtigt. Eine umfassende inhaltliche Prüfung der Befolgung jeder einzelnen Empfehlung ist nicht Gegenstand eines Prüfungsurteils.

Gilt die Entsprechenserklärung auch für Konzerntöchter?

Maßgeblich ist, auf welche Einheit sich die Pflicht bezieht. Häufig steht die börsennotierte Obergesellschaft im Fokus. Konzernbesonderheiten können gleichwohl in der Erklärung thematisiert werden, wenn sie die Befolgung betreffen.

Worin liegt der Unterschied zur Konformitätserklärung bei Produkten?

Die Konformitätserklärung im Produktrecht betrifft die Übereinstimmung von Produkten mit technischen und sicherheitsrechtlichen Anforderungen. Die Entsprechenserklärung bezieht sich demgegenüber auf Standards guter Unternehmensführung.