Eigenschaften, Irrtum (Täuschung) über: Begriff und Einordnung
Der Ausdruck „Eigenschaften, Irrtum (Täuschung) über“ beschreibt Konstellationen, in denen sich eine Vertragspartei über wesentliche Merkmale einer Sache, einer Person oder eines Rechts irrt oder hierüber durch unrichtige Angaben getäuscht wird. Solche Irrtümer und Täuschungen betreffen nicht nebensächliche Details, sondern Merkmale, die für den Abschluss des Vertrags oder dessen Konditionen maßgeblich sind. Rechtlich stehen dabei die Wirksamkeit des Vertragsschlusses, Möglichkeiten der Anfechtung und Fragen des Schadensersatzes im Vordergrund.
Was sind „Eigenschaften“ im rechtlichen Sinn?
Eigenschaften sind Merkmale, die einer Sache, einer Person oder einem Recht dauerhaft anhaften oder deren Wert und Verwendbarkeit erheblich prägen. Bei Sachen zählen hierzu etwa Material, Herkunft, Alter, Baujahr, Laufleistung, Funktionstüchtigkeit, Echtheit oder Zulassungsfähigkeit. Bei Personen können Qualifikationen, Zulassungen, Zuverlässigkeit, gesundheitliche Eignung oder Bonität eine Rolle spielen. Auch rechtliche Beziehungen zu einer Sache (zum Beispiel bestehende Belastungen oder öffentlich-rechtliche Beschränkungen) können als Eigenschaften verstanden werden. Nicht jede Einzelheit ist erheblich; maßgeblich ist, ob das Merkmal nach der Verkehrsanschauung oder nach der vertraglichen Zwecksetzung für die Entscheidung über den Vertrag wichtig ist.
Irrtum über Eigenschaften
Ein Irrtum über Eigenschaften liegt vor, wenn sich eine Partei bei Abgabe der Vertragserklärung über ein wesentliches Merkmal irrt, das für den Vertragsschluss bedeutsam war. Der Irrende hat eine unzutreffende Vorstellung von einer gegenwärtigen oder vergangenen Eigenschaft; diese Fehlvorstellung ist für den Vertragsentschluss ursächlich. Anders als bei bloßen Rechenfehlern oder Motivirrtümern betrifft der Eigenschaftsirrtum die Identität oder die Qualität des Vertragsgegenstands oder der Vertragspartei.
Täuschung über Eigenschaften
Von Täuschung spricht man, wenn der Irrtum über Eigenschaften durch ein Verhalten der anderen Seite hervorgerufen wird. Das kann durch ausdrückliche Falschangaben, irreführende Beschreibungen, manipulierte Nachweise oder – sofern eine rechtliche Aufklärungspflicht besteht – durch Verschweigen erheblicher Umstände geschehen. Die Täuschung muss für die Willensbildung kausal gewesen sein. Je nach Konstellation kommen neben der Anfechtung auch Ansprüche auf Schadensersatz in Betracht.
Abgrenzungen
Eigenschaft vs. Preis oder Wert
Der Preis selbst ist keine Eigenschaft. Ein Irrtum über den Preis ist daher kein Eigenschaftsirrtum. Anders liegt es, wenn ein wertbeeinflussendes Merkmal (zum Beispiel Echtheit oder Laufleistung) verkannt wird; dann betrifft der Irrtum die Qualität und nicht nur die Preisvorstellung.
Eigenschaftsirrtum vs. Motivirrtum
Der Motivirrtum betrifft subjektive Beweggründe, die außerhalb des Vertragsgegenstands liegen (etwa die Annahme, ein Dritter werde das Gut später teurer abnehmen). Solche Motive sind grundsätzlich unbeachtlich. Ein Eigenschaftsirrtum liegt demgegenüber vor, wenn sich die Fehlvorstellung auf die Sache, die Person oder das Recht selbst bezieht.
Gegenwart/Vergangenheit vs. Zukunft
Eigenschaften beziehen sich regelmäßig auf gegenwärtige oder vergangene, bereits ausgeprägte Merkmale. Erwartungen über zukünftige Entwicklungen (etwa künftige Wertsteigerungen) sind keine Eigenschaften. Werden allerdings belastbare, gegenwartsbezogene Tatsachen über einen zukünftigen Zustand zugesichert (zum Beispiel eine bereits bestehende Genehmigung), kann dies eigenschaftsrelevant sein.
Rechtsfolgen von Irrtum und Täuschung
Anfechtung wegen Irrtums über Eigenschaften
Wer sich bei Vertragsschluss über wesentliche Eigenschaften geirrt hat, kann den Vertrag grundsätzlich anfechten. Erforderlich ist ein beachtlicher Irrtum über ein entscheidendes Merkmal und die Ursächlichkeit dieses Irrtums für die Erklärung. Die Anfechtung muss nach Kenntnis des Irrtums innerhalb einer kurzen, gesetzlich vorgesehenen Frist erklärt werden. Rechtsfolge ist in der Regel die rückwirkende Beseitigung des Vertrags mit Rückgewähr der empfangenen Leistungen; unter Umständen kommen Ausgleichs- oder Wertersatzansprüche hinzu.
Anfechtung und Haftung bei Täuschung
Bei Täuschung über Eigenschaften kann die getäuschte Partei den Vertrag ebenfalls anfechten. Zusätzlich kommen Ansprüche auf Ersatz des entstandenen Schadens in Betracht, wenn die Täuschung schuldhaft war. Auch hier gilt eine Frist, die an die Entdeckung der Täuschung anknüpft und länger sein kann als bei bloßem Irrtum.
Rückabwicklung und Schadensumfang
Nach wirksamer Anfechtung sind die empfangenen Leistungen grundsätzlich zurückzugewähren. Der Schadensumfang kann variieren: Beim bloßen Eigenschaftsirrtum steht häufig der Vertrauensschaden im Vordergrund (Schaden durch das Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrags), während bei Täuschung auch weitergehende Schäden ersetzt werden können. Die konkrete Reichweite hängt von den Umständen des Einzelfalls und den heranzuziehenden Regelungen ab.
Typische Fallgruppen
Eigenschaften von Sachen
Häufig streitig sind Alter, Laufleistung, Unfallfreiheit, Echtheit, Herkunft, Ausstattungsmerkmale, technische Spezifikationen, Energieeffizienz, Flächenangaben oder die rechtliche Verwendbarkeit (zum Beispiel Nutzungsbeschränkungen). Unzutreffende Prospektangaben und irreführende Produktbeschreibungen können einen Irrtum begründen oder eine Täuschung darstellen.
Eigenschaften von Personen
Bei Verträgen, die auf besondere Fähigkeiten oder Vertrauenswürdigkeit abstellen, sind Qualifikationen, Zulassungen, berufliche Befähigungen, Zuverlässigkeit oder Bonität eigenschaftsrelevant. Falsche Angaben hierzu sind häufig rechtlich erheblich.
Digitale Inhalte und Daten
Bei Software, digitalen Diensten und Datenbeständen können Leistungsumfang, Kompatibilität, Sicherheitsniveau, Verfügbarkeit, Datenqualität und Lizenzrechte als Eigenschaften gelten. Aussagen über Funktionsumfang oder Sicherheitszertifizierungen sind rechtlich bedeutsam, wenn sie für die Entscheidung maßgeblich sind.
Beweis- und Darlegungsfragen
Informationen und Erklärungen
Beschreibungen in Angeboten, Prospekten, Datenblättern und Werbung können als Aussagen über Eigenschaften verstanden werden. Ebenso relevant sind vertragliche Beschreibungen, Zusicherungen und Garantien. Je konkreter und produktbezogener die Angabe, desto eher hat sie rechtliches Gewicht.
Kausalität und Erkennbarkeit
Für die Anfechtung ist regelmäßig erforderlich, dass die falsche Vorstellung oder Täuschung den Vertragsentschluss beeinflusst hat. Bei Täuschung ist zudem bedeutsam, ob eine Aufklärungspflicht bestand und ob die Irreführung erkennbar auf die Willensbildung gewirkt hat. Beweisfragen richten sich nach den allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast.
Verhältnis zu Gewährleistungsrechten
Irrtum und Täuschung über Eigenschaften können neben oder statt vertraglichen Gewährleistungsrechten bedeutsam sein. Gewährleistungsrechte knüpfen typischerweise an Mängel und vereinbarte Beschaffenheiten an. Eine erfolgreiche Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums oder Täuschung führt zur Rückabwicklung des Vertrags, während Gewährleistungsrechte auf Nacherfüllung, Minderung, Rücktritt oder Schadensersatz gerichtet sein können. Vertragliche Haftungsbeschränkungen sind rechtlich nur eingeschränkt wirksam, wenn Angaben über Eigenschaften unzutreffend oder irreführend waren.
Häufig gestellte Fragen
Was gilt als „Eigenschaft“ im rechtlichen Sinn?
Eigenschaften sind dauerhafte, wert- oder verwendungsprägende Merkmale einer Sache, Person oder eines Rechts. Dazu zählen etwa Material, Herkunft, Alter, Echtheit, technische Leistungsdaten, Qualifikationen oder rechtliche Belastungen. Entscheidend ist die Relevanz für den Vertragsentschluss.
Ist ein Irrtum über den Preis ein Eigenschaftsirrtum?
Nein. Der Preis ist keine Eigenschaft. Ein Irrtum nur über die Höhe des Preises ist grundsätzlich kein Eigenschaftsirrtum. Betrifft der Irrtum jedoch ein wertbildendes Merkmal (zum Beispiel Echtheit oder Laufleistung), kann er eigenschaftsrelevant sein.
Worin liegt der Unterschied zwischen Eigenschaftsirrtum und Motivirrtum?
Der Eigenschaftsirrtum betrifft die Qualität oder Identität des Vertragsgegenstands oder der Person. Der Motivirrtum betrifft persönliche Beweggründe außerhalb des Vertragsgegenstands und ist in der Regel unbeachtlich.
Wann liegt eine Täuschung über Eigenschaften vor?
Eine Täuschung liegt vor, wenn durch falsche Angaben, irreführende Darstellungen oder pflichtwidriges Verschweigen ein Irrtum über wesentliche Eigenschaften hervorgerufen wird und dieser Irrtum für den Vertragsabschluss ursächlich war.
Welche Rechtsfolgen hat die Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums?
Die Anfechtung kann zur rückwirkenden Beseitigung des Vertrags und zur Rückgewähr der Leistungen führen. Zusätzlich kommen Ausgleichs- oder Schadensersatzansprüche in Betracht, deren Umfang von der Konstellation abhängt.
Welche Fristen gelten für die Anfechtung?
Die Anfechtung wegen Irrtums ist innerhalb kurzer Frist nach Entdeckung zu erklären. Bei Täuschung beginnt die Frist regelmäßig mit der Entdeckung der Irreführung und kann länger sein. Maßgeblich sind die gesetzlichen Fristenregelungen.
Wie verhalten sich Anfechtung und Gewährleistungsrechte zueinander?
Beide Instrumente bestehen nebeneinander. Die Anfechtung führt zur Rückabwicklung, während Gewährleistungsrechte an Mängel und vereinbarte Beschaffenheiten anknüpfen. Welche Folgen im Einzelfall eintreten, richtet sich nach den vertraglichen Abreden und den gesetzlichen Vorgaben.