Eigenschaften, Irrtum (Täuschung) über – Eine rechtliche Betrachtung
Begriffsklärung: Eigenschaften, Irrtum (Täuschung) über
Der Begriff „Eigenschaften, Irrtum (Täuschung) über“ spielt im Zivilrecht, insbesondere im Zusammenhang mit Willenserklärungen und deren Anfechtung, eine wesentliche Rolle. Ein Irrtum über Eigenschaften kann gemäß § 119 Abs. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) einen Anfechtungsgrund für Rechtsgeschäfte darstellen. Ebenso kann die Täuschung über bestimmte Eigenschaften nach § 123 BGB zur Anfechtbarkeit führen. Der Begriff umfasst diejenigen Merkmale einer Person oder Sache, die rechtlich als „verkehrswesentliche Eigenschaften“ eingeordnet werden.
Gesetzliche Grundlagen
Irrtum nach § 119 Abs. 2 BGB
Ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft eines Vertragsgegenstandes oder einer Person ist nach § 119 Abs. 2 BGB als Motivirrtum anfechtbar, sofern er für das Rechtsgeschäft erheblich war. Hat sich der Erklärende beim Abschluss eines Rechtsgeschäfts über eine solche Eigenschaft geirrt, kann er die Erklärung anfechten, wodurch das Geschäft nachträglich gemäß § 142 BGB als von Anfang an nichtig gilt.
Täuschung nach § 123 BGB
Wird eine Willenserklärung durch arglistige Täuschung herbeigeführt, ist die Anfechtung ebenfalls möglich. Die Täuschung über Eigenschaften fällt hierunter, sofern der Täuschende beim anderen einen Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft hervorruft oder bestärkt.
Verkehrsrelevante Eigenschaften
Begriff der Eigenschaft
Eigenschaften sind alle wertbildenden Merkmale, die einer Person oder Sache auf Dauer anhaften oder diese kennzeichnen. Dies können sowohl physische als auch rechtliche oder wirtschaftliche Merkmale sein.
Beispiele für Eigenschaften von Sachen
- Materialbeschaffenheit (z. B. Echtheit eines Schmuckstücks)
- Alter
- Herkunft
- Funktionsfähigkeit
- Markenzugehörigkeit
Eigenschaften von Personen
- Ausbildungsstand
- Berufliche Qualifikation
- Vorstrafenfreiheit
- Geschäftsfähigkeit
Verkehrsrelevanz
Für die Anfechtung muss es sich um eine verkehrswesentliche Eigenschaft handeln. Verkehrsrelevant ist eine Eigenschaft, wenn sie nach der Verkehrsanschauung für das konkrete Rechtsgeschäft wesentlich ist. Eine rein subjektive Wesentlichkeit genügt nicht; vielmehr muss eine objektive Bedeutung für den Geschäftsabschluss vorliegen.
Anwendungsfälle im Vertragsrecht
Kaufvertrag
Beim Kaufvertrag können Irrtümer über Stück-, Gattungs- oder Qualitätsmerkmale, die für die Preiskalkulation oder die Entscheidung zum Kauf maßgeblich sind, einen Anfechtungsgrund darstellen. Beispielsweise ist die fälschliche Annahme, ein Gemälde sei von einem bekannten Künstler, ein relevanter Eigenschaftsirrtum.
Mietrecht
Eigenschaftsirrtümer im Mietrecht, etwa über die Wohnfläche oder die Bebaubarkeit eines Grundstücks, können ebenso zur Anfechtung führen, wenn sie für den Abschluss des Mietvertrags maßgeblich waren.
Arbeitsrecht
Auch im Arbeitsrecht spielt der Irrtum über Eigenschaften eine Rolle, etwa bei Qualifikationsmerkmalen oder der nationalen Zulassung zu bestimmten Tätigkeiten.
Irrtum und Täuschung im Rechtsfolgesystem
Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums (§ 119 Abs. 2 BGB)
Im Falle eines Eigenschaftsirrtums kann der Irrende das Rechtsgeschäft binnen einer Frist von einem Jahr ab Entdeckung des Irrtums anfechten (§ 121 BGB). Die Anfechtung wirkt ex tunc, das heißt, das Geschäft gilt als von Anfang an nichtig. Allerdings kann gemäß § 122 BGB der Anfechtende zum Ersatz des negativen Interesses verpflichtet sein, sofern der Vertragspartner kein Verschulden trifft.
Anfechtung wegen Täuschung (§ 123 BGB)
Die arglistige Täuschung über Eigenschaften berechtigt zur Anfechtung innerhalb eines Jahres nach Kenntnis der Täuschung (§ 124 BGB). Im Gegensatz zum Eigenschaftsirrtum muss der Anfechtende hier in der Regel keine Schadensersatzpflicht für das sogenannte Vertrauensinteresse erfüllen, sofern die Anfechtung wirksam ist und keine anderen Schadensersatzansprüche bestehen.
Abgrenzung zu anderen Irrtümern
Der Eigenschaftsirrtum unterscheidet sich von Identitätsirrtum, Erklärungsirrtum und Inhaltsirrtum:
- Identitätsirrtum: Verwechslung der Vertragspartei oder des Vertragsgegenstands.
- Erklärungsirrtum: Irrtum darüber, was erklärt wurde (z. B. verschreiben).
- Inhaltsirrtum: Irrtum über die Bedeutung der Erklärung.
Nur der Eigenschaftsirrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft berechtigt nach § 119 Abs. 2 BGB zur Anfechtung, während reine Motivirrtümer, die nicht auf eine verkehrswesentliche Eigenschaft bezogen sind, grundsätzlich unbeachtlich bleiben.
Einschränkungen und Ausschlüsse
Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Irrtum unbeachtlich ist, etwa weil es sich nicht um eine verkehrswesentliche Eigenschaft handelt oder der Erklärende den Irrtum arglistig oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Zudem kann die Anfechtung unter Umständen gemäß § 242 BGB (Treu und Glauben) ausgeschlossen sein.
Bedeutung im Verbraucherschutz und bei Vertragsverhandlungen
Die korrekte Angabe von Eigenschaften ist insbesondere im Verbraucherschutz und bei Vorvertraglichen Informationspflichten von hoher Relevanz. Fehlerhafte Angaben können zur Haftung oder zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führen. Die rechtzeitige und vollständige Information ist nach einschlägigen Vorschriften, etwa im E-Commerce oder Immobilienrecht, verpflichtend.
Zusammenfassung
Der Irrtum (Täuschung) über Eigenschaften ist ein zentraler Begriff des Zivilrechts und ermöglicht die Anfechtung von Rechtsgeschäften, wenn sich herausstellt, dass eine für den Vertragsschluss wesentliche Eigenschaft fehlerhaft angenommen oder wissentlich falsch dargestellt wurde. Wesentlich ist stets die Verkehrsrelevanz der Eigenschaft. Die Unterscheidung zwischen Irrtum und Täuschung beeinflusst sowohl die Anfechtungsfrist als auch die Frage nach einem etwaigen Schadensersatzanspruch.
Weiterführende Stichwörter:
Willenserklärung, Anfechtung, Verkehrswesentliche Eigenschaft, Kaufrecht, Täuschung, Schadensersatz, BGB, Motivirrtum
Gesetzestexte:
- § 119 Abs. 2 BGB – Anfechtbarkeit wegen Irrtums über Eigenschaften
- § 123 BGB – Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung
- § 142 BGB – Wirkung der Anfechtung
- § 121 BGB – Anfechtungsfrist
- § 124 BGB – Anfechtungsfrist bei Täuschung
- § 122 BGB – Schadensersatzpflicht des Anfechtenden
Hinweis: Der Begriff „Eigenschaften, Irrtum (Täuschung) über“ ist für das Verständnis von Anfechtungsgründen innerhalb des deutschen Zivilrechts essenziell und erfasst zahlreiche praxisrelevante Konstellationen im Vertragsrecht.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Auswirkungen hat ein Eigenschaftsirrtum bei Vertragsschluss?
Ein Eigenschaftsirrtum nach § 119 Abs. 2 BGB liegt vor, wenn sich der Erklärende über eine verkehrswesentliche Eigenschaft einer Person oder Sache irrt, die für den Vertragsschluss wesentlich war. Im deutschen Zivilrecht ist ein solcher Irrtum grundsätzlich zur Anfechtung berechtigend, sodass der Vertrag als von Anfang an nichtig betrachtet wird, sofern die Anfechtung rechtzeitig und formwirksam erklärt wird. Zu den Eigenschaften zählen insbesondere tatsächliche und rechtliche Merkmale, die der Sache selbst dauernd anhaften, wie Alter, Herkunft, Beschaffenheit, Echtheit oder Nutzungsmöglichkeiten. Ist der Eigenschaftsirrtum erfolgreich angefochten worden, muss der Empfänger des Irrtums nach den Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung den Vertrag rückabwickeln. Zu beachten ist, dass der Anfechtende dem Anfechtungsgegner nach § 122 BGB einen etwaigen Vertrauensschaden zu ersetzen hat, wenn der Anfechtungsgrund nicht auf dessen Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis zurückgeht.
Welche Voraussetzungen müssen für einen anfechtbaren Eigenschaftsirrtum vorliegen?
Für die Anfechtbarkeit eines Eigenschaftsirrtums müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein: Erstens muss eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Person oder Sache betroffen sein. Verkehrswesentlich sind Eigenschaften, die nach der Verkehrsanschauung oder ausdrücklich nach Parteivereinbarung für den Vertragsschluss von Bedeutung sind. Zweitens muss der Irrtum bei Abgabe der Willenserklärung kausal gewesen sein, also für die Erklärung ursächlich. Drittens ist eine unverzügliche Anfechtung nach Entdeckung des Irrtums erforderlich (§ 121 BGB). Schließlich darf kein Ausschlussgrund wie die Kenntnis oder grobe Fahrlässigkeit des Irrenden bezüglich der wahren Sachlage nachweisbar sein.
Welche Unterschiede bestehen zwischen einem Eigenschaftsirrtum und Motivirrtum?
Im deutschen Recht wird streng zwischen dem Eigenschaftsirrtum und dem bloßen Motivirrtum unterschieden. Während der Eigenschaftsirrtum gemäß § 119 Abs. 2 BGB anfechtbar ist, führt der Motivirrtum grundsätzlich nicht zur Anfechtbarkeit. Ein Motivirrtum liegt vor, wenn der Irrende sich in den Umständen täuscht, die ihn zum Vertragsschluss bewogen haben, nicht jedoch in Eigenschaften der Vertragspartei oder des Gegenstandes. Beispiel: Wer ein Haus kauft, weil er irrig glaubt, in der Nachbarschaft werde ein Park errichtet, unterliegt einem Motivirrtum. Dagegen ist ein Irrtum über die Bebaubarkeit des Grundstücks, wenn dies für die Nutzung wesentlich ist, als Eigenschaftsirrtum anfechtbar.
Sind subjektive Wertvorstellungen oder Preisirrtümer als Eigenschaftsirrtum anfechtbar?
Subjektive Wertvorstellungen, Erwartungen oder bloße Preisirrtümer stellen in der Regel keinen Eigenschaftsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB dar. Der Wert einer Sache als solcher ist eine unselbstständige Bewertung, keine verkehrswesentliche Eigenschaft. Gleiches gilt für Preisirrtümer: Wer sich über den Wert eines Gemäldes irrt, unterliegt grundsätzlich einem unbeachtlichen Motivirrtum. Abweichend kann jedoch ein Irrtum über wertbildende Faktoren, etwa die Echtheit eines Künstlers oder die Antiquität einer Sache, ein anfechtbarer Eigenschaftsirrtum sein, da damit eine eigenschaftsrelevante Tatsache betroffen ist.
Wie lange kann ein Eigenschaftsirrtum angefochten werden?
Die Anfechtungsfrist für einen Eigenschaftsirrtum richtet sich nach § 121 BGB. Demnach muss die Anfechtung unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, nach Kenntnis des Irrtums erklärt werden. In der Regel wird ein Zeitraum von etwa einer Woche als angemessen erachtet, es sei denn, besondere Umstände rechtfertigen eine Verlängerung. Nach Ablauf der Anfechtungsfrist oder bei Bestätigung des Vertrags trotz Irrtum (§ 144 BGB) ist die Anfechtung ausgeschlossen. Wird der Eigenschaftsirrtum hingegen erst später entdeckt, kann keine Anfechtung mehr erfolgen.
Welche Rechtsfolgen hat die erfolgreiche Anfechtung eines Eigenschaftsirrtums?
Bei erfolgreicher Anfechtung eines Vertrags wegen Eigenschaftsirrtums gilt der Vertrag gemäß § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig (ex tunc-Wirkung). Daraus folgt, dass bereits empfangene Leistungen nach den Regeln des Bereicherungsrechts (§§ 812 ff. BGB) zurückzugewähren sind. Beide Parteien sind verpflichtet, das Erlangte herauszugeben oder, falls dies nicht möglich ist, Wertersatz zu leisten. Zusätzlich hat der Anfechtende gemäß § 122 BGB dem Vertragspartner den sogenannten Vertrauensschaden zu ersetzen, jedoch höchstens bis zur Höhe des Interesses am Bestand des Vertrages. Dies soll einen Ausgleich schaffen zwischen den schutzwürdigen Interessen beider Parteien.
Können auch Eigenschaften von Personen Gegenstand eines Eigenschaftsirrtums sein?
Eigenschaftsirrtümer können sich nicht nur auf Sachen, sondern auch auf Eigenschaften von Personen beziehen. Dazu zählen unter anderem Herkunft, Alter, Geschäftsfähigkeit, Qualifikationen oder beruflicher Status, soweit diese Eigenschaften objektiv für das konkrete Rechtsgeschäft von Bedeutung (verkehrswesentlich) sind. Auch bei Stellvertretung sind Eigenschaften sowohl des Vertreters als auch des Vertretenen relevant, wenn sie für den Vertragsschluss maßgeblich waren. Die Eigenschaft muss allerdings objektiv von Bedeutung für den Vertrag gewesen sein; persönliche Sympathien oder individuelle Werturteile gelten nicht als Eigenschaft im rechtlichen Sinn.