Dolmetscher: Begriff, Funktion und rechtliche Einordnung
Dolmetscher übertragen gesprochene oder gebärdete Sprache in eine andere Sprache, um Verständigung zwischen Personen ohne gemeinsame Sprache zu ermöglichen. Im rechtlichen Kontext sichern sie das Recht auf Verständigung und einen fairen Ablauf von behördlichen und gerichtlichen Verfahren. Dolmetschen erfolgt mündlich oder in Gebärdensprache; schriftliche Übertragungen fallen in den Bereich des Übersetzens. Beides dient der rechtsstaatlich gebotenen Barrierefreiheit und Verfahrensfairness.
Rechtliche Stellung und Arten von Dolmetschern
Öffentlich bestellte und allgemein beeidigte Dolmetscher
In vielen Bereichen werden öffentlich bestellte und allgemein beeidigte Dolmetscher eingesetzt. Diese Personen haben bei einer zuständigen Stelle ihre persönliche Eignung und fachliche Befähigung nachgewiesen und eine allgemeine Eidesleistung erbracht, künftig getreu und gewissenhaft zu dolmetschen und Stillschweigen zu bewahren. Behörden und Gerichte greifen bevorzugt auf solche Dolmetscher zurück, da ihre Bestellung die Verlässlichkeit der Sprachmittlung stützt.
Ad-hoc-Eidesleistung im Verfahren
Ist kein allgemein beeidigter Dolmetscher verfügbar, kann in einem konkreten Verfahren eine gesonderte Eidesleistung angeordnet werden. Diese Eidesleistung bezieht sich auf den jeweiligen Einsatz und endet mit ihm.
Einsatzbereiche in Verfahren
Gerichtliche Verfahren
In Zivil-, Straf-, Familien-, Verwaltungs- und Arbeitsgerichtsverfahren wird gedolmetscht, wenn Beteiligte einer oder mehrere Sprachen nicht hinreichend beherrschen oder eine Hör- bzw. Sprachbehinderung besteht. Das Dolmetschen kann in der mündlichen Verhandlung, bei Beweisaufnahmen, bei Vergleichsverhandlungen sowie bei der Verkündung und Eröffnung wesentlicher Inhalte erfolgen. Ziel ist, die Verfahrensrechte aller Beteiligten zu sichern und Missverständnisse zu vermeiden.
Polizei und Ermittlungen
Bei polizeilichen Maßnahmen und Ermittlungen, insbesondere bei Befragungen, Vernehmungen und Durchsuchungen, dienen Dolmetscher der Wahrung der Verständlichkeit von Belehrungen und Aussagen. Die Verständlichkeit der Rechte und Pflichten ist maßgeblich für die Wirksamkeit von Mitwirkungen und Erklärungen.
Verwaltungsverfahren, Sozial- und Aufenthaltsangelegenheiten
Auch in Verwaltungsverfahren, etwa in Ausländer-, Sozial- oder Schulangelegenheiten, werden Dolmetscher hinzugezogen, wenn dies zur Sachverhaltsaufklärung, zur wirksamen Anhörung oder zur barrierefreien Kommunikation notwendig ist. Dies betrifft ebenso Anhörungen in Schutz- und Aufenthaltsverfahren.
Notariat, Beurkundungen und Verträge
Bei notariellen Beurkundungen und Beglaubigungen kann Dolmetschen erforderlich sein, damit die Erklärungen der Beteiligten inhaltlich verstanden und wirksam abgegeben werden. Das beinhaltet das Dolmetschen der verlesenen Urkunde und der Hinweise zur Tragweite des Rechtsgeschäfts.
Pflichten und Verantwortung
Neutralität und Unparteilichkeit
Dolmetscher haben neutral und unparteiisch zu handeln. Sie geben Inhalte vollständig und sachlich wieder und vermeiden eigene Bewertungen. Nahe persönliche Beziehungen zu Beteiligten oder sonstige Interessen können eine Ablehnung oder Beendigung eines Einsatzes erfordern.
Verschwiegenheit und Datenschutz
Es besteht eine strenge Pflicht zur Verschwiegenheit über alle im Einsatz bekannt gewordenen Informationen. Personenbezogene Daten sind nur zweckgebunden zu verarbeiten. Bei der Nutzung technischer Hilfsmittel, insbesondere bei Fernkommunikation, sind Vertraulichkeit und Datensicherheit zu gewährleisten.
Sorgfalt und Qualitätsmaßstab
Dolmetscher arbeiten gewissenhaft, vollständig und nach anerkannten fachlichen Grundsätzen. Dazu gehört das korrekte Wiedergeben von Sinn, registergerechter Ausdruck, Kennzeichnen von Unsicherheiten und das Vermeiden eigenständiger Zusammenfassungen.
Ablehnung und Befangenheit
Bei Interessenkonflikten oder Zweifeln an der Unabhängigkeit kann eine Mitwirkung unzulässig sein. In förmlichen Verfahren existieren hierfür geregelte Ablehnungs- und Entscheidungsmechanismen, um das Vertrauen in die Sprachmittlung zu sichern.
Rechte und Vergütung
Vergütung und Aufwandsersatz
Die Vergütung erfolgt nach gesetzlichen Vergütungstabellen oder vertraglichen Vereinbarungen. In förmlichen Verfahren richtet sich die Höhe regelmäßig nach festen Sätzen, einschließlich Ersatz von Reise- und Zeitaufwand. Wer die Kosten trägt, bestimmt sich nach den jeweils einschlägigen Kostenvorschriften des Verfahrens.
Arbeits- und Einsatzbedingungen
Dolmetscher haben Anspruch auf zumutbare Arbeitsbedingungen, die eine sorgfältige Leistung ermöglichen. Dazu zählen angemessene Vorbereitung, verständliche Akustik, ausreichende Pausen bei längeren Einsätzen und geeignete technische Ausstattung bei simultaner Verdolmetschung.
Haftung und Sanktionen
Fehlerhafte oder pflichtwidrige Sprachmittlung kann haftungs- und sanktionsrechtliche Folgen haben. Kommt es infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Falschübertragung zu Schäden, kann eine zivilrechtliche Haftung bestehen. In besonders schweren Fällen können berufs- oder verfahrensrechtliche Maßnahmen drohen, etwa der Entzug einer öffentlichen Bestellung, sowie straf- oder ordnungsrechtliche Konsequenzen. Im Verfahren selbst können fehlerhafte Übertragungen die Verwertbarkeit von Aussagen oder die Wirksamkeit von Prozesserklärungen beeinträchtigen.
Technische und organisatorische Rahmenbedingungen
Ferndolmetschen
Dolmetschen kann vor Ort, per Video oder telefonisch stattfinden. Bei Fernformaten sind die Verständlichkeit, die Identitätsfeststellung der Beteiligten, die Vertraulichkeit und die störungsfreie Übertragung sicherzustellen. Je nach Verfahrensart können zusätzliche Anforderungen an Bild- und Tonqualität bestehen.
Dokumentation und Protokoll
In gerichtlichen und behördlichen Verfahren wird die Tätigkeit des Dolmetschers im Protokoll vermerkt. Maßgeblich für den Verfahrensverlauf ist regelmäßig das amtliche Protokoll der Aussagen und Erklärungen; die Dolmetschleistung dient der Verständigung, nicht der Beweissicherung als eigenes Dokument. Hinweise auf Verständnisschwierigkeiten oder Korrekturen werden im Protokoll festgehalten.
Besondere Konstellationen
Minderjährige und schutzbedürftige Personen
Bei Minderjährigen oder besonders schutzbedürftigen Personen gelten erhöhte Anforderungen an Verständlichkeit und Sensibilität. Die Sprachmittlung hat sich am Schutz dieser Personen zu orientieren, ohne den Inhalt zu verändern oder zu beeinflussen.
Gebärdensprachdolmetschen
Personen mit Hör- oder Sprachbehinderungen haben Anspruch auf barrierefreie Kommunikation. Gebärdensprachdolmetscher gewährleisten die Teilnahme an Verfahren und die wirksame Ausübung von Rechten. Je nach Bedarf kommen unterschiedliche Gebärdensprachen oder lautsprachbegleitende Systeme zum Einsatz.
Sprachmittlung durch Laien
Die Verwendung von Verwandten, Bekannten oder Mitarbeitenden als spontane Sprachmittler ist rechtlich sensibel. Es bestehen erhöhte Risiken hinsichtlich Richtigkeit, Vollständigkeit, Neutralität und Vertraulichkeit. In förmlichen Verfahren wird daher regelmäßig eine qualifizierte und unabhängige Sprachmittlung verlangt.
Abgrenzung: Dolmetschen versus Übersetzen
Dolmetschen ist die mündliche oder gebärdensprachliche Übertragung in Echtzeit oder mit kurzer Verzögerung. Übersetzen ist die schriftliche Übertragung von Texten. Beide Tätigkeiten unterliegen im behördlichen und gerichtlichen Bereich eigenen Anforderungen an Qualifikation, Sorgfalt, Vertraulichkeit und Prüfmechanismen.
Auswahl und Bestellung durch Behörden
Behörden und Gerichte wählen Dolmetscher nach Eignung, Verfügbarkeit und Unabhängigkeit aus. Häufig greifen sie auf Verzeichnisse öffentlich bestellter und allgemein beeidigter Dolmetscher zurück. Die Bestellung für einen konkreten Termin wird dokumentiert, einschließlich Sprachrichtung, Einsatzart und etwaiger Eidesleistung.
Internationale Bezüge
In grenzüberschreitenden Sachverhalten und in Verfahren mit internationalem Bezug besteht ein Anspruch auf Verständigung in einer Sprache, die die betroffene Person versteht. Europäische und internationale Standards sichern Mindestanforderungen an Qualität, Unentgeltlichkeit für Berechtigte im Strafverfahren und an die Verfügbarkeit qualifizierter Sprachmittlung. Diese Standards wirken auf die Auslegung nationaler Verfahrensrechte ein.
Häufig gestellte Fragen zum Thema Dolmetscher (rechtlicher Kontext)
Wer darf in einem gerichtlichen Verfahren dolmetschen?
In gerichtlichen Verfahren werden vorrangig öffentlich bestellte und allgemein beeidigte Dolmetscher eingesetzt. Ist eine solche Person nicht verfügbar, kann für den Einzelfall eine Eidesleistung angeordnet werden. Maßgeblich sind Eignung, Unabhängigkeit und Sprachkompetenz.
Ist ein Dolmetscher zur Verschwiegenheit verpflichtet?
Ja. Dolmetscher unterliegen einer strengen Verschwiegenheitspflicht. Sie dürfen Informationen aus dem Einsatz nicht unbefugt weitergeben und müssen Vertraulichkeit sowie Datensicherheit wahren.
Wer trägt die Kosten eines Dolmetschers im Verfahren?
Die Kostentragung richtet sich nach den Regeln des jeweiligen Verfahrens. Je nach Konstellation können Kosten von der Staatskasse oder von Beteiligten getragen werden; in bestimmten Fällen besteht ein Anspruch auf Kostenerstattung.
Worin besteht der Unterschied zwischen allgemein beeidigten und nicht beeidigten Dolmetschern?
Allgemein beeidigte Dolmetscher haben eine öffentliche Bestellung und eine allgemeine Eidesleistung abgelegt. Das stärkt die Verlässlichkeit ihrer Mitwirkung in Verfahren. Nicht beeidigte Dolmetscher können im Einzelfall vereidigt werden, wenn dies erforderlich ist.
Welche Folgen haben Dolmetschfehler für ein Verfahren?
Erhebliche Fehler können die Verständlichkeit von Belehrungen, Aussagen und Erklärungen beeinträchtigen. Dies kann Auswirkungen auf die Verwertbarkeit von Beweismitteln oder die Wirksamkeit von Prozesshandlungen haben und Korrektur- oder Wiederholungsmaßnahmen erforderlich machen.
Dürfen Angehörige oder Bekannte als Dolmetscher auftreten?
Die Mitwirkung nahestehender Personen ist rechtlich problematisch, da Neutralität und Vollständigkeit nicht gewährleistet sein können. In förmlichen Verfahren wird daher regelmäßig eine unabhängige und geeignete Sprachmittlung verlangt.
Ist Ferndolmetschen (Video/Telefon) in Verfahren zulässig?
Ferndolmetschen ist zulässig, wenn Verständlichkeit, Identitätsfeststellung, Vertraulichkeit und störungsfreie Übertragung sichergestellt sind. Je nach Verfahrensart können zusätzliche Anforderungen an Technik und Dokumentation gelten.