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Corona-Krise und Verbraucherrecht


Corona-Krise und Verbraucherrecht

Die Corona-Krise hat weitreichende Auswirkungen auf nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche, insbesondere auf das Verbraucherrecht. Infolge der COVID-19-Pandemie mussten viele private und gewerbliche Verträge angepasst oder ausgesetzt werden, staatliche Regelungen griffen ein und zahlreiche Streitfragen in Zusammenhang mit Rückzahlungsansprüchen, Leistungsstörungen und Vertragsdurchführung entstanden. Der folgende Artikel beleuchtet die umfassenden Rechtsfragen des Verbraucherrechts im Kontext der Corona-Krise, führt relevante Änderungen und Übergangsregelungen auf und erläutert die Auswirkungen für Konsumierende sowie Unternehmen.


Allgemeine Auswirkungen der Corona-Krise auf das Verbraucherrecht

Die Corona-Pandemie führte ab März 2020 zu beispiellosen Einschränkungen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens. Dies hatte unmittelbare Folgen für bestehende und neue Vertragsbeziehungen zwischen Unternehmen und privaten Verbrauchern. Gesetzgeberische Maßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene wurden zur kurzfristigen Lösung von Konflikten zwischen den Interessen von Anbietern und Käufern geschaffen.

  • Schließungen und Verbote: Zahlreiche Geschäfte, Veranstaltungsorte, Freizeiteinrichtungen sowie Gastronomiebetriebe wurden zeitweise geschlossen. Dies führte zu einer Vielzahl von Vertragsstörungen.
  • Lieferunterbrechungen und Leistungsunmöglichkeit: Globale Lieferketten waren vielfach unterbrochen, Dienstleistungen konnten oft nicht erbracht oder genutzt werden.

Rechtliche Grundlagen

Allgemeines Schuldrecht (BGB)

Das Bürgerliche Gesetzbuch enthält die grundlegenden Vorschriften zur Vertragsdurchführung und -anpassung bei Störungen. Zentrale Regelungen sind:

  • Unmöglichkeit der Leistung (§ 275 BGB): Kann der Schuldner infolge höherer Gewalt (z. B. allgemeines Veranstaltungsverbot) nicht leisten, entfällt die Verpflichtung.
  • Schuldnerverzug (§ 286 BGB): Lieferverzögerungen entstehen durch Corona-bedingte Einschränkungen häufig nicht schuldhaft, sodass regelmäßig kein Verzug eintritt.
  • Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB): Vertragsparteien können im Ausnahmefall Anpassung eines Vertrags fordern, wenn sich Umstände nach Vertragsschluss schwerwiegend geändert haben.

Verbraucherschutzrechtliche Sonderregelungen

Die Pandemie veranlasste den Gesetzgeber, spezielle, teilweise befristete Regelungen einzuführen:

  • Artikel 240 Einführungsgesetz zum BGB (EGBGB): Vorübergehender Schutz vor Leistungsstörungen und Kündigungen, insbesondere im Bereich von Dauerschuldverhältnissen (z. B. Strom, Gas, Telekommunikation).
  • Sonderregelungen zu Pauschalreisen, Veranstaltungen und Freizeitverträgen

Besonderheiten in relevanten Lebensbereichen

Pauschalreise-, Flug- und Unterbringungsvertrag

Die temporären Ein- und Ausreisebeschränkungen sowie massive Einschränkungen des Reiseverkehrs führten zur massenhaften Absage von Pauschalreisen und Flügen.

  • Rücktrittsanspruch bei Reisestornierung

Verbrauchende konnten aufgrund außergewöhnlicher Umstände (Art. 250 §§ 651h, 651i BGB) kostenfrei vom Vertrag zurücktreten.

  • Rückzahlungspflicht

Im Falle einer Absage durch den Veranstalter besteht Anspruch auf vollständige Erstattung innerhalb von 14 Tagen. Gutscheinlösungen, die der Gesetzgeber zwischenzeitlich ermöglichte, wurden als freiwillige Alternative angeboten.

  • Fluggastrechte

Fluggesellschaften mussten bei Flugannullierungen grundsätzlich die vollständigen Ticketkosten erstatten (EU-Fluggastrechteverordnung).

Veranstaltungsverträge, Freizeit- und Sporteinrichtungen

Absagen kultureller Veranstaltungen, Konzerte, Messen und Schließungen sämtlicher Freizeiteinrichtungen zogen spezifische Fragerstellungen nach sich.

  • Gutscheinlösung für abgesagte Veranstaltungen (§ 5 Abs. 1 COVID-19-Gesetz):

Veranstaltungsanbieter konnten Kundinnen und Kunden anstelle der Rückerstattung Gutscheine ausstellen, es bestand jedoch ein Recht auf Auszahlung in besonderen Härtefällen.

  • Mitgliedsbeiträge

Bei befristeter Schließung von Fitnessstudios oder Schwimmbädern ruhte das Leistungsverhältnis häufig, sodass ein Anspruch auf Gutschrift bzw. Verlängerung bestand.

Mietrechtliche Fragen

Auch im Mietrecht wurden Anpassungen zum Schutz der Verbraucher verabschiedet.

  • Kündigungsausschluss bei pandemiebedingtem Zahlungsverzug

Mietern konnte vom 1. April bis 30. Juni 2020 nicht aufgrund pandemiebedingt ausbleibender Mietzahlungen gekündigt werden, sofern die Rückstände spätestens bis zum 30. Juni 2022 ausgeglichen wurden.

  • Vertragsverlängerungen und Verhandlungen

In einzelnen Fällen wurde als milderes Mittel die Vertragsanpassung gewählt.


Verbraucherkreditverträge und finanzielle Entlastung

Viele Verbraucherinnen und Verbraucher gerieten infolge von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit in Zahlungsschwierigkeiten. Um die Folgen abzufedern, erließ der Gesetzgeber folgende Sonderregelungen:

  • Stundung von Kreditverträgen (§ 3 COVID-19-Gesetz):

Zahlungsverpflichtungen aus laufenden Verbraucherdarlehensverträgen, die zwischen 1. April und 30. Juni 2020 fällig wurden, konnten auf Antrag um drei Monate gestundet werden, ohne dass Verzugszinsen oder Mahngebühren anfielen.

  • Kündigungsrecht

Während des Stundungszeitraums bestand kein Kündigungsrecht der Darlehensgeber aus diesem Grund.


Onlinehandel, Lieferverzögerungen und Vertragserfüllung

Seit Beginn der Pandemie gewann der Onlinehandel an Bedeutung. Lieferengpässe und verlängerte Versandzeiten führten dabei zu veränderten Bedingungen für Verbraucher.

  • Lieferverzögerungen und Erfüllungshindernisse

Bei erheblichen Lieferverzögerungen steht dem Käufer grundsätzlich das Recht zur Vertragsrückabwicklung und Rückzahlung zu, sofern die Ware trotz angemessener Nachfrist nicht geliefert wird.

  • Widerrufsrecht im Fernabsatz

Das gesetzliche Widerrufsrecht blieb unberührt; Ausnahmeregelungen wurden nicht geschaffen.


Gewährleistungs- und Rücktrittsrechte

Auch für den Rücktritt von Kaufverträgen und die Durchsetzung von Mängelrechten galten die allgemeinen Regelungen weiter.

  • Gewährleistungsrechte (§§ 434 ff. BGB):

Mängel, die auf verspätete Lieferung oder nicht erbrachte Leistung infolge von Pandemie-Maßnahmen zurückzuführen waren, führen zum Rücktritts-, Minderungs- oder Schadensersatzanspruch.

  • Verschuldensfrage:

Unternehmen konnten sich bei Leistungshindernissen häufig erfolgreich auf höhere Gewalt berufen; entscheidend waren Einzelfallumstände.


Datenschutz und Corona-App

Die durch die Corona-Krise eingeführten digitalen Maßnahmen (insbesondere die Corona-Warn-App) warfen datenschutzrechtliche Fragen auf.

  • Personenbezogene Daten und Einwilligung:

Für die Nutzung der Corona-Warn-App galt das Prinzip der Freiwilligkeit und Datensparsamkeit. Eine Verarbeitung personenbezogener Gesundheitsdaten war nur mit ausdrücklicher Einwilligung möglich.

  • Informationspflichten:

Betreiber mussten umfassend über die Datenverarbeitung informieren; Maßnahmen orientierten sich an der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).


Staatliche Unterstützungs- und Hilfsmaßnahmen für Verbraucher

Um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen abzumildern, wurden umfassende Rettungsschirme und Entlastungen geschaffen.

  • Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld:

Vereinfachter Zugang und verlängerte Bezugsdauer halfen Verbraucherinnen und Verbrauchern, laufende Verpflichtungen zu erfüllen.

  • Unterstützungszahlungen, Wohngeld:

Verbesserte Ansprüche auf Wohngeld und soziale Leistungen erleichterten die Existenzsicherung.


Literatur und weiterführende Quellen


Fazit

Die Corona-Krise hat das Verbraucherrecht in Deutschland maßgeblich beeinflusst. Viele gesetzgeberische Sofortmaßnahmen reagierten flexibel auf die pandemiebedingten Herausforderungen. Im Mittelpunkt standen der Schutz der Verbraucher, der interessengerechte Ausgleich zwischen Vertragsparteien sowie die Abwendung existenzbedrohender Härten. Die rechtlichen Konsequenzen wirken teilweise über die Pandemie hinaus und prägen die Auslegung wichtiger Verbraucherrechte auch künftig.

Häufig gestellte Fragen

Kann ich aufgrund der Corona-Krise bereits gebuchte Veranstaltungen stornieren und mein Geld zurückverlangen?

Ob Sie als Verbraucher ein Recht auf kostenfreie Stornierung und Rückerstattung des Ticketpreises haben, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Wurde die Veranstaltung infolge behördlicher Anordnungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie abgesagt, liegt ein Fall der sogenannten „Unmöglichkeit der Leistung“ vor (§ 275 BGB). Der Veranstalter kann seine Leistung (die Durchführung der Veranstaltung) nicht mehr anbieten. In diesem Fall erlischt die Pflicht zur Gegenleistung, sodass Sie als Verbraucher grundsätzlich berechtigt sind, die Rückerstattung des entrichteten Preises zu verlangen (§ 326 BGB). Veranstalter können stattdessen einen Gutschein anbieten (Gutscheinlösung nach Art. 240 § 5 EGBGB), allerdings dürfen Sie in bestimmten Fällen, etwa bei unzumutbaren Härten, auf einer Auszahlung bestehen. Wurde die Veranstaltung verschoben, ist die Lage komplizierter: Verbraucher können meist auf Durchführung zum Ersatztermin bestehen, haben bei berechtigtem Interesse aber auch Anspruch auf Rückerstattung. Eine eigenmächtige Stornierung bei nicht behördlich abgesagten Events ist nur nach den Stornobedingungen des Veranstalters oder bei gravierenden Änderungen möglich.

Habe ich bei einer wegen der Pandemie abgesagten Pauschalreise Anspruch auf vollständige Erstattung?

Wird eine Pauschalreise aufgrund der Corona-Krise abgesagt, etwa durch Reisebeschränkungen oder behördliche Anweisungen, so greift § 651h BGB. Der Reisende kann den Vertrag vor Reisebeginn jederzeit kündigen, im Fall „unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände“ (wie die Corona-Pandemie) bleibt dies für den Reisenden kostenfrei. Der Reiseveranstalter ist in diesem Fall verpflichtet, den gezahlten Reisepreis binnen 14 Tagen in voller Höhe zurückzuerstatten. Dies gilt auch, wenn der Veranstalter die Reise absagt. Ein Anspruch auf reine Gutscheinausstellung besteht nicht, der Kunde kann grundsätzlich eine Auszahlung fordern. Eine Kürzung des Erstattungsbetrags aufgrund bereits entstandener Kosten ist nicht zulässig. Lediglich freiwillige Gutscheinregelungen oder Umbuchungsangebote können akzeptiert werden, der Verbraucher muss hierzu aber nicht verpflichtet werden.

Können Fitnessstudio-Mitglieder wegen coronabedingter Schließungen ihre Beiträge zurückverlangen?

Wurde das Fitnessstudio aufgrund behördlicher Anordnung geschlossen, besteht für Verbraucher ein Anspruch auf Rückerstattung der bereits gezahlten Entgelte für den Zeitraum, in dem die Leistung nicht erbracht werden konnte. Nach § 275 BGB liegt eine vorübergehende Unmöglichkeit der Leistung vor, da das Fitnessstudio die vertraglich vereinbarten Dienstleistungen (die Nutzung der Sportanlagen) nicht zur Verfügung stellen kann. Bereits gezahlte Beiträge für den Schließungszeitraum dürfen zurückverlangt werden. Allerdings konnten Studios im Jahr 2020 gemäß Gutscheinlösung (Art. 240 § 5 EGBGB) ihren Mitgliedern einen Wertgutschein anbieten. Für spätere Schließungen gilt dies nicht mehr. Ein Anspruch auf Vertragsverlängerung statt Rückzahlung besteht nur, wenn der Verbraucher dem zustimmt.

Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf Mietzahlungen und Kündigungen aus?

Zu Beginn der Corona-Krise wurde ein temporärer Kündigungsschutz (§ 2 des COVID-19-Gesetzes) für Mietverhältnisse (Wohnraum und Gewerbe) eingeführt. Zwischen April und Juni 2020 konnten Mieter, die infolge der Pandemie ihre Miete nicht zahlen konnten, nicht allein wegen Zahlungsverzugs gekündigt werden. Dieser Schutz ist inzwischen ausgelaufen, Mieter haben aktuell keinen Anspruch mehr auf Stundung oder Kündigungsschutz, wenn die Miete pandemiebedingt nicht gezahlt wird. Allerdings kann in Einzelfällen geprüft werden, ob die Corona-Krise den Mieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt (z. B. bei erheblichem Nutzungsausfall) oder eine Minderung der Miete möglich ist. Diese Ansprüche müssen aber im Einzelfall nachgewiesen werden.

Können Verbraucher wegen Lieferverzögerungen während der Corona-Pandemie vom Vertrag zurücktreten?

Lieferverzögerungen aufgrund coronabedingter Einschränkungen (zum Beispiel wegen unterbrochener Lieferketten oder geschlossener Produktionsstätten) können ein Recht auf Rücktritt geben. Voraussetzung ist, dass die ursprünglich vereinbarte Lieferfrist überschritten wurde und der Verkäufer trotz angemessener Nachfrist nicht liefert (§§ 323, 326 BGB). Hat der Verkäufer die Verzögerung nicht zu vertreten (höhere Gewalt/Pandemie), entbindet ihn das zwar von Schadensersatzansprüchen, nicht jedoch vom Rücktrittsrecht des Käufers. Der Käufer kann nach fruchtlosem Ablauf der Nachfrist vom Vertrag zurücktreten und gezahlte Beträge zurückverlangen. Eine Verlängerung der Lieferfrist kann aber vereinbart werden, und der Verkäufer muss über Verzögerungen umgehend informieren.

Muss ein gebuchtes Hotelzimmer bezahlt werden, wenn die Anreise wegen Corona nicht möglich ist?

Kommt Ihre Anreise aufgrund behördlicher Reisebeschränkungen oder Quarantäne-Anordnungen nicht zustande, hängt Ihr Anspruch auf Erstattung des Zimmerpreises davon ab, wer für die Unmöglichkeit verantwortlich ist. Ist das Hotel regulär geöffnet und Sie können aus persönlichen Gründen nicht anreisen, gilt die normale Stornoregelung. Wird die Unterbringung jedoch aufgrund von Corona-Maßnahmen vor Ort unmöglich oder ist das Hotel geschlossen, müssen Verbraucher für nicht erhaltene Leistungen nicht zahlen (§ 275, § 326 BGB). Bei reinen Buchungen ohne weitere Leistungen kann das Hotel auf Vertragserfüllung bestehen, wenn keine behördliche Untersagung vorliegt und das Hotel geöffnet ist.

Haben Online-Bestellungen weiterhin die regulären Widerrufsrechte während der Pandemie?

Ja, die gesetzlichen Widerrufsrechte für Online-Käufe nach §§ 312g, 355ff. BGB gelten uneingeschränkt weiter. Die Corona-Krise hat keine gesetzlichen Änderungen an den Verbraucherrechten beim Online-Einkauf bewirkt. Sie können also grundsätzlich binnen 14 Tagen ab Erhalt der Ware vom Vertrag zurücktreten und die Ware ohne Angabe von Gründen zurückgeben. Die Fristen können sich lediglich aus praktischen Gründen (zum Beispiel längere Versandzeiten oder erschwerte Rückgabe) verzögern – rechtlich ändert sich jedoch nichts an Ihrem Widerrufsrecht. Lediglich zusätzliche Kulanzregelungen einiger Händler sind möglich, rechtlich vorgeschrieben sind diese aber nicht.