Begriff und rechtliche Bedeutung von „Brutto für netto“
„Brutto für netto“ ist ein Begriff des deutschen Arbeitsrechts und beschreibt eine unzulässige Vertragsgestaltung, bei der ein Arbeitnehmer das ursprünglich vereinbarte Bruttoentgelt als Nettoarbeitsentgelt ausbezahlt bekommen soll. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber die auf das Arbeitsentgelt entfallenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zusätzlich abführt, sodass der Arbeitnehmer das vereinbarte Nettoarbeitsentgelt erhält. Die Vereinbarung „Brutto für netto“ ist dabei regelmäßig unwirksam, führt aber zu erheblichen rechtlichen Konsequenzen für beide Vertragsparteien, insbesondere für den Arbeitgeber.
Rechtliche Ausgangslage
In Deutschland gilt das Arbeitsentgelt in der Regel als Bruttolohn, das heißt, vom vereinbarten Arbeitsentgelt sind zunächst Steuern und Sozialabgaben zuzüglich etwaiger sonstiger gesetzlicher oder tariflicher Abzüge abzuführen. Der Arbeitnehmer erhält den sogenannten Nettolohn, der sich nach Abzug dieser Verpflichtungen ergibt. Die Höhe der Abzüge richtet sich nach gesetzlichen Vorgaben, wie dem Einkommensteuergesetz (EStG) und den Sozialgesetzbüchern.
Grundsatz der Bruttolohnvereinbarung
Nach dem Grundprinzip werden Arbeitsverträge so interpretiert, dass das vereinbarte Arbeitsentgelt brutto vereinbart wurde, sofern nichts anderes ausdrücklich geregelt ist. Eine Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer einen bestimmten Nettobetrag erhält und der Arbeitgeber sämtliche darauf entfallenden Steuern und Sozialabgaben zusätzlich übernimmt („Brutto für netto“), wird arbeits- und steuerrechtlich als unzulässig angesehen.
Unzulässigkeit und Rechtsfolgen der Brutto-für-netto-Vereinbarung
Arbeitsrechtliche Bewertung
Verstoß gegen zwingende Vorschriften
Eine „Brutto für netto“-Vereinbarung verstößt gegen zwingendes Recht, weil der Arbeitgeber Steuern und Sozialversicherungsbeiträge treuwidrig für den Arbeitnehmer übernimmt und somit den Arbeitnehmer bessergestellt, als gesetzlich vorgesehen. Solche Vereinbarungen sind gemäß § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig, soweit sie auf eine Umgehung gesetzlicher Vorschriften abzielen. Der Gesetzgeber beabsichtigt mit der Abgabenpflicht eine paritätische Lastenverteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Umgehung des Steuer- und Sozialversicherungsrechts
Die Vereinbarung, das Nettoarbeitsentgelt als Fixbetrag zuzusichern und die Abgaben komplett vom Arbeitgeber zu übernehmen, widerspricht dem Sozialversicherungs- und Steuerrecht. Insbesondere führt sie dazu, dass die tatsächliche Höhe des geschuldeten Arbeitsentgelts und der abzuführenden Abgaben verschleiert wird.
Steuerrechtliche Implikationen
Steuerlicher Arbeitslohnbegriff
Nach § 38 Einkommensteuergesetz (EStG) ist der Arbeitgeber verpflichtet, Lohnsteuer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Der Arbeitslohn, auf dessen Grundlage die Steuer berechnet wird, bemisst sich nach dem Bruttolohn. Ein Nettoarbeitsvertrag, bei dem das künftige Nettogehalt die Bemessungsgrundlage ist, kollidiert mit den Regeln zur ordnungsgemäßen Besteuerung und kann als versuchte Steuerhinterziehung eingestuft werden (§ 370 Abgabenordnung).
Haftung des Arbeitgebers
Verletzt der Arbeitgeber die Pflicht zur ordnungsgemäßen Anmeldung und Abführung von Lohnsteuer, kann er vom Finanzamt in Haftung genommen werden. Dies gilt insbesondere, wenn durch die Gestaltung einer „Brutto für netto“-Vereinbarung die Lohnsteuer nicht in richtiger Höhe abgeführt wurde.
Sozialversicherungsrechtliche Dimension
Beitragspflichtiger Arbeitslohn
Für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge ist der sozialversicherungspflichtige Bruttolohn maßgeblich (§ 14 SGB IV). Auch hier gilt, dass eine „Brutto für netto“-Vereinbarung die Beitragspflicht nicht beeinflusst. Werden Abgaben in unzureichender Höhe abgeführt, haftet der Arbeitgeber gegebenenfalls für die rückständigen Beiträge samt Säumniszuschlägen.
Versicherungspflicht und Meldepflichten
Durch eine „Brutto für netto“-Regelung kann es zur fehlerhaften Meldung und Berechnung des beitragspflichtigen Entgelts kommen. Dies kann Ermittlungen der Sozialversicherungsträger und Nachforderungen von Beiträgen zur Folge haben. Bei vorsätzlicher Beitragsvorenthaltung drohen zudem straf- und bußgeldrechtliche Konsequenzen nach § 266a Strafgesetzbuch (StGB) sowie § 111 SGB IV.
Ausnahmefälle und gerichtliche Entscheidungen
Rechtsprechung
Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung beurteilt Nettoarbeitsverträge als solche nicht als generell unwirksam, solange sie keine Umgehung von gesetzlichen Verpflichtungen darstellen. Wird jedoch ersichtlich, dass mit der Nettovereinbarung Steuer- und Sozialabgaben erfolgreich reduziert oder hinterzogen werden sollen, wird die Vereinbarung für nichtig erklärt.
Ausschluss der Nichtigkeit bei redlicher Gestaltung
Eine „Netto-Vereinbarung“ kann in Ausnahmefällen wirksam sein, wenn sie auf einer redlichen Grundlage geschlossen wird, beispielsweise bei Auslandsentsendungen, bei denen der Arbeitgeber im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen bestimmte Steuern übernimmt. Dabei muss jedoch die korrekte Deklaration und Abführung der Steuern und Abgaben gewährleistet sein.
Rechtliche Folgen unwirksamer Brutto-für-netto-Vereinbarungen
Ist die Brutto-für-netto-Klausel nichtig, gilt in der Regel das ursprünglich vereinbarte Bruttogehalt als Basis für die Besteuerung und Beitragsberechnung. Der Arbeitnehmer kann sich dennoch nicht auf die Unwirksamkeit berufen, um eine Nachversteuerung zu vermeiden. Der Arbeitgeber bleibt in der Haftung, sofern Abgaben und Steuern nicht korrekt abgeführt wurden.
Risikopotential und praktische Relevanz
Steuer- und sozialversicherungsrechtliche Risiken
Durch die Gestaltung oder Durchführung einer „Brutto für netto“-Vereinbarung geht ein erhebliches Risiko für den Arbeitgeber einher. Neben Steuernachforderungen und Beitragsnachzahlungen drohen auch Geldbußen, Säumniszuschläge und strafrechtliche Konsequenzen.
Bedeutung für die Vertragsgestaltung
Bei der Ausarbeitung von Arbeitsverträgen ist darauf zu achten, dass das Arbeitsentgelt als Bruttobetrag ausgewiesen wird. Alle hiervon abweichenden Regelungen bedürfen einer sorgfältigen Prüfung hinsichtlich ihrer steuer- und beitragsrechtlichen Auswirkungen.
Fazit
Die Vereinbarung „Brutto für netto“ ist nach deutschem Recht grundsätzlich unzulässig und mit erheblichen rechtlichen und finanziellen Risiken für den Arbeitgeber verbunden. Sie widerspricht dem Grundsatz der Bruttolohnvereinbarung und führt zur Umgehung zwingender steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Verpflichtungen. Arbeitgeber sind gut beraten, ausschließlich Bruttoarbeitsentgelte zu vereinbaren und sämtliche Steuern sowie Sozialabgaben ordnungsgemäß abzuführen. Nettovereinbarungen sind nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, etwa bei Auslandsentsendungen und unter strikter Beachtung der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften, rechtssicher umsetzbar. Bei Unsicherheiten empfiehlt sich die gründliche Prüfung der jeweiligen Vereinbarung auf ihre Rechtskonformität.
Häufig gestellte Fragen
Ist eine „Brutto für Netto“-Vereinbarung rechtlich zulässig?
Eine „Brutto für Netto“-Vereinbarung, bei der der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen bestimmten Netto-Betrag garantiert und sich verpflichtet, sämtliche Steuern und Sozialversicherungsabgaben zusätzlich zu übernehmen, ist grundsätzlich unzulässig. Nach deutschem Arbeits- und Steuerrecht ist das Arbeitsentgelt immer als Bruttolohn zu vereinbaren, da Arbeitgeber gesetzlichen Pflichten zur Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuer und Sozialabgaben unterliegen (§ 38 EStG, § 28e SGB IV). Darüber hinaus könnte eine solche Vereinbarung gegen § 134 BGB (Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot) sowie gegen das Gebot der Lohnsteuer-Erhebung verstoßen. Ausnahmen sind nur in sehr engen Grenzen, etwa im Rahmen von Nettoentgeltvereinbarungen bei sogenannten Arbeitnehmerentsendungen ins Ausland unter Beachtung internationaler Steuerabkommen zulässig.
Welche rechtlichen Risiken ergeben sich für den Arbeitgeber bei einer „Brutto für Netto“-Vereinbarung?
Sofern Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine „Brutto für Netto“-Vereinbarung schließen, trägt der Arbeitgeber das Risiko, dass die Finanzbehörden und die Sozialversicherungsträger Nachforderungen erheben. Die Vereinbarung kann als Versuch gewertet werden, Steuer- und Beitragspflichten zu umgehen. Im Ernstfall schuldet der Arbeitgeber nicht nur die einbehaltene und nicht abgeführte Lohnsteuer, sondern gegebenenfalls auch die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung rückwirkend. Hinzu kommen mögliche Säumniszuschläge, Nachzahlungszinsen, Bußgelder, und bei vorsätzlicher Handlung sogar strafrechtliche Konsequenzen (§ 266a StGB – Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt). Auch nachträgliche Korrekturen sind häufig schwierig, da die Behörden an den tatsächlichen Verhältnissen und nicht an der privatrechtlichen Gestaltung interessiert sind.
Kann ein Arbeitnehmer auf Basis einer „Brutto für Netto“-Vereinbarung Nachzahlungen verlangen?
Ein Arbeitnehmer kann in aller Regel nicht verlangen, dass ihm ein reiner Nettolohn ausbezahlt wird. Ist ein Nettolohn vereinbart worden, wird dieser zu einem Bruttolohn hochgerechnet, sodass alle steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt werden. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Abzüge ordnungsgemäß vorzunehmen und an die Behörden abzuführen. Verbleiben nach Zahlung der Abgaben Differenzen, haftet grundsätzlich der Arbeitgeber. Die arbeitsvertragliche Zusage eines bestimmten Nettoentgelts schützt den Arbeitnehmer jedoch vor einer Reduzierung seines Auszahlungsbetrags durch nachträgliche steuerliche oder sozialversicherungsrechtliche Forderungen.
Welche Folgen hat eine „Brutto für Netto“-Vereinbarung bei einer Betriebsprüfung?
Kommt es im Rahmen einer Lohnsteuer- oder Sozialversicherungsprüfung zur Aufdeckung von „Brutto für Netto“-Vereinbarungen, werden regelmäßig Nachforderungen gegenüber dem Arbeitgeber erhoben. Die Behörden rechnen das gezahlte Nettogehalt in ein Bruttogehalt hoch und bemessen darauf die abzuführende Lohnsteuer und Sozialabgaben. In der Praxis führt dies oft zu erheblichen finanziellen Nachforderungen, die bis zu vier Jahre zurück, bei vorsätzlicher oder leichtfertiger Handlung sogar bis zu zehn Jahre rückwirkend erhoben werden können. Ferner drohen dem Arbeitgeber Bußgelder sowie das Risiko der strafrechtlichen Verfolgung.
Gibt es Ausnahmefälle, in denen Nettoentgeltvereinbarungen zulässig sind?
Nettoentgeltvereinbarungen sind nur in bestimmten Ausnahmefällen zulässig, etwa bei Arbeitnehmerentsendungen ins Ausland (Expatriates). In solchen Fällen kann es aufgrund der internationalen Doppelbesteuerungsabkommen sinnvoll und zulässig sein, dem Arbeitnehmer einen Nettoarbeitslohn zu garantieren, insbesondere wenn der Arbeitgeber die steuerliche Belastung im Auslandsland übernimmt (sogenannte Tax Equalization oder Tax Protection Agreements). Solche Vereinbarungen müssen jedoch transparent gestaltet und mit den Vorgaben der nationalen und internationalen Steuerbehörden sowie den gesetzlichen Rahmenbedingungen abgestimmt sein.
Was ist der Unterschied zwischen einer gesetzlichen Lohnsteuerpflicht und einer „Brutto für Netto“-Abrede?
Die gesetzliche Lohnsteuerpflicht ergibt sich aus dem Steuerrecht und verpflichtet den Arbeitgeber, die Lohnsteuer vom Bruttogehalt des Arbeitnehmers einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Die tatsächliche Auszahlungsgröße („Netto“) ist das Resultat der gesetzlichen Abzüge. Eine „Brutto für Netto“-Abrede hingegen versucht, das Nettogehalt als garantierten Auszahlungsbetrag zu vereinbaren und sämtliche Pflichtabgaben auf den Arbeitgeber zu verlagern. Dies steht jedoch im Widerspruch zur gesetzlichen Systematik und ist daher außerhalb der engen Ausnahmefälle rechtlich problematisch oder sogar nichtig.
Wie kann der Arbeitslohn rechtssicher vereinbart werden?
Der Arbeitslohn sollte grundsätzlich und ausnahmslos als Bruttolohn im Arbeitsvertrag ausgewiesen werden. Dadurch wird sichergestellt, dass alle gesetzlichen Pflichten hinsichtlich Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge eingehalten werden. Bei Unklarheiten kann ergänzend auf die steuer- und sozialversicherungspflichtigen Bestandteile des Arbeitsentgelts Bezug genommen werden. Von Nettovereinbarungen ist dringend abzuraten, sofern keine der seltenen Ausnahmekonstellationen (z. B. Auslandsentsendung unter Berücksichtigung steuerlicher Besonderheiten) vorliegt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten zur Vermeidung rechtlicher Risiken auf eine präzise und rechtssichere Formulierung des Arbeitsentgelts achten.