Definition und Begriff des Boykotts
Der Begriff „Boykott“ bezeichnet die gezielte und meist gemeinschaftlich organisierte Verweigerung von wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder sozialen Beziehungen zu einer Person, einem Unternehmen, einem Staat oder einer Institution, um auf diese Weise Druck auszuüben und insbesondere ein bestimmtes Verhalten zu beeinflussen oder eine Änderung herbeizuführen. Im rechtlichen Kontext kommt dem Boykott eine besondere Bedeutung zu, da solche Maßnahmen vielfältige rechtliche Auswirkungen entfalten können und sich im Spannungsfeld zwischen verschiedenen rechtlich geschützten Interessen wie Vertragsfreiheit, Wettbewerbsrecht und Grundrechten bewegen.
Rechtliche Einordnung des Boykotts
Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen
Der Boykott ist von verwandten Phänomenen wie Streik, Embargo oder Kartellvereinbarungen abzugrenzen. Während der Streik typischerweise auf das Arbeitsverhältnis oder tarifliche Auseinandersetzungen bezogen ist und das Embargo sich häufig auf außenpolitische Maßnahmen zwischen Staaten bezieht, zeichnet sich der Boykott durch seine breite Einsatzmöglichkeit und die häufig private Initiative aus.
Grundrechtlicher Rahmen
Das Recht auf Boykott steht grundsätzlich im Zusammenhang mit der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG), der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) und der Koalitionsfreiheit (Art. 9 GG). Gleichwohl kann der Boykott auch andere Grundrechte wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 GG), das Recht auf Berufsausübung (Art. 12 GG) und das Eigentumsrecht (Art. 14 GG) beeinträchtigen.
Boykott als Ausübung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit
Insbesondere politische und gesellschaftliche Boykotte werden häufig als Ausdruck einer bestimmten Meinung verstanden und stehen damit unter dem Schutz der Meinungsfreiheit. Auch das kollektive Abstimmen über Maßnahmen in Vereinen oder Verbänden kann als Ausübung der Versammlungsfreiheit betrachtet werden. Gleichzeitig müssen Interessen Dritter, beispielsweise der von Boykottmaßnahmen Betroffenen, gewahrt werden, sodass eine umfassende Güterabwägung erforderlich ist.
Boykott im Zivilrecht
Vertragsfreiheit und Boykott
Die Vertragsfreiheit als zivilrechtliches Prinzip umfasst grundsätzlich die Freiheit, Verträge zu schließen oder abzulehnen. Ein einmaliger oder individueller Boykott, der sich in der Ablehnung der Zusammenarbeit manifestiert, stellt in der Regel keinen Rechtsverstoß dar. Wird jedoch gemeinschaftlich ein Boykott organisiert, können sich je nach Zielrichtung und Durchführung rechtliche Probleme ergeben.
Boykott als sittenwidriges Verhalten (§ 826 BGB)
Ein Boykott kann sittenwidrig und damit rechtswidrig sein, wenn er gezielt und ohne berechtigtes Interesse auf die Schädigung eines anderen abzielt. Maßgeblich ist dabei, ob die gemeinschaftliche Ablehnung der Geschäftsbeziehung außerhalb des rechtlich Zulässigen liegt, insbesondere wenn unlautere Mittel angewendet werden oder eine unverhältnismäßige Druckausübung feststellbar ist. Nach ständiger Rechtsprechung kann insbesondere der „Boykottaufruf“ – also die Aufforderung Dritter zur Beteiligung am Boykott – zu einer Schadensersatzpflicht führen, wenn dabei rechtswidrige Ziele verfolgt werden.
Abwehrrechte der Betroffenen
Von einem Boykott betroffene Personen oder Unternehmen können zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend machen. Rechtsgrundlagen hierfür bieten unter anderem die Deliktstatbestände (§§ 823 ff. BGB), das Wettbewerbsrecht sowie spezialgesetzliche Schutzvorschriften.
Boykott im Wettbewerbsrecht
Boykott als Wettbewerbsverstoß
Im deutschen und europäischen Wettbewerbsrecht ist der Boykott ein häufig diskutierter Tatbestand. Nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), insbesondere § 21 GWB, ist das Boykottverbot zentral geregelt.
Kernbereiche des Wettbewerbsverbots
Ein Boykott liegt vor, wenn Unternehmen gemeinschaftlich einen Dritten aussperren, indem sie sich darauf verständigen, mit diesem keine Geschäfte mehr zu machen. Dies wird auch als „Sperrboykott“ bezeichnet. Der „Beschaffungsboykott“ meint den gemeinsamen Entschluss, von einem bestimmten Anbieter keine Waren oder Dienstleistungen mehr zu beziehen.
Boykottverbot nach § 21 GWB
Kartellrechtswidrig ist insbesondere das sogenannte Boykottkartell, wenn Unternehmen, ohne sachlich gerechtfertigten Grund, einen Dritten von Lieferungen oder Bezügen ausnehmen oder dazu andere Unternehmen auffordern. Das Gesetz sieht hier empfindliche Sanktionen, darunter Bußgelder und die Nichtigkeit entsprechender Vereinbarungen, vor.
Europäische Regelungen
Auch das europäische Kartellrecht untersagt gemäß Art. 101 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Hierunter fallen auch Boykottmaßnahmen von Unternehmen.
Zulässigkeit und Ausnahmen
Von der Unzulässigkeit eines Boykotts gibt es Ausnahmen, insbesondere wenn ein berechtigtes Interesse der Beteiligten besteht oder der Boykott zur Erreichung legitimer Ziele eingesetzt wird. Einzelfallentscheidungen sind hierbei maßgeblich.
Boykott im Arbeitsrecht
Arbeitskampfmaßnahmen
Der Arbeitsboykott ist eine spezielle Erscheinungsform von Arbeitskampfmaßnahmen. Hier verweigern Arbeitnehmer oder Arbeitgeberseite bewusst und zielgerichtet die (weitere) Zusammenarbeit. Die rechtliche Bewertung erfolgt im Lichte des Arbeitskampfrechts und ist unter Berücksichtigung der Tarifautonomie ausgestaltet.
Grenzen und Rechtmäßigkeit
Arbeitsboykotte dürfen nicht über das Maß hinausgehen, das arbeitsrechtlich als zulässiger Arbeitskampf anerkannt ist. Rechtswidrige Boykotthandlungen können zu Schadensersatzforderungen führen.
Boykott im Völkerrecht
Staatenboykott und internationale Sanktionen
Staatliche Boykotts betreffen völkerrechtliche Beziehungen und können als einseitige oder multilaterale Wirtschaftssanktionen ausgestaltet sein. Hierbei handelt es sich insbesondere um Import- oder Exportverbote, die auf Resolutionen internationaler Organisationen wie der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union basieren können.
Rechtliche Einordnung
Solche Maßnahmen bewegen sich im Spannungsfeld zwischen dem Grundsatz der Staatensouveränität, internationalen Abkommen und Handelsfreiheiten. Völkerrechtliche Boykotts sind nur im Rahmen der bestehenden internationalen Rechtsordnung zulässig, beispielsweise als Sanktionsmittel bei schweren Vertragsverletzungen oder zur Erfüllung von Sicherheitsratsbeschlüssen.
Boykott im Strafrecht
Strafbare Boykottaufrufe
Das Strafrecht kennt Konstellationen, in denen Boykottaufrufe und -maßnahmen strafrechtlich relevant werden können. Namentlich betrifft dies Konstellationen, in denen Boykottmaßnahmen von Nötigung (§ 240 StGB) oder Erpressung (§ 253 StGB) begleitet werden. Auch können Boykottaufrufe gegen Einzelpersonen als Beleidigung oder üble Nachrede (§§ 185, 186 StGB) strafrechtlich relevant sein.
Strafbarkeit im Kontext des wirtschaftlichen Boykotts
Boykottmaßnahmen, die mit Drohungen, Erpressung oder Zwang begleitet werden, können unter den genannten Straftatbeständen verfolgt werden. Die bloße Organisation eines wirtschaftlichen Boykotts ist jedoch regelmäßig nicht strafbar, soweit keine weiteren kriminellen Elemente hinzutreten.
Besondere Erscheinungsformen und Praxisbeispiele
Verbraucherboykott
Ein Verbraucherboykott beschreibt den Zusammenschluss von Privatpersonen zum Zwecke der konzertierten Waren- oder Dienstleistungsverweigerung, oftmals mit politischen oder ethischen Hintergründen. In aller Regel ist dies rechtlich zulässig, sofern keine unlauteren Mittel eingesetzt werden.
Politischer Boykott
Der politische Boykott grenzt sich durch seine Zielsetzung ab: Ziel ist meist die Beeinflussung politischer oder gesellschaftlicher Prozesse. Solche Boykotte stehen häufig unter besonderem Schutz der Grundrechte, sind jedoch ebenfalls den dargestellten rechtlichen Grenzen unterworfen.
Fazit
Der Boykott ist ein vielschichtiges rechtliches Phänomen, das im Spannungsfeld zwischen grundrechtlicher Freiheit, wirtschaftlicher Betätigungsfreiheit und dem Schutz des fairen Wettbewerbs steht. Sowohl im Zivilrecht, Wettbewerbsrecht, Arbeitsrecht, Völkerrecht als auch im Strafrecht bestehen für Boykottmaßnahmen differenzierte und komplexe Regelungen, die im Einzelfall einer sorgfältigen Prüfung bedürfen. Die Beurteilung der Zulässigkeit eines Boykotts erfordert stets eine umfassende Abwägung der betroffenen Interessen und die Beachtung bestehender gesetzlicher Verbote und Gebote.
Häufig gestellte Fragen
Kann ein Boykott rechtlich als unlautere Wettbewerbshandlung eingestuft werden?
Ein Boykott kann nach deutschem Recht grundsätzlich als unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) eingestuft werden, wenn er gezielt darauf abzielt, einem Marktteilnehmer ohne sachlich gerechtfertigten Grund zu schaden. Insbesondere § 4 Nr. 4 UWG behandelt die gezielte Behinderung von Mitbewerbern. Ein Boykottaufruf, der dazu führt, dass Anbieter oder Nachfrager durch gemeinsames Verhalten einen Wettbewerber aus dem Markt verdrängen oder seine Marktchancen erheblich beeinträchtigen wollen, kann als gezielte Behinderung gelten. Entscheidend ist dabei jeweils das Motiv und die Art der Durchsetzung des Boykotts. So wäre etwa ein kollektiver Boykott, der ausdrücklich mit dem Ziel der Ausschaltung eines Konkurrenten organisiert wird, als unlauter und damit unzulässig zu bewerten. Allerdings genießen Boykottaufrufe unter bestimmten Voraussetzungen auch den grundrechtlichen Schutz der Meinungsfreiheit, sodass stets eine einzelfallbezogene Interessenabwägung erforderlich ist.
Unter welchen Voraussetzungen ist ein Boykottaufruf durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt?
Das Grundgesetz schützt gemäß Artikel 5 die Meinungsfreiheit, wozu auch das Recht zählt, zu einem Boykott aufzurufen. Dennoch ist dieses Grundrecht nicht schrankenlos. Der Boykottaufruf muss in einer Weise erfolgen, die die Rechte Dritter nicht übergebührlich beeinträchtigt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss die Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Boykottierenden und den betroffenen Interessen des von einem Boykott betroffenen Dritten erfolgen. Ein Boykottaufruf ist dann vom Grundrecht gedeckt, wenn er sich auf die bloße Meinungsäußerung beschränkt und keine gezielte Schädigungsabsicht oder Verleumdung zugrunde liegt. Liegt jedoch eine gezielte wirtschaftliche Schädigung, insbesondere mit marktbeherrschender Stellung, vor, kann die Meinungsfreiheit hinter dem Schutz der wirtschaftlichen Entfaltung des betroffenen Unternehmens zurücktreten.
Sind kollektive Boykottaufrufe nach Kartellrecht zulässig?
Nach deutschem und europäischem Kartellrecht sind kollektive Boykottabsprachen grundsätzlich unzulässig. Gemäß §§ 1, 2 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) und Art. 101 Abs. 1 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die den Zweck oder die Wirkung haben, den Wettbewerb zu beeinträchtigen, verboten. Dazu zählen auch Kartelle, die als „Boykottkartelle“ auftreten – das heißt, wenn mehrere Unternehmen abstimmen, bestimmte Lieferanten oder Kunden gemeinschaftlich vom Markt auszuschließen. Solche Absprachen führen meist zu einer erheblichen Beschränkung des Wettbewerbs und sind daher nichtig. Es gibt jedoch Ausnahmen, etwa wenn ein solcher Boykott zur Durchsetzung berechtigter wirtschaftlicher Interessen dient und nicht über das erforderliche Maß hinausgeht; diese sind aber eng begrenzt und werden restriktiv angewendet.
Wann kann ein Boykott zivilrechtliche Schadensersatzansprüche auslösen?
Ein Boykott kann unter bestimmten Umständen zu Schadensersatzansprüchen führen. Nach §§ 823 Abs. 1, 826 BGB kommt neben der Verletzung absoluter Rechte (z.B. des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs) auch eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung in Betracht. Voraussetzung ist, dass der Boykottaufruf oder das boykottierende Verhalten gezielt darauf gerichtet ist, das betroffene Unternehmen unlauter zu beeinträchtigen und ein konkreter Schaden nachweisbar ist. Gerichte prüfen insbesondere, ob der Boykotteur eine moralisch oder rechtlich zu missbilligende Verhaltensweise an den Tag gelegt hat. Ist dies der Fall, kann der wirtschaftlich geschädigte Boykottierte Ersatz für den verursachten Schaden verlangen.
Welche strafrechtlichen Konsequenzen kann ein Boykott nach sich ziehen?
Aus strafrechtlicher Sicht ist ein Boykott grundsätzlich nicht verboten. Jedoch können die Umstände, unter denen ein Boykott durchgeführt wird, zur Relevanz strafrechtlicher Tatbestände führen. So könnte zum Beispiel § 240 StGB (Nötigung) einschlägig werden, wenn durch den Boykottaufruf Druck auf Dritte ausgeübt wird, insbesondere wenn mit Gewalt oder Drohungen vorgegangen wird. Auch eine Aufforderung zu strafbaren Handlungen könnte nach § 111 StGB strafbar sein, wenn etwa der Boykottaufruf mit einer öffentlichen Aufforderung zu einer Straftat verbunden ist. Handelt es sich um einen Boykott in Verbindung mit einer Erpressung (§ 253 StGB), kommen zudem weitergehende strafrechtliche Konsequenzen in Betracht.
Ist ein politisch motivierter Boykott rechtlich anders zu bewerten als ein rein wirtschaftlich motivierter?
Juristisch wird bei der Bewertung eines Boykotts auch nach dem Motiv unterschieden. Politisch motivierte Boykotte genießen tendenziell einen weitergehenden Schutz durch die Meinungsäußerungsfreiheit, insbesondere wenn sie der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung dienen. Dennoch gelten auch hier die Schranken des UWG sowie des zivil- und strafrechtlichen Schutzes der Betroffenenrechte. Wird ein politischer Boykott ausschließlich eingesetzt, um ein bestimmtes Unternehmen aus politischen Gründen wirtschaftlich zu schädigen, und ist die Maßnahme nicht verhältnismäßig, kann auch ein politisch motivierter Boykott unzulässig sein. Im Einzelfall ist eine umfassende Abwägung der grundrechtlichen Positionen vorzunehmen.
Kann sich ein Boykott auf das Arbeitsrecht auswirken?
Im Arbeitsrecht kann ein Boykott insbesondere dann relevant werden, wenn Arbeitnehmer oder Gewerkschaften zu kollektiven Boykottmaßnahmen gegen einen Arbeitgeber oder Produkte eines Unternehmens aufrufen. Hier sind tarifrechtliche und arbeitsrechtliche Bestimmungen – insbesondere das Streikrecht – zu beachten. Die Grenze zum rechtlich zulässigen Arbeitskampf ist jedoch enger gezogen als bei politischen Boykotten. Besteht kein konkreter Zusammenhang mit Tarifverhandlungen, ist ein Aufruf zum Boykott von Waren oder zur Arbeitsverweigerung nicht ohne weiteres von der Betätigung der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) gedeckt und kann zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen wie Abmahnung oder Kündigung führen. In extremen Fällen kann auch der Straftatbestand der Nötigung erfüllt sein.