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Bezirksnotar


Bezirksnotar – Begriff, Rechtsstellung und Aufgaben

Definition und rechtliche Einordnung

Der Begriff Bezirksnotar bezeichnet in Deutschland eine besondere Form des Notars, die bis zum Jahr 2017 primär im Bundesland Baden-Württemberg bestand. Ein Bezirksnotar war im Gegensatz zu dem im Rest Deutschlands üblichen Nur-Notar nicht selbstständig tätig, sondern stand in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis als Beamter auf Lebenszeit im Dienst des Landes. Die Aufgaben eines Bezirksnotars umfassten sowohl notarielle Amtsgeschäfte als auch den Dienst in staatlichen Grundbuchämtern und Nachlassabteilungen. Seit dem Jahr 2018 ist das Modell des Bezirksnotariats in Baden-Württemberg vollständig abgeschafft, jedoch entfaltet es weiterhin Bedeutung bei der Bearbeitung von Altverfahren und im Kontext der rechtshistorischen Betrachtung.

Rechtsgrundlage und Entwicklung

Historische Entwicklung

Das Amt des Bezirksnotars entstand im 19. Jahrhundert als Folge der Verwaltungsstruktur in den Ländern des südwestdeutschen Raums, insbesondere im Königreich Württemberg und später im Land Baden-Württemberg. In Abweichung vom Notarssystem des „Nur-Notars“ anderer Bundesländer wurde dem Bezirksnotar ein Doppelstatus gegeben: Neben der Wahrnehmung klassischer notarieller Aufgaben war dieser als Landesbeamter tätig, in vielen Fällen auch mit Aufgaben in Grundbuch- und Nachlassangelegenheiten betraut.

Gesetzliche Grundlagen

Die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen ergaben sich bis zur Abschaffung aus dem Württembergischen Beurkundungsgesetz, dem Notariatsgesetz Baden-Württemberg (AGNotGBW) sowie weiteren landesrechtlichen Vorschriften. Durch die Umsetzung des Gesetzes zur Neuordnung des notariellen Berufsrechts (NotReformG BW) und das Inkrafttreten des „Gesetzes zum Ausbau der Notariate und zur Reform der Grundbuchämter“ wurde das Amt des Bezirksnotars zum 31. Dezember 2017 aufgehoben.

Aufgaben und Zuständigkeiten eines Bezirksnotars

Notarielle Tätigkeiten

Bezirksnotaren oblagen sämtliche Aufgaben, die bundesweit durch Notare wahrzunehmen sind. Hierzu zählen insbesondere:

  • Beurkundungen von Rechtsgeschäften wie Grundstückskaufverträgen, Gesellschaftsgründungen, Erbverträgen
  • Beglaubigungen von Unterschriften und Abschriften
  • Entwürfe von Urkunden und Beratung im Rahmen der notariellen Amtspflichten
  • Verwahrung von Wertgegenständen, Testamentsvollstreckung und Nachlasssachen gemäß den Vorschriften zum Nachlassgericht

Tätigkeit im Grundbuchwesen und Nachlasswesen

Ein zentrales Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem „Nur-Notar“ bestand in der weiteren Zuständigkeit für Aufgaben als Leiter eines Grundbuchamts oder Nachlassgerichts. Der Bezirksnotar führte in diesem Zusammenhang unter anderem folgende Aufgaben aus:

  • Führung des Grundbuchs und Eintragung von grundstücksbezogenen Rechten (z.B. Eigentumsübertragungen, Grundschulden)
  • Erteilung von Grundbuchauszügen
  • Bearbeitung von Erbscheinsanträgen, Testamentseröffnungen und Nachlassangelegenheiten

Übertragungsmöglichkeiten und örtliche Zuständigkeit

Amtsbezirk und Dienststelle

Der Bezirksnotar wirkte am Bezirksnotariat, dessen Amtsbereich jeweils örtlich festgelegt war und sich auf einen bestimmten Gerichtsbezirk erstreckte. Die genaue Zuschnitt erfolgte, um eine umfassende Versorgung der Bevölkerung auch im ländlichen Bereich zu gewährleisten.

Nachfolge nach Abschaffung des Bezirksnotariats

Mit der Auflösung des Bezirksnotariats und der Umstellung auf das System der Nur-Notare in Baden-Württemberg wurden die bisherigen Aufgaben auf selbstständige Notare, Amtsgerichte (insbesondere bei Grundbuch- und Nachlassangelegenheiten) sowie sonstige Behörden verteilt. Altverfahren, die unter der Zuständigkeit eines Bezirksnotars eröffnet wurden, werden zum Teil noch von entsprechend eingerichteten Übergangseinheiten betreut.

Rechtliche Stellung und Pflichten des Bezirksnotars

Beamtenstatus und Dienstaufsicht

Der Bezirksnotar war als Beamter auf Lebenszeit im Dienst des Landes Baden-Württemberg angestellt. Dies führte zu einer engen Einbindung in die staatliche Dienstaufsicht. Die Einrichtungen unterstanden der Fachaufsicht durch das Justizministerium des Landes, das im Rahmen des Notariatsdienstrechts Weisungen erteilen konnte.

Verschwiegenheit, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

Auch für den Bezirksnotar galten die klassischen Prinzipien des Notaramts: Die Pflicht zur Verschwiegenheit, Unabhängigkeit gegenüber den Urkundsbeteiligten und Unparteilichkeit bei der Amtsausübung waren kraft Gesetzes verankert.

Vergütung und Kostenregelung

Die Gebührenerhebung erfolgte auf Basis der bundesweit geltenden Kostenordnung (KostO) bzw. seit 2013 nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG). Die Gebühren flossen nicht dem Bezirksnotar selbst, sondern der Landeskasse zu.

Bedeutung und Bewertung des Bezirksnotariats

Mit der flächendeckenden Abschaffung des Bezirksnotariats wurde ein System beendet, das für über einhundert Jahre die Rechtsverhältnisse in Baden-Württemberg maßgeblich geprägt hatte. Die vollständige Trennung von Rechtsprechung (staatlichen Aufgaben) und vorsorgender Rechtspflege (notarielles Amt) wurde angestrebt, um eine bundesweit einheitliche Struktur zu etablieren und den Vorgaben des Grundgesetzes sowie europarechtlichen Anforderungen zu entsprechen.

Literatur- und Rechtsquellenhinweise

  • Württembergisches Beurkundungsgesetz (WürttBG)
  • Gesetz über die Justiz im Land Baden-Württemberg (Landesjustizgesetz – LJG BW)
  • Gesetz zur Umsetzung der Notariatsreform in Baden-Württemberg (Notariatsreformgesetz Baden-Württemberg – NotRefG BW)
  • Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG)
  • Allgemeine Verwaltungsvorschriften des Landes Baden-Württemberg zur Führung der Grundbücher

Dieser Artikel behandelt den Begriff Bezirksnotar, dessen Entwicklung, Rechtsstellung und Aufgabenbereich umfassend. Er berücksichtigt die gesetzlichen Hintergründe ebenso wie die Bedeutung im Zusammenhang mit der Notariatsreform in Baden-Württemberg und dient der Orientierung innerhalb eines modernen Rechtslexikons.

Häufig gestellte Fragen

Welche Aufgaben übernimmt ein Bezirksnotar im Rahmen von Beurkundungen?

Ein Bezirksnotar ist befugt, eine Vielzahl von Rechtsgeschäften zu beurkunden, die einer öffentlichen Beglaubigung oder Beurkundung nach deutschem Recht bedürfen. Zu den klassischen Aufgaben zählen insbesondere die Beurkundung von Grundstückskaufverträgen, Erbverträgen, Schenkungsurkunden sowie die Beurkundung von Eheverträgen und Gesellschaftsverträgen (zum Beispiel bei der Gründung einer GmbH oder einer Genossenschaft). Bezirksnotare sind im Rahmen ihrer Zuständigkeit auch berechtigt, Testamente oder letztwillige Verfügungen aufzunehmen, Nachlassverzeichnisse zu erstellen und Erbscheinsanträge zu beglaubigen. Ihre Tätigkeit ist an die Einhaltung strenger gesetzlicher Formerfordernisse gebunden, um Rechtssicherheit, Schutz vor übereilten Entscheidungen und Klarheit in der Vertragsgestaltung zu gewährleisten. Ferner beraten sie die Beteiligten über die Bedeutung und die Konsequenzen der zu beurkundenden Rechtsgeschäfte.

Wer beaufsichtigt Bezirksnotare und welches Disziplinarrecht gilt für sie?

Bezirksnotare stehen in Baden-Württemberg unter der Aufsicht der Landesjustizverwaltung, vertreten durch das zuständige Landgericht beziehungsweise das Oberlandesgericht sowie durch das Justizministerium Baden-Württemberg. Hinsichtlich ihrer Amtsführung gelten für Bezirksnotare das Landesgesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit sowie die Bundesnotarordnung (BNotO), wobei spezifische landesrechtliche Vorschriften für Baden-Württemberg maßgeblich sind. Die Dienstaufsicht umfasst sowohl die Überwachung der Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften als auch die Kontrolle der ordnungsgemäßen Geschäftsführung, der Einhaltung von Fristen, der Gebührenordnung und der Sorgfalt bei der Urkundstätigkeit. Im Falle von Dienstvergehen können Disziplinarmaßnahmen wie Verweise, Ordnungsstrafen oder – in gravierenden Fällen – die Amtsenthebung verhängt werden.

In welchem geografischen Zuständigkeitsbereich darf ein Bezirksnotar tätig werden?

Die Amtsbefugnisse eines Bezirksnotars sind grundsätzlich auf den jeweiligen Amtsbereich beschränkt, dem er zugewiesen ist. Dies bedeutet insbesondere, dass ein Bezirksnotar seine Amtshandlungen gewöhnlich innerhalb seines örtlichen Bezirkes vornimmt, soweit nicht besondere gesetzliche Vorschriften etwas anderes zulassen. Allerdings können aufgrund der bundeseinheitlichen Regelungen bestimmte Amtshandlungen – z.B. die Beglaubigung von Unterschriften oder die Beurkundung bestimmter Verträge – auch außerhalb seines Bezirks erfolgen, sofern dies durch landesrechtliche Vorschriften genehmigt ist. In der Praxis ist jedoch die örtliche Zuständigkeit ein bedeutender Grundsatz zur Vermeidung von Kompetenzüberschneidungen und zum Schutz des Vertrauens der Beteiligten in die Neutralität und Verfügbarkeit des Notars.

Welche besonderen Formerfordernisse bestehen bei der Tätigkeit eines Bezirksnotars?

Bei der Beurkundungstätigkeit eines Bezirksnotars ist die Beachtung strenger Formvorschriften unerlässlich. Hierzu zählt insbesondere die Pflicht, den Gegenstand und die Erklärungen der Beteiligten in einer Niederschrift vollständig und klar wiederzugeben, diese in Gegenwart aller Beteiligten vorzulesen, zur Genehmigung vorzulegen und von allen unterschreiben zu lassen. Die Beurkundung hat in deutscher Sprache zu erfolgen, es sei denn, die Beteiligten verfügen über ausreichende Kenntnisse einer anderen Sprache oder ein Dolmetscher ist zugezogen. Ferner müssen die Personalien der Urkundsbeteiligten eindeutig festgestellt und dokumentiert werden. Bei bestimmten Rechtsgeschäften – wie zum Beispiel beim Abschluss von Grundstückskaufverträgen oder Eheverträgen – besteht gesetzliche Beurkundungspflicht, deren Nichtbeachtung zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt.

Wie erfolgt die Kostenabrechnung beim Bezirksnotar und welche gesetzlichen Grundlagen finden Anwendung?

Die Gebühren und Auslagen, die bei einer notariellen Amtshandlung durch einen Bezirksnotar entstehen, richten sich grundsätzlich nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG). Die Gebühren bemessen sich nach dem Geschäftswert des jeweiligen Rechtsgeschäfts; dies sind meist Gegenstandswerte wie Kaufpreis, Erbmasse oder Vertragswert. Zusätzliche Auslagen für Schreibauslagen, Porto, Beglaubigungen und Auskünfte können hinzukommen. Der Bezirksnotar ist verpflichtet, über die entstehenden Kosten eine Kostenberechnung gemäß § 19 GNotKG zu erstellen und die Beteiligten umfassend über die voraussichtlichen Kostenstrukturen zu informieren. Überhöhte oder unzulässige Gebühren können bei der zuständigen Aufsichtsbehörde beanstandet werden.

Welche Rolle spielt der Bezirksnotar bei der Verhinderung von Interessenkonflikten?

Der Bezirksnotar ist als unparteiischer Amtsträger zur Neutralität verpflichtet und darf grundsätzlich keine Amtshandlung vornehmen, wenn ein persönlicher oder wirtschaftlicher Interessenkonflikt vorliegt. Dies betrifft insbesondere Konstellationen, in denen der Notar selbst oder nahe Angehörige an einem Rechtsgeschäft beteiligt sind, oder der Notar zuvor bereits rechtsberatend tätig war und dadurch seine Unabhängigkeit gefährdet wäre. Die Verschwiegenheitspflicht gegenüber Dritten ist ein weiteres zentrales Element der Amtsführung und dient dem Schutz der Vertraulichkeit der notariellen Angelegenheiten. Offenbarte Verstöße gegen diese Neutralitäts- und Verschwiegenheitspflichten können Disziplinarmaßnahmen oder zivilrechtliche Haftungsansprüche nach sich ziehen.

Welche rechtlichen Mittel stehen Beteiligten bei Zweifeln an der Wirksamkeit einer notariellen Urkunde durch den Bezirksnotar zur Verfügung?

Sollten Zweifel an der Wirksamkeit oder an der formellen Korrektheit einer notariellen Urkunde durch den Bezirksnotar bestehen, haben die Beteiligten die Möglichkeit, eine gerichtliche Überprüfung zu beantragen. Dies erfolgt im Regelfall im Rahmen eines gesonderten Rechtsschutzverfahrens – beispielsweise als Anfechtungsklage oder Klagverfahren auf Feststellung der Nichtigkeit der Urkunde. Gleichzeitig unterliegen notariell beurkundete Verträge weiterhin den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bezüglich Irrtums, Täuschung oder widerrechtlicher Drohung. Neben der zivilrechtlichen Anfechtung kann bei formellen Mängeln (beispielsweise fehlende Unterschrift oder Nonchalance bei der Niederschrift) auch bei der Aufsichtsbehörde Beschwerde eingelegt werden, die eine disziplinarrechtliche Überprüfung des Bezirksnotars einleiten kann.