Legal Lexikon

Betriebsstörung


Begriffsbestimmung und Bedeutung der Betriebsstörung

Der Begriff Betriebsstörung bezeichnet im deutschen Recht eine Störung oder Unterbrechung des normalen Betriebsablaufs eines Unternehmens oder einer öffentlichen Einrichtung. Betriebsstörungen können auf vielfältigen Ursachen beruhen und haben sowohl im Arbeitsrecht, im Zivilrecht, im Verwaltungsrecht als auch im Versicherungsrecht erhebliche rechtliche Konsequenzen. Im Rahmen des Rechtslexikons wird unter Betriebsstörung eine Situation verstanden, in der infolge von technischen Defekten, organisatorischen Mängeln, äußeren Einwirkungen oder anderen Umständen der ordnungsgemäße Betrieb zumindest teilweise beeinträchtigt wird.


Erscheinungsformen und Ursachen von Betriebsstörungen

Betriebsstörungen können sich in unterschiedlichen Formen manifestieren. Die wesentlichen Arten sind:

Technische Betriebsstörung

Technische Defekte bei Maschinen, Produktionsanlagen oder IT-Systemen sind klassische Ursachen für Betriebsstörungen. Beispiele sind Maschinenbruch, Versagen der Energieversorgung oder Ausfall von Kommunikationssystemen.

Organisatorische und personelle Betriebsstörung

Mangelhafte Organisation etwa durch fehlendes Personal, ungenügende Arbeitsabläufe oder Fehler bei der Koordination von Abteilungen können zu innerbetrieblichen Störungen führen.

Äußere Einwirkungen

Hierzu zählen alle Einflüsse, die ihren Ursprung außerhalb des Unternehmens haben, etwa Naturkatastrophen (Sturm, Hochwasser), Streiks, behördliche Maßnahmen, Epidemien oder Lieferengpässe bei Zulieferern.

Vorsätzliche oder fahrlässige Handlungen

Sabotage, unerlaubtes Entfernen vom Arbeitsplatz oder sonstige Handlungen Dritter (wie Diebstahl oder Vandalismus) können ebenfalls eine Betriebsstörung auslösen.


Rechtliche Einordnung der Betriebsstörung

Betriebsstörungen sind in verschiedenen Rechtsgebieten zu berücksichtigen, darunter im Arbeitsrecht, im Handelsrecht, bei Werkverträgen, im Versicherungsrecht und im öffentlichen Recht.

Arbeitsrechtliche Aspekte

Annahmeverzug und Entgeltfortzahlung

Nach § 615 BGB bleibt der Anspruch auf Arbeitsentgelt bei einer Betriebsstörung grundsätzlich bestehen, wenn der/die Arbeitnehmer/in arbeitswillig und arbeitsfähig ist, die Arbeitsleistung jedoch aus betriebsbedingten Gründen unmöglich wird (sogenannte Betriebsrisikolehre). Das bedeutet, dass das Betriebsrisiko der Arbeitgeber trägt, sofern die Störung nicht durch einen Streik der Belegschaft oder höhere Gewalt ausgelöst wurde.

Betriebsstörung und Kurzarbeit

In Fällen länger andauernder Betriebsstörungen kann der Betrieb Kurzarbeit anordnen. Die gesetzliche Grundlage dazu findet sich im Sozialgesetzbuch III (§§ 95 ff. SGB III). Die Einführung von Kurzarbeit setzt eine Betriebsvereinbarung oder eine Regelung im Arbeitsvertrag voraus. In der Folge reduziert sich die Arbeitszeit und das sogenannte Kurzarbeitergeld wird von der Bundesagentur für Arbeit gezahlt.

Betriebsstörung und Mitbestimmungsrechte

Betriebsstörungen, die Auswirkungen auf Arbeitszeiten, Arbeitsplätze oder sonstige wesentliche Arbeitsbedingungen haben, lösen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG aus.

Zivilrecht und Haftungsfragen

Schadensersatzansprüche

Kommt es aufgrund einer Betriebsstörung zur Verzögerung oder mangelhaften Erfüllung von Verträgen, können sich Schadensersatzansprüche oder Rücktrittsrechte ergeben (§§ 280 ff., 323 BGB). Allerdings kann die Haftung unter Umständen ausgeschlossen sein, wenn die Betriebsstörung auf höhere Gewalt oder unvermeidbare Ereignisse zurückgeht.

Unmöglichkeit und Gefahrtragung

Eine längere Betriebsstörung kann dazu führen, dass eine vertraglich geschuldete Leistung nicht mehr erbracht werden kann (Unmöglichkeit nach § 275 BGB). In diesem Fall regelt § 326 BGB, inwieweit die Gegenleistung entfällt. Die Gefahrtragung richtet sich bei gegenseitigen Verträgen im Regelfall nach § 326 Abs. 2 BGB.

Betriebsstörung im Versicherungsrecht

Viele Unternehmen sichern sich gegen die finanziellen Folgen von Betriebsstörungen durch Betriebsunterbrechungs-, Maschinen- oder Betriebsstörungsversicherungen ab. Bei Eintritt einer versicherten Betriebsstörung besteht Anspruch auf Ersatz des Betriebsunterbrechungsschadens gemäß Versicherungsvertrag und Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB). Die genaue Abgrenzung zwischen Betriebsstörung und Betriebsunterbrechung ist dabei für die Versicherungsleistung von zentraler Bedeutung.

Öffentliche Betriebsstörung – Verwaltungsrechtliche Perspektive

Betriebsstörungen in öffentlichen Einrichtungen (z.B. Krankenhäuser, Verkehrsbetriebe, Schulen) können verwaltungsrechtliche Fragen aufwerfen, etwa im Hinblick auf Haftungsträger, gesetzliche Notfallpläne oder Entschädigungsansprüche Betroffener.


Folgen von Betriebsstörungen

Betriebswirtschaftliche Konsequenzen

Zu den häufigsten Folgen gehören Produktionsausfälle, Störungen von Lieferketten, Mehraufwand für Personal und Wiederinstandsetzung sowie finanzielle Nachteile durch Schadensersatzansprüche oder Sanktionen.

Haftungsrisiken und Präventionspflichten

Unternehmen sind zur Risikovorsorge und Gefahrenabwehr verpflichtet (z.B. § 823 BGB, Verkehrssicherungspflicht). Wird eine Betriebsstörung schuldhaft herbeigeführt oder unterlassen, angemessene Maßnahmen zu deren Verhinderung zu treffen, können Haftungsrisiken einschließlich Regressansprüchen entstehen.

Pflichten im Umgang mit Betriebsstörungen

  • Meldung und Dokumentation: Unternehmen sind gehalten, Betriebsstörungen intern zu dokumentieren und gegebenenfalls nach außen (z.B. Behörden, Versicherer, Partner) zu melden.
  • Maßnahmen zur Störungsbeseitigung: Es besteht die Verpflichtung, Störungen unverzüglich zu beheben und Maßnahmen zur Schadensbegrenzung zu treffen.

Betriebsstörung und höhere Gewalt

Höhere Gewalt wird im deutschen Recht allgemein als ein von außen kommendes, unvorhersehbares und auch durch äußerste zumutbare Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis definiert. Eine Betriebsstörung kann eine Folge höherer Gewalt sein, wodurch vertragliche Verpflichtungen zeitweise aufgehoben oder angepasst werden. Beispielsweise enthalten viele Verträge sogenannte Force-Majeure-Klauseln, die die Rechtsfolgen im Fall einer durch höhere Gewalt verursachten Betriebsstörung regeln.


Abgrenzung und verwandte Begriffe

Betriebsstörung vs. Betriebsunterbrechung

Während „Betriebsstörung“ jede Beeinträchtigung des Betriebs meint, bezeichnet „Betriebsunterbrechung“ meist eine vollständige oder zumindest gravierende Einstellung des Betriebs, meist mit erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen.

Sonderfälle: Streik, Aussperrung, Pandemie

  • Streik und Aussperrung können Folge oder Ursache einer Betriebsstörung sein, sind jedoch aus arbeitsrechtlicher Perspektive gesondert zu betrachten.
  • Pandemien (z.B. COVID-19) können zu umfassenden Betriebsstörungen führen, wobei hier gesonderte gesetzliche Regelungen gelten können (z.B. Infektionsschutzgesetz, IfSG).

Literaturhinweise und weiterführende Quellen

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere §§ 275, 280 ff., 323, 326, 615
  • Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), insbesondere § 87
  • Sozialgesetzbuch III (SGB III), insbesondere §§ 95 ff.
  • Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) für Betriebsunterbrechungsversicherungen
  • Handbuch des Arbeitsrechts, Beck Verlag
  • Palandt, BGB, aktuelle Auflage

Zusammenfassung

Die Betriebsstörung ist ein zentraler Begriff mit weitreichenden rechtlichen Folgen in verschiedenen Rechtsgebieten. Sie betrifft Unternehmen aller Branchen und verlangt sowohl vorbeugende Maßnahmen als auch klare Regelwerke für den Schadensfall. Die Rechtsfolgen hängen im Einzelfall von den spezifischen Umständen und einschlägigen gesetzlichen, tariflichen oder vertraglichen Regelungen ab. Unternehmen sind daher gut beraten, sich mit der Thematik strukturiert auseinanderzusetzen und entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um die rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen im Falle einer Betriebsstörung zu minimieren.

Häufig gestellte Fragen

Welche Mitteilungspflichten bestehen für Unternehmen bei Betriebsstörungen gegenüber Behörden?

Im deutschen Recht bestehen für Unternehmen je nach Branche und Betriebsart unterschiedliche Mitteilungspflichten bei Betriebsstörungen gegenüber Behörden. Wesentliche Regelungen dazu finden sich zum Beispiel im § 17 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) sowie in speziellen Gesetzen wie dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) für Lebensmittelbetriebe und dem IT-Sicherheitsgesetz (IT-SiG) für Betreiber kritischer Infrastrukturen. Bei Auftreten einer Betriebsstörung, die zu einer Gefährdung der Gesundheit von Beschäftigten führen kann, muss das Unternehmen den Vorfall unverzüglich der zuständigen Aufsichtsbehörde melden. Darüber hinaus sind Störungen, die zu Umweltgefährdungen führen könnten, dem Umweltamt und – je nach Bundesland – weiteren Fachdiensten zu melden. Verstöße gegen diese Meldepflichten können mit Bußgeldern oder im Einzelfall sogar mit Straftatbeständen sanktioniert werden. Die konkreten Anforderungen hinsichtlich Form, Inhalt und Frist der Mitteilung richten sich nach der jeweiligen spezialgesetzlichen Vorschrift. Unabhängig davon kann auch eine unverzügliche Information an die Berufsgenossenschaften notwendig sein.

Können Arbeitnehmer bei einer Betriebsstörung die Arbeitsleistung verweigern?

Im Falle einer Betriebsstörung ist der Arbeitnehmer grundsätzlich zur Arbeitsleistung verpflichtet, es sei denn, es bestehen konkrete Gefahren für Leben oder Gesundheit (§ 275 Abs. 3 BGB, § 15 Abs. 1 ArbSchG). Tritt etwa eine massive Strom- oder Wasserversorgungskrise auf, bei der die Arbeitssicherheit nicht mehr gewährleistet ist, darf der Arbeitnehmer nach sorgfältiger Abwägung und Dokumentation die Arbeit verweigern. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nicht nachkommt und die Gefährdung nicht abwendet. Eine allgemeine Produktionsstörung ohne Gefahrenelement berechtigt grundsätzlich nicht zur Leistungsverweigerung. Hier ist nach wie vor der Arbeitgeber das sogenannte Betriebsrisiko zu tragen.

Wer trägt das Risiko bei einer Betriebsstörung für den Arbeitsausfall?

Nach deutschem Recht trägt der Arbeitgeber grundsätzlich das sogenannte Betriebsrisiko nach § 615 Satz 3 BGB. Das bedeutet, dass er auch dann Arbeitsentgelt im Annahmeverzug zahlen muss, wenn die Arbeitnehmer infolge einer durch Betriebsstörung nicht zu vertretenden Umstände (z.B. Maschinenausfall, Stromausfall, Hochwasser) nicht arbeiten können. Dies gilt jedoch nicht bei Fällen höherer Gewalt, sofern die Arbeitsleistung dauerhaft unmöglich oder das Verhältnis nicht zumutbar fortzuführen ist. Ausnahmen bilden Sonderregelungen wie das Kurzarbeitergeld nach § 95 SGB III, wenn bestimmte Voraussetzungen – wie ein erheblicher Arbeitsausfall – vorliegen.

Welche Haftungsrisiken bestehen für Unternehmen bei Betriebsstörungen gegenüber Dritten?

Kommt es infolge einer Betriebsstörung zu Schäden bei Dritten (z.B. Kunden, Lieferanten oder Anwohnern), haftet das Unternehmen grundsätzlich nach allgemeinem Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB) oder gegebenenfalls auf vertraglicher Grundlage. Besondere Sorgfaltspflichten bestehen insbesondere bei gefährlichen Anlagen, für die eine Gefährdungshaftung aus Gesetz (z.B. Umwelthaftungsgesetz, Produkthaftungsgesetz) greifen kann. Bei Umweltschäden können zudem öffentlich-rechtliche Sanktionen, Kosten zur Wiederherstellung und gegebenenfalls Schadensersatzforderungen entstehen. Unternehmen empfiehlt sich daher, in ihren Verträgen Regelungen für Störfälle zu integrieren und entsprechende Versicherungslösungen vorzuhalten.

Können Betriebsstörungen eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen?

Eine Betriebsstörung allein rechtfertigt grundsätzlich keine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Allerdings kann eine wiederholte, schwere Pflichtverletzung von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit der Störung eine Kündigung begründen, wenn etwa grob fahrlässige oder vorsätzliche Handlungen vorliegen, die zur Störung beitragen. Für Arbeitgeber gilt, dass nur bei schwerwiegenden und dauerhaften Betriebsstörungen, die eine Fortführung des Betriebs unzumutbar machen, eine betrieblich bedingte Kündigung in Betracht kommt. In jedem Fall sind die strengen Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) sowie etwaige Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten.

Welche Informations- und Unterrichtungspflichten bestehen gegenüber Arbeitnehmern bei Eintritt einer Betriebsstörung?

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, seine Arbeitnehmer bei Eintritt einer Betriebsstörung umfassend und unverzüglich über die Situation, etwaige Gefahren und die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu informieren (§ 81 BetrVG, § 16 ArbSchG). Darüber hinaus muss er Betriebsratsgremien nach § 92a BetrVG frühzeitig über geplante Maßnahmen im Zusammenhang mit der Störung informieren und diese bei Veränderungen der Arbeitsorganisation beteiligen. Bei Gefahrensituationen ist er verpflichtet, alle Arbeitsschutzmaßnahmen zu ergreifen und die erforderlichen Unterweisungen durchzuführen. Die Nichteinhaltung kann zu arbeitsrechtlichen Sanktionen und Haftungsrisiken führen.

Wann kann der Staat bei einer Betriebsstörung Maßnahmen zum Schutz der Öffentlichen Sicherheit anordnen?

Kommt es im Zuge einer Betriebsstörung zu Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, können zuständige Behörden auf Grundlage des Allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts (z.B. § 14 OBG NRW, § 17 ASOG Berlin) Anordnungen oder Platzverweise erteilen, Betriebsstilllegungen vornehmen oder Sofortmaßnahmen zur Gefahrenabwehr treffen. Insbesondere bei Ereignissen wie Industrieunfällen mit Umweltgefahren, Epidemien oder bei Störungen der kritischen Infrastruktur ist zudem ein behördliches Einschreiten im Rahmen des Seuchenschutz- oder Katastrophenschutzrechts vorgesehen. Unternehmen sind verpflichtet, solche Anordnungen umzusetzen und mit den Behörden zu kooperieren; Verstöße können zu empfindlichen Strafen führen.