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Besorgung fremder Geschäfte


Begriff und rechtliche Einordnung der Besorgung fremder Geschäfte

Die Besorgung fremder Geschäfte ist ein bedeutender rechtlicher Begriff, der insbesondere im Zivilrecht und Strafrecht eine zentrale Rolle spielt. Im deutschen Recht bezeichnet die Besorgung fremder Geschäfte die Vornahme einer Handlung durch eine Person (den sogenannten Geschäftsführer) im Interesse oder im Namen einer anderen Person, ohne dass diese Handlung auf eigenen Angelegenheiten oder eigenen Verpflichtungen beruht. Der Begriff ist in verschiedenen Rechtsgebieten relevant, unter anderem im Zusammenhang mit der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), dem Strafrecht und dem anwaltlichen Berufsrecht.


Grundlagen der Besorgung fremder Geschäfte

Definition und Voraussetzungen

Die Besorgung fremder Geschäfte bezeichnet jede Handlung, die objektiv in den Interessenkreis oder Rechtskreis eines anderen fällt und somit als dessen Geschäft anzusehen ist. Hierzu zählen sowohl tatsächliche als auch rechtsgeschäftliche Handlungen. Die Abgrenzung zum Eigengeschäft ist hierbei entscheidend: Ein Geschäft ist fremd, wenn es nach außen im Interesse oder im Namen einer anderen Person vorgenommen wird bzw. hauptsächlich dessen Verpflichtungen betrifft.

Arten der Fremdgeschäftsbesorgung

Die Besorgung fremder Geschäfte kann sich sowohl auf Rechtsgeschäfte (z. B. Abschluss eines Vertrags im Namen eines Dritten) als auch auf Realakte (z. B. die Reparatur am Eigentum eines Dritten) erstrecken.

Echtes und unechtes Fremdgeschäft

  • Echtes Fremdgeschäft: Das Geschäft betrifft ausschließlich den Rechtskreis eines anderen.
  • Unechtes Fremdgeschäft: Eine Handlung, die auch eigene Interessen berührt, jedoch überwiegend fremd ist.
  • Auch-fremdes Geschäft: Gleichzeitig liegt ein Eigen- sowie ein Fremdgeschäft vor.

Relevanz der Besorgung fremder Geschäfte im Zivilrecht

Die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB)

Die Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) ist der klassische Anwendungsfall der Besorgung fremder Geschäfte im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Nach § 677 BGB wird jemand, der ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein, verpflichtet, das Geschäft so zu führen, wie das Interesse und der wirkliche oder mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn es erfordern.

Voraussetzungen der GoA

  1. Fremdheit des Geschäfts: Die Handlung muss objektiv fremd sein.
  2. Geschäftsführung ohne Auftrag: Es darf kein Auftrag oder sonstige Berechtigung vorliegen.
  3. Fremdgeschäftsführungswille: Die Handlung muss im Bewusstsein und Willen erfolgen, für einen anderen tätig zu sein.

Rechtsfolgen

  • Pflichten des Geschäftsführers: Sorgfältige Durchführung des Geschäfts, Rechenschaftslegung, Herausgabe von erlangten Vorteilen.
  • Ansprüche des Geschäftsführers: Ersatz der Aufwendungen nach § 683, 684 BGB sowie ggf. Vergütung.
  • Pflichten des Geschäftsherrn: Akzeptanz ordnungsgemäßer Geschäftsführung, Aufwendungsersatz, Schadensersatzpflichten.

Deliktische Einordnung

Auch im Deliktsrecht kann die Besorgung fremder Geschäfte eine Rolle spielen. So kann die unbefugte Wahrnehmung fremder Angelegenheiten eine unerlaubte Handlung darstellen (zum Beispiel Eingriffe in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, § 823 Abs. 1 BGB).


Bedeutung im Strafrecht

Im Strafrecht kann die Besorgung fremder Geschäfte insbesondere bei Straftatbeständen relevant werden, in denen Handlungen für einen Dritten vorgenommen werden – etwa beim Betrug (§ 263 StGB), der unbefugten Vertretung (§ 179 BGB analog), oder bei der Untreue (§ 266 StGB). Hier liegt der Fokus auf der objektiven und subjektiven Fremdheit der Tätigkeit und darauf, ob im Interesse oder Auftrag eines anderen gehandelt wird.


Sonderrechtliche Aspekte

Besorgung fremder Geschäfte im Arbeitsrecht

Im Arbeitsrecht kann die Besorgung fremder Geschäfte bedeuten, dass ein Arbeitnehmer ohne Auftrag oder außerhalb seines Arbeitsverhältnisses im Namen des Arbeitgebers tätig wird. Die zivilrechtlichen Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag finden dann nachrangige Anwendung.

Gesellschaftsrechtliche Bedeutung

Im Gesellschaftsrecht wird die Besorgung fremder Geschäfte etwa dann relevant, wenn ein Gesellschafter ohne entsprechenden Auftrag für die Gesellschaft handelt und daraus Ansprüche gegen oder zugunsten der Gesellschaft entstehen.


Abgrenzungen und Tatbestandsmerkmale

Abgrenzung zu Eigengeschäften

Nicht jedes Geschäft, das auch die Interessen eines anderen betrifft, ist automatisch ein fremdes Geschäft. Eine genaue Prüfung ist erforderlich, ob die Handlung hauptsächlich dem eigenen Rechtskreis zuzurechnen ist oder überwiegend fremd geprägt ist.

Fremdgeschäftsführungswille

Der subjektive Wille, im Namen und Interesse eines Dritten zu handeln, ist zentrales Tatbestandsmerkmal der Geschäftsbesorgung fremder Geschäfte. Fehlt dieser, handelt es sich um ein Eigengeschäft oder einen sonstigen Fall der Mitwirkung bei fremden Geschäften.


Rechtsfolgen und praktische Relevanz

Die Besorgung fremder Geschäfte kann umfangreiche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Sie betrifft Haftungsfragen, Ersatzansprüche und Pflichten aus unerlaubter Handlung sowie bereicherungsrechtliche Ansprüche. Ferner kann sie für Vertrauensverhältnisse und Vertretungsbefugnisse im Wirtschaftsleben von großer Bedeutung sein.


Literaturhinweise und weiterführende Quellen

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere §§ 677 ff.
  • Strafgesetzbuch (StGB), einschlägige Straftatbestände
  • Aktuelle Kommentarliteratur und Rechtsprechung zur GoA und zur Abgrenzung der Fremdgeschäftsbesorgung

Zusammenfassung

Die Besorgung fremder Geschäfte ist ein komplexer Rechtsbegriff, der vielfältige Anwendungsbereiche im Zivil- und Strafrecht umfasst. Sie beschreibt die selbständige Vornahme eines Geschäfts durch eine Person im fremden Interesse oder fremden Namen, ohne dass eine unmittelbare Rechtsbeziehung vorliegt. Die genauen Voraussetzungen, Abgrenzungen und Rechtsfolgen sind stets sorgfältig zu prüfen, da hiervon umfangreiche Pflichten und Ansprüche beider Seiten abhängen können.

Häufig gestellte Fragen

Wann liegt ein Besorgen eines fremden Geschäfts im Sinne des deutschen Zivilrechts vor?

Im rechtlichen Kontext ist das Besorgen eines fremden Geschäfts gegeben, wenn eine Person (Geschäftsbesorger) bewusst ein Geschäft – also eine tatsächliche oder rechtliche Handlung – vornimmt, die zumindest auch im Interesse und im Rechtskreis eines anderen (Geschäftsherrn) liegt. Dies kann sowohl mit Auftrag (also auf Weisung und mit Wissen des Geschäftsherrn) als auch ohne Auftrag, also aus eigenem Antrieb und ggf. sogar ohne oder gegen den Willen des Geschäftsherrn geschehen. Im deutschen Zivilrecht sind besonders die §§ 677 ff. BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag, GoA) relevant. Die konkrete Feststellung, ob ein fremdes Geschäft vorliegt, hängt entscheidend davon ab, ob die Handlung objektiv zumindest auch im Interesse und im Sinne des Geschäftsherrn liegt. Typische Fälle sind z.B. das Retten eines fremden Hundes aus einer gefährlichen Situation oder die Begleichung einer fremden Rechnung in dessen Namen.

Welche rechtlichen Pflichten entstehen bei der Besorgung eines fremden Geschäfts ohne Auftrag?

Wird ein fremdes Geschäft ohne Auftrag besorgt, so treffen den Geschäftsbesorger vielfältige Pflichten analog zu den Vorschriften eines Auftragsverhältnisses (§§ 677, 681 BGB). Der Geschäftsbesorger muss das Geschäft im Interesse und mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn so ausführen, wie es dessen Wohle am besten entspricht. Zudem ist er zur Herausgabe dessen verpflichtet, was er aus der Geschäftsführung erlangt hat (§ 681 BGB), und muss über die Geschäftsausführung sowie etwaige Auslagen umfassend Rechenschaft ablegen (§ 666 BGB entsprechend). Darüber hinaus besteht auch eine Pflicht zum Ersatz von Schäden, die durch unsachgemäße oder pflichtwidrige Geschäftsführung entstehen (Haftung nach § 280 BGB i.V.m. § 677 BGB).

Kann der Geschäftsbesorger Ersatz von Aufwendungen verlangen?

Grundsätzlich hat der Geschäftsbesorger bei einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 683 Satz 1, 670 BGB das Recht, vom Geschäftsherrn Ersatz für seine notwendigen und nützlichen Auslagen zu verlangen. Maßgeblich hierfür ist, dass das Geschäft dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Handelte der Geschäftsbesorger hingegen gegen den Willen des Geschäftsherrn und war das Geschäft nicht objektiv erforderlich, besteht kein Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen.

Welche Unterschiede bestehen zwischen berechtigter und unberechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag?

Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 677 BGB) liegt vor, wenn das besorgte Geschäft auch im wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn stand. In diesem Fall stehen dem Geschäftsbesorger unter bestimmten Voraussetzungen Ersatzansprüche für Aufwendungen sowie gegebenenfalls Schadenersatz zu. Bei der unberechtigten GoA (§ 684 BGB), also einer Geschäftsführung entgegen dem Willen des Geschäftsherrn oder ohne dessen Interesse, besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen; der Geschäftsbesorger muss das Erlangte nur nach Bereicherungsrecht herausgeben und haftet evtl. für verursachte Schäden.

Wie ist das Verhältnis zur Stellvertretung und zum Auftrag?

Die Besorgung eines fremden Geschäfts ohne Auftrag unterscheidet sich rechtlich fundamental von der Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) sowie vom Auftrag (§§ 662 ff. BGB). Im Gegensatz zum Auftrag fehlt bei der GoA die ausdrückliche vertragliche Vereinbarung. Im Vergleich zur Stellvertretung handelt ein Geschäftsbesorger üblicherweise nicht im Namen des Geschäftsherrn – seine Erklärungen gelten nicht unmittelbar für und gegen den Geschäftsherrn, außer im Rahmen von Notvertretungstatbeständen. Die GoA dient vielmehr dazu, Lücken im Rechtsschutz zu schließen, wenn ein fremdes Geschäft ohne vertragliche Bindung geführt wird.

Welche Bedeutung hat der „fremde Geschäftsführungswille“ im Rahmen der GoA?

Der sogenannte „fremde Geschäftsführungswille“ ist ein zentrales Abgrenzungskriterium im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag. Der Geschäftsbesorger muss im Bewusstsein und mit dem Willen handeln, ein fremdes Geschäft zu führen (Fremdgeschäftsführungswille). Fehlt dieser Wille und handelt die Person lediglich im eigenen oder in einem gemeinschaftlichen Interesse (Eigengeschäft bzw. auch neutrales Geschäft), scheiden die Vorschriften der GoA – und damit die jeweiligen Rechte und Pflichten – regelmäßig aus. Eine Ausnahme bilden sog. „auch-fremde“ Geschäfte, bei denen das Handeln sowohl eigen- als auch fremdnützig ist; auch hier kann die GoA eingreifen, vorausgesetzt der fremde Geschäftsführungswille lag vor.

In welchen Fällen ist die Geschäftsführung ohne Auftrag ausgeschlossen?

Die Anwendung der Vorschriften zur Geschäftsführung ohne Auftrag ist ausgeschlossen, wenn eine gesetzliche Sonderregelung eingreift, die das betreffende Verhältnis abschließend regelt (z.B. Verwahrung, familienrechtliche Geschäftsführung). Auch bei ausdrücklichem entgegenstehendem Willen des Geschäftsherrn – sofern dieser nicht ausnahmsweise unbeachtlich ist (z.B. Rettung aus einer Notlage) – oder wenn es sich um ein reines Eigengeschäft handelt, greift die GoA nicht. Ebenso ist ein Rückgriff auf die GoA ausgeschlossen, wenn bereits ein vertragliches Verhältnis (z.B. Auftrag) besteht oder eine gesetzliche Vorschrift speziellere Regelungen vorsieht.