Begriff und Allgemeine Definition der Besichtigung
Unter einer Besichtigung versteht man im rechtlichen Kontext die persönliche, sensorische Wahrnehmung eines Ortes, einer Sache oder eines Gegenstands durch eine oder mehrere Personen zu einem bestimmten Zweck. Die Besichtigung nimmt insbesondere im Zivilrecht, Mietrecht, Baurecht, Strafrecht und Verwaltungsrecht eine zentrale Stellung ein. Sie kann zur Beweiserhebung, Begutachtung, Wertermittlung oder zur Feststellung von Tatsachen dienen. Besichtigungen erfolgen häufig im Zusammenhang mit Verträgen, Streitigkeiten, Verfahren oder amtlichen Prüfungen.
Besichtigung im Zivilrecht
Bedeutung und Anwendungsbereiche
Im Zivilrecht ist die Besichtigung vor allem im Zusammenhang mit Verträgen und dem Eigentum von Sachen relevant. Sie dient dazu, sich einen eigenen Eindruck vom Zustand, Wert oder von etwaigen Mängeln eines Objekts zu verschaffen. Typische Anwendungsfelder sind der Kaufvertrag (z.B. Besichtigung einer Immobilie oder eines Fahrzeugs vor Vertragsschluss), das Mietverhältnis oder auch Werkverträge.
Rechtliche Grundlagen
Die gesetzliche Verankerung der Besichtigung ergibt sich unter anderem aus den Vorschriften zur Sachmängelhaftung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Nach § 442 BGB ist ein Käufer bei Kenntnis eines Mangels zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses von der Geltendmachung von Mängelrechten ausgeschlossen. Die Besichtigung im Zuge der Vertragsverhandlungen oder vor Übergabe des Objekts ist somit maßgeblich für die Rechte und Pflichten der Parteien.
Beispielsfall: Besichtigung bei Immobilienkauf
Beim Immobilienkauf verschafft sich der Käufer vor Vertragsschluss in der Regel durch eine Besichtigung Kenntnis über den Zustand der Immobilie. Die hierbei erkannten oder erkennbaren Mängel beeinflussen nicht nur die Vertragsverhandlungen, sondern auch die spätere Gewährleistung.
Besichtigung und Sachverständigengutachten
Häufig wird im Zivilprozess zur Beweiserhebung über den Zustand einer Sache eine gerichtliche Besichtigung angesetzt (§ 371 ff. ZPO). Das Verfahren sieht dabei regelmäßig die Hinzuziehung eines Gutachters vor, der im Rahmen einer Ortsbesichtigung die maßgeblichen Tatsachen feststellt.
Besichtigung im Mietrecht
Zutrittsrecht des Vermieters
Im Mietrecht ist das Recht des Vermieters auf Besichtigung der vermieteten Wohnung oder Geschäftsräume ein häufiger Streitpunkt. Das Besichtigungsrecht ist nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt, wird jedoch überwiegend aus §§ 535, 242 BGB abgeleitet.
Voraussetzungen und Grenzen
Ein Vermieter darf die Mietsache grundsätzlich nur aus berechtigtem Anlass und nach angemessener Vorankündigung besichtigen (§ 241 Abs. 2 BGB – Treu und Glauben). Häufige Gründe sind:
- Verdacht auf Schäden oder Mängel
- Durchführung von Reparaturen oder Modernisierungen
- Im Fall eines Verkaufs oder einer Neuvermietung (Besichtigung mit Interessenten)
Das Besichtigungsrecht ist stets mit den Persönlichkeitsrechten und der Privatsphäre des Mieters abzuwägen. Ein Betreten ohne Einwilligung oder ohne triftigen Anlass stellt grundsätzlich eine Verletzung des Hausrechts des Mieters dar und kann zu Unterlassungsansprüchen gegen den Vermieter führen.
Ankündigungsfristen
Die erforderliche Ankündigungsfrist für eine Besichtigung beträgt in der Regel mindestens 24 Stunden, besser sind 1 bis 2 Wochen, sofern kein Notfall oder eine Gefahr im Verzug vorliegt.
Begleitpersonen
Beim Besichtigungstermin dürfen im Einzelfall auch Dritte, wie Handwerker oder Kaufinteressenten, zugegen sein. Hierbei ist jedoch das berechtigte Interesse des Mieters und dessen Schutz vor übermäßiger Belastung zu berücksichtigen.
Besichtigung im Straf- und Zivilprozess
Gerichtliche Ortsbesichtigung
Nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) und Strafprozessordnung (StPO) ist die Besichtigung ein anerkanntes Mittel zur Beweiserhebung. Das Gericht kann zur direkten Wahrnehmung der tatsächlichen Verhältnisse eine Ortsbesichtigung anordnen.
Verfahrensrechtliche Regelungen
- Zivilprozess: § 371 Abs. 1 und 2 ZPO regeln die gerichtliche Inaugenscheinnahme von Sachen, Grundstücken oder Tatorten.
- Strafprozess: §§ 86, 220 StPO ermöglichen den Augenschein im Strafverfahren.
Ablauf der gerichtlichen Besichtigung
Das Gericht setzt einen Termin zur Besichtigung an, zu dem in der Regel Parteien, deren rechtliche Vertretungen sowie Sachverständige geladen werden. Die Ergebnisse werden in einer Niederschrift festgehalten und können als Grundlage für das Urteil dienen.
Besonderheiten der Besichtigung im Verwaltungsverfahren
Auch im Verwaltungsrecht kommen Besichtigungen im Rahmen von Ermittlungen (§ 24 VwVfG) oder zur Überprüfung behördlicher Auflagen vor, beispielsweise bei Bauabnahmen.
Besichtigung in der Zwangsvollstreckung
Im Zuge der Zwangsversteigerung (§§ 23, 59 ZVG) wird dem Bieter regelmäßig die Möglichkeit zur vorherigen Besichtigung des Grundstücks eingeräumt. Auch bei Pfändungen ist es zur Feststellung pfändbarer Sachen üblich, eine Besichtigung durch den Gerichtsvollzieher vorzunehmen.
Besichtigung im Sachenrecht und Nachbarschaftsrecht
Auch im Sachenrecht sowie im Nachbarschaftsrecht ist die Besichtigung von Bedeutung. So kann zum Beispiel im Rahmen eines Grenzfeststellungsverfahrens die Inaugenscheinnahme des Grundstücks notwendig sein.
Datenschutz und Persönlichkeitsrechte bei Besichtigungen
Während Besichtigungen personenbezogener Rückzugsräume (Wohnungen, Geschäftsräume) sind die Vorgaben des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre streng zu beachten. Die Erhebung, Verarbeitung und Speicherung von im Rahmen der Besichtigung gewonnenen Daten unterliegt den Regelungen der DSGVO und des Bundesdatenschutzgesetzes, insbesondere bei Fertigung von Fotografien oder Videoaufnahmen.
Fazit
Die Besichtigung stellt im deutschen Recht eine bedeutende Form der Sachverhaltsermittlung, Vertragsgestaltung und Beweissicherung dar. Sie unterliegt, je nach Rechtsgebiet, unterschiedlichen Voraussetzungen und Schranken, wobei stets die Rechte der Beteiligten und die gesetzlichen Vorgaben abgewogen werden müssen. Ihre ordnungsgemäße Durchführung ist nicht nur für den Rechtsfrieden und die Durchsetzung von Ansprüchen, sondern auch für die Rechtssicherheit und die Wahrung schutzwürdiger Interessen unerlässlich.
Häufig gestellte Fragen
Wann und wie häufig darf der Vermieter eine Besichtigung der Mietwohnung verlangen?
Ein Vermieter darf seine vermieteten Wohnräume grundsätzlich nur bei berechtigtem Interesse besichtigen. Rechtlich fundierte Gründe hierfür sind beispielsweise der Verdacht auf erhebliche Beschädigungen, anstehende Modernisierungs-, Instandhaltungs- oder Reparaturmaßnahmen, ein geplanter Verkauf der Immobilie oder eine bevorstehende Neuvermietung. Es besteht kein generelles Recht des Vermieters auf regelmäßige oder anlasslose Besichtigungen; sogenannte Routinebesichtigungen sind ohne konkreten Anlass unzulässig. Die Häufigkeit der Besichtigungen hängt vom jeweiligen Anlass ab: Für Verkaufs- oder Neuvermietungszwecke ist im Allgemeinen eine beschränkte Anzahl von Besichtigungen zulässig, wobei die Gerichte häufig eine Obergrenze von mehreren Terminen pro Woche während eines Zeitraums von wenigen Wochen akzeptieren. Jede Besichtigung muss dem Mieter rechtzeitig – in der Regel 24 bis 48 Stunden vorher, im Einzelfall auch einige Tage zuvor – angekündigt werden. Die Termine müssen während üblicher Tageszeiten liegen sowie auf berechtigte Belange des Mieters (Arbeit, Familie, Kinder, Nachtruhe) Rücksicht nehmen. Wiederholte, kurzfristige oder unangemessene Besichtigungen können das Persönlichkeitsrecht des Mieters verletzen und sogar einen Anspruch auf Unterlassung oder Schadensersatz begründen.
Muss der Mieter einer Besichtigung immer zustimmen?
Der Mieter ist verpflichtet, Besichtigungen unter den genannten Voraussetzungen – also bei berechtigtem Interesse – grundsätzlich zu dulden, sofern der Vermieter sie rechtzeitig und unter Berücksichtigung der Zumutbarkeit angekündigt hat. Verweigert der Mieter grundlos die Zutrittserlaubnis trotz berechtigten Interesses, kann der Vermieter unter Umständen gerichtlich auf Duldung klagen. Fehlt jedoch ein ausreichender Grund oder wird der Zutritt in einer nicht zumutbaren Art und Weise verlangt (zum Beispiel unangekündigt, zu unpassenden Uhrzeiten oder zu häufig), darf der Mieter die Besichtigung verweigern. In Abwesenheit des Mieters muss dieser grundsätzlich keinen Zutritt gewähren oder Fremdpersonen zur Wohnungsöffnung beauftragen. Der Mieter ist auch nicht verpflichtet, auf sämtliche Terminvorschläge des Vermieters einzugehen, darf den Zeitpunkt im Rahmen der Zumutbarkeit beeinflussen und Alternativtermine vorschlagen.
Gibt es gesetzliche Regelungen zur Ankündigungsfrist einer Besichtigung?
Explizite gesetzliche Regelungen zur Ankündigungsfrist einer Wohnungsbesichtigung existieren im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) nicht. Die Frist richtet sich nach dem Einzelfall sowie der Zumutbarkeit für den Mieter. Gerichtsurteile und die überwiegende Rechtsprechung gehen bei geplanten Besichtigungen von mindestens 24 bis 48 Stunden Vorlauf aus; eine längere Frist wird empfohlen, sofern es um umfangreichere oder wiederholte Termine (z.B. regelmäßige Besichtigung im Fall von Verkauf oder Vermietung) geht. Nur in Ausnahmefällen, etwa bei drohender Gefahr oder einem Notfall (Rohrbruch, Brand, akute Schäden), ist eine sofortige Besichtigung ohne oder mit sehr kurzer Ankündigung zulässig. In jedem Fall muss der Vermieter Art und Zweck der Besichtigung vorab mitteilen. Eine unangekündigte oder überfallartige Wohnungskontrolle stellt eine Verletzung des Hausrechts des Mieters dar und ist sowohl mietrechtlich als auch strafrechtlich relevant.
Darf der Vermieter die Wohnung in Abwesenheit des Mieters betreten?
Grundsätzlich darf der Vermieter die Wohnung nur im Beisein oder mit ausdrücklicher Einwilligung des Mieters betreten. Ein eigenmächtiges Betreten in Abwesenheit des Mieters ist, abgesehen von akuten Notfällen (z.B. Wasserrohrbruch, Feuer), rechtswidrig und verletzt das Hausrecht sowie die Privatsphäre des Mieters. Selbst der Besitz eines Wohnungsschlüssels berechtigt den Vermieter nicht, ohne Einwilligung Zugang zu nehmen. Dies kann zivilrechtliche Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz nach sich ziehen und unter Umständen strafrechtlich als Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) verfolgt werden. In absoluten Notfällen darf der Vermieter im Interesse der Gefahrenabwehr die Wohnung aber auch ohne die Zustimmung des Mieters betreten.
Dürfen bei einer Besichtigung Fotos gemacht oder Videoaufnahmen angefertigt werden?
Das Anfertigen von Fotos oder Videoaufnahmen während einer Besichtigung ist aus rechtlicher Sicht nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Mieters zulässig, insbesondere wenn persönliche Gegenstände, Möbel oder gar die Mieterselbst abgebildet sind. Aufnahmen, die Rückschlüsse auf die Lebensumstände zulassen oder Persönlichkeitsrechte des Mieters verletzen, sind grundsätzlich untersagt. Der Vermieter kann im Rahmen von Verkaufs- oder Vermietungsbemühungen die Anfertigung sachbezogener, neutraler Aufnahmen verlangen, sollte jedoch im Vorfeld Einwilligung einholen und die Fotos so gestalten, dass keine Rückschlüsse auf die Privatsphäre möglich sind. Eine ungefragte Veröffentlichung, vor allem im Internet, ist ohne schriftliche Zustimmung des Mieters generell unzulässig und kann zivil- sowie datenschutzrechtliche Konsequenzen haben.
Welche Rechte und Pflichten haben Mieter und Vermieter bei der Terminfindung?
Bei der Vereinbarung eines Besichtigungstermins sind sowohl die berechtigten Interessen des Vermieters (etwa Fristen bei Verkauf oder Reparaturen) als auch die Schutzinteressen des Mieters (z.B. Berufstätigkeit, gesundheitliche Einschränkungen, Kinderbetreuung) zu berücksichtigen. Beide Parteien sind nach § 242 BGB (Treu und Glauben) gehalten, in angemessener Weise zusammenzuwirken. Der Vermieter muss Rücksicht auf übliche Arbeitszeiten und Ruhezeiten nehmen; Besichtigungen am späten Abend, an Sonn- oder Feiertagen gelten als unzumutbar, sofern nicht der Mieter ausdrücklich zustimmt. Eine generelle Pflicht des Mieters, tagsüber Urlaub zu nehmen, besteht nicht. Der Vermieter darf mehrere Interessenten zu einem Termin mitbringen, allerdings muss die Zahl angemessen sein und die Privatsphäre gewahrt bleiben. Schlägt der Mieter mehrfach ohne sachlichen Grund angebotene Termine aus, kann sich der Vermieter gerichtlich auf die Duldung der Besichtigung berufen. Umgekehrt kann der Mieter bei willkürlicher Terminsetzung oder Missachtung seiner Belange einen Unterlassungsanspruch geltend machen.
Welche Konsequenzen drohen bei rechtswidriger Besichtigung?
Führt der Vermieter eine Besichtigung ohne rechtfertigenden Grund, unangekündigt, zu unzumutbaren Zeiten oder eigenmächtig in Abwesenheit des Mieters durch, riskiert er zivilrechtliche Ansprüche auf Unterlassung, gegebenenfalls auch Schadensersatz, etwa wenn persönliche Gegenstände beschädigt oder Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Wiederholte oder beharrliche Rechtsverletzungen können nach ständiger Rechtsprechung sogar eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses durch den Mieter rechtfertigen. In Extremfällen, insbesondere bei eigenmächtigem Betreten, kann auch eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erstattet werden. Umgekehrt kann ein grundlos verweigerter Zutritt durch den Mieter als Vertragsverletzung gewertet werden und zur Abmahnung oder im Extremfall zur Kündigung des Mietvertrags führen. Beide Seiten sollten daher ihre Rechte und Pflichten sorgfältig abwägen und auf eine einvernehmliche Lösung hinarbeiten.