Begriff und Abgrenzung der beruflichen Fortbildung
Die berufliche Fortbildung ist ein zentraler Baustein der individuellen und gesellschaftlichen Weiterentwicklung innerhalb des Erwerbslebens. Sie bezeichnet jene Maßnahmen, die über das Ziel der Erhaltung, Aktualisierung, Erweiterung oder Anpassung von beruflichem Wissen und beruflichen Fähigkeiten hinausgehen. Im deutschen Recht wird die berufliche Fortbildung insbesondere im Kontext der beruflichen Bildung und im Arbeitsrecht thematisiert und von anderen Formen wie der beruflichen Weiterbildung und Umschulung abgegrenzt.
Gesetzliche Grundlagen
Berufsbildungsgesetz (BBiG)
Zentrale rechtliche Vorschriften zur beruflichen Fortbildung finden sich im Berufsbildungsgesetz (BBiG). § 1 Abs. 1 BBiG definiert die berufliche Fortbildung als Teil der beruflichen Bildung. § 1 Abs. 4 BBiG unterscheidet zwischen der Berufsausbildung, der beruflichen Fortbildung und der beruflichen Umschulung. Während die Berufsausbildung auf die erstmalige Qualifikation für eine berufliche Tätigkeit abzielt, dient die Fortbildung der Qualifikationsanpassung, -erweiterung oder -vertiefung im bereits erlernten Beruf.
Handwerksordnung (HwO)
Für bestimmte Berufsgruppen, insbesondere im Handwerk, gilt ergänzend die Handwerksordnung (HwO). Insbesondere § 42 ff. HwO regeln dort spezifisch die Anforderungen und Abläufe von Fortbildungsprüfungen.
Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)
Das SGB III behandelt die Förderung der Fortbildung im Rahmen der aktiven Arbeitsförderung (§ 81 ff. SGB III). Es regelt insbesondere die Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit und Einzelheiten zur Finanzierung, Zulassung und Förderung von Fortbildungsmaßnahmen.
Arten der beruflichen Fortbildung
Erhaltungsfortbildung
Die Erhaltungsfortbildung dient der Bewahrung der beruflichen Handlungskompetenz. Sie umfasst Maßnahmen, die notwendig sind, um Kenntnisse und Fertigkeiten bei sich wandelnden Anforderungen auf einem aktuellen Stand zu halten.
Anpassungsfortbildung
Die Anpassungsfortbildung bezieht sich auf die Anpassung der beruflichen Fertigkeiten an geänderte berufliche Entwicklungen, etwa durch technische Neuerungen oder veränderte betriebliche Abläufe. Gesetzlich wird sie nicht explizit abgetrennt, in der Praxis jedoch als eigenständige Form betrachtet.
Aufstiegsfortbildung
Diese Fortbildungen eröffnen die Möglichkeit, eine höhere Qualifikation im Beruf zu erreichen, beispielsweise durch den Erwerb von Abschlüssen wie Meister, Fachwirt, Betriebswirt oder vergleichbaren Qualifikationen. Die rechtlichen Bestimmungen hierzu berücksichtigen insbesondere die Prüfungsordnungen und die förderrechtlichen Regelungen des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (AFBG, „Meister-BAföG“).
Erweiterungsfortbildung
Hierunter versteht man Maßnahmen zur Erweiterung bereits bestehender Kenntnisse und Qualifikationen durch zusätzliche Fertigkeiten oder Spezialwissen, ohne die bisherige Berufsgrundlage zu verlassen.
Rechtliche Rahmenbedingungen der beruflichen Fortbildung
Zulassung und Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen
Anbieter von beruflichen Fortbildungsmaßnahmen benötigen in der Regel eine Zulassung nach § 178 SGB III, insbesondere wenn diese Maßnahmen öffentlich gefördert werden. Maßgeblich für die Anerkennung von Fortbildungsprüfungen sind die Regelungen in § 53 ff. BBiG sowie § 42 ff. HwO.
Prüfungsordnung und Abschlüsse
Die Durchführung und das Bestehen einer Fortbildungsprüfung werden nach den einschlägigen Prüfungsordnungen der Industrie- und Handelskammern (IHK) und Handwerkskammern (HWK) zertifiziert. Die Prüfungsanforderungen sowie die Anerkennung der erworbenen Fortbildungsabschlüsse sind bundesweit einheitlich geregelt. Relevante Vorschriften sind dabei insbesondere § 54 BBiG und die jeweiligen Verordnungen über die Prüfung von Ausbilderinnen und Ausbildern.
Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer bei der Fortbildung
Arbeitnehmende sind grundsätzlich nicht verpflichtet, an Fortbildungsmaßnahmen teilzunehmen, sofern eine Pflicht hierzu nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder im Tarifvertrag geregelt ist. Im Gegenzug ist die Förderung einer freiwilligen Fortbildung auf Seiten des Arbeitsgebers keine Pflicht, kann aber aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltigen Personalentwicklung ratsam sein.
Arbeitsrechtliche Aspekte
Fortbildungszeit kann unter bestimmten Voraussetzungen als Arbeitszeit gelten, insbesondere wenn der Arbeitgeber die Teilnahme anordnet. Die Kostenübernahme, Freistellung oder Sonderurlaub muss auf vertraglicher oder betrieblicher Grundlage vereinbart werden. Das Nachweisgesetz (NachwG) sieht vor, dass Vereinbarungen zu Fortbildungen im Arbeitsvertrag beziehungsweise in späteren Vertragsänderungen schriftlich fixiert werden müssen.
Förderung und Finanzierung
Maßnahmen der beruflichen Fortbildung können nach SGB III oder AFBG gefördert werden. Die Förderung wird durch die Bundesagentur für Arbeit oder andere öffentliche Einrichtungen bereitgestellt und umfasst beispielsweise Bildungsgutscheine, Maßnahmen zur Arbeitsförderung oder das „Meister-BAföG“. Fördermaßnahmen sind stets mit individuellen Voraussetzungen wie Nachrangsregelungen und Antragsverfahren verbunden.
Steuerliche Rahmenbedingungen
Aufwendungen für Fortbildung können in Deutschland steuerlich geltend gemacht werden. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Kosten für Fortbildungsmaßnahmen als Werbungskosten bei Arbeitnehmern absetzbar, sofern sie mit der ausgeübten Tätigkeit im Zusammenhang stehen. Auch Selbstständige können Fortbildungskosten als Betriebsausgaben geltend machen.
Besonderheiten der Fortbildungsvereinbarung
In der Praxis werden häufig sogenannte Fortbildungsvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abgeschlossen. Ziel ist die Klärung der gegenseitigen Rechten und Pflichten im Hinblick auf Inhalte, Dauer, Freistellung und Kostenübernahme der Fortbildungsmaßnahme. Eine wesentliche Komponente kann die Vereinbarung von Rückzahlungsklauseln sein, wenn Beschäftigte nach erfolgreicher Fortbildung ausscheiden. Solche Rückzahlungspflichten sind an besondere rechtliche Rahmenbedingungen geknüpft und nur innerhalb eng definierter Grenzen wirksam.
Zulässigkeit von Rückzahlungsklauseln
Rückzahlungsklauseln in Fortbildungsvereinbarungen sind nur dann wirksam, wenn sie eindeutig, verständlich und verhältnismäßig sind. Voraussetzung ist in der Regel, dass die Fortbildung von erheblicher Dauer ist und der Arbeitnehmer die Fortbildung auf Veranlassung des Arbeitgebers erhalten hat. Die Bindungsdauer und die Höhe der Rückzahlungsverpflichtung müssen angemessen sein; eine Überbindung des Arbeitnehmers ist unwirksam. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z. B. BAG, Urteil vom 21.08.2012 – 3 AZR 698/10) stellt hohe Anforderungen an die Transparenz und Fairness solcher Klauseln.
Grenzen und Pflichten in der beruflichen Fortbildung
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats
Nach § 96 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) besitzt der Betriebsrat das Recht, bei der betrieblichen Fortbildung mitzuwirken. Der Arbeitgeber muss Fortbildungsbedarfe mit dem Betriebsrat beraten und dessen Vorschläge berücksichtigen. Mitbestimmungsrechte bestehen insbesondere bei Fragen zu Auswahl, Inhalt und Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen.
Datenschutzrechtliche Anforderungen
Die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der Durchführung beruflicher Fortbildungen unterliegt den Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Besonders sensibel sind Angaben zu Teilnahme, Leistungsnachweisen und Arbeitsverhalten.
Zusammenfassung und Ausblick
Die berufliche Fortbildung ist rechtlich in Deutschland umfassend geregelt. Ihre Ausgestaltung richtet sich nach dem Zusammenspiel vielfältiger Vorschriften aus Berufsbildungsgesetz, Handwerksordnung, Sozialgesetzbuch, Steuerrecht sowie arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen. Rechtssicher gestaltete Vereinbarungen und transparente Abläufe sind für eine gelingende berufliche Fortbildung unerlässlich. Die Entwicklung des Arbeitsmarktes und der wissenschaftlich-technische Fortschritt führen fortlaufend zu neuen Herausforderungen an das Fortbildungsrecht und dessen praktische Ausgestaltung. Die Kenntnis des rechtlichen Rahmens bildet daher eine wichtige Grundlage für die nachhaltige Wahrung der Interessen aller Beteiligten.
Häufig gestellte Fragen
Gibt es einen rechtlichen Anspruch auf berufliche Fortbildung während des bestehenden Arbeitsverhältnisses?
Im deutschen Arbeitsrecht besteht grundsätzlich kein allgemeiner gesetzlicher Anspruch auf berufliche Fortbildung während eines laufenden Arbeitsverhältnisses. Eine Ausnahme kann sich jedoch aus dem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder aus dem individuellen Arbeitsvertrag ergeben. Das sogenannte Bildungsurlaubsgesetz der jeweiligen Bundesländer sieht in der Regel einen Anspruch auf Bildungsurlaub vor, der aber meist auf politische oder allgemeine Weiterbildung ausgerichtet ist und nicht spezifisch auf berufliche Fortbildung. Darüber hinaus kann der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer eine arbeitgeberseitige Anordnung zur Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen im Rahmen seines Weisungsrechts erteilen, wenn dies dem Zweck des Arbeitsverhältnisses dient oder der Fortbestand des Betriebs es erfordert. In bestimmten Branchen, wie beispielsweise im Gesundheitswesen, gibt es zudem spezialgesetzliche Fortbildungsverpflichtungen (z. B. Heilberufsgesetze). Arbeits- bzw. fortbildungsschutzrechtliche Vorschriften wie das Betriebsverfassungsgesetz (§ 96 ff. BetrVG) sehen ebenfalls Beteiligungsrechte des Betriebsrats vor, insbesondere im Hinblick auf Planung und Durchführung betrieblicher Bildungsmaßnahmen. Die konkrete Anspruchslage hängt somit maßgeblich von der individuellen Vertragsgrundlage, etwaigen kollektivrechtlichen Vereinbarungen sowie gesetzlichen Sonderregelungen ab.
Ist die Teilnahme an Fortbildungen während der Arbeitszeit vergütungspflichtig?
Rechtlich gesehen kommt es darauf an, ob die berufliche Fortbildung vom Arbeitgeber veranlasst wurde oder im betrieblichen Interesse liegt. Wird eine Fortbildung angeordnet oder genehmigt und erfolgt sie während der regulären Arbeitszeit, handelt es sich in aller Regel um Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) und ist somit vergütungspflichtig (§ 611a BGB). Findet die Maßnahme außerhalb der normalen Arbeitszeit statt, ist zu prüfen, ob diese Fortbildung Teil der arbeitsvertraglichen Verpflichtung ist oder die Teilnahme im überwiegenden Interesse des Arbeitgebers stattfindet. Liegt letzteres vor, wird häufig eine Vergütung durch Freizeit oder Überstundenzuschläge gewährt. Werden Fortbildungen hingegen vom Arbeitnehmer eigenständig angestrebt und liegen primär in dessen Interesse, besteht regelmäßig kein Anspruch auf Vergütung für die aufgewendete Zeit, es sei denn, eine anderweitige Regelung sieht dies vor.
Welche Mitbestimmungsrechte hat der Betriebsrat bei der Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen?
Gemäß § 98 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) besitzt der Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bei Inhalt, Durchführung, Auswahl der Teilnehmer und Art der Fortbildungsmaßnahmen. Dies gilt, sofern die Fortbildung dem Zweck dient, die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten der Arbeitnehmer zu erhalten oder zu erweitern. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend unterrichten und dessen Zustimmung einholen. Kommt keine Einigung zustande, kann die Einigungsstelle angerufen werden. Darüber hinaus kann der Betriebsrat gemäß § 97 BetrVG auch Initiativrechte haben, wenn sich die Anforderungen an die Arbeitnehmer ändern und dadurch Fortbildungsbedarf entsteht.
Welche rechtlichen Regelungen gibt es hinsichtlich der Kostenübernahme für die Fortbildung?
Ein grundsätzlicher gesetzlicher Anspruch auf Kostenübernahme durch den Arbeitgeber besteht nicht. Die Kostenübernahme erfolgt meist durch ausdrückliche vertragliche Regelung, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung. Wird jedoch die Fortbildung vom Arbeitgeber angeordnet oder ist sie notwendig, damit der Arbeitnehmer die arbeitsvertraglich geschuldeten Leistungen weiterhin erbringen kann (z. B. bei geänderten betrieblichen Anforderungen), ist der Arbeitgeber regelmäßig verpflichtet, sämtliche hierfür anfallenden Kosten, darunter Teilnahmegebühren, Reisekosten und gegebenenfalls Verdienstausfall, zu tragen. Zudem kann im Rahmen des Ausbildungskostenrückzahlungsrechts eine Vereinbarung getroffen werden, nach der der Arbeitnehmer Kosten anteilig zurückzahlen muss, wenn er nach der Weiterbildung vorzeitig ausscheidet. Derartige Rückzahlungsvereinbarungen unterliegen jedoch strengen arbeitsgerichtlichen Vorgaben an Transparenz, Angemessenheit und Bindungsdauer.
Ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei geänderten betrieblichen Anforderungen eine Fortbildung anzubieten?
Nach § 97 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber, sofern sich die Anforderungen an die Arbeitnehmer infolge technischer Entwicklungen oder organisatorischer Veränderungen im Betrieb wesentlich ändern, die Verpflichtung, Maßnahmen zur Qualifizierung und Fortbildung der betroffenen Arbeitnehmer durchzuführen. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen ohne solche Maßnahmen eine Weiterbeschäftigung nicht möglich wäre. Allerdings muss die Initiative hierfür vom Betriebsrat ausgehen. Kommt es zu keiner Einigung, kann die Einigungsstelle angerufen werden. Davon unabhängig kann sich auch aus dem arbeitsrechtlichen Fürsorgeprinzip eine Pflicht des Arbeitgebers ergeben, die Qualifikation seiner Mitarbeiter zu erhalten, insbesondere wenn dies zur Erfüllung der Arbeitspflichten notwendig ist.
Unterliegen Fortbildungsmaßnahmen der Unfallversicherung?
Berufliche Fortbildungsmaßnahmen, die vom Arbeitgeber angeordnet bzw. im überwiegenden betrieblichen Interesse durchgeführt werden, gelten als betriebliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Sozialgesetzbuch VII (SGB VII). Arbeitnehmer stehen während der Teilnahme an solchen Fortbildungen, einschließlich der An- und Abreise, grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Entscheidend ist, dass die Fortbildung eindeutig im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis steht. Bei eigeninitiativ durchgeführten, rein privaten Fortbildungen besteht dagegen regelmäßig kein Versicherungsschutz.
Können nachteilige arbeitsrechtliche Konsequenzen entstehen, wenn der Arbeitnehmer eine vom Arbeitgeber angebotene Fortbildung ablehnt?
Nimmt ein Arbeitnehmer ohne berechtigten Grund an einer vom Arbeitgeber angeordneten, notwendigen Fortbildung nicht teil, kann dies eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellen und zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen – angefangen von einer Abmahnung bis hin zur verhaltensbedingten Kündigung bei wiederholter Verweigerung. Voraussetzung ist, dass die Weisung zur Teilnahme an der Fortbildung rechtmäßig war, insbesondere verhältnismäßig und im Rahmen des Weisungsrechts erteilt wurde. Liegen jedoch berechtigte Gründe für die Ablehnung vor (z. B. gesundheitliche Gründe oder unzumutbare zeitliche Lage der Maßnahme), sind Sanktionen regelmäßig ausgeschlossen. Eine individuelle Prüfung des Sachverhalts ist daher stets empfehlenswert.