Begriff und Bedeutung der Beiwohnung
Die Beiwohnung ist ein historischer und rechtlicher Fachbegriff, der vor allem im deutschen Straf- und Zivilrecht von Bedeutung ist. Unter Beiwohnung wird nach traditionellem Verständnis der Geschlechtsverkehr zwischen zwei Personen verstanden. Im juristischen Kontext ist die Definition der Beiwohnung von besonderer Relevanz, da zahlreiche Strafnormen, insbesondere jene zum Schutz der sexuellen Selbstbestimmung, auf das Vorliegen von Beiwohnung abstellen. Die präzise Auslegung dieses Begriffs ist somit maßgeblich für die rechtliche Bewertung bestimmter Handlungen.
Rechtsgeschichtliche Entwicklung
Historische Wurzeln
Bereits im Mittelalter und der frühen Neuzeit war die Beiwohnung als Rechtsbegriff etabliert. Sie spielte eine zentrale Rolle im Ehe- und Strafrecht, insbesondere bei Delikten wie Ehebruch, Unzucht und Sittlichkeitsvergehen. Die Definition beruhte zumeist auf dem Vorliegen des sogenannten Beischlafs, das heißt dem vollzogenen vaginale Geschlechtsverkehr mit Penetration.
Wandel im Gesetzesverständnis
Im Laufe der Zeit wurde die juristische Bedeutung der Beiwohnung modifiziert und im modernen Recht durch differenzierte Begriffsbildungen, etwa „sexuelle Handlung“ oder „Beischlaf“, abgelöst oder ergänzt. Dennoch wird die Beiwohnung nach wie vor in historischen Gesetzeswerken und Gerichtsentscheidungen als Referenz herangezogen.
Beiwohnung im Strafrecht
Strafrechtliche Normierung
Im deutschen Strafrecht kam der Begriff Beiwohnung vor allem bei folgenden Strafvorschriften zur Anwendung:
- Sexualdelikte: Beispielsweise in den Vorschriften der §§ 174 ff. StGB (Sexueller Missbrauch, Vergewaltigung, schwere sexuelle Nötigung bis zu Gesetzesreformen der letzten Jahrzehnte). Hier wurde bei Vorliegen des Tatbestandsmerkmals „Beiwohnung“ von besonders schweren Varianten ausgegangen.
- Sittlichkeitsdelikte: Historische Straftatbestände wie Inzest, Sodomie oder homosexuelle Handlungen waren teils explizit an die Beiwohnung als Voraussetzung gekoppelt.
Definition nach Rechtsprechung
Nach einhelliger Auffassung vieler Gerichte und Lehrmeinungen ist Beiwohnung grundsätzlich mit vaginalem Geschlechtsverkehr gleichzusetzen, wobei die Penetration, also das Eindringen des männlichen Glieds in die weibliche Scheide, genügt; ein Samenerguss ist nicht erforderlich. Andere sexuelle Handlungen, wie die anale oder orale Penetration, wurden je nach Gesetzeslage und -periode unterschiedlich bewertet und nicht immer als Beiwohnung eingeordnet.
Abgrenzung zu anderen sexuellen Handlungen
Im heutigen Strafrecht wird die Beiwohnung zunehmend enger gefasst und von anderen „sexuellen Handlungen von erheblicher Bedeutung“ (§ 184h Abs. 1 StGB) abgegrenzt, die etwa auch anale oder orale Kontakte, Masturbation oder sonstige sexuelle Übergriffe umfassen können.
Bedeutung für den Strafrahmen
Das Vorliegen einer Beiwohnung erhöhte bei verschiedenen Straftatbeständen das Strafmaß erheblich, da sie als besonders gravierender Eingriff in das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung und körperlichen Unversehrtheit gilt. Im Rahmen der Vergewaltigungsdelikte war die Beiwohnung lange das Kennzeichen für die besonders schwere Tatvariante.
Beiwohnung im Zivilrecht
Ehe- und Familienrecht
Im historischen Ehe- und Familienrecht wurde die Beiwohnung als konstitutives Element der Ehe betrachtet. Damit galt die Ehe erst als vollzogen, wenn die erste Beiwohnung stattgefunden hatte. Dies war etwa für die Wirksamkeit und Unauflöslichkeit der Ehe im kanonischen Recht maßgeblich.
Abstammungsrecht
Im Abstammungsrecht war die Beiwohnung mitentscheidend für die rechtliche Beurteilung der Vaterschaft. Die Ehelichkeitsvermutung knüpfte (neben anderen Voraussetzungen) an den Zeitraum möglicher Beiwohnung zwischen den Ehegatten an. Auch in Vaterschaftsprozessen wurde auf das Vorliegen oder Fehlen einer Beiwohnung abgestellt.
Beiwohnung im internationalen Rechtsvergleich
Österreich
Das österreichische Strafrecht kennt die Beiwohnung als Begriff insbesondere in älteren Gesetzestexten. Sie war maßgeblich zur Begründung bestimmter Sexualdelikte herangezogen worden, wurde in der Folge jedoch durch weiter gefasste Begriffe ersetzt.
Schweiz
Im schweizerischen Strafrecht wird die Beiwohnung vor allem in historischen Zusammenhängen erwähnt. Die Neufassungen setzen inzwischen ebenfalls auf weiter gefasste Definitionen sexueller Handlungen.
Weitere Rechtsordnungen
In anderen deutschsprachigen Ländern wurde der Begriff Beiwohnung durch sexuelle Handlung, Beischlaf oder andere Begriffe ersetzt beziehungsweise konkretisiert.
Aktuelle Bedeutung und Anwendung
Gesetzliche Entwicklung
Mit den Reformen des Sexualstrafrechts wurde die starre Differenzierung anhand der Beiwohnung zunehmend aufgegeben. Heutige Strafnormen schützen weiter gefasste Rechtsgüter und erfassen verschiedenste sexuelle Übergriffe und Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung unabhängig von der Beiwohnung.
Gerichtliche Auslegung
Gerichte greifen im Einzelfall noch auf die Definition der Beiwohnung zurück, wenn ältere Straftatbestände zur Anwendung kommen oder im Rahmen der Auslegung von Übergangs- und Altfällen. Für die aktuelle strafrechtliche Bewertung steht jedoch die umfassende Betrachtung der sexuellen Handlung im Vordergrund.
Literatur und Rechtsquellen
- Strafgesetzbuch (StGB) in der jeweils gültigen Fassung
- Gesetzgebungsgeschichte zum Sexualstrafrecht
- Kommentarliteratur zu Sexualdelikten
- Historische Urteile und Gesetzesmaterialien zum Eherecht
Zusammenfassung
Die Beiwohnung stellt einen traditionellen, insbesondere im deutschen Recht bedeutsamen Begriff dar, der historisch und systematisch die Grundlage für die Bewertung bestimmter Sexual- und Ehedelikte sowie zivilrechtlicher Ehewirkungen bot. Aufgrund gesellschaftlicher wie rechtlicher Entwicklungen hat sich die Bedeutung dieses Begriffs im geltenden Recht gewandelt, doch bleibt seine Kenntnis insbesondere für die Auslegung älterer Normen sowie die Rechtsgeschichte unerlässlich.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist im rechtlichen Sinne durch das Verbot der Beiwohnung besonders geschützt?
Der rechtliche Schutz durch das Verbot der Beiwohnung bezieht sich insbesondere auf minderjährige, schutzbedürftige sowie insbesondere wehrlose Personen, abhängig von der jeweiligen nationalen Gesetzgebung. Im deutschen Strafrecht ist dieser Schutz in §§ 174 ff. StGB geregelt, wobei insbesondere Kinder und Jugendliche unter 14 Jahren sowie in bestimmten Fällen Personen unter 18 Jahren als besonders schutzfähig angesehen werden. Darüber hinaus sind geistig oder körperlich behinderte Personen in den Schutzbereich miteinbezogen, wenn sie aufgrund ihres Zustands nicht in der Lage sind, einem sexuellen Übergriff zu widersprechen oder diesen zu verstehen. Der Fokus liegt stets auf dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung, wobei Strafverschärfungen greifen, wenn Ausnutzungsverhältnisse – etwa durch Autoritätspersonen (z.B. Lehrer, Psychologen, Ärzte) – bestehen, oder das Opfer der Fürsorge, Obhut oder Erziehung des Täters unterliegt.
Welche rechtlichen Folgen sieht das Strafgesetzbuch bei einer verbotenen Beiwohnung vor?
Das Strafgesetzbuch ordnet für die verbotene Beiwohnung teils erhebliche Strafen an, die vor allem am Schutzzweck der Norm orientiert sind. In Deutschland reicht das Strafmaß je nach Tatbestand von Freiheitsstrafen nicht unter einem Jahr bis zu mehreren Jahren, teils auch mit anschließender Sicherungsverwahrung. Insbesondere bei sexuellen Übergriffen an Kindern oder Jugendlichen können schwerwiegende Folgen für den Täter Konsequenz sein, darunter langjährige Freiheitsstrafen, Berufsverbote im pädagogischen Bereich oder sogar Eintragungen ins Sexualstraftäterregister. Darüber hinaus bestehen zivilrechtliche Folgen, etwa Unterlassungsansprüche oder Schadensersatzforderungen des Opfers sowie familienrechtliche Konsequenzen, z.B. Entzug des Sorgerechts.
Gibt es verjährungsfristen für die strafrechtliche Verfolgung einer Beiwohnung?
Ja, für die meisten Sexualstraftaten, so auch für die verbotene Beiwohnung, gelten Verjährungsfristen, die sich jedoch abhängig vom Tatzeitpunkt, Alter des Opfers und Schwere der Tat erheblich unterscheiden können. Seit mehreren Gesetzesänderungen wurden diese Fristen verlängert: Beispielsweise beginnt die Verjährungsfrist bei vielen Sexualstraftaten gegen Kinder erst mit Erreichen des 30. Lebensjahres des Opfers zu laufen. Die eigentliche Verjährungsdauer hängt dann vom zu erwartenden Strafmaß ab, in der Regel zwischen 10 und 30 Jahren; für besonders schwere Taten, wie schweren sexuellen Missbrauch von Kindern, kann die Tat sogar unverjährbar sein.
Inwieweit ist ein Tatvorsatz bei der strafbaren Beiwohnung erforderlich?
Grundsätzlich ist im Strafrecht für die Verwirklichung des Tatbestands der Beiwohnung in der Regel wenigstens bedingter Vorsatz notwendig, das heißt, der Täter muss die Tat zumindest für möglich halten und billigend in Kauf nehmen. In bestimmten Sonderkonstellationen ist bereits grobe Fahrlässigkeit für eine strafbare Handlung ausreichend, etwa wenn ein Täter das tatsächliche Alter des Opfers grob fahrlässig verkennt, weil er sich nicht ausreichend über das Alter informiert. In Fällen, in denen der Täter nachweisen kann, dass er das Alter oder den schutzwürdigen Zustand des Opfers nicht und auch nicht fahrlässig hätte erkennen können, ist eine Strafbarkeit meistens ausgeschlossen.
Welche Auswirkungen kann eine strafbare Beiwohnung auf das Familienrecht haben?
Eine strafbare Beiwohnung zieht insbesondere im Kontext von familiären Beziehungen weitreichende familienrechtliche Folgen nach sich. So kann etwa einem Elternteil oder vormundschaftlich eingesetzten Person das Sorgerecht ganz oder teilweise entzogen werden, wenn sie sich im Rahmen ihrer Beziehung zum Kind strafbar gemacht hat. Auch Umgangs- und Aufenthaltsrecht können erheblich eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Zudem ist in Sorgerechtsverfahren strafrechtliche Verurteilung wegen Beiwohnung ein wichtiger und regelmäßig ausschlaggebender Faktor für familiengerichtliche Entscheidungen – stets mit dem Ziel des bestmöglichen Kinderschutzes.
Existiert eine Strafandrohung auch für den Versuch der Beiwohnung?
Ja, das Strafgesetzbuch sieht in vielen Fällen eine Strafbarkeit auch bereits für den Versuch der Beiwohnung vor. Besonders bei Sexualdelikten ist der Versuch bereits als strafbar deklariert, sobald der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Ausführung ansetzt, unabhängig davon, ob die Tat vollendet wurde. Die Strafe für den Versuch kann geringer als für die vollendete Tat ausfallen, wird aber regelmäßig immer noch als schwerwiegend bewertet, um präventiv und abschreckend zu wirken.
Unterscheidet das Gesetz zwischen verschiedenen Formen der Beiwohnung im Hinblick auf die Strafhöhe?
Das Gesetz differenziert tatsächlich nach Alter, Abhängigkeitsverhältnis, Gewaltanwendung und dem konkreten Umfang des sexuellen Übergriffs. Bei besonders schweren Fällen – wie Vergewaltigung, Anwendung von Gewalt, Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses oder wenn mehrere Täter beteiligt sind – erhöhen sich regelmäßig die Mindest- und Höchststrafen beträchtlich. Liegt „nur“ ein sexueller Übergriff ohne penetrierende Handlungen oder ohne Gewaltanwendung vor, ist das Strafmaß regelmäßig geringer, aber dennoch beträchtlich. Auch mit Rücksicht auf eine etwaige Wiederholungstat oder besonders vulnerable Opfer können strafschärfende Faktoren hinzugezogen werden.
Sind einvernehmliche sexuelle Handlungen mit minderjährigen Personen nach den Vorschriften zur Beiwohnung immer strafbar?
Nicht jeder einvernehmliche sexuelle Kontakt mit einer minderjährigen Person ist zwangsläufig strafbar; das Strafrecht sieht sowohl Altersgrenzen als auch Schutzalters-Sonderregelungen vor. In Deutschland beträgt das Schutzalter 14 Jahre, wobei sexuelle Handlungen an oder mit Kindern unter diesem Alter stets strafbar sind – unabhängig vom Einverständnis. Für Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren gilt: Sind keine Zwangs-, Gewalt- oder Ausnutzungsverhältnisse vorhanden und besteht zwischen den Beteiligten nur ein geringer Altersunterschied, kann eine strafrechtliche Relevanz entfallen. Sobald jedoch ein Abhängigkeitsverhältnis oder ein Altersunterschied von mehr als fünf Jahren besteht, greifen die Strafvorschriften der Beiwohnung wieder stärker.