Behandlungsvertrag
Definition und rechtliche Einordnung
Der Behandlungsvertrag ist ein zivilrechtlicher Vertragstyp im deutschen Recht, der zwischen einem Leistungserbringer im Gesundheitswesen (meist Ärzten, Psychotherapeuten oder anderen Behandlern) und einem Patient abgeschlossen wird. Die Rechtsgrundlage findet sich insbesondere in den §§ 630a bis 630h des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), die mit dem Patientenrechtegesetz 2013 eingeführt wurden.
Ein Behandlungsvertrag verpflichtet den Behandelnden zur medizinisch indizierten Behandlung des Patienten und begründet aufseiten des Patienten insbesondere die Pflicht zur Vergütung. Der Vertrag bildet das Fundament für das vertrauensvolle Verhältnis zwischen den Beteiligten im Gesundheitswesen und regelt sowohl die Rechte als auch die Pflichten beider Parteien.
Vertragsparteien
Behandelnder
Zu den Vertragspartnern aufseiten des Behandelnden zählen insbesondere:
- Ärztinnen und Ärzte
- Zahnärztinnen und Zahnärzte
- Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten
- Angehörige anderer Heilberufe, soweit sie zur Behandlung befugt sind
Auch juristische Personen (z. B. Krankenhäuser, Praxiskliniken) können Vertragspartner im Sinne des Behandlungsvertrages sein.
Patient
Vertragspartner auf Patientenseite ist die behandelte Person. Bei beschränkt oder nicht geschäftsfähigen Personen treten dessen gesetzliche Vertreter an deren Stelle.
Zustandekommen des Behandlungsvertrags
Der Behandlungsvertrag kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande, typischerweise durch die Anfrage des Patienten nach Behandlung und deren Annahme durch den Behandelnden. Die Schriftform ist nicht erforderlich; ein mündlicher Vertrag oder schlüssiges Handeln (konkludentes Verhalten) reichen aus.
Abgrenzung zu anderen Vertragsarten
Der Behandlungsvertrag ist von anderen Vertragstypen, wie beispielsweise dem Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB) oder dem Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB), sowie von der reinen Gefälligkeitsbehandlung, abzugrenzen. Während der Dienstvertrag die Erbringung einer Dienstleistung und nicht den Erfolg schuldet, verpflichtet der Behandlungsvertrag zur Anwendung der notwendigen medizinischen Sorgfalt, ohne einen bestimmten Heilerfolg zu garantieren.
Inhalt und Pflichten des Behandlungsvertrags
Pflichten des Behandelnden
Nach § 630a Abs. 2 BGB schuldet der Behandelnde die Behandlung nach den allgemeinen anerkannten fachlichen Standards. Die maßgeblichen Pflichten umfassen insbesondere:
- Sorgfaltspflicht: Erbringung der Behandlung unter Beachtung der allgemein anerkannten und aktuellen fachlichen Standards (lege artis).
- Aufklärungspflicht: Umfassende Information und Aufklärung des Patienten über Art, Umfang, Durchführung, Risiken und Alternativen der geplanten Behandlung (§ 630e BGB).
- Dokumentationspflicht: Lückenlose Dokumentation sämtlicher maßgeblicher Umstände der Behandlung, des Behandlungsverlaufs und der Aufklärung (§ 630f BGB).
- Schweigepflicht: Vertrauliche Behandlung aller Informationen, die im Rahmen des Behandlungsverhältnisses erlangt wurden (§ 203 StGB).
- Nachsorgepflicht: Soweit erforderlich, ist der Behandelnde zur Nachsorge verpflichtet, um behandlungsbedingte Folgeschäden zu vermeiden.
Pflichten des Patienten
Die Hauptpflicht des Patienten ist die Zahlung der geschuldeten Vergütung. Ferner ist der Patient verpflichtet,
- an der Behandlung mitzuwirken, beispielsweise durch die rechtzeitige Mitteilung von Symptomen und relevanten Vorbefunden,
- Vereinbarungen zu Terminen einzuhalten,
- dem Behandelnden wahrheitsgemäß über seinen Gesundheitszustand zu informieren.
Vergütung und Kostentragung
Der Patientenrechtegesetz regelt ausdrücklich die Vergütung der Behandlung (§ 630b BGB i. V. m. § 611 BGB). Sofern keine anderweitige Vereinbarung vorliegt, bemisst sich die Vergütung nach der jeweils geltenden Gebührenordnung, zum Beispiel der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) oder Zahnärzte (GOZ).
Gesetzliche und private Krankenkassen
Im Rahmen gesetzlicher Versicherungsverhältnisse wird der Vergütungsanspruch direkt gegenüber der Kasse abgerechnet („Sachleistungsprinzip“). Bei privat Versicherten ist der Patient zunächst zahlungspflichtig und erhält im Anschluss die Erstattung von der Krankenversicherung.
Aufklärung und Einwilligung
Zentraler Bestandteil des Behandlungsvertrages sind die Aufklärungs- und Einwilligungserfordernisse. Ohne ausreichende Aufklärung und die auf informierter Grundlage erteilte Einwilligung kann eine Behandlung rechtswidrig sein (Rechtswidrigkeitstatbestand gemäß § 223, § 229 StGB), auch wenn sie medizinisch indiziert war.
Informations- und Dokumentationspflichten
Der Behandelnde hat den Patienten rechtzeitig und verständlich über alle für die Behandlung wesentlichen Umstände aufzuklären. Die Dokumentation der Aufklärung ist ebenfalls verpflichtend; sie dient im Streitfall als Nachweis gegenüber dem Patienten.
Haftung aus dem Behandlungsvertrag
Kommt es im Rahmen der Behandlung zu einem Fehler (Behandlungsfehler), haftet der Behandelnde für sämtliche daraus resultierenden Schäden. Die wesentlichen Grundlagen der Haftung ergeben sich demnach aus:
- § 630a Abs. 2 BGB (Anwendung allgemeiner anerkannter Standards)
- §§ 280 ff. BGB (Schadensersatz wegen Pflichtverletzung)
- § 823 BGB (Deliktshaftung bei Verletzung von Körper, Gesundheit oder Freiheit)
Die Beweislast für einen Behandlungsfehler liegt grundsätzlich beim Patienten, wobei verschiedene Beweiserleichterungen zugunsten des Patienten vorliegen können (z. B. grober Behandlungsfehler, vollständige Beweislastumkehr bei fehlender Aufklärung).
Beendigung des Behandlungsvertrags
Der Behandlungsvertrag kann durch Kündigung, Erfüllung (Abschluss der Behandlung), Tod des Patienten oder Behandelnden oder aus wichtigem Grund beendet werden.
Kündigungsmöglichkeiten
- Durch Patienten: Der Patient kann jederzeit und ohne Angabe von Gründen kündigen (§ 627 BGB). Honorarforderungen für bereits erbrachte Leistungen bleiben bestehen.
- Durch Behandelnden: Eine Kündigung ist nur unter Einhaltung der Sorgfaltspflicht und, sofern keine akute, unvollendete Behandlung vorliegt, bei Vorliegen gewichtiger Gründe möglich (§ 627 BGB).
Besondere Varianten des Behandlungsvertrages
Bestimmte Behandlungsverhältnisse unterliegen speziellen gesetzlichen und vertraglichen Rahmenbedingungen, zum Beispiel:
- Vertragsärztliche Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung
- Belegarztverträge
- Wahlleistungsvereinbarungen
In allen Fällen gelten jedoch die allgemeinen Grundsätze des Behandlungsvertrages ergänzend.
Literatur und weiterführende Rechtsgrundlagen
- Bürgerliches Gesetzbuch (§§ 630a-630h BGB)
- Patientenrechtegesetz
- Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)
- Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ)
- Gesetz über die Berufsausübung der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker und anderer Angehöriger von Heilberufen
Dieser Eintrag vermittelt einen rechtlich fundierten Überblick über den Behandlungsvertrag im deutschen Recht und dient als grundlegende Informationsquelle für die Rechte und Pflichten der Vertragspartner, Besonderheiten, Vergütungsregelungen sowie die Bedeutung des Aufklärungs- und Haftungsrechts im Rahmen der medizinischen Behandlung.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist Vertragspartner in einem Behandlungsvertrag?
Im rechtlichen Kontext ist der Behandlungsvertrag ein zivilrechtlicher Vertrag, dessen Parteien der Behandler (in der Regel ein approbierter Arzt, Zahnarzt, Psychotherapeut oder eine andere zur Ausübung der Heilkunde berechtigte Person) und der Patient sind. Bei minderjährigen oder geschäftsunfähigen Patienten tritt an deren Stelle der gesetzliche Vertreter, in der Regel die Eltern. Ärztliche Gemeinschaftspraxen oder medizinische Versorgungszentren können ebenfalls Vertragspartner sein, wobei der einzelne behandelnde Arzt dann als Erfüllungsgehilfe handelt. Eine unmittelbare Vertragsbeziehung besteht zwischen demjenigen, der die Behandlung erbringt beziehungsweise organisiert, und demjenigen, der die Behandlung in Anspruch nimmt, unabhängig von einer etwaigen Kostenübernahme durch Dritte, etwa Krankenkassen oder Versicherungen.
Welche Pflichten ergeben sich für den Behandelnden aus dem Behandlungsvertrag?
Der Behandlungsvertrag begründet für den Behandelnden vor allem die Pflicht zur fachgerechten Behandlung nach den anerkannten Standards der medizinischen Wissenschaft und Technik (Facharztstandard). Dazu gehören die sorgfältige Anamnese, Diagnostik, Therapie sowie gegebenenfalls Nachsorge und Aufklärung des Patienten. Der Behandelnde hat darüber hinaus Dokumentationspflichten, muss die Schweigepflicht über personenbezogene Gesundheitsdaten wahren und sicherstellen, dass alle medizinischen Maßnahmen in einem persönlichen Vertrauensverhältnis stattfinden. Ebenso ist er verpflichtet, auf Wunsch Einsicht in die Patientenakte zu gewähren und über besondere Risiken, Behandlungsalternativen sowie deren Erfolgsaussichten umfassend aufzuklären.
Welche Pflichten treffen den Patienten aus dem Behandlungsvertrag?
Im Rahmen des Behandlungsvertrages ist der Patient verpflichtet, die für die Behandlung erforderlichen Angaben zu seiner Person und seinem Gesundheitszustand wahrheitsgemäß zu machen, damit der Behandler eine adäquate Therapie planen kann. Der Patient hat grundsätzlich auch die vereinbarten Vergütungen zu zahlen, soweit keine Kostenübernahme durch einen Dritten, beispielsweise eine Krankenversicherung, erfolgt. Des Weiteren obliegt dem Patienten die Mitwirkungspflicht, das heißt, er muss bei diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen kooperieren, etwa Termine einhalten oder Anweisungen des Behandlers befolgen.
Wie kann ein Behandlungsvertrag beendet werden?
Die Beendigung eines Behandlungsvertrages ist grundsätzlich jederzeit durch beide Parteien, also sowohl durch den Patienten als auch den Behandler, möglich. Die Kündigung durch den Behandler darf jedoch nur erfolgen, wenn dadurch keine medizinisch unvertretbaren Nachteile für den Patienten entstehen, insbesondere keine Gefährdungslage. Eine ordentliche Kündigung ist etwa bei gestörtem Vertrauensverhältnis, schweren Pflichtverletzungen des Patienten oder bei ausbleibender Mitwirkung zulässig. Der Patient kann jederzeit ohne Einhaltung von Fristen kündigen. Bestehen bleibt jedoch die Verpflichtung zur Begleichung offener Honorarforderungen für bereits erbrachte Leistungen.
Welche Ansprüche ergeben sich aus einem Behandlungsfehler?
Kommt es zu einem Behandlungsfehler – das heißt, entspricht die ärztliche Behandlung nicht dem geschuldeten Facharztstandard -, kann der Patient gegenüber dem Behandler Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend machen. Voraussetzung ist, dass dem Patienten durch die fehlerhafte Behandlung ein gesundheitlicher oder materieller Schaden entstanden ist. Der Patient hat regelmäßig das Vorliegen des Fehlers und des Schadenseintritts zu beweisen. Für Dokumentations- und Aufklärungsfehler gelten Beweiserleichterungen zugunsten des Patienten (§ 630h BGB). Ansprüche sind zivilrechtlich durchsetzbar und unterliegen einer Verjährungspflicht, die im Regelfall drei Jahre beträgt.
Welche Vorgaben zur Aufklärung sieht das Gesetz im Rahmen des Behandlungsvertrages vor?
Nach § 630e BGB muss der Behandler den Patienten rechtzeitig, verständlich und umfassend über sämtliche wesentlichen Umstände der geplanten Behandlung aufklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung und zu erwartende Folgen der Maßnahme, mögliche Risiken sowie diagnostische und therapeutische Alternativen. Die Aufklärung hat grundsätzlich persönlich zu erfolgen, es sei denn, bei standardisierten Routineeingriffen ist eine schriftliche Information ausreichend und ein persönliches Gespräch wird auf Wunsch nachgeholt. Bei Verstößen gegen die Aufklärungspflichten haftet der Arzt im Schadensfall zivilrechtlich.
Besteht ein Behandlungsvertrag auch bei Privatärzten oder Selbstzahlern?
Ja, ein Behandlungsvertrag besteht unabhängig vom Versicherungsstatus und der Art der Kostentragung immer zwischen dem behandelnden Arzt und dem Patienten. Im Fall von Privatärzten oder Selbstzahlern regelt der Behandlungsvertrag die medizinische Leistung und deren Vergütung unmittelbar zwischen den Vertragsparteien. Es gelten die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften für Dienstverträge sowie die berufsrechtlichen Vorgaben für Heilberufler. Bei privatärztlicher Abrechnung erfolgt die Festlegung des Honorars nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Der Patient ist zur Zahlung verpflichtet, ungeachtet einer etwaigen (teilweisen) Erstattung durch Versicherungen oder Kostenträger.