Begriff und Grundprinzip der bedingten Forderung
Eine bedingte Forderung ist ein Anspruch, dessen Entstehung, Fortbestand oder Durchsetzbarkeit von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängt. Der Anspruch steht während dieser Ungewissheit in einem Schwebezustand: Er ist angelegt, entfaltet aber erst beim Eintritt der Bedingung seine volle Wirkung oder erlischt, wenn eine auflösende Bedingung eintritt. Bedingte Forderungen sind in der Vertrags- und Geschäftspraxis verbreitet, etwa bei Bonuszahlungen, Erfolgsbeteiligungen, Kaufpreis-Anpassungen, Optionsrechten oder Sicherungsabreden.
Arten der Bedingungen
Aufschiebende Bedingung
Bei der aufschiebenden Bedingung entsteht oder wird eine Forderung erst wirksam, wenn das vereinbarte Ereignis eintritt. Bis dahin besteht kein durchsetzbarer Anspruch. Beispiel: Eine Provision wird nur fällig, wenn ein bestimmter Vertrag zustande kommt.
Auflösende Bedingung
Bei der auflösenden Bedingung besteht die Forderung zunächst voll wirksam, erlischt jedoch mit Eintritt der Bedingung für die Zukunft. Beispiel: Eine Ratenzahlungsvereinbarung gilt, solange der Schuldner Sicherheiten stellt; entfallen die Sicherheiten, endet die Vereinbarung.
Abgrenzung zur Befristung
Von der Bedingung zu unterscheiden ist die Befristung. Bei der Befristung ist das Ereignis (Zeitpunkt oder Zeitraum) sicher, lediglich der Zeitpunkt des Eintritts kann variieren (etwa der Ablauf eines Monats). Die Bedingung knüpft hingegen an ein ungewisses Ereignis an (es kann eintreten oder ausbleiben).
Entstehung und Wirksamkeit
Vereinbarung einer Bedingung
Eine Bedingung wird durch Vereinbarung der Parteien oder kraft Rechtsgeschäftsinhalt festgelegt. Sie muss hinreichend bestimmt sein, damit klar ist, wann der Bedingungseintritt vorliegt oder ausbleibt. Unbestimmte oder widersprüchliche Formulierungen gefährden die Wirksamkeit.
Schwebezustand
Bis zum Bedingungseintritt (oder -ausfall) besteht ein Schwebezustand. Bei der aufschiebenden Bedingung ist der Anspruch angelegt, aber nicht durchsetzbar; bei der auflösenden Bedingung bleibt der Anspruch wirksam, steht jedoch unter dem Risiko des künftigen Wegfalls.
Rechtsfolgen vor und nach Bedingungseintritt
Vor Eintritt der Bedingung
- Ansprüche aus aufschiebend bedingten Forderungen sind regelmäßig nicht fällig und nicht einklagbar.
- Rechtspositionen können gleichwohl gesichert oder übertragen werden, allerdings mit dem Vorbehalt des Bedingungseintritts.
- Bei auflösend bedingten Forderungen besteht die volle Durchsetzbarkeit bis zum Eintritt der Bedingung fort.
Nach Eintritt der Bedingung
- Aufschiebend bedingte Forderungen werden wirksam und regelmäßig fällig, sofern keine weitere Fälligkeitsabrede besteht.
- Auflösend bedingte Forderungen enden mit Eintritt der Bedingung für die Zukunft; bereits bewirkte Leistungen bleiben je nach Vereinbarung und Rechtslage zu behandeln.
Nichteintritt der Bedingung
Tritt die Bedingung nicht ein, entfaltet die aufschiebend bedingte Forderung keine Wirkung. Bei auflösenden Bedingungen bleibt die Forderung dauerhaft bestehen, wenn der bedingungsauslösende Umstand ausbleibt.
Übertragbarkeit und Sicherheiten
Abtretung bedingter Forderungen
Bedingte Forderungen können grundsätzlich abgetreten werden. Der Erwerber übernimmt die Forderung mit ihrer Bedingung, das heißt die Rechtsposition bleibt von Eintritt oder Ausfall der Bedingung abhängig.
Sicherungsrechte
Auch Sicherheiten können zugunsten bedingter Forderungen bestellt werden. Pfandrechte, Sicherungsabtretungen oder Bürgschaften können so gestaltet sein, dass sie mit Eintritt der Bedingung wirksam werden oder solange bestehen, bis eine auflösende Bedingung eintritt.
Aufrechnung und Verrechnung
Eine Aufrechnung setzt zumeist das Bestehen gegenseitiger, gleichartiger und fälliger Forderungen voraus. Solange eine aufschiebend bedingte Forderung nicht entstanden oder nicht fällig ist, ist die Aufrechnung in der Regel ausgeschlossen. Wird die Bedingung erfüllt und die Forderung fällig, kann eine Aufrechnung – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen – in Betracht kommen. Bei auflösend bedingten Forderungen endet die Aufrechnungsmöglichkeit mit Eintritt der auflösenden Bedingung.
Verjährung, Fälligkeit und Zinsen
Beginn der Verjährung
Die Verjährung beginnt bei aufschiebend bedingten Forderungen in der Regel erst, wenn die Forderung entsteht und fällig wird. Bei auflösend bedingten Forderungen beginnt die Verjährung mit Entstehung und Fälligkeit der Forderung, auch wenn sie später durch Bedingung entfällt.
Fälligkeit
Die Fälligkeit tritt bei aufschiebend bedingten Forderungen regelmäßig erst mit Bedingungseintritt ein, sofern nicht zusätzlich eine gesonderte Fälligkeitsregelung besteht. Bei auflösend bedingten Forderungen endet die Fälligkeit mit Eintritt der Bedingung.
Zinsen
Zinsansprüche knüpfen üblicherweise an die Fälligkeit und einen Verzugstatbestand an. Vor Eintritt einer aufschiebenden Bedingung bestehen regelmäßig keine Zinsen. Nach Eintritt der Bedingung können Zinsen anfallen, wenn die weiteren Voraussetzungen vorliegen.
Durchsetzung, Vollstreckung und Einreden
Eine aufschiebend bedingte Forderung kann vor Eintritt der Bedingung nicht erfolgreich eingeklagt oder vollstreckt werden. Nach Eintritt der Bedingung sind Klage und Vollstreckung möglich, sofern weitere Voraussetzungen vorliegen. Bei auflösend bedingten Forderungen ist eine Durchsetzung bis zum Bedingungseintritt möglich; tritt die Bedingung während eines laufenden Verfahrens ein, wirkt sich das auf den Fortbestand des Anspruchs aus. Einreden und Einwendungen gegen die Forderung bleiben unberührt und können auch bedingte Ansprüche betreffen.
Insolvenzrechtliche Einordnung
Anmeldung zur Insolvenztabelle
Bedingte Forderungen können als Insolvenzforderungen angemeldet werden. Sie werden in der Regel mit einem Hinweis auf die Bedingung berücksichtigt. Der Eintritt der Bedingung kann die Beteiligung an der Verteilung beeinflussen.
Quotenbeteiligung und Reserven
Im Insolvenzverfahren können für bedingte Forderungen Vorbehalte oder Rückstellungen in der Verteilung berücksichtigt werden. Tritt die Bedingung ein, wird die Forderung an der Verteilung gemäß ihrer Stellung beteiligt; bleibt sie aus, erfolgt keine Befriedigung.
Aufrechnung in der Insolvenz
Die Zulässigkeit der Aufrechnung mit bedingten Forderungen in der Insolvenz hängt von den allgemeinen Aufrechnungsvoraussetzungen und insolvenzspezifischen Regeln ab. Maßgeblich ist insbesondere, ob die Voraussetzungen bereits zu einem maßgeblichen Stichtag vorlagen.
Zulässigkeit und Grenzen von Bedingungen
Zulässige Bedingungen
Grundsätzlich sind Bedingungen zulässig, wenn sie bestimmt, möglich und nicht rechts- oder sittenwidrig sind. Bedingungen dürfen den Vertragszweck nicht in unzulässiger Weise unterlaufen.
Unzulässige oder unwirksame Bedingungen
Unmögliche, widersprüchliche oder rechtswidrige Bedingungen sind unwirksam. In einzelnen Rechtsbereichen gibt es Geschäfte oder Erklärungen, die nicht unter Bedingungen gestellt werden dürfen. In solchen Fällen bleibt die Bedingung ohne Wirkung oder das Rechtsgeschäft ist unwirksam, je nach Ausgestaltung.
Bedingungen, die vom Willen einer Partei abhängen
Bedingungen, die allein vom freien Belieben einer Partei abhängen, sind kritisch. Sie können wirksam sein, wenn sie transparent und mit dem Vertragszweck vereinbar sind; andernfalls können sie an Wirksamkeitsgrenzen stoßen, etwa bei unangemessener Benachteiligung.
Typische Anwendungsfälle
- Erfolgsabhängige Vergütungen und Boni (bei Erreichen bestimmter Ziele)
- Optionsrechte (Ausübung der Option als Bedingung)
- Kaufpreis-Anpassungen und Earn-Out-Regelungen
- Eigentumsvorbehalt mit bedingter Forderungslage
- Sicherungsabreden, Bürgschaften und Garantien mit bedingter Inanspruchnahme
Abgrenzungen
Bedingung vs. Befristung
Die Befristung knüpft an ein sicher eintretendes Ereignis (Zeit), die Bedingung an ein ungewisses Ereignis. Rechtsfolgen und Verjährungsbeginn unterscheiden sich entsprechend.
Bedingung vs. Einrede
Eine Einrede hindert die Durchsetzbarkeit einer Forderung, ohne deren Entstehung in Frage zu stellen. Die Bedingung betrifft die Entstehung oder den Fortbestand selbst.
Beweis und Dokumentation
Der Eintritt einer Bedingung erfordert klare Feststellbarkeit. Die Partei, die sich auf den Eintritt (oder Ausfall) beruft, trägt grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die jeweiligen Voraussetzungen. Präzise Formulierungen und objektiv überprüfbare Kriterien erleichtern die Handhabung im Streitfall.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur bedingten Forderung
Was ist eine bedingte Forderung?
Eine bedingte Forderung ist ein Anspruch, dessen Entstehung, Fortbestand oder Durchsetzung von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängt. Bis zur Klärung bleibt der Anspruch in einem Schwebezustand.
Worin besteht der Unterschied zwischen aufschiebender und auflösender Bedingung?
Bei der aufschiebenden Bedingung wird die Forderung erst mit Eintritt der Bedingung wirksam. Bei der auflösenden Bedingung besteht die Forderung zunächst, erlischt jedoch mit Eintritt der Bedingung für die Zukunft.
Kann eine bedingte Forderung abgetreten werden?
Ja. Eine bedingte Forderung kann übertragen werden. Der Erwerber übernimmt die Forderung mitsamt ihrer Bedingung, das heißt die Rechtsposition bleibt vom Eintritt oder Ausfall der Bedingung abhängig.
Ab wann beginnt die Verjährung bei einer bedingten Forderung?
Bei aufschiebend bedingten Forderungen beginnt die Verjährung in der Regel erst mit Entstehung und Fälligkeit nach Bedingungseintritt. Bei auflösend bedingten Forderungen beginnt die Verjährung mit Entstehung und Fälligkeit des Anspruchs, selbst wenn er später durch Bedingung entfällt.
Kann mit einer bedingten Forderung aufgerechnet werden?
Vor Eintritt einer aufschiebenden Bedingung fehlt es meist an Fälligkeit; eine Aufrechnung ist dann regelmäßig nicht möglich. Nach Eintritt und Fälligkeit kann eine Aufrechnung in Betracht kommen, wenn die allgemeinen Voraussetzungen vorliegen. Bei auflösend bedingten Forderungen endet die Aufrechnungsmöglichkeit mit Bedingungseintritt.
Wie werden bedingte Forderungen im Insolvenzverfahren behandelt?
Bedingte Forderungen können angemeldet und mit Hinweis auf die Bedingung berücksichtigt werden. Je nach Eintritt der Bedingung nehmen sie an der Verteilung teil oder bleiben unberücksichtigt. Reserven oder Vorbehalte können vorgesehen werden.
Fallen bei bedingten Forderungen Zinsen an?
Zinsen setzen regelmäßig Fälligkeit und gegebenenfalls Verzug voraus. Bei aufschiebenden Bedingungen entstehen Zinsen gewöhnlich erst nach Bedingungseintritt und Fälligkeit; bei auflösenden Bedingungen enden Zinsen mit Eintritt der Bedingung.