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Ausfallmuster


Begriff und Definition: Ausfallmuster

Der Begriff Ausfallmuster findet insbesondere im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes, namentlich im Musterrecht beziehungsweise Designrecht, Anwendung. Als Ausfallmuster werden Muster (bzw. Designs) bezeichnet, die im Falle eines Erlöschens oder einer Löschung eines bisherigen Schutzrechts ‚ausfallen‘ und gegebenenfalls neu angemeldet oder genutzt werden. In bestimmten Konstellationen, vor allem im Geschmacksmusterrecht (heute Designrecht), steht der Begriff mit der sog. Ausfallregelung im Zusammenhang. Hierbei geht es um die Folgen der Rücknahme, Löschung oder Nichtigkeitserklärung eines eingetragenen Designs oder Gebrauchsmusters und der daraus resultierenden Möglichkeit, ein „Ausfallmuster“ in Kraft zu setzen oder geltend zu machen.


Rechtsgrundlagen des Ausfallmusters

Geschmacksmusterrecht und Designrecht

Das Ausfallmuster hat seinen Ursprung im Geschmacksmusterrecht, das mittlerweile durch das Designgesetz (DesignG) weiterentwickelt wurde. Gemäß § 30 Abs. 3 DesignG und den entsprechenden europäischen Regelungen kann die Rücknahme oder Löschung eines Hauptmusters (Hauptdesigns) dazu führen, dass ein zuvor zurückgestelltes oder abhängiges Muster als Ausfallmuster aktiviert wird. Die Regelung dient dazu, Rechteinhabern einen gewissen Schutzraum zu erhalten und ein Recht auf Priorität oder Nutzung zu sichern, für den Fall, dass das ursprüngliche Muster ‚ausfällt‘.

Gebrauchsmusterrecht

Auch im Gebrauchsmusterrecht sieht das Gesetz ähnliche Konstellationen vor. Hier besteht die Möglichkeit, im Rahmen von sogenannten Abzweigungen ein Gebrauchsmuster aus einer Patentanmeldung hervorgehen zu lassen. Wird das Patent nicht erteilt oder später vernichtet, kann das angemeldete Gebrauchsmuster als Ausfallmuster in Kraft gesetzt werden.


Zweck und Funktion des Ausfallmusters

Das Ausfallmuster dient dazu, negative Folgen aus dem Erlöschen, Widerruf oder der Nichtigerklärung eines gewerblichen Schutzrechts abzumildern. Durch die Möglichkeit, ein zurückgestelltes oder abhängiges Muster zu „aktivieren“, wird die Rechtsposition des ursprünglichen Anmelders gewahrt und die Schutzlücke geschlossen, die durch den Wegfall des Hauptrechts entstehen würde.

Sinn und Schutzmechanismus

  • Sicherung der Rechtskontinuität: Im Falle des Ausfalls des ursprünglichen Schutzrechts schützt das Ausfallmuster davor, dass der Schutzbereich gänzlich verloren geht.
  • Prioritätswahrung: Das Ausfallmuster kann die Priorität der ursprünglichen Anmeldung übernehmen und somit den Rang im Schutzrechtevergleich sichern.
  • Abwehr von Nachahmung: Der rechtliche Übergang auf ein Ausfallmuster führt dazu, dass der Schutzgegenstand weiterhin gegen unbefugte Nachahmung und Verwendung Dritter gesichert bleibt.

Voraussetzungen und Verfahren zur Aktivierung eines Ausfallmusters

Voraussetzungen

Um das Recht auf ein Ausfallmuster geltend zu machen, müssen bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Das Muster bzw. Design muss formell zur Anmeldung gebracht und im Register eingetragen worden sein, jedoch mit einer aufschiebenden Wirkung oder Rückstellung versehen sein.
  • Das ursprüngliche Muster muss vorzeitig entfallen, etwa durch Verzicht, Rücknahme, Erlöschen oder Löschung.
  • Das Ausfallmuster muss innerhalb einer bestimmten Frist und nach formalen Vorgaben aktiviert oder geltend gemacht werden.

Ablauf im amtlichen und gerichtlichen Verfahren

Wird das Hauptmuster gelöscht, zurückgenommen oder für nichtig erklärt, prüft das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) beziehungsweise das zuständige Europäische Amt die Anspruchsberechtigung auf ein Ausfallmuster. Sind alle Bedingungen erfüllt, erfolgt die „Wiedereinsetzung“ oder Eintragung des Ausfallmusters ins Register. Rechte und Schutzwirkungen treten rückwirkend ab seinem ursprünglichen Anmeldetag in Kraft.


Rechtliche Bedeutung und mögliche Streitfragen

Rechtliche Relevanz

Das Ausfallmuster besitzt erhebliche praktische Bedeutung im Gewerblichen Rechtsschutz, da es angemeldeten Schutzrechten auch nach deren Wegfall eine Anschlusslösung verschafft und so die Innovationskraft sowie Investitionen in Design, Technik und Produktgestaltung schützt.

Streitfälle und gerichtliche Praxis

Typische Streitfragen im Zusammenhang mit Ausfallmustern betreffen:

  • Prioritätskonflikte: Wer im maßgeblichen Zeitpunkt schutzberechtigt ist.
  • Formalitäten bei der Aktivierung: Ob alle Vorgaben für die Geltendmachung eingehalten wurden.
  • Schutzumfang: Inwiefern das Ausfallmuster denselben Schutzbereich beanspruchen kann wie das ursprüngliche Muster.

In Verfahren vor dem DPMA, dem Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) oder nationalen Gerichten wird insbesondere geprüft, ob die Übertragung des Schutzrechts reibungslos sowie unter Einhaltung aller Fristen und Formerfordernisse erfolgt ist.


Internationale Aspekte und unionsrechtliche Regelung

Europäische Union

Unionsweit gibt es für den Schutz von Designs und Mustern die Verordnung (EG) Nr. 6/2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Auch hier erlaubt das Rechtssystem in bestimmten Fällen die Anmeldung und Aktivierung von Ausfallmustern auf EU-Ebene, wobei nationale Rechtsbesonderheiten zu berücksichtigen sind.

Internationale Perspektive

Im internationalen Kontext, insbesondere bei der Anmeldung von Geschmacksmustern nach dem Haager Abkommen, spielen Ausfallmuster in Ländern eine Rolle, in denen vergleichbare Rechtsinstitute bestehen. Es ist darauf zu achten, dass nationale Unterschiede im Schutzumfang und bei den Aktivierungsmodalitäten bestehen können.


Fazit

Das Ausfallmuster stellt ein bedeutsames Instrument im Schutz gewerblicher Rechte dar. Es ermöglicht die Fortsetzung des Rechtsschutzes trotz unvorhergesehener Ausfälle des ursprünglichen Schutzrechts und sichert insbesondere Priorität sowie Innovationsschutz. Die gesetzlichen Regelungen bieten dem Anmelder die Möglichkeit, auf den Wegfall eines Designs oder Gebrauchsmusters flexibel zu reagieren und so einen kontinuierlichen Rechtsschutz zu gewährleisten. Im gewerblichen Rechtsschutz nimmt das Ausfallmuster dadurch eine zentrale Funktion bei der Sicherung wirtschaftlicher Interessen ein.


Siehe auch:

Häufig gestellte Fragen

Wer trägt die Beweislast beim Vorliegen eines Ausfallmusters?

Im rechtlichen Kontext liegt die Beweislast für das Vorliegen eines Ausfallmusters grundsätzlich beim Anmelder des Gebrauchsmusters. Dies bedeutet, dass derjenige, der die Eintragung eines Ausfallmusters beansprucht, nachweisen muss, dass der Gegenstand der Anmeldung tatsächlich ein Ausfallmuster ist und daher unter die Ausnahmebestimmungen des § 2 Absatz 3 Nr. 1 GebrMG (Gebrauchsmustergesetz) fällt. Dies beinhaltet insbesondere, dass der Anmelder darlegt, dass die angemeldete technische Lehre durch ein früheres Schutzrecht nicht vorweggenommen ist, aufgrund eines Mangels an tatsächlicher Offenbarung der technischen Lehre im Stand der Technik (sog. „ausgefallene“ Offenbarung). Der Anmelder muss hierzu substantiiert aufzeigen, warum bestimmte Merkmale bei der angeblichen Vorbenutzung oder in der Druckschrift nicht offenbart, sondern lediglich implizit vorhanden waren. Wird diese Beweislast nicht erfüllt, ist die Anspruchstellung als Ausfallmuster im Prüfungsverfahren oder im Streitfall nicht erfolgversprechend.

Welche rechtlichen Unterschiede bestehen zwischen Ausfallmustern und normalen Gebrauchsmustern?

Rechtlich unterscheiden sich Ausfallmuster von normalen Gebrauchsmustern vorwiegend in ihrer Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik und der Frage der Neuheit. Das Ausfallmuster stellt im Sinne des § 2 GebrMG eine Ausnahme dar, wenn eine technische Lehre zwar theoretisch im Stand der Technik enthalten war, jedoch praktisch nicht zur Ausführung gelangen konnte bzw. objektiv unmöglich war. Während bei herkömmlichen Gebrauchsmustern die Neuheit regelmäßig auch durch nicht-ausführbare Stand-der-Technik-Dokumente zerstört werden kann, sieht das Gesetz für Ausfallmuster eine besondere Beurteilung vor. Die Praxis zeigt, dass Rechtsprechung und Lehre insbesondere die Ausführbarkeit des Gegenvorschlags kritisch prüfen. So wird bei Normalmustern bereits eine theoretische Beschreibung anerkannt, bei Ausfallmustern muss der Nachweis erbracht werden, dass konkrete technische Anweisungen fehlen oder nicht ausführbar waren.

Wie prüft das Gericht die tatsächliche Ausführbarkeit beim Ausfallmuster?

Gerichte und Patentämter prüfen die tatsächliche Ausführbarkeit beim Ausfallmuster deutlich strenger als bei Standardanmeldungen. Maßgeblich ist, ob ein Fachmann aufgrund der gesamten Offenbarung und seines Fachwissens die Lehre ausführen kann. Dabei wird untersucht, ob bei der maßgeblichen Vorveröffentlichung Angaben fehlen, Widersprüche bestehen oder die Umsetzung in der Prioritätszeit technisch unmöglich war. Zudem wird analysiert, ob zur Überwindung dieser Hürden unzumutbare Experimente, eigene schöpferische Überlegungen oder überdurchschnittliche Fähigkeiten vonnöten gewesen wären. Die richterliche Prüfung orientiert sich oft an einschlägigen, durch Gutachten gestützten Sachverständigenaussagen und dem sogenannten „Durchschnittsfachmann“-Maßstab. Ergibt sich daraus eine objektive Undurchführbarkeit, wird das Ausfallmuster als gerechtfertigt anerkannt.

Was passiert, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der angebliche Ausfallmuster-Gegenstand doch ausführbar war?

Stellt sich nach der Eintragung des Gebrauchsmusters heraus, dass der beanspruchte Gegenstand entgegen der Annahme doch ausführbar war und somit ein vollwertiger Stand der Technik bestand, kann dies gravierende rechtliche Konsequenzen haben. In einem Löschungsverfahren nach § 15 GebrMG kann das Gebrauchsmuster wegen fehlender Neuheit und mangelhafter Schutzvoraussetzungen gelöscht werden. Darüber hinaus können Schadenersatzforderungen gegen den Anmelder entstehen, falls sich Rechteinhaber oder Dritte durch die unzutreffende Eintragung in ihren wirtschaftlichen Interessen geschädigt sehen. In bestimmten Fällen kommt eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) infrage, wenn der Anmelder wissentlich falsche Angaben gemacht hat. Grundsätzlich ist daher bei der Geltendmachung eines Ausfallmusters größte Sorgfalt geboten.

Welche Bedeutung hat das Ausfallmuster im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Schutzrechten?

Das Ausfallmuster besitzt im Rechtsstreit eine herausgehobene Bedeutung, da es als Einfallstor für die Überwindung vermeintlicher Neuheitshindernisse dient und damit eine Verteidigung gegen Nichtigkeitsangriffe ermöglicht. Im Verletzungsverfahren ist es entscheidend, ob dem Schutzrecht die tatsächliche materielle Berechtigung zugrunde liegt. Angreifer können versuchen, das Ausfallmuster dadurch zu entkräften, dass sie die Ausführbarkeit des früheren Standes der Technik nachweisen. Ist dies erfolgreich, entfällt die Geltung als Ausfallmuster und das Schutzrecht ist angreifbar. Im Gegenzug kann die Verteidigung mittels technischer und wissenschaftlicher Argumente belegten, dass der frühere Stand der Technik lediglich ein „unfertiges“ oder nicht zur öffentlichen Nacharbeit geeignetes Konstrukt darstellte.

Welche Rolle spielen Sachverständigengutachten im Streit um Ausfallmuster?

Sachverständigengutachten nehmen im Streit um Ausfallmuster eine zentrale Rolle ein. Aufgrund der oftmals komplexen technischen Fragestellung, ob eine Offenbarung im Stand der Technik tatsächlich ausführbar war, bedienen sich Gerichte üblicherweise unabhängiger Sachverständiger. Diese erörtern aus Sicht des einschlägigen Fachmanns, ob auf Basis allgemeiner Kenntnisse und der Offenbarung zum Prioritätszeitpunkt eine praktische Umsetzung möglich gewesen wäre. Die Aussagen der Sachverständigen sind für die rechtliche Bewertung maßgeblich, da sie häufig die einzige objektive Grundlage für die Entscheidung über die Schutzfähigkeit und den Bestand des Ausfallmusters bieten.

Gibt es spezielle Fristen, die im Zusammenhang mit der Anmeldung eines Ausfallmusters zu beachten sind?

Im Zusammenhang mit der Anmeldung eines Ausfallmusters gelten grundsätzlich die allgemeinen Fristen aus dem Gebrauchsmusterrecht, etwa zur Inanspruchnahme einer Priorität oder zur Stellung von Anträgen auf Prüfung und Löschung. Darüber hinaus besteht aber eine erhöhte Obliegenheit des Anmelders, frühzeitig und umfassend Tatsachen zur Ausfallmuster-Eigenschaft offenzulegen, um dem Amt bzw. Gericht eine ordnungsgemäße Entscheidung zu ermöglichen. Sollte der Anmelder zu einem späteren Zeitpunkt Hinweise oder Beweismittel für das Vorliegen eines Ausfallmusters nachreichen wollen, können Präklusionsfristen und Verspätungsregelungen aus den Verfahrensordnungen zur Anwendung kommen. Es empfiehlt sich daher, bereits bei Anmeldung alle relevanten Informationen einzureichen.