Begriff und Definition: Öffentliche Aufträge
Öffentliche Aufträge bezeichnen vertragliche Rechtsgeschäfte zwischen öffentlichen Auftraggebern, also staatlichen oder staatsnahen Institutionen, und Unternehmen, mit denen die Beschaffung von Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen für öffentliche Zwecke erfolgt. Im rechtlichen Kontext versteht man unter einem öffentlichen Auftrag eine entgeltliche Vereinbarung, durch die die öffentliche Hand Waren, Baustellen oder Dienstleistungen beschafft. Der öffentliche Einkauf ist ein wesentliches Instrument zur Sicherstellung der öffentlichen Infrastruktur, Verwaltungstätigkeit und Daseinsvorsorge.
Öffentliche Aufträge unterliegen komplexen gesetzlichen Vorgaben, die u. a. Transparenz, Nichtdiskriminierung und einen fairen Wettbewerb sicherstellen. Ziel ist dabei die wirtschaftliche Verwendung von Haushaltsmitteln sowie die Verwirklichung politischer und gesellschaftlicher Zielsetzungen wie Umweltschutz, Innovation und sozialer Belange.
Gesetzliche Grundlagen und Regelungsbereiche
Europarechtliche Bestimmungen
Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist durch eine Vielzahl europarechtlicher Vorgaben geprägt. Die wichtigsten Grundlagen sind:
- Richtlinie 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe (Kerninstrument für Liefer- und Dienstleistungsaufträge)
- Richtlinie 2014/25/EU über die Vergabe von Aufträgen im Bereich Wasser, Energie, Verkehr und Postdienste (Sektorenvergaberecht)
- Richtlinie 2014/23/EU über die Konzessionsvergabe
Diese Richtlinien sind in nationales Recht umzusetzen und legen insbesondere Schwellenwerte, Vergabeverfahren, Auswahlkriterien und Rechtsschutzmöglichkeiten fest.
Nationale Regelungen in Deutschland
In Deutschland bilden verschiedene Gesetze und Verordnungen die Grundlage für die Vergabe öffentlicher Aufträge:
- Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB): Speziell Teil 4 (§§ 97 ff. GWB) regelt das Recht der öffentlichen Auftragsvergabe.
- Vergabeverordnung (VgV): Enthält weiterführende Verfahrensregeln für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge.
- Sektorenverordnung (SektVO): Regelt die Vergabe im Bereich der Energie-, Wasser- und Verkehrsversorgung.
- Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV): Für Verteidigungs- und sicherheitsbezogene Aufträge.
- Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB): Für Bauaufträge.
- Unterschwellenvergabeordnung (UVgO): Für Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte.
Diese Regelungen sichern einen transparenten, diskriminierungsfreien und wettbewerbsorientierten Beschaffungsprozess.
Öffentliche Auftraggeber
Öffentliche Auftraggeber sind rechtlich dazu verpflichtet, die geltenden Vergabevorschriften einzuhalten. Unter diesen Begriff fallen im Wesentlichen:
- Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden)
- Sondervermögen der öffentlichen Hand
- Andere juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts, soweit sie bestimmte öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder beherrschenden Einfluss der öffentlichen Hand unterliegen
Je nach Art und Umfang des Vorhabens ergeben sich unterschiedliche vergaberechtliche Anforderungen.
Arten öffentlicher Aufträge
Öffentliche Aufträge werden nach ihrem Gegenstand unterschieden und jeweils durch spezielle Vorschriften geregelt:
Lieferaufträge
Hierunter fallen Verträge über den Erwerb von beweglichen Sachen (Waren, Produkte, Material, Maschinen etc.) einschließlich Einbau und Installation.
Bauaufträge
Verträge, die die Ausführung oder Planung von Bauleistungen zum Gegenstand haben. Diese sind in ausführlichen Regelungen der VOB/A erfasst.
Dienstleistungsaufträge
Hierbei handelt es sich um Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen, beispielsweise Beratungs-, Reinigungs-, IT-, oder Sicherheitsdienste.
Konzessionsvergaben
Konzessionen sind öffentliche Aufträge, bei denen der Auftragnehmer das Recht erhält, von Nutzern Entgelte zu erheben und somit ein Betriebsrisiko übernimmt.
Vergabeverfahren
Je nach Auftragsart und -wert kommen unterschiedliche Vergabeverfahren zur Anwendung. Grundsätzlich werden drei Hauptverfahren unterschieden:
Offenes Verfahren
Beim offenen Verfahren kann jeder interessierte Bieter ein Angebot abgeben. Es handelt sich um das Standardverfahren mit hoher Transparenz.
Nichtoffenes Verfahren
Hierbei fordert der Auftraggeber nur ausgewählte Unternehmen zur Angebotsabgabe auf, oft nach einem vorausgehenden Teilnahmewettbewerb.
Verhandlungsverfahren
Das Verhandlungsverfahren erlaubt es dem Auftraggeber, mit ausgewählten Unternehmen über Angebote zu verhandeln. Es ist für besonders komplexe oder innovative Projekte vorgesehen.
Weitere Verfahren
- Wettbewerblicher Dialog: Eignet sich, wenn der Auftraggeber Anforderungen und Lösungsmethoden gemeinsam mit den Bietern entwickeln möchte.
- Innovationspartnerschaft: Für die Entwicklung innovativer Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen in Zusammenarbeit mit einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern.
Schwellenwerte und Anwendung des Vergaberechts
Die maßgeblichen Regelungen unterscheiden zwischen der europäischen (ab Schwellenwert) und der nationalen (unterhalb Schwellenwert) Vergabeebene. Die Schwellenwerte werden alle zwei Jahre durch die Europäische Kommission angepasst. Bei Erreichen oder Überschreiten dieser Werte gilt das gesamte EU-Vergaberecht mit erhöhten Anforderungen an Transparenz und Rechtsschutz.
Grundsätze der Vergabe öffentlicher Aufträge
Zentrale Vergabeprinzipien sind:
- Transparenz: Offenlegung der Vergabeentscheidungen und Verfahrensweise
- Nichtdiskriminierung: Kein ungerechtfertigter Ausschluss oder Benachteiligung
- Gleichbehandlung: Gleiche Chancen für alle Bieter
- Wettbewerb: Förderung eines möglichst breiten Wettbewerbs
- Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit: Optimale Verwendung öffentlicher Mittel
Diese Grundsätze bestimmen sämtliche Stufen des Vergabeverfahrens, von der Ausschreibung über die Angebotsevaluierung bis hin zur Zuschlagserteilung.
Teilnahmevoraussetzungen und Eignungsprüfung
Öffentliche Auftraggeber prüfen die Eignung der Bieter im Hinblick auf:
- Fachliche Qualifikation
- Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit
- Zuverlässigkeit (z. B. keine Beteiligung an Kartellen, keine schweren Verfehlungen)
- Nachweis der technischen und organisatorischen Ressourcen
Hierzu sind von den Bietern verschiedene Erklärungen und Nachweise zu erbringen.
Rechtsschutz im Vergabeverfahren
Bieter haben unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, vergaberechtliche Entscheidungen gerichtlich überprüfen zu lassen.
Primärer Rechtsschutz
Oberhalb der EU-Schwellenwerte können Unternehmen die Nachprüfungsinstanzen (Vergabekammern und Vergabesenate der Oberlandesgerichte) anrufen. In diesem Verfahren können fehlerhafte Vergabeentscheidungen angefochten werden, bevor ein Vertrag geschlossen wird.
Sekundärer Rechtsschutz
Bei Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte ist ein förmlicher Nachprüfungsprozess ausgeschlossen. Betroffene Unternehmen können aber zivilrechtliche Schadensersatzansprüche geltend machen.
Besondere Aspekte und gesellschaftspolitische Ziele
Im Rahmen öffentlicher Auftragsvergabe sind zunehmend soziale, umweltbezogene und innovative Aspekte zu berücksichtigen. Hierzu zählen insbesondere:
- Berücksichtigung von Tariflöhnen und Mindestlohn
- Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU)
- Umweltfreundliche Beschaffung (Green Public Procurement)
- Innovation und Digitalisierung
Die Berücksichtigung dieser Kriterien erfolgt auf Basis gesetzlicher Vorgaben und kann im Vergabeverfahren als Zuschlags- oder Eignungskriterium ausgestaltet sein.
Praxisrelevanz, Bedeutung und Herausforderungen
Öffentliche Aufträge stellen in Europa einen der größten Beschaffungsmärkte dar und bilden ein zentrales Element zur Umsetzung staatlicher und kommunaler Strategien. Sie sind mit erheblichen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen verbunden. Zu den aktuellen Herausforderungen gehören insbesondere:
- Digitale Transformation der Vergabeverfahren (E-Vergabe)
- Umsetzung nachhaltiger und sozialer Beschaffungsziele
- Bekämpfung von Korruption und Wettbewerbsbeschränkungen
- Harmonisierung nationaler und europäischer Vorgaben
Literatur und weiterführende Informationen
- Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
- Vergabeverordnung (VgV)
- EU-Vergaberichtlinien
- Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB)
- Unterschwellenvergabeordnung (UVgO)
Fazit
Öffentliche Aufträge bilden den rechtlichen Rahmen für die Beschaffung durch staatliche Stellen und sind umfassend gesetzlich geregelt. Sie dienen sowohl der effizienten Mittelverwendung als auch der Erreichung gesellschaftlicher, ökologischer und wirtschaftlicher Ziele. Aufgrund der stetigen Weiterentwicklung gesellschaftlicher und politischer Anforderungen ist das Vergaberecht ein äußerst dynamischer Rechtsbereich.
Häufig gestellte Fragen
Wie erfolgt die Vergabe öffentlicher Aufträge rechtlich korrekt?
Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist in Deutschland und der EU durch eine Vielzahl gesetzlicher Regelungen geregelt, mit dem Ziel eines transparenten, diskriminierungsfreien und wettbewerbsoffenen Verfahrens. Rechtsgrundlage ist auf Bundesebene vor allem das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), ab einem bestimmten Auftragswert ergänzt um die Vergabeverordnung (VgV), die Sektorenverordnung (SektVO), die Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) und Vorschriften zur Vergabe öffentlicher Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge. Für Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte gelten die jeweiligen haushaltsrechtlichen Bestimmungen und Landesvergabegesetze. Das Vergabeverfahren verläuft typischerweise in mehreren verbindlichen Schritten: Bekanntmachung des Auftrags, Eignungs- und Zuschlagskriterien, Angebotseinholung, Prüfung und Wertung der Angebote und die Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots. Bei Verletzungen der Vergabevorschriften bestehen Nachprüfungs- und Rechtsschutzmöglichkeiten für Bieter.
Welche rechtlichen Vorgaben müssen bei der Auswahl der Vergabeart beachtet werden?
Die Wahl der Vergabeart richtet sich nach den zu vergebenden Leistungen, dem geschätzten Auftragswert und der Dringlichkeit. Zu den Vergabearten zählen das offene und das nicht offene Verfahren, das Verhandlungsverfahren, der wettbewerbliche Dialog sowie die Innovationspartnerschaft. Es besteht ein Vorrang für das offene Verfahren, Ausnahmen davon sind eng gesetzlich definiert (z.B. Dringlichkeit, Spezialleistungen). Die maßgeblichen Kriterien sind insbesondere Transparenz, Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung. Die konkrete Auswahl muss dokumentiert und begründet werden, eine willkürliche oder sachwidrige Abweichung ist unzulässig und kann zur Unwirksamkeit des Vergabeverfahrens führen.
Was sind die wesentlichen Bestandteile einer rechtssicheren Auftragsbekanntmachung?
Die rechtssichere Auftragsbekanntmachung ist ein Kernelement der öffentlichen Vergabe und muss sämtliche von Gesetz und Verordnung geforderten Angaben enthalten. Hierzu gehören u.a. der Name und die Anschrift des Auftraggebers, die Beschreibung des Auftragsgegenstandes, die Vertragsbedingungen, der Teilnahmeschluss, die Eignungs- und Zuschlagskriterien sowie gegebenenfalls Angaben zu Nachprüfungsstellen. Die Bekanntmachung ist in den einschlägigen Veröffentlichungsmedien (z.B. EU-Amtsblatt, Vergabeplattformen) zu publizieren. Formale Fehler führen unter Umständen zur Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit des gesamten Vergabeverfahrens.
Unter welchen Voraussetzungen können Bieter von der Teilnahme am Vergabeverfahren ausgeschlossen werden?
Ein Ausschluss von Bietern ist nur unter eng gesetzlich geregelten Voraussetzungen erlaubt. Zu den zwingenden Ausschlussgründen zählen unter anderem strafrechtliche Verurteilungen (z.B. wegen Korruption, Betrug, Geldwäsche), schwere Verstöße gegen arbeitsrechtliche, umweltbezogene oder sozialrechtliche Verpflichtungen sowie die Abgabe unzutreffender Erklärungen im Wettbewerb. Fakultative Ausschlussgründe – etwa bei schwerwiegenden beruflichen Fehlverhalten oder Insolvenz – erfordern eine Einzelfallprüfung und die Möglichkeit zur „Selbstreinigung“ des Bieters. Jeglicher Ausschluss muss nachvollziehbar dokumentiert und den Bietern – ggf. mit Rechtsbehelfsbelehrung – mitgeteilt werden.
Wie ist der Rechtsschutz im Vergabeverfahren ausgestaltet?
Für Bieter existieren verschiedene Formen von Rechtsschutz gegen rechtswidrige Entscheidungen und Verfahrensfehler. Bei Aufträgen oberhalb der EU-Schwellenwerte ist das Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekammern und -senaten vorgesehen (§§ 155 ff. GWB). Betroffene Unternehmen können binnen festgelegter Fristen Rügen einlegen, Akteneinsicht verlangen und Anträge auf Nachprüfung stellen, sofern sie eine Verletzung ihrer Rechte geltend machen. Unterhalb der Schwellenwerte gibt es je nach Bundesland und Verwaltungsebene unterschiedliche Möglichkeiten, die von der fachaufsichtlichen Überprüfung bis zur kommunalen Beanstandung reichen.
Welche Verpflichtungen bestehen hinsichtlich Dokumentation und Akteneinsicht bei öffentlichen Aufträgen?
Die vergaberechtliche Dokumentationspflicht erfordert, dass der gesamte Vergabeprozess, von der Bedarfsermittlung über die Wertung bis hin zur Zuschlagserteilung, lückenlos, fortlaufend und nachvollziehbar festgehalten wird (§ 8 VgV). Die Dokumentation dient sowohl der eigeninternen Kontrolle als auch als Grundlage für Nachprüfungsverfahren. Im Rahmen des Rechtsschutzes steht Bietern im Verfahren grundsätzlich das Recht auf Akteneinsicht zu, wobei Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Dritter zu schützen sind.
Was ist bei der Vergabe an unternehmensverbundene und konzernnahe Unternehmen rechtlich zu beachten?
Die Vergabe öffentlicher Aufträge an mit dem Auftraggeber verbundene Unternehmen (In-House-Vergabe) ist nur unter engen Voraussetzungen möglich. Nach den Vorgaben der EU-Rechtsprechung und des nationalen Rechts (vgl. § 108 GWB) muss insbesondere die Kontrolle über das verbundene Unternehmen vergleichbar mit der Kontrolle über eigene Dienststellen sein, und zudem muss das Unternehmen mindestens 80 % seiner Tätigkeiten für den öffentlichen Auftraggeber bzw. die öffentliche Hand ausüben. Ein Verstoß gegen diese Vorgaben führt regelmäßig zur Unwirksamkeit des Vertrags und kann Schadensersatzforderungen nach sich ziehen.