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Aufgedrängte Bereicherung


Begriff und Einordnung der Aufgedrängten Bereicherung

Die aufgedrängte Bereicherung ist ein Begriff aus dem deutschen Bereicherungsrecht und beschreibt einen Fall, in dem eine Person (der sogenannte Bereicherte) durch das Verhalten einer anderen Person (dem Leistenden) einen Vermögensvorteil erhält, ohne dies verlangt oder gewollt zu haben und oft gegen ihren Willen. Die Rückabwicklung oder Herausgabe dieses Vermögensvorteils ist aufgrund gesetzlicher Regelungen nur unter engen Voraussetzungen möglich und unterliegt dem Bereicherungsrecht, das im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere in den §§ 812 ff. BGB, normiert ist.

Die aufgedrängte Bereicherung wird insbesondere aufgrund ihrer Abweichung vom verschaffungsbezogenen Synallagma und der Leistungszuteilung von der herrschenden Meinung in verschiedenen Fallgruppen behandelt, beispielsweise im Rahmen nicht genehmigter Geschäftsführung ohne Auftrag, oder wenn eine Leistung an Dritte außerhalb vertraglicher Beziehungen erfolgt.

Rechtliche Grundlagen

Gesetzliche Regelung

Die aufgedrängte Bereicherung ist im BGB nicht ausdrücklich normiert, ergibt sich jedoch aus der Systematik der §§ 812 ff. BGB sowie der dazu entwickelten Rechtsprechung und Literatur. Grundlegend ist § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, der einen Anspruch auf Herausgabe einer erhaltenen Leistung vorsieht, sofern der Vermögenszuwachs „durch Leistung“ und „ohne rechtlichen Grund“ erfolgt ist.

Allgemeine Voraussetzungen

Ein Bereicherungsanspruch erfordert grundsätzlich:

  • Etwas erlangt: Der Empfänger muss einen Vermögensvorteil erlangt haben.
  • Durch Leistung: Die Bereicherung muss durch eine Zuwendung eines anderen erfolgt sein.
  • Ohne rechtlichen Grund: Der Rechtsgrund für die Zuwendung fehlt, ist weggefallen oder ist von Anfang an nicht gegeben.

Die aufgedrängte Bereicherung erlangt vor allem Bedeutung, wenn eine Leistung nicht in Übereinstimmung mit dem Willen des Empfängers erfolgt und dieser keinen Rechtsgrund für die Erlangung des Vorteils hat.

Fallbeispiele der Aufgedrängten Bereicherung

Ungewollte Leistungen

Ein klassischer Fall der aufgedrängten Bereicherung ist die Erbringung einer Leistung an eine Person, die mit dieser Leistung nichts zu tun haben möchte und medienrechtlich keinen entsprechenden Vertrag geschlossen hat. So etwa bei der Lieferung nicht bestellter Ware an einen Verbraucher (§ 241a BGB) oder der unaufgeforderten Durchführung von Dienstleistungen (z. B. Reparatur eines Gegenstands, den der Empfänger nicht in Auftrag gegeben hat).

Leistungen an Dritte

Ein weiteres Anwendungsfeld ist die Konstellation, in der jemand an einen Dritten leistet, um seine eigene Schuld gegenüber einer anderen Person zu erfüllen. Der Dritte, der die Leistung erhält, wird berechtigt, obwohl zwischen ihm und dem Leistenden kein Schuldverhältnis besteht.

Nichtgenehmigte Geschäftsführung ohne Auftrag

Auch im Zusammenhang mit der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) kann eine aufgedrängte Bereicherung vorliegen, wenn der Geschäftsführer Handlungen im Interesse des Geschäftsherrn vornimmt, ohne dass zwischen ihnen ein Auftrag besteht oder dieser nachträglich genehmigt wird.

Dogmatische Einordnung

Abgrenzung zur bewussten und gewollten Bereicherung

Die aufgedrängte Bereicherung unterscheidet sich von anderen Bereicherungsfällen durch das Fehlen eines Rechtsverhältnisses sowie des subjektiven Willens des Empfängers, die Leistung entgegenzunehmen. Sie ist damit regelmäßig abzugrenzen von dem Regelfall, in dem jemand eine Leistung bewusst als Erfüllung eines Rechtsverhältnisses empfängt.

Leistungs- und Nichtleistungskondiktion

Zentral für die Rückabwicklung ist die Frage, ob eine Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB) oder eine Nichtleistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB) einschlägig ist. Bei der aufgedrängten Bereicherung handelt es sich dem Inhalt nach häufig nicht um eine bewusste und zweckgerichtete Leistung an den Empfänger, sodass eine Nichtleistungskondiktion diskutiert werden kann.

Anspruchsausschluss bei fehlender Zuweisungsabsicht

Die Rechtsprechung und Literatur vertreten, dass in Fällen, in denen dem Empfänger die Erlangung des Vorteils „aufgedrängt“ wird, ein Bereicherungsanspruch gegen diesen dann ausscheidet, wenn keine Zuweisung des Vorteils an ihn beabsichtigt ist oder der Leistende das Risiko der Zuwendung ohne Anknüpfung an eine entsprechende vertragliche Vereinbarung trägt.

Rechtsfolgen der Aufgedrängten Bereicherung

Herausgabeanspruch

Im Grundsatz wäre der Bereicherte zur Herausgabe oder zum Wertersatz verpflichtet. Allerdings schränken gesetzliche Wertungen und Rechtsprechung die Rückabwicklungsmöglichkeit ein, um Wertungswidersprüche zu vermeiden und vor unzumutbaren Belastungen des Empfängers zu schützen.

Ausschluss des Bereicherungsanspruchs

Gerade im Bereich der aufgedrängten Bereicherung kommt ein Herausgabeanspruch nicht in Betracht, wenn der Empfänger nach Maßgabe von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht mit einer Rückforderung rechnen muss oder ihm kein Wille zur Annahme des Vorteils und keine Rechtsgrundlage für eine Zuteilung vorzuwerfen ist. Beispielsweise ist eine Rückforderung unaufgefordert durchgeführter Reparaturen am Eigentum eines Dritten regelmäßig ausgeschlossen.

Wertersatz und Verwendungsersatz

In Fällen, in denen der Bereicherte den Vorteil nicht mehr herausgeben kann, stellt sich die Frage eines Wertersatzes. Auch hier ist der Anspruch stark eingeschränkt, sofern der Empfänger keinen Anlass und keine Möglichkeit hatte, sich gegen die Vorteilszuwendung zu wehren.

Bedeutung im Verbraucher- und Schuldrecht

Verbraucherschutz

Im Verbraucherschutz ist die aufgedrängte Bereicherung von besonderer Bedeutung, da Verbraucher häufig unbeabsichtigt oder unfreiwillig in den Genuss von Leistungen gelangen können. Der Gesetzgeber schützt sie daher mit § 241a BGB ausdrücklich vor einer Pflicht zur Herausgabe oder Vergütung nicht bestellter Waren oder Dienstleistungen. Der Empfänger ist weder zur Rücksendung noch zur Bezahlung verpflichtet; Ansprüche aus Bereicherungsrecht bestehen nicht.

Schuldrechtliche Beziehungen

Im klassischen Schuldverhältnis ist die Möglichkeit einer aufgedrängten Bereicherung vor allem dann relevant, wenn eine Leistung „an den Falschen“ erbracht wird oder der tatsächliche Empfänger nicht mit der Leistungszuwendung rechnen musste.

Aktuelle Rechtsprechung und Literaturmeinung

Die Rechtsprechung hat die Fälle der aufgedrängten Bereicherung über Jahre stetig konkretisiert. Die wohl maßgeblichen Entscheidungen stammen vom Bundesgerichtshof, der insbesondere im Zusammenhang mit Geschäftsführung ohne Auftrag und Wertsteigerungen fremder Grundstücke eine restriktive Handhabung des Bereicherungsanspruchs befürwortet. Leitgedanke ist eine Abwägung zwischen dem Schutz vor unerwünschter Bereicherung und der Zuordnung von Vorteilen nach dem Rechtsgrund des jeweiligen Schuldverhältnisses.

Auch die Literatur weist darauf hin, dass eine aufgedrängte Bereicherung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen als anspruchsbegründend anerkannt werden kann und dass sonst eine Aushöhlung des Bereicherungsrechts sowie eine Überbürdung der Betroffenen vermieden werden muss.

Zusammenfassung

Die aufgedrängte Bereicherung ist eine besonders gelagerte Konstellation im Bereicherungsrecht, bei der der Empfänger einen Vermögensvorteil ohne Rechtsgrund und oftmals ohne eigenen Willen oder gegen den eigenen Willen erlangt. Rechtlich ist diese Situation vor allem gekennzeichnet durch die eingeschränkte Möglichkeit, eine Rückgabepflicht oder einen Wertersatz zu fordern, was sowohl dem Verbraucherschutz als auch grundlegenden Wertungen des Schuldrechts dient. Die Behandlung der aufgedrängten Bereicherung ist dabei stark durch Rechtsprechung und Literatur geprägt und gehört zu den komplizierteren Bereichen des Bereicherungsrechts.

Häufig gestellte Fragen

In welchen Fällen kommt bei der aufgedrängten Bereicherung eine Rückforderung gemäß § 812 BGB in Betracht?

Bei der aufgedrängten Bereicherung stellt sich regelmäßig die Frage, ob der Bereicherten ein Rückforderungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zusteht. Grundsätzlich ist eine Rückforderung ausgeschlossen, wenn der Empfänger durch die bereichernde Zuwendung gegen seinen Willen und ohne eine steuerbare Entscheidung bereichert wurde. Da es sich um eine nicht freiwillig herbeigeführte oder von einem Vorteilsempfänger gewollte Bereicherung handelt, spricht die herrschende Meinung dem Bereicherten in typischen Fallkonstellationen keinen Rückforderungsanspruch zu. Hintergrund ist das Fehlen eines Zuwendungswillens und die Überlegung, dass sich der Empfänger weder bereichert gefühlt hat noch eine Vermögensverschiebung veranlasst hat. Vielmehr dient die Regelung dazu, eine unbegrenzte Rückabwicklung unerwünschter, einseitiger Vermögensvermehrungen zu vermeiden und die Saldotheorie vor unbilligen Ergebnissen zu schützen. Nur in Ausnahmefällen, etwa bei nachgewiesener Billigung und Annahme des Vorteils oder einer nachträglichen Genehmigung, kann ggf. zugunsten des Bereicherten ein Anspruch entstehen.

Wie grenzt sich die aufgedrängte Bereicherung von einer bewussten und gewollten Zuwendung ab?

Die Abgrenzung erfolgt im Wesentlichen anhand des Willens des Empfängers der Leistung. Im Unterschied zur bewussten und gewollten Zuwendung fehlt es bei der aufgedrängten Bereicherung an einer Verfügung oder konkludenten Annahme der Bereicherung durch den Bereicherten. Die Zuwendung erfolgt unabhängig von einem Willensentschluss oder einer Handlung des Bereicherten. Häufig geschieht dies im Rahmen so genannter Drittverhältnisse (z. B. Verbindungen von Grundstücken durch Nachbarmaßnahmen), bei Leistungen an Mehrfachberechtigte oder im Rahmen unerbetener Leistungen (z. B. Baumaßnahmen für einen Dritten ohne dessen Auftrag). Maßgeblich ist, dass der Empfänger keinerlei Einfluss auf die Bereicherungsmehrung ausübt und ihm diese faktisch „aufgedrängt“ wird.

Welche typischen Fallkonstellationen existieren für aufgedrängte Bereicherungen in der Praxis?

Die aufgedrängte Bereicherung kommt typischerweise vor bei Bauarbeiten (z. B. Errichtung oder Verbesserung eines Gebäudes auf einem fremden Grundstück infolge eines Rechtsirrtums), im Nachbarschaftsrecht (z. B. Anschluss eines Hauses an die Kanalisation, wobei gleichzeitig das Nachbargrundstück mitversorgt wird), sowie bei Leistungen in Mehrpersonenverhältnissen (z. B. Leistung an einen Dritten, wodurch ein anderer eine ungewollte Vermögensmehrung erfährt). Weitere klassische Konstellationen finden sich im Bereicherungsrecht mit Mehrfachberechtigungen oder im Rahmen von Fehlern bei der Leistungserbringung, bei denen ein Dritter begünstigt wird, ohne dies veranlasst zu haben.

Welche Rechte und Pflichten treffen den Bereicherten im Falle einer aufgedrängten Bereicherung?

Der Bereicherte ist in der Regel nicht verpflichtet, die im Rahmen der aufgedrängten Bereicherung erhaltenen Vorteile zurückzugewähren, wenn keine bewusste Annahme der Bereicherung erfolgte und er zur Entstehung des Vorteils nicht beigetragen hat. Ein Rückforderungsrecht gegen den Leistenden besteht meistens nicht. Allerdings darf der Bereicherte den Vorteil nicht willentlich behalten, nachdem er von den Umständen erfährt und eine Billigung des Vorteils erkennbar äußert, da dann eine nachträgliche Annahme oder Genehmigung der Zuwendung vorliegen kann. Auch ein Schadenersatzanspruch (§ 818 Abs. 4 BGB analog) gegen den Bereicherten ist grundsätzlich ausgeschlossen, da der Bereicherte keine Verfügungsmacht über den Vorteil hatte. Eine Ausnahme kann nur dann bestehen, wenn der Bereicherte den Vorteil durch eigenes Handeln zum Nachteil des Leistenden einsetzt.

Welche Rolle spielt das Kausalitätsprinzip und die Zweckgerichtetheit beim Ausschluss von Ansprüchen?

Das Kausalitätsprinzip verlangt, dass Leistung und Bereicherung in einem Zurechnungszusammenhang stehen. Bei aufgedrängter Bereicherung fehlt es oft an einer finalen Zweckrichtung: Der Leistende hat nicht beabsichtigt, dem Bereicherten einen Vorteil zu verschaffen, und der Bereicherte hat keine Entscheidung zur Bereicherung getroffen. Daher fehlt es an der für § 812 BGB erforderlichen Zweckgerichtetheit der Leistung, was regelmäßig den Anspruch ausschließt. Im Rahmen der Saldotheorie wird ferner der Grundsatz verfolgt, dass der Bereicherte die ungewollte Bereicherung in der eigenen Sphäre nicht gegen seinen Willen auf eigene Gefahr rückabwickeln muss. Dies schützt den Bereicherten vor unbilligen Nachteilen und unbeabsichtigten Haftungsrisiken.

Können aufgedrängte Bereicherungen durch vertragliche Vereinbarung ausgeschlossen oder zugelassen werden?

Grundsätzlich ist es möglich, durch vertragliche Vereinbarung zu regeln, ob im Falle einer potenziellen aufgedrängten Bereicherung Rückforderungsansprüche eröffnet werden sollen oder ausgeschlossen werden. Dies kann etwa in Kooperations- oder Nachbarschaftsverträgen erfolgen, in denen geregelt wird, wie mit (unfreiwilligen) Vorteilsverschaffungen zu verfahren ist. Fehlt eine solche Regelung, bleibt es jedoch bei den gesetzlichen Vorgaben. Zu beachten ist allerdings, dass insbesondere Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die einen Bereicherten zu einer Rückgewähr verpflichten würden, strengen Inhaltskontrollen unterliegen und im Zweifel als überraschende oder unangemessene Benachteiligung anzusehen sein können.

Gibt es Unterschiede zwischen der aufgedrängten Bereicherung im deutschen Recht und vergleichbaren Rechtsinstituten anderer Rechtsordnungen?

Im deutschen Recht wird die aufgedrängte Bereicherung eng mit dem Bereicherungsrecht des BGB und dem grundsätzlichen Prinzip der Zweckverfehlung im Austauschverhältnis verknüpft. In anderen Rechtsordnungen, wie etwa im Common Law, existieren vergleichbare Institute (z. B. „unjust enrichment“), allerdings erfolgt dort die Beurteilung häufiger nach Billigkeitsgesichtspunkten und Einzelfallbetrachtung. Die deutschen Regelungen sind hingegen durch das System der Leistungs- und Nichtleistungskondiktion, das Kausalitäts- und Zweckprinzip geprägt. Die strikte Differenzierung zwischen bewusstem Empfang einer Leistung und aufgedrängter Bereicherung ist in diesem Ausmaß selten in anderen Rechtsordnungen zu finden und stellt eine Besonderheit des deutschen Bereicherungsrechts dar.