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Arglist, arglistige Täuschung


Arglist und arglistige Täuschung im deutschen Recht

Begriffserklärung „Arglist“ und „arglistige Täuschung“

Arglist sowie die arglistige Täuschung sind zentrale Begriffe des deutschen Zivilrechts. Sie bezeichnen ein Verhalten, bei dem eine Person vorsätzlich – also wissentlich und willentlich – eine andere Person über Tatsachen täuscht, um diese zu einer Willenserklärung oder zu einem sonstigen Verhalten zu veranlassen. Die arglistige Täuschung kommt vor allem im Zusammenhang mit der Anfechtung von Verträgen (§ 123 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) sowie im Deliktsrecht und besonderen Vorschriften des Kauf- oder Mietrechts zur Anwendung.

Tatbestandsmerkmale der arglistigen Täuschung

Täuschungshandlung

Die Täuschung besteht im Hervorrufen, Bestärken oder Aufrechterhalten eines Irrtums bei einer anderen Person. Dies kann auf unterschiedliche Weise erfolgen, etwa durch aktives Tun (Vorspiegeln falscher Tatsachen), durch konkludentes Verhalten (z.B. Verschweigen erheblicher Mängel) oder in bestimmten Fällen auch durch das Unterlassen von Aufklärung, wenn eine Aufklärungspflicht besteht.

Kausalität zwischen Täuschung und Willenserklärung

Die Willenserklärung – z.B. der Abschluss eines Vertrags – muss gerade durch die Täuschungshandlung hervorgerufen worden sein. Das bedeutet, dass die getäuschte Person ohne die Täuschung die entsprechende Erklärung nicht oder nicht in dieser Form abgegeben hätte (Kausalzusammenhang).

Vorsatz (Arglist)

Arglist liegt vor, wenn der Täuschende weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass seine Äußerung oder sein Verhalten bei dem anderen einen Irrtum auslöst oder aufrechterhält. Erforderlich ist somit bedingter Vorsatz; dies bedeutet, dass der Handelnde nicht unbedingt ein Täuschungsziel verfolgen muss, aber die Täuschung zumindest in Kauf nimmt und sich der Möglichkeit des Irrtums bewusst ist.

Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB)

Wer durch arglistige Täuschung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt wurde, kann diese nach § 123 BGB anfechten. Die Anfechtung führt zur Nichtigkeit der Willenserklärung mit Rückwirkung, sodass auch bereits geschlossene Verträge rückabgewickelt werden müssen.

Anfechtungsfrist

Die Frist für die Anfechtung beginnt mit der Entdeckung der Täuschung und beträgt ein Jahr (§ 124 BGB). Die Anfechtung verjährt spätestens zehn Jahre nach Abgabe der Willenserklärung.

Rechtliche Folgen einer erfolgreichen Anfechtung

Mit wirksamer Anfechtung wird das Gericht so gestellt, als sei die Willenserklärung oder der Vertrag niemals wirksam gewesen. Bereits empfangene Leistungen sind nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) zurückzugewähren.

Bedeutung der arglistigen Täuschung in verschiedenen Rechtsgebieten

Kaufrecht

Im Kaufrecht ist die arglistige Täuschung insbesondere beim Vorliegen von Sachmängeln von Bedeutung. Nach § 442 Abs. 1 S. 2 BGB ist der Käufer trotz Kenntnis eines Mangels zur Geltendmachung von Gewährleistungsrechten berechtigt, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Hierdurch wird die Kenntnis des Mangels beim Käufer rechtlich unbeachtlich.

Mietrecht

Im Mietrecht gilt ein ähnlicher Grundsatz: Hat der Vermieter einen Mangel arglistig verschwiegen, kann sich der Mieter auf diesen Umstand stützen und Schadensersatz oder Rücktritt verlangen. Auch die Verjährung von Ansprüchen ist in Fällen arglistigen Verhaltens gehemmt (§ 548 Abs. 1 Satz 2 BGB analog).

Deliktsrecht

Im Rahmen des Deliktsrechts kann arglistige Täuschung einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB begründen, da die sittenwidrige vorsätzliche Schädigung damit in vielen Fällen bejaht werden kann.

Beweislast und Nachweispflichten

Die Beweislast für das Vorliegen einer arglistigen Täuschung trifft grundsätzlich diejenige Partei, die sich auf die Täuschung beruft – meist also die getäuschte Partei. Der Nachweis erfordert konkrete Tatsachen, die die Täuschungshandlung, den auf sie gerichteten Vorsatz und die Kausalität für die abgegebene Willenserklärung belegen.

Besonderheiten beim Verschweigen von Tatsachen

Das Verschweigen einer Tatsache stellt nicht in jedem Fall eine Täuschung dar. Eine Pflicht zur Aufklärung besteht insbesondere dann, wenn nach Treu und Glauben ein Informationsbedürfnis des Vertragspartners besteht und ein Informationsgefälle vorliegt. Im Bereich des Verbraucherschutzes und bei besonderen Vertragsverhältnissen (z.B. beim Immobilienkauf) werden solche Informationspflichten verstärkt angenommen.

Strafrechtliche Relevanz der arglistigen Täuschung

Eine arglistige Täuschung kann, sofern ein Vermögensschaden als Folge eintritt, strafrechtlich als Betrug gemäß § 263 StGB relevant werden. Während das Zivilrecht auf die Rückabwicklung gerichtet ist, verfolgt das Strafrecht das Ziel der Sanktionierung des Täuschenden.

Unterschied zur einfachen Täuschung oder Irrtum

Nicht jede Täuschung ist zugleich arglistig. Die einfache Täuschung (ohne Vorsatz) genügt zur Anfechtung nach § 123 BGB nicht; es muss der Vorsatz hinzukommen. Ebenso ist ein Irrtum ohne Täuschung nicht ausreichend für die Annahme von Arglist.

Ausschluss der Anfechtung

Die Anfechtbarkeit wegen arglistiger Täuschung ist ausgeschlossen, wenn die Tatsachen nicht wesentlich waren oder die getäuschte Person den Irrtum auch nach Aufklärung über die wahren Umstände nicht aufgegeben hätte. Zudem kann sich der Anfechtungsberechtigte nicht auf die Täuschung berufen, wenn ihm die Unrichtigkeit der Tatsachen bekannt war.


Zusammenfassung:
Der Begriff der Arglist und die Rechtsfigur der arglistigen Täuschung sind wesentliche Elemente des deutschen Zivilrechts. Sie bezwecken den Schutz der Parteien vor willentlicher Irreführung beim Abschluss oder bei der Durchführung von Verträgen. Die umfassenden Rechtsfolgen – von der Anfechtung bis hin zu Ansprüchen auf Schadensersatz – machen die Kenntnis der Voraussetzungen und rechtlichen Einordnung insbesondere für Vertragspartner, Unternehmen und Verbraucher von zentraler Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechte hat der Getäuschte im Falle einer arglistigen Täuschung?

Im Falle einer arglistigen Täuschung stehen dem Getäuschten im deutschen Zivilrecht insbesondere Anfechtungsrechte gemäß § 123 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu. Der Getäuschte kann den angefochtenen Vertrag mit sofortiger Wirkung für nichtig erklären, sofern er innerhalb der Jahresfrist nach Entdeckung der Täuschung anfechtet (§ 124 BGB). Nach erfolgter Anfechtung gilt der Vertrag rückwirkend als von Anfang an nichtig, sodass bereits erbrachte Leistungen grundsätzlich zurückzugewähren sind (Rückabwicklung nach den Regeln des Bereicherungsrechts, §§ 812 ff. BGB). Darüber hinaus können dem Getäuschten Schadensersatzansprüche zustehen, sollte durch die arglistige Täuschung ein Schaden entstanden sein. Die Anspruchsgrundlage ergibt sich dann aus §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB. Das Recht auf Schadensersatz umfasst sowohl das negative Interesse (Vertrauensschaden) als auch das positive Interesse (Erfüllungsschaden), sofern ein Vermögensschaden aufgrund der Täuschung eingetreten ist. Der Getäuschte ist dabei von seiner vertraglichen Bindung befreit und kann, mithilfe der genannten Regelungen, einen umfassenden rechtlichen Schutz verlangen.

Welche Anforderungen stellt die Rechtsprechung an die Nachweisbarkeit von Arglist bei Täuschungen?

Die deutsche Rechtsprechung fordert zur Bejahung der Arglist, dass der Täuschende die Unwahrheit seiner Angaben mindestens für möglich hält und diese billigend in Kauf nimmt. Es genügt dabei der Eventualvorsatz; ein Täuschungswille ist nicht erforderlich. Der Getäuschte muss im Anfechtungsprozess die objektiven Tatsachen vortragen und beweisen, welche auf eine Täuschung hindeuten. Hingegen genügt der Gegenseite der Beweis eines anderen, plausiblen Geschehensablaufs, um die Arglist auszuräumen. Die Nachweisanforderungen sind damit streng, da die subjektive Kenntnis und das vorsätzliche Handeln des Täuschenden nicht selten nur durch Indizien oder Zeugenbeweise dargelegt werden können. Die Gerichte leiten Arglist oftmals aus Umständen ab, die für den Täuschenden offenkundig hätten sein müssen (z.B. gravierende Mängel am Kaufgegenstand, verschwiegene Vorstrafen oder bewusst unvollständige Angaben im Rahmen von Vertragsschlüssen).

Welchen Einfluss hat arglistige Täuschung auf die Verjährungsfristen vertraglicher Ansprüche?

Arglistige Täuschung wirkt sich erheblich auf die gesetzlichen Verjährungsfristen aus. Gemäß § 199 Abs. 3a BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist von Ansprüchen, die aufgrund von arglistiger Täuschung entstehen, nicht vor dem Ende des Jahres, in dem der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt. Dies bedeutet, dass die Verjährung erst dann zu laufen beginnt, wenn der Getäuschte die Täuschung entdeckt. Zudem verlängert sich die Verjährungsfrist auf zehn Jahre ab Entstehung des Anspruchs, maximal 30 Jahre ab dem schädigenden Ereignis (§ 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB). Im Bereich von Kauf- und Werkverträgen verlängert sich insbesondere die Frist für Mängelrechte, wenn der Verkäufer oder Werkunternehmer den Mangel arglistig verschwiegen hat (§ 438 Abs. 3, § 634a Abs. 3 BGB). Somit schützt das Gesetz den Getäuschten weitreichend gegenüber dem Täuschenden.

Kann eine arglistige Täuschung auch durch Unterlassen begangen werden?

Ja, eine arglistige Täuschung kann sowohl durch aktives Tun (z.B. das Vorspiegeln falscher Tatsachen) als auch durch Unterlassen begangen werden. Im Falle des Unterlassens ist entscheidend, dass eine rechtliche Pflicht zur Aufklärung bestand. Diese resultiert etwa aus Gesetz, Vertrag oder aufgrund besonderer Umstände – insbesondere dann, wenn der Vertragspartner nach Treu und Glauben und dem Grundsatz redlicher Geschäftsführung von einer vollständigen Aufklärung ausgehen durfte. Typische Fälle sind das Verschweigen von Sachmängeln bei Immobilien- oder Gebrauchtwagenverkäufen, sofern eine Aufklärungspflicht bestand. Die Rechtsprechung differenziert dabei, ob eine Aufklärung zur Vermeidung der Irreführung geboten war, und ordnet das Unterlassen einer Aufklärung sowie die bewusste Verheimlichung als arglistiges Verhalten ein.

Ist eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung auch bei nichtigen oder schwebend unwirksamen Verträgen möglich?

Die Möglichkeit der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist grundsätzlich auch bei nichtigen sowie bei schwebend unwirksamen Verträgen gegeben. Die Anfechtung hat in solchen Fällen regelmäßig eine sogenannte „Umdeutung“ dieser Rechtsakte zur Folge, da die Täuschung das rechtliche Schicksal eines Vertrages unabhängig von seiner Wirksamkeit beeinflusst. Der Bundesgerichtshof nimmt an, dass auch bei bereits nichtigen Geschäften (z.B. wegen Formmangels) die Anfechtungserklärung erfolgen kann, da sie insbesondere Auswirkungen auf Rückabwicklungs- und Schadensersatzansprüche hat. Im Falle schwebender Unwirksamkeit (etwa bei Verträgen mit Minderjährigen) kann ebenfalls arglistige Täuschung zur Anfechtung berechtigen, wobei die endgültige Wirksamkeit des Vertrages nach Erklärung der Anfechtung entfällt.

Welche Unterschiede bestehen zwischen arglistiger Täuschung und einfacher Täuschung im Zivilrecht?

Der wesentliche Unterschied zwischen arglistiger Täuschung und einfacher (nicht arglistiger) Täuschung liegt im subjektiven Tatbestand: Während bei der einfachen Täuschung bereits nachlässiges oder fahrlässiges Verhalten ausreichend ist, setzt die arglistige Täuschung Kenntnis oder zumindest das billigende Inkaufnehmen der Unrichtigkeit voraus. Zudem unterscheiden sich die Rechtsfolgen: Nur bei arglistiger Täuschung eröffnen sich die besonderen gesetzlichen Schutzmechanismen wie verlängerte Verjährungsfristen, verstärkte Anfechtungsrechte und besondere Schadenersatzansprüche. Die Anforderungen an den Nachweis sind bei der Arglist entsprechend höher, während bei einfacher Täuschung in der Regel keine Anfechtung nach § 123 BGB und keine spezialgesetzlichen Ausnahmen greifen. Dementsprechend erfasst das Gesetz arglistiges Verhalten mit deutlich strengeren, getäuschtenfreundlichen Konsequenzen.

Welche Besonderheiten gelten bei arglistiger Täuschung im Zusammenhang mit Immobilienkäufen?

Bei Immobilienkaufverträgen werden an die Aufklärungspflicht erhöhte Anforderungen gestellt. Verkäufer sind grundsätzlich verpflichtet, dem Käufer alle ihnen bekannten, wesentlichen Mängel (vor allem versteckte Sachmängel und Altlasten) ungefragt mitzuteilen. Das Verschweigen solcher Umstände kann als arglistige Täuschung gewertet werden. Die Rechtsprechung geht regelmäßig davon aus, dass besonders schwerwiegende oder verdeckte Mängel, die den Wert oder die Nutzung des Grundstücks erheblich beeinträchtigen, immer offenbart werden müssen. Bei Vorliegen arglistiger Täuschung greift im Immobilienrecht die Verlängerung der Verjährungsfrist für Mängelgewährleistungsansprüche von drei auf zehn Jahre (§ 438 Abs. 3 BGB). Zudem verliert ein im Kaufvertrag vereinbarter Gewährleistungsausschluss seine Wirkung, sofern der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Der Käufer kann dann neben der Anfechtung auch Schadenersatz verlangen und den Rücktritt vom Vertrag erklären.