Arglist, arglistige Täuschung
Arglist, häufig als arglistige Täuschung bezeichnet, beschreibt ein Verhalten, bei dem eine Person eine andere durch bewusst falsche Angaben oder das bewusste Verschweigen wesentlicher Umstände irreführt, um deren Entscheidung zu beeinflussen. Der Begriff spielt insbesondere im Vertragsrecht eine zentrale Rolle, kann aber auch in anderen Rechtsgebieten bedeutsam sein.
Begriff und Kernidee
Arglist setzt einen Täuschungsakt voraus, der auf die Herbeiführung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums gerichtet ist. Wesentlich ist, dass der Täuschende zumindest in Kauf nimmt, dass seine Angaben falsch sind oder dass sein Schweigen über aufklärungspflichtige Tatsachen die andere Seite irreführt. Die Täuschung muss geeignet sein, die Willensbildung des Gegenübers zu beeinflussen, und tatsächlich ursächlich für dessen Entscheidung sein.
Tatbestandsmerkmale
Täuschungshandlung (Tun oder Unterlassen)
- Positives Tun: bewusste Falschbehauptungen oder die Darstellung unzutreffender Tatsachen.
- Unterlassen: Verschweigen aufklärungspflichtiger Umstände, sofern eine Pflicht zur Offenbarung besteht (etwa bei wesentlichen, nicht ohne Weiteres erkennbaren Mängeln oder besonderen Vertrauenslagen).
Vorsatz und Wissenselement
Arglist verlangt Vorsatz. Ausreichend ist regelmäßig, dass der Täuschende die Möglichkeit der Unrichtigkeit erkennt und sie billigend in Kauf nimmt. Reine Unachtsamkeit oder Irrtum ohne Vorsatz genügen nicht.
Kausalität und Irrtum
Die Täuschung muss einen Irrtum hervorrufen oder aufrechterhalten und für die Entscheidung des Getäuschten mitursächlich sein. Es genügt, wenn die Angabe geeignet war, die Entscheidung zu beeinflussen und dies im konkreten Fall auch tat.
Erscheinungsformen der Täuschung
Täuschung durch positives Tun
Darstellung unrichtiger Fakten, geschönte Leistungsdaten, Vortäuschung nicht vorhandener Eigenschaften oder Verharmlosung wesentlicher Risiken.
Täuschung durch Unterlassen
Verschweigen solcher Informationen, zu deren Mitteilung eine Aufklärungspflicht besteht. Aufklärungspflichten entstehen besonders bei erheblichen, verborgenen Tatsachen, die für den Vertragszweck bedeutsam sind und mit zumutbarem Aufwand nicht selbst ermittelbar sind.
Täuschung durch Dritte
Irreführungen von Vermittlern oder Mitarbeitern können dem Vertragspartner zugerechnet werden, wenn sie im dessen Verantwortungs- oder Aufgabenbereich handeln.
Werbung und Tatsachenbehauptung
Zulässige Anpreisungen sind von überprüfbaren Tatsachenbehauptungen abzugrenzen. Arglist setzt regelmäßig eine falsche Tatsachenangabe oder das Verschweigen wesentlicher Tatsachen voraus, nicht bloß subjektive Wertungen.
Abgrenzungen
Irrtum ohne Täuschung
Eigene Fehlvorstellungen des Vertragspartners ohne Einwirkung der Gegenseite sind keine arglistige Täuschung.
Fahrlässige Falschangabe
Unrichtige Angaben aufgrund mangelnder Sorgfalt sind keine Arglist. Erforderlich ist bewusstes oder zumindest billigendes Inkaufnehmen der Unrichtigkeit.
Meinungsäußerung vs. Tatsache
Subjektive Einschätzungen sind grundsätzlich keine Tatsachen. Wird eine Bewertung jedoch mit konkreten, falschen Tatsachen untermauert oder als gesichert dargestellt, kann eine Täuschung vorliegen.
Beweis und Indizien
Beweislast
Grundsätzlich trägt diejenige Seite, die sich auf Arglist beruft, die Verantwortung für den Nachweis der Täuschung, des Vorsatzes und der Ursächlichkeit für die Entscheidung.
Typische Indizien
- Kenntnis wesentlicher Mängel und gleichzeitige aktive Verharmlosung oder Verschleierung.
- Zurückhalten von Unterlagen oder selektive Offenlegung.
- Widersprüchliche Aussagen, nachträgliche Anpassungen von Angaben.
- Systematisches Vorgehen, das auf Irreführung angelegt ist.
Typische Anwendungsfelder
Kauf von Sachen und Immobilien
Verschweigen verborgener Mängel oder falsche Angaben zur Beschaffenheit, zum Alter, zur Nutzung oder zu Belastungen.
Mietverhältnisse
Nichtmitteilung gravierender, nicht offenkundiger Umstände wie Feuchtigkeitsschäden oder geplanter Baumaßnahmen, soweit aufklärungspflichtig.
Versicherungsverhältnisse
Unzutreffende oder unvollständige Angaben bei der Vertragsanbahnung über gefahrerhebliche Umstände.
Arbeitsverhältnisse
Falsche Tatsachenangaben bei Einstellungsvoraussetzungen, soweit diese Angaben für die Entscheidung maßgeblich sind.
Online-Handel
Produktbeschreibungen mit objektiv falschen Angaben oder Verschweigen wesentlicher Eigenschaften, die für die Kaufentscheidung erheblich sind.
Rechtsfolgen
Anfechtung und Rückabwicklung
Der getäuschte Teil kann sich regelmäßig vom Vertrag lösen. Dies führt zur Rückabwicklung: empfangene Leistungen sind zurückzugewähren, wirtschaftliche Wirkungen werden rückgängig gemacht.
Schadensersatz
Neben oder statt einer Auflösung des Vertrags kommen Ersatzansprüche in Betracht. Erfasst werden typischerweise die Vermögenseinbußen, die durch das Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben entstanden sind.
Fristen und Verjährung
Für die Anfechtung gilt in der Regel eine kurze Frist, die mit der Entdeckung der Täuschung beginnt. Schadenersatzansprüche unterliegen typischerweise einer mehrjährigen Verjährung, die häufig mit dem Jahresende der Kenntnis von Person und Umständen anläuft; daneben bestehen Höchstfristen. Spezielle Fristen einzelner Vertragstypen können abweichen; bei Arglist können längere Fristen greifen.
Bezüge zum Strafrecht
Eine arglistige Täuschung kann die Voraussetzungen einer Straftat erfüllen. Zivilrechtliche und strafrechtliche Beurteilungen sind unabhängig voneinander; der zivilrechtliche Begriff der Arglist deckt sich nicht in jedem Detail mit strafrechtlichen Begriffen.
Besondere Konstellationen
Vorvertragliche Aufklärungspflichten
Bereits während der Vertragsanbahnung bestehen Pflichten, über erhebliche, für die Entscheidung relevante Umstände zutreffend zu informieren. Deren Verletzung kann Arglist begründen.
Zurechnung fremden Verhaltens
Das Verhalten von Vertretern, Vermittlern oder Mitarbeitern kann dem Vertragspartner zugerechnet werden, wenn sie im Rahmen des zugewiesenen Aufgabenbereichs handeln.
Bestätigung des Vertrags
Wer nach sicherer Kenntnis der Täuschung den Vertrag ausdrücklich oder konkludent aufrechterhält, kann Rechte wegen der Täuschung verlieren.
Häufig gestellte Fragen
Was bedeutet Arglist im privaten Rechtsverkehr?
Arglist bedeutet, dass eine Person eine andere bewusst über wesentliche Tatsachen täuscht oder solche Tatsachen trotz bestehender Aufklärungspflicht verschweigt, um deren Entscheidung zu beeinflussen. Erforderlich ist Vorsatz; bloße Unachtsamkeit genügt nicht.
Reicht grobe Fahrlässigkeit für arglistige Täuschung aus?
Nein. Arglist setzt Vorsatz voraus. Grobe Fahrlässigkeit ist zwar ein schwerer Sorgfaltsverstoß, aber ohne zumindest billigendes Inkaufnehmen der Unrichtigkeit liegt keine Arglist vor.
Wann liegt eine Täuschung durch Unterlassen vor?
Eine Täuschung durch Unterlassen liegt vor, wenn über wesentliche, für die Entscheidung bedeutsame Umstände geschwiegen wird, obwohl eine Pflicht zur Aufklärung besteht. Dies betrifft insbesondere verborgene, nicht ohne Weiteres erkennbare Umstände, deren Kenntnis für den Vertragszweck entscheidend ist.
Wer muss Arglist beweisen?
Grundsätzlich muss diejenige Seite, die sich auf arglistige Täuschung beruft, die Täuschung, den Vorsatz und die Ursächlichkeit für die Entscheidung darlegen und nachweisen. Direkter Beweis ist selten; häufig stützen sich Feststellungen auf Indizien.
Welche Rechtsfolgen hat arglistige Täuschung für einen Vertrag?
Es besteht regelmäßig die Möglichkeit, sich vom Vertrag zu lösen, mit der Folge der Rückabwicklung. Daneben können Schadenersatzansprüche bestehen, die auf den Ausgleich der durch die Täuschung verursachten Vermögensnachteile gerichtet sind.
Welche Fristen gelten bei arglistiger Täuschung?
Die Anfechtung muss in der Regel innerhalb einer kurzen Frist ab Entdeckung der Täuschung erklärt werden. Ansprüche auf Schadenersatz verjähren typischerweise innerhalb mehrerer Jahre ab Kenntnis, wobei Höchstfristen gelten. Einzelne Vertragstypen können besondere Fristen vorsehen.
Ist irreführende Werbung bereits arglistige Täuschung?
Nicht jede werbliche Übertreibung ist eine Täuschung. Maßgeblich ist, ob überprüfbare Tatsachen falsch dargestellt oder wesentliche Informationen vorenthalten wurden und dies die Entscheidung beeinflusst hat. Reine Anpreisungen ohne Tatsachenbezug genügen nicht.
Kann arglistige Täuschung auch strafrechtliche Folgen haben?
Ja, arglistiges Verhalten kann strafrechtlich relevant sein. Ob die Voraussetzungen einer Straftat vorliegen, wird unabhängig von der zivilrechtlichen Beurteilung geprüft und folgt eigenen Kriterien.