Begriff und Einordnung: Was ist ein Anwaltsvergleich?
Ein Anwaltsvergleich ist eine einvernehmliche Einigung zwischen zwei Parteien, die durch ihre jeweiligen Rechtsanwältinnen oder Rechtsanwälte ausgehandelt und in einer rechtlich verbindlichen Form festgehalten wird. Er dient der Beendigung oder Vermeidung eines Rechtsstreits. Kennzeichnend ist, dass die Einigung nicht zwingend in einem Gerichtstermin zustande kommt, sondern häufig durch schriftliche Erklärungen der beteiligten Kanzleien. Unter bestimmten formalen Voraussetzungen kann ein Anwaltsvergleich die gleiche Wirkung wie ein vor Gericht protokollierter Vergleich entfalten, einschließlich der Möglichkeit der Zwangsvollstreckung.
Abgrenzung zu anderen Vergleichsformen
Außergerichtlicher Vergleich
Ein außergerichtlicher Vergleich wird ohne Beteiligung eines Gerichts geschlossen und ist grundsätzlich ein privatrechtlicher Vertrag. Er beendet die Auseinandersetzung, ist jedoch für sich genommen nicht unmittelbar vollstreckbar, sofern keine besondere Form der Titulierung hinzutritt.
Gerichtlicher Vergleich (Prozessvergleich)
Ein gerichtlicher Vergleich wird im Rahmen eines Gerichtsverfahrens protokolliert. Er ist regelmäßig ohne zusätzliche Schritte vollstreckbar und beendet das Verfahren unmittelbar.
Anwaltsvergleich als besondere Form
Der Anwaltsvergleich steht zwischen diesen Varianten: Er wird durch die Rechtsvertretungen ausgehandelt und schriftlich dokumentiert. Wird die dafür vorgesehene gerichtliche Einbeziehung eingehalten, kann er einem gerichtlichen Vergleich in seiner Durchsetzbarkeit gleichstehen, obwohl kein gemeinsamer Gerichtstermin stattfindet.
Zustandekommen und Form
Voraussetzungen
- Beiderseitige Vertretung durch Rechtsanwältinnen oder Rechtsanwälte
- Wirksame Vertretungsmacht zur Einigung und Beendigung des Streits
- Gegenseitiges Nachgeben in zumindest einem Punkt (Kern des Vergleichsgedankens)
- Klare, bestimmte und widerspruchsfreie Regelungen
Form und Dokumentation
Der Anwaltsvergleich wird in der Praxis schriftlich festgehalten und zwischen den Vertretungen ausgetauscht. Für eine der Vollstreckung gleichstehende Wirkung ist regelmäßig eine Einbindung des Gerichts erforderlich, etwa durch Übermittlung des Vergleichstextes an das Gericht und eine dort vorgesehene Feststellung oder Protokollierung ohne mündliche Verhandlung. Dadurch kann der Vergleich einen vollstreckbaren Titelstatus erlangen.
Besondere Formzwänge bestimmter Inhalte
Enthält der Vergleich Regelungen, die nach dem Gesetz einer besonderen Form vorbehalten sind (beispielsweise notarielle Beurkundung), kann ein Anwaltsvergleich diese nicht ersetzen. In solchen Fällen sind zusätzliche formale Schritte erforderlich, damit die Vereinbarung wirksam ist.
Typische Inhalte eines Anwaltsvergleichs
- Gegenstand der Einigung (Ansprüche, Leistungen, Verhaltenspflichten)
- Zahlungsregelungen, Fristen und Fälligkeiten
- Sicherheiten und Verzugsfolgen
- Regelungen zur Beendigung eines anhängigen Verfahrens
- Erledigungsklauseln und wechselseitige Abgeltungen
- Kostenregelung (Gerichts- und Anwaltskosten sowie Auslagen)
- Vollstreckungsunterwerfung bzw. Hinweise zur Vollstreckbarkeit, sofern vorgesehen
- Vertraulichkeits- oder Kommunikationsregelungen
- Widerrufsvorbehalte mit klaren Fristen, falls vereinbart
Rechtswirkungen
Bindungswirkung
Mit Abschluss des Anwaltsvergleichs sind die Parteien an die vereinbarten Regelungen gebunden. Im Rahmen eines anhängigen Rechtsstreits führt der wirksam eingebundene Anwaltsvergleich zur Beendigung des Verfahrens in Bezug auf den geregelten Streitgegenstand.
Streitbeendigung und Präklusion
Der Vergleich beendet den Konflikt über die geregelten Punkte. Eine erneute Geltendmachung desselben Streitstoffs ist grundsätzlich ausgeschlossen, soweit der Vergleich den Anspruch abschließend regelt.
Vollstreckbarkeit
Ein Anwaltsvergleich kann die Durchsetzung in Form der Zwangsvollstreckung ermöglichen, sofern die hierfür vorgesehenen verfahrensrechtlichen Schritte eingehalten werden. Hierzu gehört regelmäßig eine gerichtliche Mitwirkung an der Feststellung oder Protokollierung des Vergleichs ohne Präsenztermin. Mit dieser Einbindung kann der Vergleich wie ein vollstreckbarer Titel behandelt werden. Liegt lediglich ein rein privatschriftlicher Vergleich ohne gerichtliche Einbindung vor, bedarf es für die Vollstreckung einer zusätzlichen Titulierung.
Wirksamkeit, Fehlerquellen und Anfechtung
Mögliche Wirksamkeitshindernisse
- Fehlende oder überschrittene Vertretungsmacht
- Unklarer oder widersprüchlicher Regelungsinhalt
- Verstoß gegen zwingende gesetzliche Vorgaben
- Formmängel bei Inhalten, die besonderer Form bedürfen
Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe
Ein Anwaltsvergleich kann unter den allgemeinen Voraussetzungen angefochten oder als unwirksam behandelt werden, etwa bei Irrtum, Täuschung, Drohung oder Sittenverstoß. Ist der Vergleich bereits als Titel ausgestaltet, stehen verfahrensrechtliche Mechanismen zur Verfügung, um der Vollstreckung entgegenzutreten oder die Unwirksamkeit geltend zu machen. Die konkreten Wege richten sich nach dem jeweiligen Verfahrensstand und der Art der Titulierung.
Kosten und Kostentragung
Häufig enthält der Anwaltsvergleich eine ausdrückliche Kostenklausel, die regelt, wer Gerichts- und Anwaltskosten trägt. Fehlt eine solche Klausel, erfolgt eine Entscheidung nach den einschlägigen Kostenregeln des jeweiligen Verfahrens. Die Vergütung der beteiligten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte richtet sich nach den maßgeblichen Gebührentatbeständen oder gegebenenfalls getroffenen Honorarvereinbarungen.
Besondere Konstellationen
Arbeitsrecht, Mietrecht, Familien- und Erbrecht
Der Anwaltsvergleich wird in verschiedenen Rechtsgebieten eingesetzt. In einzelnen Bereichen können zusätzliche Genehmigungen, Schutzbestimmungen oder Formvorgaben bestehen, die den Inhalt oder die Durchsetzbarkeit beeinflussen.
Grenzüberschreitende Bezüge
Für die Durchsetzung außerhalb Deutschlands ist relevant, ob der Anwaltsvergleich als gerichtlich bestätigte Einigung gilt. Die Anerkennung im Ausland hängt von den jeweils geltenden Regelungen und gegebenenfalls von unionsrechtlichen oder internationalen Bestimmungen ab.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Anwaltsvergleich
Was unterscheidet den Anwaltsvergleich von einem rein außergerichtlichen Vergleich?
Der Anwaltsvergleich wird durch die beteiligten Rechtsvertretungen abgeschlossen und kann unter Einbindung des Gerichts eine mit einem gerichtlichen Vergleich vergleichbare Vollstreckbarkeit erreichen. Ein rein außergerichtlicher Vergleich ist dagegen grundsätzlich nur ein privater Vertrag ohne unmittelbare Titelwirkung.
Ist ein Anwaltsvergleich ohne Gerichtsverhandlung vollstreckbar?
Ja, sofern die hierfür vorgesehene gerichtliche Einbindung erfolgt, etwa durch Übermittlung und gerichtliche Feststellung oder Protokollierung außerhalb eines Termins. Ohne diese Einbindung bleibt der Vergleich regelmäßig nicht unmittelbar vollstreckbar.
Benötigen die Rechtsanwältinnen oder Rechtsanwälte eine besondere Vollmacht für den Abschluss?
Erforderlich ist eine wirksame Vertretungsmacht für den Abschluss eines Vergleichs. Diese folgt üblicherweise aus der Prozessvollmacht oder einer gesonderten Bevollmächtigung und muss den Umfang der Einigungsbefugnis abdecken.
Kann ein Anwaltsvergleich widerrufen werden?
Ein Widerruf ist nur möglich, wenn dies im Vergleich ausdrücklich vorgesehen ist (Widerrufsvorbehalt) und die Frist eingehalten wird. Ohne eine solche Vereinbarung ist der Vergleich nach Einigung grundsätzlich bindend.
Welche Inhalte müssen in einem Anwaltsvergleich enthalten sein?
Erforderlich sind klare Regelungen zu Leistung und Gegenleistung, Fristen, etwaigen Sicherheiten, der Kostenfrage sowie zur Erledigung des Streits. Ergänzend kommen Klauseln zur Vollstreckbarkeit, Vertraulichkeit und Abgeltung in Betracht.
Unterliegt der Anwaltsvergleich besonderen Formerfordernissen?
Der Vergleich wird schriftlich dokumentiert und zwischen den Rechtsvertretungen ausgetauscht. Für die Vollstreckbarkeit ist regelmäßig eine gerichtliche Einbindung vorgesehen. Enthält der Vergleich Inhalte, die gesetzlich besonderer Form bedürfen, sind diese zusätzlichen Anforderungen zu beachten.
Wie wirkt sich der Anwaltsvergleich auf ein laufendes Gerichtsverfahren aus?
Er beendet das Verfahren hinsichtlich der geregelten Ansprüche. Mit der gerichtlichen Einbindung wird die Einigung verfahrensrechtlich wirksam umgesetzt und kann die Grundlage für eine Zwangsvollstreckung bilden.
Kann ein fehlerhafter Anwaltsvergleich angefochten werden?
Ja, unter den allgemeinen Voraussetzungen, etwa bei Irrtum, Täuschung oder Drohung. Zudem können Formmängel oder fehlende Vertretungsmacht zur Unwirksamkeit führen. Besteht bereits Titelwirkung, stehen verfahrensrechtliche Wege zur Verfügung, um sich gegen die Vollstreckung zu wenden.