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Anfangsvermögen


Begriff und rechtliche Einordnung: Anfangsvermögen

Das Anfangsvermögen ist ein zentraler Begriff im deutschen Familienrecht und spielt insbesondere im Zusammenhang mit dem ehelichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gemäß §§ 1363 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) eine bedeutende Rolle. Es bezeichnet den Wert des Vermögens, das ein Ehegatte bei Eintritt des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft besitzt. Das Anfangsvermögen bildet die Vergleichsgröße für die Berechnung des sogenannten Zugewinns im Falle der Beendigung des Güterstandes, etwa durch Scheidung, Tod eines Ehegatten oder Wechsel des Güterstands.

Gesetzliche Regelung des Anfangsvermögens

Das Anfangsvermögen ist in § 1374 BGB gesetzlich geregelt. Hier wird definiert, was zum Anfangsvermögen zählt und wie es zu ermitteln ist.

Definition und Abgrenzung des Anfangsvermögens

Gemäß § 1374 Abs. 1 BGB umfasst das Anfangsvermögen die Vermögenswerte eines Ehegatten abzüglich der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verbindlichkeiten am Tag der Eheschließung, bzw. bei späterer Vereinbarung des Güterstandes am Tag des Eintritts in selbigen. Maßgeblich ist stets der Zeitpunkt, zu dem die Zugewinngemeinschaft beginnt.

Für die Ermittlung werden folgende Aspekte berücksichtigt:

  • Aktiva: Geldvermögen, Immobilien, Wertpapiere, bewegliche Sachen, wie zum Beispiel Fahrzeuge oder Schmuck, sowie sonstige Vermögensgegenstände.
  • Passiva: Schulden und Verbindlichkeiten, die zum maßgeblichen Zeitpunkt bestehen.

Das Anfangsvermögen kann sowohl positiv als auch, im Falle einer Überschuldung, negativ sein (sog. negatives Anfangsvermögen).

Besonderheiten: Privilegiertes Anfangsvermögen

§ 1374 Abs. 2 BGB erweitert das Anfangsvermögen um das sogenannte „privilegierte Anfangsvermögen“. Hierunter fallen Vermögenswerte, die ein Ehegatte nach Eintritt des Güterstandes entweder durch Erbschaft, Vermächtnis oder durch Schenkung von Dritten erwirbt. Diese Vermögenswerte werden dem Anfangsvermögen hinzugerechnet, um sie aus dem gemeinsam während der Ehezeit erworbenen Zugewinn herauszuhalten. Voraussetzung ist, dass sie zum Zeitpunkt der Beendigung des Güterstandes noch im Vermögen des Ehegatten vorhanden sind.

Beispiel privilegiertes Anfangsvermögen

Erbt eine Ehefrau während der Ehe ein Grundstück und verkauft dieses später vor Beendigung der Zugewinngemeinschaft, wird der Verkaufserlös dem Anfangsvermögen hinzugerechnet, sofern er noch vorhanden ist.

Ermittlung und Bewertung des Anfangsvermögens

Zeitpunkt der Bewertung

Für die Bewertung des Anfangsvermögens kommt es auf den Beginn der Zugewinngemeinschaft an:

  • In der Regel ist dies der Tag der Eheschließung.
  • Erfolgt der Wechsel in die Zugewinngemeinschaft durch Ehevertrag zu einem späteren Zeitpunkt, ist dieser Tag maßgeblich.

Bewertung der Vermögensgegenstände

Das Anfangsvermögen ist grundsätzlich mit dem gemeinen Wert (Verkehrswert) der einzelnen Vermögensgegenstände zu bewerten. Es gelten folgende Grundsätze:

  • Immobilien werden nach Verkehrswert unter Berücksichtigung der jeweiligen Marktlage bewertet.
  • Wertpapiere und Bankguthaben zum jeweiligen Kurs/Saldo.
  • Unternehmensbeteiligungen oder Gesellschaftsanteile werden anhand bestehender Gutachten geschätzt.

Bewertung ausländischen Vermögens

Ist ausländisches Vermögen vorhanden, wird dieses ebenfalls berücksichtigt, wobei ausländisches Recht und der entsprechende Marktwert zugrunde zu legen sind.

Beweislast und Nachweispflicht

Die Nachweispflicht für das Anfangsvermögen trägt nach den Regeln des Familienrechts grundsätzlich derjenige Ehegatte, der sich auf ein bestimmtes Anfangsvermögen beruft. Detaillierte Belege, z.B. Kontoauszüge, Wertgutachten oder Urkunden, sind beizubringen. Kann das Anfangsvermögen nicht nachgewiesen werden, wird grundsätzlich vermutet, dass zu Beginn der Zugewinngemeinschaft kein Anfangsvermögen vorhanden war (§ 1377 BGB).

Nachweisproblematik und Beweislastverteilung

Die Beweislastumkehr kann eintreten, wenn der andere Ehegatte das Gegenteil behauptet. Verbleibende Zweifel gehen zulasten des beweisführenden Ehegatten.

Rechtliche Funktion des Anfangsvermögens im Zugewinnausgleich

Das Anfangsvermögen bildet zusammen mit dem Endvermögen die Vergleichsgrößen zur Ermittlung des Zugewinns eines jeden Ehegatten:

  • Anfangsvermögen: Vermögenswerte zu Beginn der Ehe (abzüglich Verbindlichkeiten)
  • Endvermögen: Vermögenswerte bei Beendigung des Güterstandes (abzüglich Verbindlichkeiten)
  • Zugewinn: Unterschiedsbetrag zwischen Endvermögen und Anfangsvermögen (§ 1373 BGB)

Im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung wird der erwirtschaftete Zugewinn unter den Ehegatten ausgeglichen. Das Anfangsvermögen gewährleistet, dass nur während des Bestehens der Zugewinngemeinschaft erzielte Vermögensmehrungen am Zugewinnausgleich teilnehmen.

Schutz persönlicher Zuwendungen über das Anfangsvermögen

Durch die Hinzurechnung von Erbschaften und Schenkungen zum Anfangsvermögen schützt das Gesetz persönliche Zuwendungen eines Ehegatten vor dem Zugewinnausgleich. Sinn und Zweck ist es, unentgeltliche persönlich erlangte Vermögenswerte, die nicht Ergebnis gemeinsamer Eheanstrengungen sind, vom Zugewinnausgleich auszunehmen.

Gerichtliche Durchsetzung und Streitfragen

Die gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen im Zusammenhang mit dem Anfangsvermögen erfolgt im Wege des Zugewinnausgleichverfahrens. Typische Streitfragen sind:

  • Die korrekte Bewertung von Vermögensgegenständen
  • Die Nachweisbarkeit von Anfangsvermögen oder privilegiertem Anfangsvermögen
  • Die Frage nach der Surrogation (Ersatz von Vermögensgegenständen mit Mitteln aus Schenkungen oder Erbschaften)

Gerichte setzen häufig Sachverständige zur Wertermittlung ein und entscheiden im Rahmen der Amtsermittlung über die Höhe des Anfangsvermögens.

Ausschluss und Modifikationen des Anfangsvermögens

Ehegatten können im Rahmen eines Ehevertrags vom gesetzlichen Güterstand abweichen oder individuelle Regelungen zum Anfangsvermögen treffen, sofern diese nicht gegen gesetzliche Vorgaben oder die guten Sitten verstoßen.

Zusammenfassung

Das Anfangsvermögen ist ein Schlüsselbegriff im deutschen Familienrecht beim Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Es umfasst das Vermögen eines Ehegatten bei Eintritt der Gemeinschaft, inklusive besonderer Zuwendungen während der Ehe. Die genaue Feststellung und Bewertung ist für den Zugewinnausgleich von maßgeblicher Bedeutung und schafft Rechtssicherheit für die Vermögensauseinandersetzung im Falle der Auflösung des Güterstandes. Die gesetzlichen Regelungen zu Anfangsvermögen gewährleisten einen fairen Ausgleich und den Schutz persönlicher Erwerbe innerhalb der Ehe.

Häufig gestellte Fragen

Wie wird das Anfangsvermögen rechtlich im Zugewinnausgleich festgestellt?

Im Rahmen des Zugewinnausgleichs nach deutschem Familienrecht ist das Anfangsvermögen eines jeden Ehegatten der Vermögenswert, den er am Tag der Eheschließung besitzt. Zur Feststellung des Anfangsvermögens sind gemäß § 1374 BGB sowohl positive Vermögenswerte wie Immobilien, Bankguthaben oder Wertpapiere als auch Schulden oder Verbindlichkeiten zu berücksichtigen. Jeder Ehegatte ist rechtlich verpflichtet, sein Anfangsvermögen offen zu legen und durch geeignete Unterlagen wie Kontoauszüge, Grundbuchauszüge oder Schuldennachweise detailliert zu belegen. Schwierigkeiten entstehen oft durch fehlende oder nur lückenhaft vorhandene Nachweise, insbesondere bei langlebigen Ehen, weshalb der Gesetzgeber in diesen Fällen eine Schätzung nach § 287 ZPO ermöglicht. Wichtig ist, dass nichtberücksichtigte Vermögenswerte im Trennungsfall nicht nachträglich geltend gemacht werden können, weshalb eine lückenlose Dokumentation bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung dringend zu empfehlen ist.

Welche besonderen rechtlichen Regelungen gelten beim Anfangsvermögen im Falle von Erbschaften oder Schenkungen?

Erbschaften und Schenkungen, die ein Ehegatte während der Ehe erhält, werden dem Anfangsvermögen nach § 1374 Absatz 2 BGB hinzugerechnet – und zwar unabhängig davon, wann diese Zuwendungen erfolgen. Ziel dieser Regelung ist es, solche Zuwächse vom Zugewinnausgleich auszunehmen, sodass sie dem Ehegatten, der sie erhalten hat, allein zugutekommen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Eingang und Wert der Erbschaft oder Schenkung rechtssicher nachgewiesen werden kann. Die Übertragung der Werte erfolgt gedanklich als fiktive Einlage zum Zeitpunkt der Eheschließung; eine tatsächliche Rückdatierung ist nicht notwendig. Nicht erfasst werden hingegen Schenkungen zwischen Ehegatten, da diese regelmäßig dem Zugewinn unterliegen.

Wie werden Schulden im Anfangsvermögen rechtlich berücksichtigt?

Schulden werden im Anfangsvermögen vollumfänglich berücksichtigt, wobei ein negatives Anfangsvermögen möglich ist. Rechtliche Voraussetzung ist der Nachweis, dass diese Verbindlichkeiten am Tag der Eheschließung tatsächlich bestanden haben. Hierzu ist eine schriftliche Dokumentation, zum Beispiel durch Kreditverträge, Darlehensauszüge oder Schuldnerbescheinigungen, notwendig. Wird ein negatives Anfangsvermögen festgestellt, führt dies im Zugewinnausgleich dazu, dass tatsächlich erst ein Ausgleichsanspruch entsteht, wenn das Endvermögen nicht nur die damaligen Schulden, sondern auch ein Vermögenszuwachs darüber hinaus aufweist. Besonders zu beachten ist, dass nachträgliche Reduzierungen der Schulden nach Eheschließung bereits dem Zugewinn zuzurechnen sind und nicht rückwirkend das Anfangsvermögen erhöhen.

Welche Beweislastregelung gilt bei der Darlegung des Anfangsvermögens?

Grundsätzlich trägt jeder Ehegatte die Beweislast für die Bestandteile und die Höhe seines eigenen Anfangsvermögens. Kann ein Ehegatte dies nicht ausreichend belegen, wird sein Anfangsvermögen gemäß § 1377 BGB mit Null angesetzt – dem sogenannten Nullansatz. Die Beweisführung erfolgt durch Vorlage geeigneter Unterlagen wie Konto- oder Depotauszüge, Urkunden oder Zeugenaussagen. Die Rechtsprechung verlangt hierbei eine nachvollziehbare Dokumentation; bloße Behauptungen reichen nicht aus. Im Streitfall kann das Familiengericht eine Schätzung vornehmen, wobei die Schätzung tendenziell zugunsten des beweisführenden Ehegatten ausfallen sollte, sofern Anhaltspunkte für das Vorhandensein von Vermögenswerten bestehen.

Welche rechtlichen Folgen hat ein unzutreffend angegebenes Anfangsvermögen im Scheidungsverfahren?

Die Angabe eines fehlerhaften oder bewusst falsch deklarierten Anfangsvermögens kann erhebliche rechtliche Nachteile nach sich ziehen. Stellt das Gericht im Rahmen des Scheidungsverfahrens fest, dass ein Ehegatte sein Anfangsvermögen zu hoch oder zu niedrig angegeben hat, kann dies zur Neuberechnung des Zugewinnausgleichsanspruchs führen. Im Falle einer vorsätzlichen Täuschung sind strafrechtliche Konsequenzen wegen Betrug oder falscher eidesstattlicher Versicherung nicht ausgeschlossen. Zudem können zivilrechtliche Schadensersatzansprüche des benachteiligten Ehegatten geltend gemacht werden. Im Extremfall kann das Familiengericht bereits vollzogene Ausgleichszahlungen nachträglich korrigieren und Rückzahlungen anordnen.

Wie erfolgt die rechtliche Bewertung von gemeinsamen Vermögenswerten im Anfangsvermögen?

Teilen die Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung gemeinsames Vermögen, beispielsweise ein Gemeinschaftskonto oder Miteigentum an einer Immobilie, so werden diese Vermögenswerte im Anfangsvermögen jedes Ehegatten anteilig berücksichtigt. Die rechtliche Grundlage bildet dabei das jeweilige Bruchteilsverhältnis, das sich nach den Eigentumsanteilen (zum Beispiel 1/2 oder 1/3) richtet. Bei unklarer Eigentümerstellung findet eine Zurechnung auf Grundlage von Indizien wie Einzahlung oder Vertragsbeteiligung statt. Kommt es zum Streit, hat jeder Ehegatte die anteilige Höhe seines Miteigentums rechtsverbindlich nachzuweisen. Anderenfalls kann das Gericht eine Schätzung anstellen oder eine hälftige Teilung unterstellen. Eine unberechtigte vollständige Zurechnung eines gemeinschaftlichen Vermögenswertes zum Eigentum eines Ehegatten ist rechtlich unzulässig.

Unter welchen Umständen kann das Anfangsvermögen nachträglich angepasst werden?

Eine nachträgliche Anpassung des Anfangsvermögens ist rechtlich nur unter bestimmten Bedingungen möglich. Ergibt sich später, dass ein Vermögenswert bei der erstmaligen Feststellung übersehen oder falsch bewertet wurde, besteht die Möglichkeit einer Korrektur, sofern der Sachverhalt noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Nach Rechtskraft eines Scheidungsfolgenvergleichs oder -urteils bleibt die nachträgliche Anpassung grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, es liegen Fälle von Täuschung, arglistiger Verschweigung oder grobem Fehlverhalten vor (§ 138 BGB). In diesen Ausnahmefällen kann mittels Anfechtung oder Wiederaufnahmeklage eine erneute Bewertung des Anfangsvermögens erzwungen werden. Eine bloße Änderung des tatsächlichen Vermögensstands nach Eheschließung hat hingegen keine Auswirkungen auf die Bewertung des Anfangsvermögens.