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Amtspflegschaft


Begriff und rechtliche Einordnung der Amtspflegschaft

Die Amtspflegschaft ist ein Begriff aus dem deutschen Familienrecht und bezeichnet eine Form der gesetzlichen Pflegschaft, bei der das Jugendamt kraft Gesetzes oder durch gerichtliche Anordnung die Pflegschaft für ein minderjähriges Kind übernimmt. Die Amtspflegschaft ist von der privaten Pflegschaft zu unterscheiden, bei der eine Privatperson, beispielsweise ein Verwandter, zum Pfleger bestellt wird. Ziel der Amtspflegschaft ist es, das Wohl des Kindes zu sichern, insbesondere in Situationen, in denen die Eltern die elterliche Sorge teilweise oder vollständig nicht ausüben können oder dürfen.

Rechtsgrundlagen der Amtspflegschaft

Gesetzliche Grundlagen

Wesentliche Rechtsgrundlagen der Amtspflegschaft finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere in den §§ 1909 ff. BGB sowie im Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII), vorrangig § 55 SGB VIII. Die Anordnung und Ausgestaltung der Amtspflegschaft werden darüber hinaus durch verschiedene Bestimmungen des Familienverfahrensrechts und ggf. durch das Kinder- und Jugendhilferecht ergänzt.

Zuständigkeit und Bestellung

Die Bestellung eines Amtsvormunds oder -pflegers erfolgt in der Regel durch das Familiengericht. Das Jugendamt wird dabei als Pfleger („Amtsvormund“ oder „Amtspfleger“) bestellt. Die Pflegschaft beginnt mit dem Wirksamwerden des gerichtlichen Beschlusses oder, sofern das Gesetz dies anordnet, kraft Gesetzes mit Eintritt bestimmter Umstände, zum Beispiel bei Bekanntwerden einer Geburt eines Kindes, dessen Eltern oder dessen Mutter minderjährig oder nicht erreichbar sind.

Anlässe und Anwendungsbereiche der Amtspflegschaft

Minderjährige unverheiratete Mutter (§ 1626c BGB)

Ein klassischer Fall ist die Geburt eines Kindes durch eine minderjährige Mutter. Da gemäß § 1626c BGB die minderjährige Mutter nicht zur Ausübung der elterlichen Sorge berechtigt ist, bestellt das Familiengericht für das Kind einen Vormund. In sehr vielen Fällen übernimmt das Jugendamt diese Aufgabe im Rahmen der Amtspflegschaft.

Minderjährige unverheiratete Eltern / Vaterschaftsfeststellung (§ 1626d, § 1684 BGB)

Die Amtspflegschaft kann auch dann notwendig werden, wenn die Eltern, insbesondere der Vater, minderjährig oder nicht erreichbar sind oder die elterliche Sorge beispielsweise durch Tod wegfällt.

Amtspflegschaft bei Kindeswohlgefährdung

Bestehen gewichtige Anhaltspunkte für eine Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls eines Kindes (§ 1666 BGB), kann das Familiengericht die elterliche Sorge teilweise oder vollständig entziehen und das Jugendamt mit einer Pflegschaft für bestimmte Wirkungskreise betrauen (z.B. Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitsfürsorge).

Unterhaltspflegschaft (§ 1712 BGB)

Das Jugendamt erhält von Amts wegen die Befugnis, das Kind bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen zu vertreten, sobald es einen Antrag der alleinerziehenden Mutter oder des alleinerziehenden Vaters gibt oder wenn die Voraussetzungen nach § 1712 BGB vorliegen. Auch in diesen Fällen handelt es sich um eine Teilbereichsamtspflegschaft (Beistandschaft).

Aufgaben und Befugnisse des Amtspflegers

Umfang der Pflegschaft

Der Umfang der Pflegschaft ist vom Gericht im Bestellungsbeschluss festzulegen. Er orientiert sich daran, welche Teile der elterlichen Sorge entfallen oder einzeln übertragen werden müssen, beispielsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Vermögenssorge oder die Gesundheitssorge.

Vertretung und Verwaltung

Im Rahmen seines Wirkungskreises nimmt das Jugendamt alle Rechte und Pflichten eines Pflegers wahr. Es vertritt das Kind gerichtlich und außergerichtlich, führt erforderliche Verwaltungsakte durch und trifft Entscheidungen im Sinne des Kindeswohls.

Ergänzungspflegschaft

In bestimmten Konstellationen kann die Amtspflegschaft auch als Ergänzungspflegschaft ausgestaltet sein. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn die elterliche Sorge für bestimmte Angelegenheiten – nicht aber insgesamt – ruht oder entzogen wird.

Beendigung der Amtspflegschaft

Die Amtspflegschaft endet von Gesetzes wegen oder durch gerichtlichen Beschluss. Wichtige Beendigungsgründe sind:

  • Erreichen der Volljährigkeit des Kindes
  • Wegfall des Grundes für die Pflegschaft (beispielsweise Wiederherstellung der elterlichen Sorge)
  • Adoption des Kindes
  • Wechsel in eine Privatpflegschaft oder -vormundschaft

Bei Beendigung der Amtspflegschaft ist das Jugendamt verpflichtet, dem Kind oder dem neuen Sorgeberechtigten Rechenschaft über die getroffenen Maßnahmen und die Verwaltung des Kindesvermögens zu geben (§ 1698 BGB).

Abgrenzung zur Vormundschaft und anderen Formen der Pflegschaft

Unterschied zur Vormundschaft

Während die Vormundschaft die vollständige Übernahme der elterlichen Sorge umfasst, begrenzt sich die Pflegschaft in der Regel auf Teilbereiche. Die Amtspflegschaft wird gewöhnlich nur für bestimmte Aufgabenbereiche oder bei zeitlich befristeter Notwendigkeit eingerichtet.

Beistandschaft

Die Beistandschaft (§§ 1712 ff. BGB) ist eine besondere Form der gesetzlichen Vertretung durch das Jugendamt, v. a. zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen. Anders als die Pflegschaft erfolgt die Beistandschaft auf Antrag des Elternteils und ist kostenfrei.

Bedeutung in der Praxis

Die Amtspflegschaft ist ein bedeutendes Instrument des staatlichen Kinderschutzes und dient vorrangig dem Wohl von Minderjährigen in rechtlich herausfordernden und gesellschaftlich kritischen Situationen. Die Übernahme der Pflegschaft durch das Jugendamt stellt sicher, dass notwendige Entscheidungen und Vertretungshandlungen, etwa im Bereich der Gesundheitssorge oder bei Vermögensangelegenheiten, unabhängig und im Interesse des Kindes getroffen werden können.

Literatur und weiterführende Hinweise

Für eine vertiefende Betrachtung der Amtspflegschaft bieten Kommentarliteratur zum BGB und praxisorientierte Werke des Kinder- und Jugendhilferechts weiterführende Informationen. Zudem hält die Webseite des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie die Informationsportale der Landesjugendämter aktuelle Hinweise und Materialien zur Amtspflegschaft bereit.


Hinweis: Die Ausführungen entsprechen dem Stand der Gesetzgebung bis Juni 2024. Änderungen im Familienrecht oder der Verwaltungspraxis können den Anwendungsbereich der Amtspflegschaft beeinflussen.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist für die Durchführung einer Amtspflegschaft zuständig?

Für die Durchführung einer Amtspflegschaft ist in Deutschland in der Regel das örtlich zuständige Jugendamt verantwortlich, wobei es auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Die Zuständigkeit ergibt sich grundsätzlich aus § 86 SGB VIII (Sozialgesetzbuch Achtes Buch – Kinder- und Jugendhilfe). Zuständig ist das Jugendamt, in dessen Gebiet das Kind oder der Jugendliche seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Innerhalb des Jugendamtes übernehmen speziell bestellte Fachkräfte, sogenannte Amtspfleger, die Aufgabe, für das Kind bestimmte Aufgaben des Sorgerechts wahrzunehmen. Dabei handeln sie treuhänderisch und unterliegen der Fachaufsicht sowie der Weisung der Leitung des Jugendamts. In gerichtlichen Angelegenheiten tritt der Amtspfleger als gesetzlicher Vertreter des Mündels auf.

Wie unterscheidet sich die Amtspflegschaft von der Vormundschaft?

Der wesentliche Unterschied zwischen der Amtspflegschaft und der Vormundschaft liegt im Umfang der übertragenen Befugnisse. Während bei einer Vormundschaft – meist durch eine Einzelperson oder das Jugendamt als Amtsvormund – sämtliche Angelegenheiten der elterlichen Sorge für das Kind übernommen werden, betrifft eine Amtspflegschaft grundsätzlich nur Teilbereiche der elterlichen Sorge. Dies kann beispielsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht oder das Sorgerecht in vermögensrechtlichen Angelegenheiten umfassen. Die genaue Ausgestaltung der Amtspflegschaft ist in der Entscheidung des Gerichts festgelegt, das den Umfang der Pflegschaft bestimmt (§ 1909 BGB und § 1630 Abs. 3 BGB).

Welche Pflichten hat ein Amtspfleger im Rahmen der Amtspflegschaft?

Ein Amtspfleger ist verpflichtet, die Interessen des Kindes oder Jugendlichen in dem konkreten, durch das Gericht zugewiesenen Aufgabenbereich sorgfältig und gewissenhaft zu vertreten. Dies schließt insbesondere ein: die Wahrnehmung aller Rechte und Pflichten zum Wohle des Mündels, die Einholung von gerichtlichen Genehmigungen bei gewichtigen Entscheidungen, die regelmäßige Informationserteilung an das Familiengericht und ggf. das Jugendamt und die Mitwirkung an Anhörungen im familiengerichtlichen Verfahren. Weiterhin ist der Amtspfleger verpflichtet, über alle Maßnahmen Buch zu führen und auf Verlangen Rechenschaft abzulegen.

Wie lange dauert die Amtspflegschaft und wie endet sie?

Die Dauer einer Amtspflegschaft ist grundsätzlich auf den Zeitraum begrenzt, in dem die Voraussetzungen für deren Bestellung bestehen. Sie endet regelmäßig mit dem Wegfall dieser Voraussetzungen, etwa wenn die elterliche Sorge wieder vollständig von den Eltern ausgeübt werden kann, oder durch Volljährigkeit des Mündels (§ 1882 BGB). Darüber hinaus kann das Familiengericht die Amtspflegschaft aufheben, wenn deren Notwendigkeit nicht mehr gegeben ist oder wenn neue Sorgeberechtigte benannt werden. Über den formellen Abschluss entscheidet stets das Familiengericht durch einen entsprechenden Beschluss.

Welche Rechte haben die Eltern während einer laufenden Amtspflegschaft?

Die Rechte der leiblichen Eltern während einer laufenden Amtspflegschaft hängen vom Umfang der durch das Gericht entzogenen und auf den Amtspfleger übertragenen Sorgerechtsbereiche ab. Grundsätzlich behalten die Eltern sämtliche Befugnisse in den Teilen der elterlichen Sorge, die ihnen nicht durch das gerichtliche Pflegschaftsverfahren entzogen wurden. In den durch den Amtspfleger abgedeckten Bereichen sind sie von der Ausübung ihrer Rechte ausgeschlossen und werden durch den Amtspfleger vertreten. Sie haben jedoch das Recht auf Anhörung bei gerichtlichen Verfahren und können Anträge auf Abänderung oder Aufhebung der Pflegschaft stellen. Schließlich steht ihnen die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung der Amtsführung des Pflegers offen.

Welche Kontroll- und Aufsichtsmöglichkeiten bestehen gegenüber dem Amtspfleger?

Die Tätigkeit des Amtspflegers unterliegt sowohl der Fachaufsicht des Jugendamtes als auch der Kontrolle durch das Familiengericht. Das Familiengericht prüft insbesondere bei der Bestellung sowie im Rahmen der jährlichen Rechenschaftslegung die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Pflegschaft. Es kann den Amtspfleger zur Auskunft und Vorlage von Unterlagen verpflichten und ihn im Fall von Pflichtverletzungen abberufen (§ 1837 BGB). Auch Dritte, insbesondere das Mündel und dessen Angehörige, können das Gericht auf etwaige Verfehlungen hinweisen und die Überprüfung verlangen.

Welche Mitteilungspflichten bestehen gegenüber dem Familiengericht während der Amtspflegschaft?

Der Amtspfleger ist verpflichtet, dem Familiengericht über alle wesentlichen Angelegenheiten, die das Wohl des unter Amtspflegschaft stehenden Kindes betreffen, Mitteilung zu machen. Dazu gehören insbesondere Veränderungen im persönlichen Umfeld, Entscheidungen mit weitreichenden Auswirkungen (wie Wechsel des Aufenthaltsortes), größere Vermögensdispositionen sowie die regelmäßig vorzulegende Abrechnung über die Vermögensverwaltung. Weiterhin besteht Mitteilungspflicht, wenn gravierende Probleme in der Zusammenarbeit mit dem Mündel oder dessen Eltern auftreten oder wenn der Pfleger zu der Überzeugung gelangt, dass die Voraussetzungen der Pflegschaft nicht mehr vorliegen.