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Amtlicher Markt


Amtlicher Markt – Rechtliche Definition und Bedeutung

Der Amtliche Markt ist ein Begriff aus dem deutschen Börsenrecht und bezieht sich auf einen geregelten Marktsegment der Börsen, in dem Wertpapiere unter strengen gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen gehandelt werden. Bis zur Einführung des Regulierten Marktes galt der Amtliche Markt als das bedeutendste Marktsegment für den Börsenhandel mit Aktien und anderen Wertpapieren in Deutschland. Die rechtlichen Rahmenbedingungen des Amtlichen Marktes wurden insbesondere durch das Börsengesetz und verschiedene untergesetzliche Bestimmungen festgelegt.

Historische Entwicklung des Amtlichen Marktes

Entstehung und Entwicklung

Der Amtliche Markt wurde im Rahmen der Börsengesetzgebung in den 19er Jahren als zentrales Segment für börsennotierte Wertpapiere eingeführt. Ziel war die Schaffung eines einheitlichen, besonders überwachten Handelsplatzes für Unternehmensbeteiligungen und Anleihen, der hohe Transparenz und Anlegerschutz gewährleistet.

Abschaffung und Nachfolger

Mit Inkrafttreten des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes im Jahr 2002 wurde der Begriff „Amtlicher Markt“ offiziell abgeschafft und in den heutigen „Regulierten Markt“ überführt. Die rechtlichen Vorschriften und Anforderungen des ehemaligen Amtlichen Marktes wurden jedoch maßgeblich in den Regulierungsrahmen des Regulierten Marktes übernommen.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Gesetzliche Grundlagen

Die Zulassung und der Handel von Wertpapieren am Amtlichen Markt wurden durch das Börsengesetz (BörsG) sowie durch die jeweiligen Börsenordnungen geregelt. Relevante Vorschriften betrafen insbesondere die Zulassungsvoraussetzungen, Transparenz-, Melde- und Publizitätspflichten.

Zulassungsvoraussetzungen

Emittentenanforderungen
  • Rechtsform: Emittenten mussten in einer für den Kapitalmarkt geeigneten Rechtsform, zumeist als Aktiengesellschaft oder gleichgestellte Gesellschaften, organisiert sein.
  • Mindestkapital: Vorgeschrieben war ein bestimmtes Mindestgrundkapital (beispielsweise 1,25 Millionen Euro für Aktiengesellschaften).
  • Bestandsdauer: Das Unternehmen musste meist seit mindestens drei Jahren bestehen.
Wertpapieranforderungen
  • Stückelung und Ordentlichkeit: Nur vollständig liberierte (eingezahlte) Wertpapiere konnten zugelassen werden.
  • Mindeststreubesitz: Ein gewisser Anteil der Wertpapiere musste im Streubesitz sein, um eine angemessene Liquidität im Handel zu gewährleisten.

Zulassungsverfahren

Das Zulassungsverfahren war gesetzlich reglementiert und erforderte die Vorlage umfassender Unterlagen, insbesondere:

  • Wertpapierprospekt nach Wertpapierprospektgesetz
  • Jahresabschlüsse und Lageberichte der vergangenen Jahre
  • Nachweis der Eintragung ins Handelsregister
  • Unbedenklichkeitsbescheinigungen

Über die Zulassung entschied die Zulassungsstelle der jeweiligen Börse, üblicherweise gemeinsam mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

Überwachungs- und Meldepflichten

Der Amtliche Markt unterlag einer umfassenden Überwachung durch die Börsenaufsichtsbehörden. Emittenten waren verpflichtet, regelmäßig Quartals- und Jahresberichte zu veröffentlichen, Ad-hoc-Meldungen zu Kursrelevanten Ereignissen abzugeben und sämtliche Änderungen bzgl. Stimmrechtsanteilen und Gesellschaftsstruktur offenzulegen.

Publizitäts- und Transparenzpflichten

Ad-hoc-Publizität

Unternehmen mussten dem Markt unverzüglich alle Informationen zugänglich machen, die den Börsenkurs erheblich beeinflussen konnten. Diese Vorgabe diente dem Schutz der Anleger und der Funktionsfähigkeit des Marktes.

Finanzberichterstattung

Die Veröffentlichung geprüfter Jahresabschlüsse und Lageberichte war obligatorisch und wurde durch Sanktionen bei Nichtbeachtung abgesichert.

Insiderrechtliche Bestimmungen

Das Insiderhandelsverbot und die Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen griffen unmittelbar für Wertpapiere des Amtlichen Marktes. Dies lag an der hohen marktrelevanten Bedeutung der gehandelten Papiere.

Unterschied zu anderen Marktsegmenten

Geregelter Markt (heute: Regulierter Markt)

Der Amtliche Markt unterschied sich vom Geregelten Markt vor allem durch die strengeren Zulassungsanforderungen, höheren Publizitätspflichten und stärkere Regulierung. Der heutige „Regulierte Markt“ führt viele dieser Standards fort.

Freiverkehr

Im Gegensatz zum Amtlichen Markt war der Freiverkehr (heute: Open Market) ein weniger geregeltes Segment mit geringeren Anforderungen an Transparenz und Zulassung, das insbesondere kleinere Unternehmen und exotische Wertpapiere berücksichtigte.

Bedeutung für Investment und Kapitalmarkt

Der Amtliche Markt stellte in Deutschland über Jahrzehnte das Segment mit den höchsten Anforderungen an die Emittenten und Wertpapiere dar. Dies bedeutete für Anleger ein Höchstmaß an Transparenz, Rechtssicherheit und Anlegerschutz. Börsennotierungen im Amtlichen Markt galten als Gütesiegel für Unternehmen.

Aktuelle Relevanz und Nachfolge

Seit 2002 gibt es den Amtlichen Markt als Terminus im deutschen Börsenrecht nicht mehr. Die meisten Regelungen und Strukturen wurden in den heutigen Regulierten Markt überführt. Die hier bestehenden Regelungen zur Zulassung, Überwachung und Publizität spiegeln die hohen Standards des ehemaligen Amtlichen Marktes wider und dienen weiterhin dem Schutz der Marktteilnehmer und der Stabilität der Finanzmärkte.


Literaturhinweis:

  • Frankfurter Kommentar zum Börsengesetz
  • Gesetz über den Wertpapierhandel (WpHG)
  • Handbuch des Börsenrechts

Siehe auch:

Stand: Juni 2024


Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Regelungen gelten für den amtlichen Markt in Deutschland?

Der amtliche Markt wird in Deutschland insbesondere durch das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), das Börsengesetz (BörsG), die Börsenordnung der jeweiligen Börse sowie durch europäische Regularien wie die MiFID II und die Marktmissbrauchsverordnung (MAR) geregelt. Für die Zulassung von Wertpapieren zum amtlichen Markt gelten strenge Anforderungen, insbesondere nach der EU-Prospektverordnung, die die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung eines Wertpapierprospekts vorschreibt. Zusätzlich bestehen für Emittenten umfangreiche Pflichten hinsichtlich Ad-hoc-Mitteilungen, Insiderlisten, Directors‘ Dealings sowie nach dem Transparenzgesetz regelmäßige und anlassbezogene Mitteilungspflichten. Hingegen obliegt die organisatorische Durchführung des Handels der jeweiligen Börse, deren Überwachung durch die Börsenaufsichtsbehörde des jeweiligen Bundeslandes sowie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erfolgt. Risiken, Pflichten sowie Rechtsschutzmöglichkeiten sind durch die genannten Gesetze und Verordnungen engmaschig geregelt.

Wie erfolgt die Zulassung von Wertpapieren zum amtlichen Markt?

Die Zulassung von Wertpapieren zum amtlichen Markt erfordert einen formalen Antrag des Emittenten beziehungsweise des einreichenden Kreditinstituts bei der jeweiligen Börse. Grundlage sind die Vorgaben des Börsengesetzes (§ 32 ff. BörsG), nach denen umfangreiche Unterlagen einzureichen sind, darunter der durch die BaFin gebilligte Prospekt, der rechtliche Informationen über den Emittenten und die Wertpapiere enthält. Die Prüfung umfasst unter anderem die rechtlichen und finanziellen Verhältnisse des Emittenten, die Einhaltung der Anforderungen an Streubesitz, Nennbetrag und Handelbarkeit. Weitere Vorschriften ergeben sich je nach Börse aus deren spezifischer Börsenordnung. Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind und der Zulassungsbeschluss gefasst wurde, dürfen die Wertpapiere an der Börse im amtlichen Markt gehandelt werden. Die Zulassung begründet vielfältige fortlaufende rechtliche Folgepflichten für den Emittenten.

Welche Folgepflichten bestehen für Emittenten im amtlichen Markt?

Emittenten mit Wertpapieren im amtlichen Markt unterliegen zahlreichen gesetzlichen Folgepflichten. Dazu zählen insbesondere die Publizitäts- und Informationspflichten gemäß WpHG, u.a. die Veröffentlichung von Jahres- und Halbjahresfinanzberichten, Ad-hoc-Meldungen bei kursrelevanten Ereignissen (nach Marktmissbrauchsverordnung), Mitteilungspflichten bei Stimmrechtsanteilen (Transparenzrichtlinie) sowie Pflichten zur Führung von Insiderverzeichnissen und zur Meldung von Managergeschäften (Directors‘ Dealings). Verstöße gegen diese Pflichten können sanktionsbewährt sein, insbesondere Bußgelder der BaFin oder strafrechtliche Konsequenzen nach § 119 WpHG. Darüber hinaus haben Emittenten organisatorische und technische Maßnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung aller aufsichtsrechtlichen Vorgaben sicherzustellen.

Wer überwacht den amtlichen Markt und wie gestaltet sich die rechtliche Aufsicht?

Die Überwachung des amtlichen Marktes erfolgt durch mehrere Instanzen. Auf Landesebene ist die jeweilige Börsenaufsichtsbehörde zuständig, während auf Bundesebene die BaFin für die Einhaltung der anlegerschützenden und marktintegritätsfördernden gesetzlichen Vorschriften sorgt, etwa im Hinblick auf Insiderhandel, Marktmanipulation oder Publizitätspflichten. Die Handelsüberwachungsstelle (HÜSt) der jeweiligen Börse überwacht den Handel vor Ort. Im Rahmen der europäischen Harmonisierung beaufsichtigen zudem die ESMA und andere europäische Aufsichtsbehörden die Einhaltung unionsrechtlicher Vorgaben. Aufsichtsinstrumente umfassen sowohl präventive Prüfungen, kontinuierliche Marktbeobachtung als auch repressive Maßnahmen bei festgestellten Verstößen.

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei Verstößen gegen die Pflichten am amtlichen Markt?

Verstöße gegen die rechtlichen Pflichten im amtlichen Markt können verschiedene Konsequenzen nach sich ziehen. Verwaltungsrechtlich drohen Bußgelder durch die BaFin bei Verletzungen von Publizitäts-, Transparenz- und Insiderpflichten gemäß § 120 ff. WpHG. Börsenseitig kann die Aussetzung oder gar der Widerruf der Zulassung der betroffenen Wertpapiere erfolgen. Bei schwerwiegenden Zuwiderhandlungen – z.B. Marktmissbrauch oder schwerem Insiderhandel – drohen zudem strafrechtliche Sanktionen. Geschädigten Anlegern steht unter Umständen ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch zu. Darüber hinaus können Reputationsschäden entstehen, die das Vertrauen in das Unternehmen und dessen Zugang zum Kapitalmarkt nachhaltig beeinträchtigen.

Welche Möglichkeiten bestehen zur Rechtsverteidigung gegen Maßnahmen der Börsenaufsicht oder BaFin?

Gegen Maßnahmen der Börsenaufsichtsbehörde oder der BaFin – etwa Ablehnung der Zulassung, Aussetzung vom Handel oder Bußgeldbescheide – stehen dem Emittenten grundsätzlich Rechtsmittel zur Verfügung. Dies beinhaltet zunächst das Recht auf Anhörung und Widerspruch nach den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung und des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Gegen ablehnende oder belastende Verwaltungsakte ist die Klage vor den Verwaltungsgerichten zulässig. Darüber hinaus gibt es spezialgesetzliche Regelungen, etwa das BörsG oder das WpHG, die weitere Verfahrensweisen und Fristen regeln. In unionsrechtlichen Angelegenheiten kann letztlich auch der Weg zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) offenstehen.

Wie unterscheiden sich rechtliche Anforderungen im amtlichen Markt von anderen Börsensegmenten?

Die rechtlichen Anforderungen des amtlichen Marktes sind in Deutschland die strengsten aller Börsensegmente. Im Vergleich etwa zum regulierten Markt oder Freiverkehr bestehen zum Beispiel höhere Anforderungen an die Prospektpflicht, umfangreichere Publizitäts- und Berichtspflichten sowie strengere Regeln bei der Zulassung von Wertpapieren und bei der Marktüberwachung. Während im Freiverkehr manche gesetzliche Verpflichtung nur eingeschränkt oder gar nicht gilt und erhebliche Erleichterungen bei Offenlegung und Reporting bestehen, steht der amtliche Markt für höchstmögliche Transparenz und Anlegerschutz. Dies hat erhebliche rechtliche und organisatorische Implikationen für die Emittenten.