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Accordion

Begriff und Grundprinzip

Als Accordion (auch Accordion-Option, Increase Option oder Incremental Facility bezeichnet) wird in der Kredit- und Unternehmensfinanzierung eine vertragliche Erweiterungsoption verstanden, mit der ein Kreditnehmer das bestehende Finanzierungsvolumen innerhalb bestimmter, vorab definierter Grenzen erhöhen kann. Das Accordion ermöglicht die Aufnahme zusätzlicher Mittel unter dem Rahmen eines bestehenden Kreditvertrags, ohne einen vollständig neuen Vertrag abschließen zu müssen. Die Konditionen und die Voraussetzungen für diese Erhöhung sind in der Regel im ursprünglichen Kreditvertrag festgelegt.

Der Begriff ist in der Praxis des internationalen Finanzierungsmarkts verankert und dient der flexiblen Anpassung einer Finanzierung an künftige Kapitalbedarfe, zum Beispiel für Akquisitionen, Investitionen oder Refinanzierungen. Es handelt sich nicht um einen gesetzlichen Begriff, sondern um eine vertragliche Konstruktion zwischen Kreditnehmer, Agent/Verwahrer und bestehenden sowie potenziell neuen Kreditgebern.

Vertragliche Ausgestaltung in Kreditdokumentation

Wesentliche Klauselbestandteile

  • Maximalbetrag: Festlegung einer Obergrenze (fester Eurobetrag, prozentuale Grenze, oder Kombination mit kennzahlenbasierten Korridoren).
  • Art der Fazilität: Zulässigkeit zusätzlicher Term Loans, Revolving-Fazilitäten oder wirtschaftlich gleichwertiger Schulden (z. B. Anleihen) unter bestimmten Bedingungen.
  • Konditionen: Regelungen zur Verzinsung, Laufzeit, Amortisation und Gebühren der Erhöhungen; häufig gekoppelt an eine „Most-Favored-Nation“-Logik zur Wahrung der Konditionsparität.
  • Rang und Sicherheiten: Festschreibung, ob die Erhöhung pari passu zu bestehenden gesicherten Verbindlichkeiten steht oder als nachrangig/junior zu strukturieren ist.
  • Zustimmungsmechanik: Erforderliche Konsense der Kreditgeber (alle, betroffene oder Mehrheitskreditgeber) und Rolle des Agenten bei der Umsetzung.
  • Reklassifizierung: Möglichkeit, im Nachhinein unterschiedliche Kapazitätskörbe (festes „Free-and-Clear“-Volumen vs. ratio-basierte Spielräume) zu reklassifizieren, soweit die Dokumentation dies vorsieht.

Voraussetzungen für die Nutzung

  • Kein laufender Verstoß gegen Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag (keine „Default“-Situation) zu bestimmten Stichtagen.
  • Bestätigung, dass Erklärungen und Garantien im Wesentlichen zutreffen.
  • Pro-forma-Compliance: Einhaltung vereinbarter Finanzkennzahlen nach Aufnahme der zusätzlichen Mittel (z. B. Leverage- oder Zinsdeckungsrelationen).
  • Deckungsgleichheit der Sicherheitenpakete und Garantien, soweit die Erhöhung die gleiche Rangklasse nutzt.
  • Regelkonforme Verwendung der Mittel gemäß den Zweckbestimmungen des Vertrags (z. B. allgemeine Unternehmenszwecke, Akquisitionen, Refinanzierungen).

Prozess und Dokumente

Die Aktivierung eines Accordions erfolgt typischerweise durch ein Erhöhungsersuchen an den Agenten, gefolgt von Beitritts- oder Zessionserklärungen „neuer“ Kreditgeber oder Erhöhungen durch bestehende Kreditgeber. Häufig sind ergänzende Sicherheiten- und Garantiebeitritte erforderlich, ebenso eine Aktualisierung von Offenlegungen und ein Compliance-Zertifikat. Der Agent koordiniert die Abläufe, prüft formale Voraussetzungen und dokumentiert die Erhöhung in einem Änderungs- oder Ergänzungsdokument.

Rechtliche Wirkungen und Grenzen

Rang, Sicherheiten und Intercreditor

Ist die Accordion-Erhöhung in derselben Rangklasse vorgesehen, teilt sie Sicherheiten, Garantien und Verteilungsregeln mit der bestehenden Fazilität. Dies setzt eine Anbindung an bestehende Sicherheitenverträge und Intercreditor-Vereinbarungen voraus. Soll die Erhöhung nachrangig oder strukturell abweichend sein, greifen die für diese Klasse geltenden Rang- und Verteilungsmechanismen. Die Gleichbehandlung („Pari passu“) und der Beitritt zu Sicherheiten- und Intercreditor-Regelwerken sind regelmäßig ausdrückliche Voraussetzungen.

Konsens- und Mehrheitsregeln

Ob alle Kreditgeber zustimmen müssen, hängt von der vertraglichen Ausgestaltung ab. Bei standardisierten Accordion-Klauseln genügt oft die Zustimmung derjenigen Kreditgeber, die ihre Zusagen erhöhen oder neu beitreten, während nicht betroffene Kreditgeber keine aktive Zustimmung erteilen müssen. Änderungen, die den wirtschaftlichen Kern bestehender Positionen betreffen (z. B. Rangverschiebungen, Sicherheitenfreigaben), unterliegen regelmäßig strengeren Zustimmungsanforderungen.

Zusammenhang mit Finanzkennzahlen und Covenants

Accordion-Erhöhungen wirken sich unmittelbar auf Kennzahlen wie Verschuldungsgrad und Zinsdeckung aus. Kreditverträge nutzen hierfür pro-forma-Betrachtungen und definieren, welche Ergebnisanpassungen zulässig sind. Zudem beeinflusst das Accordion die Nutzung von Kapazitätskörben („Baskets“) und die Wechselwirkung zwischen festen und ratio-basierten Erhöhungsrechten. Eine klare Definition der Berechnungsmethoden und der Reihenfolge der Inanspruchnahme ist üblich.

Transparenz- und Informationspflichten

Bei kapitalmarktnahen Strukturen können Veröffentlichungspflichten bestehen, wenn die Erhöhung als wesentliche Information anzusehen ist. Gegenüber Kreditgebern gelten regelmäßige Informationspflichten aus dem Kreditvertrag. Die Aufnahme neuer Kreditgeber kann zusätzliche Offenlegungen im Rahmen der bestehenden Vertraulichkeits- und Informationsregelungen erforderlich machen.

Bezug zu weiteren Vertragskonzepten

Incremental Facility vs. Accordion

Im Sprachgebrauch werden „Accordion“ und „Incremental Facility“ oft synonym verwendet. Teilweise bezeichnet „Accordion“ eine ungebundene Erhöhungsoption (ohne Zusagepflicht der Kreditgeber), während „Incremental Facility“ spezifisch die dokumentierte Struktur für zusätzliche, wirtschaftlich gleichwertige Schulden meint. In der Praxis ist die Abgrenzung vom jeweiligen Vertragswortlaut abhängig.

Delayed Draw und Revolving Linien

Ein Delayed-Draw-Mechanismus stellt bereits zugesagte, aber noch nicht abgerufene Beträge bereit. Ein Accordion erweitert demgegenüber die Gesamtverpflichtungen erst nachträglich. Revolving-Linien können ihrerseits ein Accordion enthalten, das die Höchstlinie erhöht, ohne den Charakter der revolvierenden Nutzung zu ändern.

Accordion bei Anleihen und Schuldscheinen

Auch Anleihebedingungen oder Schuldscheinverträge können Erhöhungsmechanismen vorsehen. Dort erfolgt die Volumenanpassung häufig über neue Tranchen oder Aufstockungen, die bestehenden Emissionen wirtschaftlich gleichgestellt werden. Intercreditor-Aspekte und Gleichbehandlungsgrundsätze sind auch in diesen Strukturen wesentlich.

Praxisrelevante Anwendungsfälle und Risiken

Akquisitionsfinanzierungen

Accordion-Klauseln ermöglichen es, Kaufpreiselemente, Earn-outs oder Add-on-Erwerbe zu finanzieren, ohne langwierige Neuverhandlungen der Basisfinanzierung. Die Dokumentation koppelt dies regelmäßig an Akquisitionskriterien, Bewertungsmaßstäbe und Fristen.

Refinanzierungen und Wachstum

Bei Investitionsprogrammen, Betriebsmittelbedarf oder der Ablösung teurerer Verbindlichkeiten kann die Erhöhungsoption eine flexible und zügige Mittelaufnahme innerhalb des bestehenden Dokumentationsrahmens ermöglichen.

Risiken aus Sicht der Beteiligten

  • Komplexität: Interplay von Baskets, Reklassifizierungen, MFN-Mechaniken und Kennzahlen kann komplex sein.
  • Konditionsverschiebung: Zusätzliche Fazilitäten können Preisgefüge und Laufzeitstruktur verändern.
  • Sicherheitenreichweite: Gleichlauf von Sicherheiten und Garantien erfordert klare Beitritte und konsistente Intercreditor-Regelungen.
  • Leverage-Effekte: Erhöhter Verschuldungsgrad kann künftige Handlungsoptionen einschränken, sofern Covenants enger werden.
  • Marktzugang: Die Verfügbarkeit neuer Kreditgeber und deren Onboarding-Anforderungen beeinflussen die praktische Nutzbarkeit.

Internationale und regulatorische Aspekte

Rechtswahl und Durchsetzung

Accordion-Regelungen werden häufig nach international etablierten Vertragsrechten dokumentiert. Bei grenzüberschreitenden Sicherheiten- und Garantiepaketen sind Kollisions- und Durchsetzungsfragen relevant, insbesondere hinsichtlich Rang, Verwertung und Anerkennung von Vollstreckungsmaßnahmen.

Compliance, KYC/AML und Sanktionen

Der Beitritt neuer Kreditgeber löst regelmäßig Identifizierungs- und Sanktionsprüfungen aus. Vertragswerke enthalten üblicherweise Zusicherungen des Kreditnehmers zur Einhaltung einschlägiger Compliance-Standards. Diese Anforderungen wirken unmittelbar auf die Umsetzungsdauer einer Accordion-Erhöhung.

Steuer- und Gebührenaspekte

Erhöhungen können steuerliche und gebührenrechtliche Folgen auslösen, etwa im Zusammenhang mit Zinszahlungen, Quellensteuern, Stempel- oder Registrierungsgebühren sowie Notifizierungsanforderungen. Kreditdokumente enthalten hierzu häufig Kostentragungs- und Bruttozahlungsregelungen.

Begriffsabgrenzung und Terminologie

„Accordion“ ist ein praxisgeprägter Sammelbegriff für Erhöhungsmechanismen in Finanzierungsverträgen. Je nach Dokumentation finden sich Bezeichnungen wie „Increase Option“, „Incremental Facility“, „Upsize“ oder „Additional Commitments“. Entscheidend ist der konkrete Vertragswortlaut: Er bestimmt Umfang, Voraussetzungen, Zustimmungsregeln, Rang, Sicherheiten und Informationspflichten.

Häufig gestellte Fragen (rechtlicher Kontext)

Was bedeutet eine Accordion-Klausel in einem Kreditvertrag?

Sie bezeichnet eine vertragliche Erhöhungsoption, mit der der Kreditnehmer unter definierten Bedingungen zusätzliches Kreditvolumen aufnehmen kann, ohne einen vollständig neuen Kreditvertrag abzuschließen.

Benötigt die Nutzung des Accordions die Zustimmung aller bestehenden Kreditgeber?

Das hängt vom Vertrag ab. Häufig genügt die Zustimmung derjenigen Kreditgeber, die ihre Zusagen erhöhen oder neu beitreten. Änderungen mit Auswirkungen auf Rang, Sicherheiten oder Kernkonditionen können strengeren Zustimmungsanforderungen unterliegen.

Beeinflusst ein Accordion die Sicherheiten und deren Rang?

Wenn die Erhöhung in der gleichen Rangklasse erfolgt, teilt sie typischerweise Sicherheiten und Garantien mit den bestehenden Fazilitäten. Bei abweichendem Rang greifen die für diese Klasse vorgesehenen Sicherheiten- und Verteilungsregeln.

Gibt es typische Grenzen für die Erhöhung im Rahmen eines Accordions?

Ja. Üblich sind feste Obergrenzen, ratio-basierte Kapazitäten sowie Kombinationen hieraus. Teilweise erlauben Verträge eine spätere Reklassifizierung zwischen unterschiedlichen Kapazitätskörben.

Wie wirkt sich ein Accordion auf Finanzkennzahlen und Covenants aus?

Es erhöht die Verschuldung und beeinflusst Kennzahlen. Verträge sehen daher pro-forma-Prüfungen und definierte Berechnungsmethoden vor, um die Einhaltung der Covenants auch nach der Erhöhung zu beurteilen.

Welche Informationspflichten können bei Nutzung eines Accordions bestehen?

Gegenüber Kreditgebern bestehen vertragliche Informationspflichten. Bei kapitalmarktnahen Strukturen können zudem Bekanntmachungspflichten bestehen, wenn die Erhöhung eine wesentliche Information darstellt.

Worin liegt der Unterschied zwischen einem Accordion und einer Delayed-Draw-Tranche?

Bei Delayed Draw sind Beträge bereits zugesagt, aber noch nicht abgerufen. Ein Accordion erweitert das zugesagte Gesamtvolumen erst durch Aktivierung der Option und Erhöhung der Verpflichtungen.

Welche Unterlagen sind für die Umsetzung eines Accordions üblich?

Typisch sind ein Erhöhungsersuchen, Beitritts- oder Zessionserklärungen, gegebenenfalls Sicherheiten- und Garantiebeitritte, aktualisierte Offenlegungen sowie ein Compliance-Zertifikat.