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Abwärmenutzung


Begriff und Bedeutung der Abwärmenutzung

Die Abwärmenutzung bezeichnet die energetische Verwertung von überschüssiger Wärme, die bei industriellen, gewerblichen oder haushaltsbezogenen Prozessen als Nebenprodukt anfällt. Ziel ist es, diese Wärme weitgehend erneut nutzbar zu machen, sei es zur Stromerzeugung, Wärmeeinspeisung in Fernwärmenetze oder zur direkten Weiterverwendung in betrieblichen Abläufen. Die effiziente Nutzung von Abwärme gilt als wesentlicher Bestandteil moderner Energie- und Klimapolitik und ist ein zentrales Element in europäischen und deutschen Rechtsvorschriften zur Energieeffizienz.

Rechtlicher Rahmen der Abwärmenutzung in Deutschland

Überblick zu gesetzlichen Grundlagen

Die Abwärmenutzung ist in Deutschland und der Europäischen Union umfassend rechtlich geregelt. Wichtige Regelwerke sind unter anderem das Energieeffizienzgesetz (EnEfG), das Gebäudeenergiegesetz (GEG), das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) sowie die einschlägigen EU-Richtlinien, insbesondere die Energieeffizienz-Richtlinie (2012/27/EU) und nachfolgende Aktualisierungen.

Energieeffizienzgesetz (EnEfG)

Das 2023 in Kraft getretene Energieeffizienzgesetz verpflichtet bestimmte Unternehmen und öffentliche Stellen zur Berücksichtigung von Abwärmenutzungspotenzialen. Nach § 16 Abs. 1 EnEfG sind Betreiber bestimmter Anlagen verpflichtet, regelmäßig Potenziale zur Nutzung von Abwärme zu identifizieren und Maßnahmen zur Reduktion der Abwärmeverluste zu prüfen sowie zu dokumentieren. Hierbei müssen Unternehmen Nachweise über die Nutzung und die Abgabe von Abwärme führen.

Gebäudeenergiegesetz (GEG)

Das GEG beschreibt Vorgaben zur Erfüllung von Energieanforderungen an Gebäude. Die Nutzung von Abwärme kann als Teil der Gesamtenergieversorgung eines Gebäudes zur Erfüllung gesetzlicher Mindestanforderungen an Energieeffizienz und Primärenergie-Einsatz gelten (§ 14 GEG). Insbesondere bei Neubauten und umfangreichen Sanierungen wird die Verwendbarkeit von Prozessabwärme rechtlich bevorzugt berücksichtigt.

Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG)

Im Rahmen des BImSchG und der 4. BImSchV kommen Abwärmenutzungspflichten zum Tragen, beispielsweise über Auflagen im Genehmigungsverfahren für immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen. Eine wesentliche Rolle spielt hierbei das Gebot der Energieeffizienz und der ressourcenschonenden Verfahrensführung (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG).

EU-Richtlinien

Auf europäischer Ebene reguliert die Energieeffizienz-Richtlinie (2012/27/EU) die verpflichtende Nutzung von Effizienzpotenzialen. Artikel 14 verpflichtet zur Förderung der hoch effizienten Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und der Nutzung industrieller Abwärme unter bestimmten Voraussetzungen, konkret durch verpflichtende Effizienzbewertungen bei größeren Energieerzeugungsvorhaben.

Pflichten und Anforderungen an Unternehmen

Ermittlung und Dokumentation von Abwärmepotenzialen

Unternehmen ab einer definierten Mindestgröße oder Energieverbrauchsschwelle sind laut EnEfG verpflichtet, Potenziale zur Abwärmenutzung systematisch zu erfassen. Dies geschieht in Form von Energieaudits nach DIN EN 16247-1, die regelmäßig durchzuführen sind. Die Ergebnisse und gegebenenfalls genutzte Abwärmemengen sind behördlich vorzulegen.

Umsetzung technischer Maßnahmen

Wird ein signifikantes Abwärmepotenzial festgestellt, sind Unternehmen nach den Grundsätzen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit verpflichtet, Maßnahmen zur Abwärmenutzung zu prüfen und, sofern wirtschaftlich, umzusetzen. Die wirtschaftliche Zumutbarkeit wird regelmäßig nach definierten gesetzlichen oder normativen Kriterien (z. B. Amortisationsfrist) bewertet.

Berichtspflichten und Kontrollen

Das Energieeffizienzgesetz verpflichtet zur fortlaufenden Berichterstattung über die Nutzung von Abwärme. Auf Verlangen der zuständigen Behörden (häufig Landesenergieagenturen oder das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle – BAFA) sind umfangreiche Nachweise über ergriffene Maßnahmen, Energieflüsse und Effizienzgewinne zu liefern.

Regelung zur Nutzung von Abwärme Dritter

Die rechtliche Einordnung der Abwärmenutzung betrifft nicht nur den eigentlichen Erzeuger, sondern auch Dritte, etwa benachbarte Unternehmen oder Fernwärmeversorger. Vertragliche Regelungen zur Abgabe und Nutzung von Abwärme stützen sich auf schuldrechtliche, ggf. auch vorübergehende dingliche Vereinbarungen nach BGB. Die Rechtsprechung erkennt Verträge zur Wärmeabnahme und -lieferung als Versorgungsverträge mit spezifischen Anforderungen an Haftung, Gewährleistung und Laufzeit, die sich an § 433 ff. BGB und dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) orientieren.

Energiewirtschaftsrechtliche Implikationen

Wer Abwärme als leitungsgebundene Energie an Dritte abgibt, unterliegt regelmäßig den Vorgaben des EnWG, insbesondere den grundsätzlichen Anforderungen an die sichere, effiziente und diskriminierungsfreie Belieferung nach § 1 Abs. 1 EnWG. Je nach Umfang und Organisation kann hierbei auch ein Anschluss- und Benutzungsrecht bestehen.

Wettbewerbs- und beihilferechtliche Aspekte

Die Nutzung von Abwärme kann unter Umständen relevante beihilferechtliche Fragen aufwerfen, insbesondere wenn staatliche Fördermittel oder steuerliche Begünstigungen in Anspruch genommen werden (§ 1 Abs. 2 EnWG i.V.m. Art. 107, 108 AEUV). In diesem Zusammenhang ist sorgfältig zu prüfen, ob die Abwärmenutzung einen Vorteil im Wettbewerb darstellt und ob gegebenenfalls eine beihilferechtliche Genehmigung der EU-Kommission erforderlich ist.

Öffentlich-rechtliche Aspekte der Abwärmenutzung

Umweltrechtliche Bewertung

Im Hinblick auf die Umweltverträglichkeit werden Vorhaben zur Abwärmenutzung in der Regel im Rahmen von Genehmigungs- und Anzeigeverfahren nach BImSchG und BauGB geprüft. Bei größeren Infrastrukturprojekten ist außerdem regelmäßig eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nach UVPG vorzunehmen, die auch die Auswirkungen der Wärmenutzung auf angrenzende Ökosysteme und Anwohner bewertet.

Förder- und Anreizsysteme

Die rechtskonforme Abwärmenutzung wird durch unterschiedliche Förderprogramme unterstützt. Rechtsgrundlagen bilden hierbei unter anderem das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG), die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) sowie Fördermittel aus dem Klimaschutzgesetz (KSG). Die Vergabe dieser Förderungen unterliegt klaren Voraussetzungen, etwa bezüglich Technikstandards, Effizienzzielen und Nachweispflichten.

Durchsetzung und Sanktionierung

Behördliche Kontrolle und Anordnung

Zur Überwachung der gesetzlichen Vorgaben wurden Überwachungs- und Sanktionsmechanismen etabliert. Bei Verstößen gegen die Pflicht zur Abwärmenutzung oder die damit verbundenen Berichtspflichten können Bußgelder gemäß § 21 EnEfG, § 103 GEG oder § 62 BImSchG verhängt werden.

Klagerechte und Rechtsschutz

Dritte, insbesondere Umweltverbände oder Wettbewerber, erhalten unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen ein Klagerecht gegen Entscheidungen, die sich auf die Nutzung oder Unterlassung der Abwärmenutzung beziehen, insbesondere wenn öffentliche Belange oder Wettbewerbsverzerrungen betroffen sind.

Fazit

Die Abwärmenutzung ist von erheblicher rechtlicher Bedeutung in Hinblick auf Energieeffizienz, Umweltschutz und Versorgungssicherheit. Unternehmen und Anlagenbetreiber unterliegen einer Vielzahl von gesetzlichen Verpflichtungen zur Ermittlung, Dokumentation und – im Rahmen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit – Nutzung von Abwärme. Die Rechtsordnung sieht dabei weitreichende Überwachungs-, Steuerungs- und Sanktionsmechanismen vor, ergänzt durch verschiedene Fördermöglichkeiten und vertragliche Gestaltungsspielräume. Die Kenntnis und Beachtung der einschlägigen Rechtsvorschriften ist für eine rechtssichere und nachhaltige Nutzung von Abwärme unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Vorgaben gibt es zur Nutzung von Abwärme in Deutschland?

Im deutschen Recht besteht eine Vielzahl von Regelungen, die sich direkt oder indirekt auf die Nutzung von Abwärme beziehen. Das zentrale Regelwerk ist das Gebäudeenergiegesetz (GEG), das für Neubauten und Bestandsgebäude vorschreibt, dass beim Betrieb von Heizungsanlagen erneuerbare Energien einbezogen oder gleichwertige Maßnahmen – wie die Nutzung von Abwärme – ergriffen werden müssen (§ 10 GEG). Zudem regelt das Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWKG), dass Betreiber von KWK-Anlagen bei der Abwärmenutzung gefördert werden. Für bestimmte industrielle Prozesse sieht das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) in Verbindung mit der Industrieemissionsrichtlinie (IED) vor, dass Stand der Technik bei der Energieeffizienz eingehalten werden muss, was regelmäßig auch Maßnahmen zur Abwärmerückgewinnung einschließt. Auf europäischer Ebene geben die Energieeffizienz-Richtlinie (EED) und die damit korrespondierenden deutschen Umsetzungsakte weitere Anforderungen zur Nutzung und Berichterstattung von industrieller Abwärme vor. Unternehmen müssen die Nutzung und Verwertung von Abwärme zudem nach verschiedenen Maßgaben im Rahmen von Genehmigungsverfahren nachweisen. Verstöße gegen diese Vorgaben können zu ordnungsrechtlichen Konsequenzen führen.

Wie ist die Nutzung von industrieller Abwärme rechtlich genehmigungspflichtig?

Die Genehmigungspflicht für Anlagen zur Nutzung von industrieller Abwärme richtet sich in erster Linie nach dem BImSchG. Anlagen, die unter den Anhang 1 der 4. BImSchV fallen, sind genehmigungsbedürftig und müssen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens ein emissionsminderndes Konzept vorlegen, das den Stand der Technik auch hinsichtlich der Energieeffizienz umsetzt. Dazu gehört oft auch die sinnvolle Nutzung von Abwärme. Darüber hinaus können für bauliche Änderungen, die im Zusammenhang mit der Nachrüstung zur Abwärmenutzung stehen, zusätzliche baurechtliche Genehmigungen nach den jeweiligen Landesbauordnungen erforderlich werden. In Abhängigkeit von der konkreten Abwärmenutzung (zum Beispiel Einspeisung ins Fernwärmenetz oder Direktbelieferung Dritter) können weitere energierechtliche und wasserrechtliche Genehmigungspflichten hinzukommen, etwa bei der Nutzung von Grundwasser als Wärmeträger.

Gibt es steuerrechtliche Anreize oder Pflichten im Zusammenhang mit Abwärmenutzung?

Steuerrechtlich ist die Investition in Anlagen zur Abwärmenutzung sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene unter bestimmten Umständen förderfähig. Steuervergünstigungen können im Rahmen des § 3 EStG durch Investitionsabzugsbeträge oder im Zusammenhang mit Sonderabschreibungen für energetische Modernisierungsmaßnahmen gemäß § 7g EStG geltend gemacht werden. Daneben sieht das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (KWKG) steuerliche Erleichterungen, zum Beispiel in Form von Vergünstigungen bei der Stromsteuer oder EEG-Umlage, vor, sofern die Abwärmenutzung im Kontext einer KWK-Anlage erfolgt. Eine Pflicht zur bilanziellen Trennung der Abwärmeerlöse, etwa wenn Dritte beliefert werden, kann sich außerdem aus handels- und steuerrechtlichen Vorgaben ergeben.

Welche Haftungsrisiken bestehen bei der Abwärmenutzung?

Die Nutzung von Abwärme kann insbesondere dann zu Haftungsrisiken führen, wenn technische Anlagen nicht dem aktuellen Stand der Technik entsprechen oder Wartungs- beziehungsweise Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten werden. Aus zivilrechtlicher Sicht können Schadensersatzansprüche von Abnehmern entstehen, etwa im Falle von Lieferausfällen oder Störungen der Abwärmelieferung. Aus öffentlich-rechtlicher Perspektive bestehen Haftungsrisiken bei Umweltschäden (z.B. durch fehlerhafte Einbindung von wasserrechtlichen Anlagen) sowie bei der Verletzung von Energieeffizienzvorgaben nach BImSchG oder GEG. Zudem kann das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) greifen, wenn durch die Abwärmenutzungsanlagen Folgeschäden entstehen.

Unterliegen Abwärmelieferverträge besonderen rechtlichen Anforderungen?

Verträge über die Lieferung von Abwärme, häufig als Wärmelieferverträge (Contracting) ausgestaltet, unterliegen einer Vielzahl rechtlicher Anforderungen. Zu beachten sind insbesondere das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), das Regelungen zur Netznutzung, zum Beispiel bei Einspeisung in Wärmenetze, sowie Verbraucherschutzbestimmungen vorsieht. Häufige Fallstricke liegen in der Preisanpassungsklausel, der Laufzeitgestaltung und der Absicherung der Versorgungspflichten. Da bei Abwärme oftmals Nebenprodukte verwertet werden, kann auch die rechtliche Einordnung als Abfall relevant werden – Stichwort Abfallrecht. Außerdem ist die Abgrenzung zur Strom- und Gaslieferung für die richtige Rechtsanwendung entscheidend.

Welche Rolle spielt das Wettbewerbsrecht bei der Abwärmenutzung?

Das Wettbewerbsrecht ist insofern relevant, als dass Abwärmelieferungen als Energieprodukt grundsätzlich dem Kartellrecht und damit der Kontrolle durch das Bundeskartellamt unterliegen können. Insbesondere bei lokalen Monopolen auf Fernwärme- oder Abwärmelieferung ist das Preisrecht (d.h. die Angemessenheit und Nichtmissbrauchsfreiheit des Preises) nach § 19 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) zu beachten. Wettbewerbsrechtliche Fragen stellen sich zudem im Kontext von Kopplungsverträgen und Exklusivitätsabreden, etwa wenn ein Kunde verpflichtet wird, ausschließlich Abwärme eines bestimmten Anbieters abzunehmen.

Welche datenschutzrechtlichen Aspekte sind bei der Abwärmenutzung zu beachten?

Im Rahmen der Abwärmenutzung, insbesondere wenn diese mit digitalen Mess- und Steuerungstechnologien („Smart Metering“) erfolgt, können personenbezogene Daten betroffener Verbraucher oder Geschäftspartner verarbeitet werden. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) finden daher Anwendung. Wichtig ist insbesondere die Einhaltung von Grundsätzen der Datenminimierung, Zweckbindung und Transparenz, sowie die Sicherstellung technischer und organisatorischer Maßnahmen zum Schutz der personenbezogenen Daten. Messdaten, die Rückschlüsse auf das Verbrauchsverhalten einzelner Nutzer zulassen, dürfen grundsätzlich nur mit Einwilligung oder auf Grundlage eines klaren gesetzlichen Erlaubnistatbestandes verarbeitet werden.