Versicherungsunternehmen und datenschutzrechtliche Grenzen bei Observationen
Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat sich mit der Zulässigkeit einer vom Versicherer veranlassten Observation eines Unfallgeschädigten auseinandergesetzt (OLG Oldenburg, Urteil vom 25.06.2024 – 13 U 48/23). Im Mittelpunkt der gerichtlichen Auseinandersetzung stand die Frage, ob die Anfertigung von Bildmaterial im Rahmen der Überwachung datenschutzrechtlich zulässig war.
Hintergrund des Rechtsstreits
Der Fall betraf einen Versicherungsnehmer, der nach einem Verkehrsunfall Ansprüche gegen die Kfz-Haftpflichtversicherung geltend machte. Die Versicherung hegte Zweifel an dem Umfang der behaupteten Verletzungen und beauftragte einen privaten Ermittlungsdienst mit Observationen und Videoaufnahmen des Geschädigten. Das so gewonnene Bildmaterial wurde von der Versicherung im gerichtlichen Verfahren vorgelegt.
Kernpunkte der gerichtlichen Entscheidung
Datenschutzrechtliche Bewertung der Observation
Das OLG prüfte insbesondere, ob die Erhebung, Speicherung und Verwendung der Videoaufnahmen mit den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Einklang stand. Unter Verweis auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stellte das Gericht fest, dass Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen nur unter streng begrenzten Voraussetzungen und in Ausnahmefällen erfolgen dürfen.
Nach Auffassung des OLG fehlte es vorliegend an einer ausreichenden Grundlage zur Annahme eines begründeten Anfangsverdachts für einen Versicherungsbetrug. Die vom Versicherungsunternehmen eingeleitete Observation erfolgte damit ohne die erforderliche datenschutzrechtliche Rechtfertigung. Die heimliche Erstellung von Bildaufnahmen stellte nach Ansicht des Gerichts eine unzulässige Verarbeitung personenbezogener Daten dar.
Folgerungen für die zivilrechtliche Verwertung
Die vorgelegten Videoaufnahmen wurden nach Würdigung des OLG daher nicht zur Beweisführung zugelassen. Das Gericht legte dar, dass Beweismittel, die unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften erlangt wurden, im Zivilprozess grundsätzlich nicht verwertet werden dürfen, sofern das Recht auf Schutz personenbezogener Daten des Betroffenen überwiegt. Die Entscheidung stellt klar, dass ein pauschaler Verdacht oder unzureichende Anhaltspunkte für eine schwerwiegende Pflichtverletzung keine anlasslose Überwachung legitimieren können.
Bedeutung für Unternehmen und Versicherungen
Die Entscheidung des OLG Oldenburg unterstreicht die erheblichen datenschutzrechtlichen Anforderungen, denen Unternehmen bei der Aufklärung vermeintlicher Pflichtverletzungen ausgesetzt sind. Die Schwelle für die Zulässigkeit verdeckter Überwachungsmaßnahmen ist hoch und verpflichtet zu einer sorgfältigen Interessenabwägung unter Berücksichtigung aktueller rechtlicher Rahmenbedingungen.
Versicherungsunternehmen und andere Marktteilnehmer mit vergleichbaren Risikolagen haben ihre Prüfungs- und Dokumentationspflichten bei Verdachtsmomenten zu beachten, um schwerwiegende Rechtsfolgen bei Nachweisermittlungen zu vermeiden. Gerichtlich nicht verwertbare Ergebnisse können erhebliche Auswirkungen auf die Prozessführung und die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen nach sich ziehen.
Rechtliche Herausforderungen im Datenschutz
Datenschutzrechtliche Fragestellungen gewinnen im unternehmerischen Alltag zunehmend an Bedeutung, insbesondere in der Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern und bei der Verarbeitung sensibler personenbezogener Daten. MTR Legal begleitet Mandantinnen und Mandanten bei komplexen datenschutzrechtlichen Problemstellungen, insbesondere im Kontext interner Untersuchungen, Risikomanagement und der Gestaltung von Compliance-Strukturen. Weiterführende Informationen finden Interessierte unter dem folgenden Link: Rechtsberatung im Datenschutz.