Urlaubsrecht im deutschen Arbeitsrecht
Der Urlaubsanspruch ist ein zentrales Thema im deutschen Arbeitsrecht und betrifft jeden Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin. Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) regelt, dass jeder Mitarbeiter Anspruch auf Erholungsurlaub hat, um sich von der Arbeitsleistung zu erholen und neue Kraft zu schöpfen. Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch beträgt 24 Werktage pro Kalenderjahr, was bei einer 5-Tage-Woche vier Wochen Urlaub entspricht. Diese Regelung gilt unabhängig von der Art des Arbeitsverhältnisses und stellt sicher, dass die Erholung der Beschäftigten gewährleistet ist. Der Urlaubsanspruch ist damit nicht nur ein individueller Anspruch jedes Arbeitnehmers, sondern auch ein wichtiger Bestandteil des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz. In diesem Artikel beleuchten wir die gesetzlichen Grundlagen, die Berechnung des Urlaubsanspruchs und die Besonderheiten rund um den Mindesturlaubsanspruch, damit Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen gut informiert sind.
Gesetzlicher Hintergrund
Die rechtlichen Grundlagen für den Urlaubsanspruch finden sich im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Dieses Gesetz legt fest, dass jeder Arbeitnehmer einen Anspruch auf einen jährlichen Mindesturlaub von 24 Werktagen hat. In vielen Fällen wird dieser Anspruch durch Tarifverträge oder individuelle Arbeitsverträge zugunsten der Arbeitnehmer erweitert. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Sitz in Erfurt ist als höchste Instanz der Arbeitsgerichtsbarkeit maßgeblich für die Auslegung und Weiterentwicklung des Urlaubsrechts verantwortlich. Die Arbeitsgerichte entscheiden regelmäßig über Streitigkeiten rund um den Urlaubsanspruch, etwa bei Fragen zur Berechnung, Übertragung oder Abgeltung von Urlaubstagen. Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch ist dabei eine zwingende Schutzvorschrift, die nicht zu Lasten der Arbeitnehmer abgeändert werden darf. Die arbeitsrechtliche Rechtsprechung des BAG sorgt für eine einheitliche Anwendung des Bundesurlaubsgesetzes und gibt Arbeitgebern und Arbeitnehmern Orientierung im Umgang mit Urlaubsansprüchen.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 3. Juni 2025 – Az. 9 AZR 104/24
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 3. Juni 2025 (Az. 9 AZR 104/24) klargestellt, dass ein Arbeitnehmer nicht wirksam auf seinen jährlichen Mindesturlaub verzichten kann. Das gilt auch dann, wenn der Verzicht im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärt wird. Der Arbeitnehmer kann demnach nicht wirksam auf seinen Mindesturlaub verzichten.
Als Revisionsinstanz im Instanzenzug der Arbeitsgerichtsbarkeit entscheidet das Bundesarbeitsgericht über Rechtsfragen, die von mehreren Senaten, einschließlich des Großen Senats, behandelt werden. In den Senaten des Bundesarbeitsgerichts wirken Berufsrichter, ehrenamtliche Richter, Richterinnen sowie Vertreterinnen der Arbeitnehmerinnen mit, um eine ausgewogene und sachgerechte Rechtsprechung im Arbeitsrecht sicherzustellen.
Der gesetzliche Mindesturlaub dient der Erholung des Arbeitnehmers. Diese Schutzfunktion des Mindesturlaubs hat das BAG mit seiner Entscheidung gestärkt. Ausstehende Urlaubstage können in Vergleichsverhandlungen oder Aufhebungsvereinbarungen nicht pauschal als erledigt erklärt werden. Das gilt zumindest für den Mindesturlaub. Bei Urlaubsansprüchen, die über den Mindesturlaub hinausgehen, kann das anders aussehen, so die Wirtschaftskanzlei MTR Legal Rechtsanwälte , die u.a. im Arbeitsrecht berät.
Arbeitsverhältnis durch gerichtlichen Vergleich beendet
In dem zugrunde liegenden Fall vor dem BAG war der Kläger über viele Jahre als Betriebsleiter beschäftigt. Ab dem 1. Januar 2023 war er durchgängig arbeitsunfähig erkrankt und konnte daher seinen gesetzlichen Mindesturlaub für das Jahr 2023 nicht in Anspruch nehmen. Die Parteien schlossen im März 2023 einen gerichtlichen Vergleich, in dem sie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. April 2023 sowie die Zahlung einer Abfindung vereinbarten.
Urlaubsansprüche können dabei nicht nur gesetzlich geregelt sein, sondern auch durch individuelle Arbeitsverträge oder Tarifverträge erweitert oder konkretisiert werden. In vielen Arbeitsverhältnissen enthalten Tarifverträge oder der Arbeitsvertrag zusätzliche Bestimmungen zu Urlaubstagen, Freistellungen oder Sonderurlaub.
Ziffer 7 des Vergleichs enthielt folgende Regelung: „Urlaubsansprüche sind in natura gewährt.“ Mit dieser Formulierung sollte offensichtlich klargestellt werden, dass offene Urlaubsansprüche nicht mehr separat abgegolten werden würden. Dennoch klagte der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Abgeltung von sieben Tagen gesetzlichen Mindesturlaubs für 2023 ein (rund 1.615 Euro). Die Arbeitgeberseite hielt dem entgegen, der Vergleich habe alle Urlaubsansprüche, auch die Abgeltungsansprüche, bereits abschließend erledigt.
Unwirksame pauschale Erledigungsklausel
Die Vorinstanzen gaben der Klage statt und das BAG wies die Revision des Arbeitgebers zurück. Es stellte fest, dass die Klausel „Urlaubsansprüche sind in natura gewährt“ in dem gerichtlichen Vergleich unwirksam ist, soweit sie einen Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub oder dessen Abgeltung vorsieht. Eine solche Klausel verstoße gegen § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG (Bundesurlaubsgesetz), wonach der Mindesturlaub unabdingbar ist. Die Klausel sei damit gemäß § 134 BGB nichtig.
Die bestehende Rechtsordnung und die gesetzlichen Regelungen des Arbeitsrechts untersagen ausdrücklich, dass durch pauschale Klauseln in gerichtlichen Vergleichen auf den gesetzlichen Mindesturlaub verzichtet werden kann. Solche Regeln bestehen zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und sind für alle Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit bindend.
Das BAG stellte weiter klar, dass weder der gesetzliche Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub noch ein erst künftig mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehender Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt werden könne – auch nicht durch einen gerichtlichen Vergleich. Das gelte sogar dann, wenn beim Abschluss des gerichtlichen Vergleichs bereits feststeht, dass der Arbeitsnehmer seinen gesetzlichen Mindesturlaub krankheitsbedingt nicht mehr in Anspruch nehmen kann.
Nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung dürfe der bezahlte Mindesturlaub nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden, außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. In einem bestehenden Arbeitsverhältnis dürfe der Arbeitnehmer nicht auf seinen finanziellen Urlaub verzichten, auch nicht gegen Zahlung eine finanziellen Ausgleichs, so das BAG.
Offensichtlich rechtswidrige Regelung
Weiter stellte das Gericht fest, dass der Arbeitnehmer nicht gegen Treu und Glauben verstoße, wenn er sich auf die Unwirksamkeit, der in dem gerichtlichen Vergleich vereinbarten Regelung berufe. Denn der Arbeitgeber dürfe nicht auf den Bestand einer offensichtlich rechtswidrigen Regelung vertrauen.
Das Urteil verdeutlicht, dass der gesetzliche Mindesturlaub eine unverzichtbare Schutznorm ist. Er darf nicht durch vertragliche Regelungen – weder durch Vergleich noch durch Aufhebungsvertrag oder sonstige Vereinbarung – zuungunsten des Arbeitnehmers eingeschränkt, veräußert oder „abgegolten“ werden, solange das Arbeitsverhältnis noch besteht. Pauschale Erledigungsklauseln wie „Urlaubsansprüche sind in natura gewährt“ oder „alle Ansprüche sind abgegolten“ sind unwirksam, wenn sie auch den gesetzlichen Mindesturlaub erfassen. Arbeitgeber müssen bei Beendigungsvergleichen und Aufhebungsverträgen daher klare, differenzierte Formulierungen verwenden, da unklare Regelungen zu Unsicherheiten hinsichtlich des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung führen können.
Auszahlung des Urlaubs
Die Auszahlung des Urlaubs ist im deutschen Arbeitsrecht grundsätzlich nur in Ausnahmefällen vorgesehen. Nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) muss der Urlaub in natura, also durch tatsächliche Freistellung von der Arbeit, gewährt werden. Eine Auszahlung des Urlaubsanspruchs ist nur dann zulässig, wenn das Arbeitsverhältnis endet und der Arbeitnehmer seinen Urlaub nicht mehr nehmen kann. In diesem Fall entsteht ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung, der sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst der letzten 13 Wochen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses richtet. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in zahlreichen Entscheidungen klargestellt, dass eine Auszahlung während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht möglich ist. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten daher frühzeitig klären, wie offene Urlaubsansprüche geregelt werden, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Die Rechtsprechung des BAG sorgt dafür, dass die gesetzlichen Vorgaben zur Urlaubsabgeltung konsequent eingehalten werden und der Schutz der Arbeitnehmer gewahrt bleibt.
Kein Bestandsschutz durch gerichtlichen Vergleich
Jede Regelung sollte deutlich machen, dass der Mindesturlaub entweder bereits gewährt wurde oder nach Beendigung ordnungsgemäß abgegolten wird, wobei diese Risiken insbesondere bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen bestehen. Andernfalls besteht das Risiko, dass Arbeitnehmer später erfolgreich Urlaubsabgeltung einklagen und Arbeitgeber neben der Abgeltung auch Zinsen und Prozesskosten tragen müssen. Sogar ein gerichtlicher Vergleich bietet keinen Bestandsschutz, wie das Urteil des BAG zeigt.
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