PAYBACK-Punkte beim Erwerb von Hörgeräten – Grenzen der Zulässigkeit
Mit Beschluss vom 18. Juli 2024 (Az. I ZR 43/24) hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine bedeutsame Entscheidung zur Zulässigkeit von Bonussystemen im Zusammenhang mit dem Kauf von Hörgeräten getroffen. Demnach ist es Hörgeräteakustikern nicht gestattet, PAYBACK-Punkte oder vergleichbare geldwerte Vorteile im Gesamtwert von mehr als einem Euro pro Kaufvorgang zu gewähren. Diese Entscheidung baut auf der strengen Preisbindung für Medizinprodukte auf und verdeutlicht die rechtlichen Rahmenbedingungen für Vertriebs- und Marketingstrategien im Gesundheitswesensektor.
Rechtsgrundlagen der Entscheidung
Preisbindung und Heilmittelwerbegesetz
Ausgangspunkt für die Unzulässigkeit der umfangreichen Punktegutschrift war die Verknüpfung von Preisbindungsvorschriften für Medizinprodukte, insbesondere Hörgeräte, mit Bestimmungen des Heilmittelwerbegesetzes (HWG). Hörgeräte unterliegen als Hilfsmittel den für apothekenpflichtige Arzneimittel analogen Bestimmungen. Indem der Gesetzgeber dem Werbe- und Rabattierungsverhalten in diesem Bereich enge Schranken setzt, soll insbesondere der Schutz der Versicherteninteressen sowie die Integrität der Preisstruktur im Gesundheitswesen gewahrt bleiben. Eine Überschreitung des in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG explizit genannten Schwellenwerts von einem Euro bei der Zuwendung von Werbegaben ist daher grundsätzlich unzulässig.
Auswirkungen auf Wettbewerb und Preisgestaltung
Die Gewährung von PAYBACK-Punkten, die unmittelbar in geldwerte Vorteile umgewandelt werden können, wird als geldwerter Vorteil im Sinne des Heilmittelwerbegesetzes bewertet. Sobald dieser Vorteil die Bagatellgrenze von einem Euro überschreitet, entsteht ein Verstoß gegen die geltenden Werbebeschränkungen. Der BGH knüpft hiermit an seine bislang gefestigte Judikatur zu Werbebonifikationen im Arzneimittel- und Hilfsmittelbereich an und betont die Bedeutung lauterer Marktverhältnisse; gerade im Bereich sensibler Medizinprodukte soll der Preiswettbewerb durch Bonusprogramme systematisch eingehegt werden.
Bedeutung für Hörgeräteakustiker und Anbieter von Gesundheitstechnologien
Vertriebspraxis und Compliance-Anforderungen
Für Akustikbetriebe und Anbieter vergleichbarer Medizinprodukte ergeben sich aus dieser Rechtsprechung klare regulatorische Leitplanken. Marketingstrategien, die auf Rabattsysteme und Kundenbindungsprogramme setzen, müssen sich zwingend an der zulässigen Bagatellgrenze orientieren. Das hat nicht nur Auswirkungen auf bestehende Geschäftsmodelle, sondern auch auf zukünftige Vertragsgestaltungen und die Zusammenarbeit mit Dienstleistern aus dem Bereich des Kundenmanagements. Ein Überschreiten der Höchstgrenze kann zu wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen sowie behördlichen Maßnahmen führen.
Relevanz für Franchise- und Filialsysteme
Die Entscheidung des BGH betrifft nicht nur einzelne Hörgeräteakustiker, sondern entfaltet Wirkung für alle Marktteilnehmer, die im Rahmen vertraglicher Bindungen – etwa im Franchisesystem oder in Filialstrukturen – vergleichbare Bonussysteme einsetzen. Eine bundesweit einheitliche Umsetzung der BAGATELLGRENZE ist daher ratsam, um Rechtsrisiken zu minimieren und eine einheitliche Compliance zu gewährleisten.
Auswirkungen auf das Marketing in der Gesundheitsbranche
Unterschiedliche Beurteilung nach Produktsegmenten
Der BGH macht klar, dass die rechtliche Bewertung von Kundenbindungsprogrammen stark vom jeweiligen Produktsegment abhängig ist. Während PAYBACK-Boni im klassischen Einzelhandel einen integralen Bestandteil der Kundenansprache darstellen dürfen, gelten im Bereich der Hilfsmittelversorgung erhöhte Sorgfaltspflichten. Die Entscheidung bestätigt somit die besondere Stellung des Gesundheitsmarkts im deutschen Rechtssystem.
Bedeutung für Versicherte und Verbraucher
Das Interesse der Verbraucher an attraktiven Boni muss mit dem Schutz der Preisbindung im Gesundheitsmarkt in Einklang gebracht werden. Durch die Beschränkung der Zuwendungen an Endkunden wird ein Beitrag dazu geleistet, die Beratungs- und Versorgungsqualität sowie Transparenz in der Preisbildung zu fördern.
Schlussbemerkung
Die aktuelle Entscheidung liefert wichtige Leitlinien für die Ausgestaltung von Bonus- und Rabattsystemen im Bereich der medizinischen Hilfsmittelversorgung. Marktteilnehmer sind gut beraten, die Vorgaben des BGH und die regulatorischen Rahmenbedingungen aufmerksam zu beobachten. Bei Fragen zur Auslegung der aktuellen Rechtsprechung, zur Anpassung bestehender Kundenbindungsprogramme oder zu weiteren vertriebsrechtlichen Themen im Gesundheitssektor stehen die Rechtsanwälte von MTR Legal für eine rechtliche Einordnung und fundierte Klärung zur Verfügung.