Versicherungsschutz für jugendliche Fußballspieler bei Bundesligavereinen: Neue Maßstäbe im Unfallversicherungsrecht
Die Einordnung von minderjährigen Leistungssportlern in das System der gesetzlichen Unfallversicherung erfährt durch das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (Az.: L 9 U 6/23, Urteil vom 11.11.2023) eine wegweisende Klarstellung. Im Fokus steht hierbei die Frage, welche Voraussetzungen ein jugendlicher Fußballspieler erfüllen muss, um als Beschäftigter im Sinne des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) zu gelten und damit Unfallversicherungsschutz zu erlangen.
Gesetzliche Unfallversicherung und ihre Anwendbarkeit auf jugendliche Vereinsfußballspieler
Ausgangslage: Der sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsbegriff
Das SGB VII gewährt Versicherungsschutz grundsätzlich Personen, die aufgrund einer abhängigen Beschäftigung tätig sind. Wesentliche Merkmale hierfür sind die persönliche Abhängigkeit, die Weisungsgebundenheit und die Eingliederung in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation. Im Bereich des Profisports – insbesondere im Jugendbereich – stellt sich regelmäßig die Frage, ob bereits Leistungssportler im Nachwuchsbereich in dieses System einzuordnen sind, insbesondere wenn sie noch minderjährig sind und sportliche Tätigkeiten im Rahmen eines Vereinsvertrages ausüben.
Rechtliche Bewertung des aktuellen Einzelfalls
Im zu entscheidenden Fall trainierte ein minderjähriger Fußballspieler im Rahmen einer Jugendmannschaft eines Erstligavereins und verletzte sich bei einem Spiel schwer. Strittig war, ob für derartige Sportverletzungen auf Vereinsveranstaltungen Unfallversicherungsschutz zu gewähren ist. Nach Auffassung des Gerichts war zu prüfen, ob das Verhältnis zwischen dem Sportler und dem Verein bereits so ausgestaltet war, dass es einer abhängigen, entgeltlichen Beschäftigung entsprach.
Besondere Relevanz erhielt die Betrachtung der Vertragsbeziehungen: Im entschiedenen Fall lag ein schriftlicher Fördervertrag vor, der ein regelmäßiges, wenn auch altersgemäß modifiziertes, Entgelt vorsah sowie eine umfassende sportliche und organisatorische Einbindung des Spielers in die Mannschaft und die Struktur des Vereins. Entscheidende Parameter waren neben der Zahlung eines monatlichen Entgelts auch Trainingsverpflichtungen, Abstellung für Spiele, Einhaltung von Verhaltensrichtlinien und die eindeutige Weisungsbefugnis von Vereinsseite.
Abgrenzung zu Amateursportlern und besondere Anforderungen an den Versicherungsschutz
Trennschärfe zwischen Amateursport und (semi-)professioneller Beschäftigung
Das Landessozialgericht betonte, dass nicht jede sportliche Betätigung in einem Verein bereits eine Beschäftigung im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung darstellt. Das maßgebliche Abgrenzungskriterium ist die wirtschaftliche Abhängigkeit, die an die regelmäßige Vergütung und die organisatorische Eingliederung geknüpft ist. Insoweit ging das Gericht davon aus, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen einer versicherungspflichtigen Tätigkeit bereits erfüllt waren, da der Rechtscharakter der vertraglichen Bindung die Schwelle von der bloßen Freizeitbetätigung zum abhängigen Arbeitsverhältnis überschritt.
Konsequenzen für den Versicherungsschutz minderjähriger Leistungssportler
Diese Entscheidung setzt deutliche Akzente für Nachwuchssportler, die im Rahmen von strukturierten Förderprogrammen mit bestehenden Vergütungen agieren. Die Anerkennung einer versicherungspflichtigen (Beschäftigungs-)Beziehung bedeutet, dass bei Auftreten von Sportunfällen der gesetzliche Unfallversicherungsschutz greift, etwa mit Blick auf Heilbehandlungs-, Rehabilitations- oder Rentenleistungen.
Praktische Auswirkungen für Vereine, Leistungsträger und Erziehungsberechtigte
Verpflichtende Einhaltung sozialversicherungsrechtlicher Rahmenbedingungen
Das Urteil verdeutlicht für Vereine und die mit der Betreuung minderjähriger Talente befassten Personen und Institutionen, dass spätestens im Falle vertraglicher Bindung und einer spürbaren Vergütungspflicht die sozialversicherungsrechtlichen Vorgaben Beachtung finden müssen. Hierzu zählen Meldepflichten an die zuständigen Sozialversicherungsträger, Beitragsabführungen und die Erfüllung arbeits- und versicherungsrechtlicher Fürsorgepflichten.
Überlegungen zur Vertragsgestaltung im Jugendleistungssport
Die Entscheidung wirft zugleich grundlegende Fragen für die arbeits- und sozialrechtliche Ausgestaltung von Nachwuchsverträgen im Profifußball auf. Verantwortliche müssen sicherstellen, dass die vertraglichen Regelungen Transparenz und Rechtssicherheit in Bezug auf Bestehen, Umfang und Grenzen des Versicherungsschutzes bieten. Neben dem Schutz der jugendlichen Spieler steht somit auch die Haftungsprävention für die Institutionen im Vordergrund.
Bedeutung für die arbeits- und versicherungsrechtliche Praxis
Das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts hat grundsätzliche Bedeutung für die Einordnung minderjähriger Leistungssportler im Rahmen von Förder- oder Arbeitsverträgen. Für Vereine, Eltern, Berater und die Spieler selbst schafft es Rechtsklarheit im Hinblick auf die Einbindung in das System der gesetzlichen Unfallversicherung.
Angesichts der zunehmenden Professionalisierung des Nachwuchssports und der Komplexität der arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Schnittstellen empfiehlt sich für Unternehmen, Vereine oder andere Institutionen eine sorgfältige Prüfung ihrer rechtlichen Pflichten und Gestaltungsmöglichkeiten.
Sollten sich in Ihrem Unternehmen, Verein oder im privaten Bereich weitergehende Fragestellungen zu arbeitsrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Einsatz junger Sporttalente ergeben, finden Sie weitere Hinweise und qualifizierte Unterstützung unter dem Link zur Rechtsberatung im Arbeitsrecht von MTR Legal.