Hohe Abfindung bei nachgewiesenem Machtmissbrauch möglich

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Ausgangssachverhalt und Verfahrensgang

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hatte im Oktober 2025 über weitreichende arbeitsrechtliche Implikationen einer arbeitgeberseitigen Kündigung infolge familienrechtlicher Auseinandersetzungen zu entscheiden (Az. 4 SLa 9725/25; Quelle: https://urteile.news/LAG-Koeln_4-SLa-9725_Machtmissbrauch-rechtfertigt-hohe-Abfindung~N35466). Im Zentrum stand die Frage, inwiefern das durch eine Kündigung manifestierte Machtgefälle zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer maßgeblich für die Bemessung einer Abfindung nach § 1a KSchG sowie für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses sein kann. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf möglichen Verstößen gegen das Maßregelungsverbot aus § 612a BGB und die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Machtmissbrauch und Abfindungsbemessung – Der rechtliche Rahmen

Maßregelungsverbot und arbeitsrechtliche Schutzmechanismen

Das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verbietet es Arbeitgebern, Arbeitnehmer bei der Ausübung ihrer Rechte aus dem Arbeitsverhältnis zu benachteiligen. Richtet sich eine Kündigung in erkennbarer Weise gegen die Geltendmachung legitimer Ansprüche oder gegen das Verhalten im außerbetrieblichen Bereich, kommen regelmäßig die Sanktionsmechanismen des Kündigungsschutzrechts, z.B. Nichtigerklärung der Kündigung oder eine gerichtliche Auflösung, in Betracht. Das LAG Köln stellte heraus, dass insbesondere Vermischungen privatrechtlicher und arbeitsrechtlicher Streitigkeiten – wie im entschiedenen Fall die Geltendmachung familienrechtlicher Ansprüche – nicht zur Begründung personeller Maßnahmen herangezogen werden dürfen.

Arbeitgeberseitige Kündigung aus sachfremden Motiven

Die Entscheidung des LAG konkretisiert, in welchen Konstellationen eine Kündigung als Ausdruck ungerechtfertigter Machtausübung zu sehen ist. Der Arbeitgeber hatte im Zusammenhang mit einer familienrechtlichen Streitigkeit die Trennung auf arbeitsrechtlicher Ebene forciert. Nach Ansicht des Gerichts lag hierin ein erheblicher Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot und die Treuepflicht. Solch motivierte Kündigungen berühren nicht nur den Bestandsschutz des betroffenen Arbeitnehmers, sondern wirken sich nach Auffassung des Gerichts auch auf die Entscheidung über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses und die Bemessung einer angemessenen Abfindung aus.

Gerichtliche Auflösung und Bemessung der Abfindungshöhe

Besonderheiten der gerichtlichen Auflösung nach § 9 KSchG

Die gerichtliche Auflösung nach § 9 KSchG ist ein außerordentliches Instrument des Kündigungsschutzverfahrens, das bei groben Pflichtverletzungen eingreifen kann. Das LAG Köln stellte fest, dass eine zielgerichtete und willkürliche Ausnutzung der arbeitgeberseitigen Machtposition einen Anwendungsfall darstellt, der eine Auflösung rechtfertigen kann und zugunsten der Arbeitnehmerschutzinteressen streng zu beurteilen ist.

Kriterium „Machtmissbrauch” bei der Abfindungshöhe

Bei der Festsetzung der Abfindung nach § 10 KSchG ist eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, darunter die Dauer des Arbeitsverhältnisses und die wirtschaftliche Situation der Parteien. Die Entscheidung des LAG betont, dass bei nachgewiesenem Machtmissbrauch auf Arbeitgeberseite auch die Statuierung abschreckender und ausgleichender Komponenten im Rahmen der Ermessensausübung zulässig ist. Dies führt im Einzelfall zu einer deutlich über dem Regelabfindungssatz liegenden Entschädigung und erfüllt sowohl Sanktions- als auch Präventionszwecke.

Implikationen für die Praxis der Vertragsbeendigung

Auswirkungen auf die betriebliche Compliance-Kultur

Die Rechtsprechung unterstreicht die Notwendigkeit einer strikten Trennung zwischen betriebsbezogenen Entscheidungsgründen und außerbetrieblichen Konflikten. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, Handlungen von mitarbeiterbezogenen Konflikten, familiären Auseinandersetzungen und rein arbeitsrechtlichen Prozessen zu trennen. Eine missbräuchliche Verquickung kann nicht nur kündigungsschutzrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, sondern auch das Unternehmensimage und die Innenwirkung gegenüber der Belegschaft nachhaltig beeinträchtigen.

Einschätzung zur Bedeutung für Investoren und Unternehmen

Für Unternehmen und gesellschaftsrechtlich eingebundene Investoren gewinnt diese Rechtsprechung zusätzlich an Bedeutung. Neben der reinen Arbeitsvertragsbeendigung kann sie Auswirkungen auf Compliance-Strukturen, das Haftungsrisiko von Vertretungsorganen und die arbeitsplatzbezogenen Fairnessgrundsätze haben. Die Gestaltung von Trennungsprozessen sollte unter Berücksichtigung etwaiger Haftungs- und Reputationsrisiken erfolgen.

Ausblick und fortdauernde Rechtsunsicherheit

Das Urteil des LAG Köln unterstreicht, dass Machtmissbrauch im Kontext der Beendigung von Arbeitsverhältnissen ein zentrales Kriterium für gerichtliche Korrekturen und signifikante Abfindungen ist. Gleichzeitig verbleiben Unsicherheiten hinsichtlich der Reichweite des Maßregelungsverbots und der Bewertung atypischer und gemischtmotivierter Kündigungsgründe. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsfortbildung auf Ebene der Landesarbeitsgerichte und des Bundesarbeitsgerichts weiterentwickeln wird.

Für Unternehmen, Investoren oder Führungskräfte, die mit Fragen des Kündigungsschutzes, Trennungsmanagements oder Compliance konfrontiert sind, empfiehlt es sich, professionelle Rechtsberatung im Arbeitsrecht, etwa durch MTR Legal Rechtsanwälte, in Anspruch zu nehmen, um Risiken sachgerecht einzuschätzen und adäquat vorzubeugen. Weitere Informationen finden Sie hier: Rechtsberatung im Arbeitsrecht.

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