Einordnung der Schiedsrichtertätigkeit für den DFB: Keine Begründung eines Arbeitsverhältnisses
Mit Urteil vom 2. Mai 2025 (Az.: 4 Ca 2061/24) hat das Arbeitsgericht Bonn festgestellt, dass Schiedsrichter, die im Auftrag des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) tätig werden, nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Verband stehen. Das Verfahren wirft grundlegende Fragen zur arbeitsrechtlichen Qualifizierung von Organrollen im Profisport auf – insbesondere im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen Dienst- und Arbeitsverhältnis, die Anwendbarkeit von Arbeitnehmerschutzbestimmungen und die rechtliche Stellung ehrenamtlicher und bezahlter Tätigkeiten bei Sportverbänden.
Zentrale Aspekte der Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn
Sachverhaltsdarstellung und Prozessverlauf
Im vorliegenden Verfahren klagte ein Schiedsrichter gegen den DFB mit dem Ziel, ein arbeitsvertragliches Verhältnis feststellen zu lassen. Kern der Argumentation bildete die substantielle Bindung an die Weisungen und Regularien des Verbandes sowie die vergütete Ausübung der Schiedsrichtertätigkeit im Ligabetrieb. Nach Auffassung des Klägers begründeten Umfang, Struktur und Intensität der Tätigkeit eine persönliche Abhängigkeit und damit eine Arbeitnehmereigenschaft (§ 611a BGB). Der DFB bestritt das Vorliegen der Voraussetzungen eines Arbeitsvertrages; die Organisation erfolge im Rahmen einer ehrenamtlichen Tätigkeit, Vergütungen stellten Aufwandsentschädigungen dar.
Das Gericht lehnte die Einordnung als Arbeitnehmer im konkreten Fall ab und wies die Klage ab. Die Entscheidung hebt auf die rechtlich maßgeblichen Kriterien der persönlichen Abhängigkeit, Eingliederung in die Verbandshierarchie und das Vorliegen von Weisungsrechten ab.
Maßgebliche Kriterien für ein Arbeitsverhältnis im Sinne von § 611a BGB
Das Arbeitsverhältnis ist in Deutschland durch eine umfassende persönliche Abhängigkeit und das Vorliegen eines Weisungsrechts des Arbeitgebers gekennzeichnet. Für den Schiedsrichter beim DFB sah das Gericht diese Merkmale als nicht gegeben an. Insbesondere betonte das Arbeitsgericht die organisatorische Selbstständigkeit des Schiedsrichters im Rahmen der Spielleitung:
- Weisungsabhängigkeit: Die Durchführung der Spielleitung unterliegt keiner direkten, individuellen Weisung durch den DFB während des Einsatzes. Die Vorgaben beschränken sich auf neutral vorgegebene Regularien wie die Schiedsrichterordnung, den Spielplan und verbindliche Rahmenterminierungen, nicht jedoch auf ein Einwirken auf die eigentliche Entscheidungsfindung im Spiel.
- Eingliederung: Zwar ist der Schiedsrichter den Abläufen des Spielbetriebs unterworfen, jedoch erfolgt keine Eingliederung in eine feste betriebliche Organisation des DFB. Es fehlt an einer arbeitsplatztypischen Eingliederung, wie sie bei Arbeitsverhältnissen üblich ist.
- Vergütung und Vergütungsstruktur: Die Zahlung von Aufwandsentschädigungen oder Honoraren für einzelne Einsätze weist auf ein freies Dienstverhältnis hin, da keine monatlich fixierte Vergütung aufgrund eines Dauerschuldverhältnisses erfolgt.
Stellung ehrenamtlich und entgeltlich Tätiger im Sportrecht
Das Urteil folgt einer etablierten Rechtsprechungslinie zur arbeitsrechtlichen Qualifizierung von Sportfunktionären und Offiziellen. Die vertraglichen Beziehungen zu Schiedsrichtern beruhen im Profifußball in der Regel entweder auf Dienstleistungsbasis oder in Form ehrenamtlicher Tätigkeit mit geringen Aufwandsentschädigungen. Für die Anwendung der arbeitnehmerschützenden Normen kommt es demnach nicht vorrangig auf die Entgeltlichkeit an, sondern auf die Frage, ob eine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit geschaffen wird.
Das Arbeitsgericht ordnete die Tätigkeit des Klägers als freies Dienstverhältnis ein. Eine Tätigkeit darf vor allem dann nicht als Arbeitsverhältnis angesehen werden, wenn – wie im Fall von Schiedsrichtern – wesentliche Freiheitsgrade bei der Ausführung verbleiben und diese nicht festen Weisungen bezüglich Zeit, Ort oder Inhalt ihrer Dienstleistung unterliegen.
Überblick zu Bedeutung und rechtlichen Folgen
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn ist geeignet, über den Einzelfall hinaus Orientierungspunkte für die Abgrenzung von Arbeits- und Dienstverhältnissen im sportlichen Kontext zu liefern. Die Zuordnung hat weitreichende Konsequenzen, etwa im Hinblick auf Kündigungsschutz, Sozialversicherungspflichten und Anwendung zwingender arbeitsrechtlicher Schutzinstrumentarien.
Weiterführende Erwägungen zur arbeitsrechtlichen Einordnung im Sportbereich
Abgrenzungsfragen bei nichttypischen Organisationen
Verbände und Organisationen im Sportsektor weisen oft Besonderheiten auf. Bei der arbeitsrechtlichen Würdigung von Vertragsverhältnissen – etwa mit Schiedsrichtern, Trainern oder Funktionären – ist stets eine einzelfallbezogene Prüfung anhand der tatsächlichen Ausgestaltung maßgeblich. Die Zuordnung unterschiedlicher Kompetenzen und Verantwortungsbereiche, vertragliche Ausgestaltung sowie Inhalt und Intensität eventueller Weisungsbindungen sind hierbei sorgfältig zu analysieren.
Auswirkungen für Unternehmen und Akteure im Sport
Für wirtschaftlich agierende Akteure – etwa Vermarktungsgesellschaften, Sponsoren oder Sportverbände – schafft das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn Klarheit dahingehend, dass auch professionelle Schiedsrichter nicht automatisch als Arbeitnehmer des Verbandes oder der Liga einzustufen sind. Dadurch werden potenzielle sozialversicherungsrechtliche und arbeitsrechtliche Risiken begrenzt, etwa in Bezug auf verpflichtende Abgaben oder Ansprüche aus Kündigungsschutz.
Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass die tatsächlichen Umstände der Vertragsbeziehung und deren praktische Ausübung stets von entscheidender Bedeutung sind. Änderungen des Tätigkeitsumfangs, weitergehende Kontrolle durch den Verband oder feste Monatsvergütungen könnten künftig dazu führen, dass Gerichte im Einzelfall eine andere Bewertung vornehmen.
Schlussbemerkung
Die arbeitsrechtliche Einordnung von Schiedsrichtern im nationalen und internationalen Sport bleibt eine komplexe und stark vom Einzelfall abhängige Materie. Das aktuelle Urteil des Arbeitsgerichts Bonn bestätigt die Linie, Schiedsrichter beim DFB nicht als Arbeitnehmer im klassischen Sinne zu sehen, sondern als freie Dienstleister. Dies verdeutlicht, dass Unternehmen und Verbände im Sportsektor ihre Vertragsmodelle mit Funktions- und Offiziellen sorgfältig ausgestalten sollten. Bei weitergehenden Fragen zur Abgrenzung von Arbeits- und Dienstverhältnissen im Sport – oder bei umfassenden arbeitsrechtlichen Gestaltungen – empfiehlt sich eine vertiefte rechtliche Prüfung. Eine individuelle Beratung durch erfahrene Ansprechpartner im Arbeitsrecht bietet MTR Legal unter dem folgenden Link: Rechtsberatung im Arbeitsrecht.