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Zweckerklärung


Begriff und rechtliche Einordnung der Zweckerklärung

Die Zweckerklärung ist ein essenzielles rechtliches Instrument im Bereich des Kreditsicherungsrechts. Sie beschreibt eine vertragliche Vereinbarung, mit der das Sicherungsobjekt (z.B. Grundschuld, Hypothek, Bürgschaft) einem bestimmten Sicherungszweck zugeordnet wird. Die Zweckerklärung regelt das Verhältnis zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer und definiert, welche Forderungen durch die Sicherheit abgedeckt werden sollen. Sie spielt insbesondere bei der Sicherungsgrundschuld, -hypothek und weiteren Sicherheiten eine zentrale Rolle.


Bedeutung und Funktion der Zweckerklärung

Sicherungszweck und Abstraktheit der Grundschuld

Ein wesentliches Charakteristikum vieler Kreditsicherheiten ist deren rechtliche Abstraktheit, das heißt, sie sind rechtlich vom eigentlichen Schuldverhältnis unabhängig. Die Zweckerklärung „verbindet“ nun die abstrakte Sicherheit mit einem konkreten Sicherungszweck, z. B. der Absicherung eines Darlehens. Die Reichweite der Haftung des Sicherungsgebers klärt sich damit präzise anhand der getroffenen Zweckvereinbarung.

Abgrenzung zu anderen Sicherungsvereinbarungen

Im Unterschied zu akzessorischen Sicherheiten (etwa der Bürgschaft), die ohnehin untrennbar mit der gesicherten Forderung verbunden sind, ist bei abstrakten Sicherheiten wie der Grundschuld oder Sicherungsübereignung die Zweckerklärung unerlässlich für die Begrenzung des Sicherungsumfangs.


Rechtsnatur und Form der Zweckerklärung

Grundform

Rechtlich handelt es sich bei der Zweckerklärung um einen schuldrechtlichen Vertrag zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer. Sie legt fest, welche Forderungen, auch künftige oder Bedingungsforderungen, mit der Sicherheit verbunden sein sollen.

Formvorschriften

Die Zweckerklärung unterliegt grundsätzlich keinen Formvorschriften und kann mündlich, schriftlich oder auch konkludent (durch schlüssiges Verhalten) vereinbart werden. In der Praxis wird meist die Schriftform gewählt, um Beweisprobleme vorzubeugen.


Typische Anwendungsbereiche der Zweckerklärung

Sicherungsgrundschuld

Die häufigste Anwendung findet die Zweckerklärung im Zusammenhang mit der sogenannten Sicherungsgrundschuld. Da die Grundschuld selbst nicht unmittelbar eine Forderung sichert, sondern als abstraktes Sicherungsmittel angelegt ist, erfolgt die Zweckbindung der Grundschuld regelmäßig durch eine Zweckvereinbarung.

Global- und Höchstbetragserklärung

Zweckerklärungen können auch als sogenannte Global- oder Höchstbetragserklärungen ausgestaltet werden. Hier wird die Sicherheit nicht nur für eine einzelne, sondern für mehrere Forderungen, meist für alle gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen aus der Geschäftsbeziehung, eingesetzt (Globalzweck).

Bürgschaft und Sicherungsübereignung

Auch bei anderen Sicherheiten, etwa bei der Bürgschaft oder Sicherungsübereignung, ist eine genaue Festlegung des Sicherungszwecks durch eine entsprechende Erklärung sinnvoll und regelmäßig üblich.


Inhaltliche Ausgestaltung der Zweckerklärung

Bestimmtheitserfordernis

Die inhaltliche Festlegung des Sicherungszwecks erfordert eine hinreichende Bestimmtheit, damit für beide Parteien klar ist, welche Forderungen abgesichert werden. Die Rechtsprechung verlangt, dass der Umfang der Sicherungsabrede bei objektiver Auslegung für den Sicherungsgeber erkennbar ist.

Gegenstand der Sicherung

Mögliche Ausgestaltungen umfassen die Absicherung einer Einzel- oder mehrerer Forderungen, einschließlich künftiger Forderungen (z.B. aus laufender Geschäftsbeziehung), sowie die Absicherung von Nebenforderungen wie Zinsen und Kosten.

Anpassung und Änderung der Zweckerklärung

Grundsätzlich ist eine nachträgliche Änderung der Zweckerklärung möglich, soweit beide Vertragsparteien einverstanden sind. Sie bedarf keiner besonderen Form, empfiehlt sich aber schriftlich.


Rechtliche Konsequenzen und Streitpunkte

Übersicherung und Begrenzung des Sicherungszwecks

Eine zentrale Bedeutung kommt dem sogenannten Übersicherungsverbot zu. Werden Sicherheiten in einem unverhältnismäßigen Umfang bestellt (im Verhältnis zur Forderung), kann der Sicherungsgeber nach der Rechtsprechung einen Anspruch auf Anpassung oder Freigabe gemäß § 138 BGB geltend machen. Die Vertragsparteien müssen regelmäßig überprüfen, ob die Sicherheit in angemessenem Verhältnis zur gesicherten Forderung steht.

Rechtsfolgen bei Zweckverfehlung und Zweckfortfall

Kommt es zum Fortfall des Sicherungszwecks, etwa durch Erfüllung oder Erlöschen der zu sichernden Forderung, so wandelt sich das Sicherungsobjekt typischerweise in eine sogenannte Fiduziareigenschaft: Das Sicherungsmittel muss freigegeben oder zurückübertragen werden (z.B. durch Rückgewähr der Grundschuld oder Rückübereignung).

Verstoß gegen die Zweckerklärung

Wird die Sicherheit außerhalb des vereinbarten Sicherungszwecks in Anspruch genommen, kann der Sicherungsgeber Unterlassung oder Schadensersatz verlangen. Der Sicherungszweck begrenzt so die Zugriffsmöglichkeit des Sicherungsnehmers.


Zweckerklärung bei Verbrauchern und AGB-Recht

Einbeziehung in Allgemeine Geschäftsbedingungen

Häufig kommen Zweckerklärungen im Rahmen von vorformulierten Vertragsbedingungen zum Einsatz. Im Verbraucherschutzrecht ist darauf zu achten, dass diese Klauseln gemäß den §§ 305 ff. BGB einer Inhaltskontrolle unterliegen und nicht überraschend oder unangemessen benachteiligend sind. Unklare oder zu weitreichende Zweckerklärungen können zur Unwirksamkeit führen.


Bedeutung in der Praxis

Dokumentation und Beratung

Die präzise Abfassung und sorgfältige Dokumentation der Zweckerklärung sind in der Praxis von erheblicher Bedeutung, um Rechtsunsicherheit, Streitigkeiten oder unbeabsichtigte Rechtsfolgen zu vermeiden.

Relevanz im Insolvenzfall

Im Insolvenzverfahren kommt der Zweckerklärung eine maßgebliche Rolle zu, da sie bestimmt, in welchem Umfang der Insolvenzverwalter und die Gläubiger Zugriff auf die bestellten Sicherheiten haben.


Zusammenfassung

Die Zweckerklärung ist für die rechtswirksame und rechtssichere Ausgestaltung von Kreditsicherheiten von zentraler Bedeutung. Sie schafft die Verbindung zwischen einem – häufig abstrakten – Sicherungsmittel und der zu sichernden Forderung und begrenzt den Umfang der Sicherheitenverwertung. Damit dient sie dem Schutz beider Vertragsparteien und ist insbesondere bei Grundschulden, Hypotheken, Sicherungsübereignungen und Bürgschaften unverzichtbar. Durch die zweckgebundene Begrenzung der Sicherheiten im Verhältnis zur gesicherten Forderung leistet die Zweckerklärung einen wichtigen Beitrag zum Ausgleich der Interessen von Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Anforderungen müssen an eine Zweckerklärung gestellt werden?

Eine Zweckerklärung unterliegt im deutschen Recht keinen strikten Formerfordernissen, jedoch ist im Interesse der Rechtssicherheit und Nachvollziehbarkeit grundsätzlich die Schriftform nach § 126 BGB zu empfehlen. Damit sowohl Kreditgeber als auch Sicherungsgeber Klarheit über die gesicherten Forderungen und den Umfang der Haftung erhalten, sollte die Zweckerklärung so präzise und eindeutig formuliert sein, dass eindeutig erkennbar ist, welche Forderungen durch die gestellte Sicherheit (z.B. Grundschuld, Bürgschaft) abgesichert werden. Andernfalls droht im Streitfall eine Unwirksamkeit oder Unbestimmtheit der Sicherungsvereinbarung, was insbesondere bei sogenannten „weiten Zweckerklärungen“ regelmäßig zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führt. Zudem muss die Zweckerklärung beiden Vertragsparteien zugehen und wird oft als Nebenabrede im Sicherungsvertrag, etwa im Rahmen eines Grundschuldbestellungsformulars, dokumentiert. Aus Transparenzgründen und zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung des Sicherungsgebers unterliegen eben jene Zweckerklärungen der richterlichen Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB, wenn sie als Allgemeine Geschäftsbedingungen ausgestaltet sind.

Welche Forderungen können durch eine Zweckerklärung rechtlich abgesichert werden?

Im Rahmen einer Zweckerklärung können grundsätzlich alle gegenwärtigen, zukünftigen und auch bedingten Forderungen zwischen dem Kreditgeber und Kreditnehmer abgesichert werden. Sie ist jedoch inhaltlich beschränkbar: Möglich ist sowohl die Sicherung einer ganz konkreten Einzelverbindlichkeit (sog. enge Zweckerklärung) als auch die Sicherung eines ganzen Bündels von Forderungen, etwa aus einem gesamten Darlehensverhältnis oder einer laufenden Geschäftsbeziehung (sog. weite Zweckerklärung). Die Reichweite ist insbesondere bei Unternehmen für Kontokorrentkredite weit gefasst; hierbei erstreckt sich die Haftung häufig auch auf alle künftigen, noch nicht entstandenen Forderungen. Allerdings verlangt die Rechtsprechung, dass die Reichweite hinreichend durchsichtig gestaltet und für eine durchschnittlich verständige Partei noch erkennbar ist; undurchsichtige oder überraschende Erweiterungen der Haftung können nach § 307 BGB unwirksam sein.

Welche rechtlichen Folgen hat eine fehlerhafte oder unwirksame Zweckerklärung?

Ist eine Zweckerklärung inhaltlich unbestimmt, überraschend oder benachteiligt sie eine Vertragspartei unangemessen, so droht gemäß §§ 305c, 307 BGB ihre (teilweise) Unwirksamkeit. Dies kann zur Folge haben, dass die gestellte Sicherheit nicht, oder nur eingeschränkt, zur Absicherung herangezogen werden darf. Im Krisenfall, etwa einer Insolvenz des Sicherungsgebers, kommen Zweifel bei schwach oder widersprüchlich formulierten Zweckerklärungen stets dem Sicherungsgeber zugute. Fehlen im Sicherungsvertrag insbesondere klare Angaben zum Umfang der abzusichernden Forderungen, nimmt die Rechtsprechung im Zweifel eine Auslegung im Sinne einer möglichst geringen Haftungsreichweite an („engste Auslegung“). Damit riskiert der Kreditgeber, auf nicht abgesicherten Forderungen sitzen zu bleiben.

Wer trägt bei Streitigkeiten um den Sicherungszweck die Darlegungs- und Beweislast?

Im Streitfall trägt grundsätzlich der Sicherungsnehmer, also meist die Bank oder das kreditgebende Institut, die Darlegungs- und Beweislast für den Umfang des Sicherungszwecks der gestellten Sicherheit. Das bedeutet, dass der Kreditgeber nachweisen muss, welche Forderungen tatsächlich durch die Zweckerklärung gedeckt sind; unklare oder unvollständige Formulierungen gehen dementsprechend zu seinen Lasten (§ 133, § 157 BGB; Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung bei AGB). Bei besonders weit gefassten Konzepten, wie etwa „alle gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen“, ist eine präzise Dokumentation und transparente Kommunikation unerlässlich, da andernfalls im Rechtsstreit auslegungsbedingte Verluste drohen können.

Wie beeinflusst eine „weite“ Zweckerklärung die Haftung des Sicherungsgebers rechtlich?

Durch eine weite Zweckerklärung dehnt sich die Haftung des Sicherungsgebers auf ein breites, ggf. nicht abschließend konkretisiertes Forderungsspektrum aus. Rechtlich sind solche Klauseln insbesondere bei Verbrauchern kritisch zu betrachten, da sie eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 BGB darstellen können. Die Rechtsprechung verlangt hier eindeutige Transparenz und Verständlichkeit darüber, welche Forderungen von der Sicherheit erfasst werden sollen. Bei Intransparenz oder Überrumpelung des Sicherungsgebers kann eine solche Klausel (teilweise oder vollständig) für unwirksam erklärt werden, wodurch sich der Haftungsumfang drastisch reduzieren kann. Auch bei unternehmerischen Sicherungsgebern sind die Grenzen der Zulässigkeit durch die Erfordernisse von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gesteckt.

Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen kann eine Zweckerklärung widerrufen oder geändert werden?

Ein Widerruf oder eine Änderung der Zweckerklärung ist grundsätzlich nur mit Zustimmung des Kreditgebers möglich, sofern die ursprüngliche Vereinbarung keine einseitige Widerrufsmöglichkeit vorsieht. Die Zweckerklärung selbst ist integraler Bestandteil der Sicherungsabrede und bindet beide Parteien, solange das gesicherte Rechtsverhältnis besteht. Rechtsgrundlagen für eine Änderung können sich aber etwa aus § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) ergeben, wenn sich die Umstände schwerwiegend und unerwartet verändert haben. Nach Rückzahlung oder vollständiger Tilgung der gesicherten Forderungen ist der Sicherungsgeber jedenfalls berechtigt, die Freigabe der Sicherheit, also die Löschung der Grundschuld oder Rückgabe der Bürgschaftsurkunde, einzufordern (§ 1192 Abs. 1a BGB).

Welche Besonderheiten gelten für Zweckerklärungen bei Verbraucherdarlehen?

Bei Verbraucherdarlehen unterliegen Zweckerklärungen besonders strengen inhaltlichen und formalen Anforderungen, die sich aus § 491a BGB und den Vorschriften zum Verbraucherschutz ergeben. Der Sicherungsgeber, wenn er Verbraucher ist, muss umfassend, klar und verständlich über Umfang bzw. Reichweite seiner Haftung informiert werden. Unterschreibt ein Verbraucher eine Sicherungsabrede mit einer zu weiten oder unklaren Zweckerklärung, droht die Unwirksamkeit dieser Klausel wegen Intransparenz (§ 307 BGB), und der Kreditgeber kann auf der Besicherung sitzenbleiben. Ferner gilt das Gebot der Einholung einer persönlichen, schriftlichen und gesonderten Zustimmung für Sicherheiten außerhalb des Hauptvertrags. Der Widerruf nach dem Fernabsatzrecht ist zudem zu beachten, sofern die Zweckerklärung außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen wurde.