Zugewinngemeinschaft: Begriff, Funktion und rechtlicher Rahmen
Die Zugewinngemeinschaft ist der in Deutschland verbreitete gesetzliche Güterstand. Er gilt automatisch ab Eheschließung, wenn die Ehegatten nichts anderes vereinbaren. Während der Ehe bleiben die Vermögen beider Personen grundsätzlich getrennt. Erst bei Beendigung des Güterstands – etwa durch Scheidung, Tod oder Wechsel in einen anderen Güterstand – findet ein Ausgleich der während der Ehe erwirtschafteten Mehrwerte (des „Zugewinns“) statt. Ziel ist eine faire Teilhabe beider Ehegatten an dem in der Ehe geschaffenen Vermögenszuwachs, unabhängig davon, wer Einkommen erzielt oder den Haushalt führt.
Vermögensordnung während der Ehe
Eigentum und Verwaltung
In der Zugewinngemeinschaft behält jede Person ihr eigenes Vermögen. Es entsteht kein gemeinschaftliches Gesamtvermögen allein durch die Eheschließung. Jeder verwaltet sein Vermögen selbst und kann darüber verfügen. Für bestimmte Geschäfte bestehen allerdings Zustimmungserfordernisse, etwa bei Verfügungen über das gesamte Vermögen oder über den wesentlichen Hausrat. Alltägliche Anschaffungen, die vom laufenden Einkommen bezahlt werden, sind in der Regel unproblematisch. Gemeinsame Konten oder gemeinschaftlich erworbene Gegenstände gehören beiden entsprechend der getroffenen Vereinbarung oder – wenn nichts anderes feststeht – anteilig.
Haftung für Schulden
Die Zugewinngemeinschaft begründet keine automatische Mitverantwortung für die Schulden der anderen Person. Jede Person haftet grundsätzlich nur für die von ihr eingegangenen Verbindlichkeiten. Gemeinsame Verbindlichkeiten bestehen nur, wenn beide eine Verpflichtung eingegangen sind oder besondere gesetzliche Haftungsgründe vorliegen. Die Vermögen bleiben getrennt, ebenso die Haftungsbereiche.
Der Zugewinnausgleich bei Beendigung
Anlässe der Beendigung
Der Güterstand endet insbesondere durch rechtskräftige Scheidung, durch den Tod eines Ehegatten oder durch vertraglichen Wechsel in einen anderen Güterstand (z. B. Gütertrennung oder Gütergemeinschaft). Mit Beendigung entsteht der Anspruch auf Zugewinnausgleich.
Stichtage und Berechnungsgrundlagen
Für die Berechnung werden das Anfangsvermögen (zum Beginn der Ehe) und das Endvermögen (zum Stichtag der Beendigung) gegenübergestellt. Maßgeblich sind die Vermögenswerte abzüglich der Verbindlichkeiten. Schulden können dazu führen, dass Anfangs- oder Endvermögen negativ ist. Das Anfangsvermögen wird kaufkraftbereinigt, damit reine Preissteigerungen nicht zu einem sachfremden Ausgleich führen. Der Zugewinn ist die Differenz zwischen End- und bereinigtem Anfangsvermögen. Der Ehegatte mit dem höheren Zugewinn schuldet die Hälfte der Differenz in Geld. Ein Anspruch auf Übereignung bestimmter Gegenstände entsteht grundsätzlich nicht.
Privilegierte Erwerbe
Erbschaften und Zuwendungen von Dritten während der Ehe werden so behandelt, als hätten sie bereits zu Beginn der Ehe vorgelegen. Dadurch wird verhindert, dass solche unentgeltlichen Erwerbe den Zugewinn einseitig erhöhen. Wertsteigerungen aus diesen Erwerbungen während der Ehe fließen hingegen in den Zugewinn ein. Zuwendungen zwischen den Ehegatten sind demgegenüber grundsätzlich reguläre Vermögensverschiebungen, die im Zugewinn Berücksichtigung finden können.
Illoyale Vermögensminderungen und Sicherung
Vermögensminderungen, die in der Absicht erfolgen, den anderen zu benachteiligen – etwa durch Verschwendung, unentgeltliche Verfügungen kurz vor Beendigung oder die gezielte Entziehung von Vermögenswerten -, können rechnerisch hinzugerechnet werden. Es bestehen Möglichkeiten, den Ausgleichsanspruch zu sichern, zum Beispiel durch gerichtliche Maßnahmen zur Sicherung oder zur vorzeitigen Geltendmachung, wenn der Ausgleich gefährdet ist.
Besonderheiten beim Tod eines Ehegatten
Endet die Zugewinngemeinschaft durch Tod, wirkt sich dies auf die erbrechtliche Stellung des überlebenden Ehegatten aus. Es bestehen spezielle Regeln, nach denen sich der gesetzliche Erbteil pauschal erhöhen kann. Alternativ kann der überlebende Ehegatte unter bestimmten Voraussetzungen den Zugewinnausgleich als Geldanspruch geltend machen. Die Wahlmöglichkeiten und deren Wirkungen sind im Erbrecht geregelt.
Bewertung und typische Vermögenspositionen
Immobilien
Immobilien werden zum Stichtag mit ihrem Verkehrswert angesetzt; Belastungen (z. B. Darlehen) mindern den Wert. Wertsteigerungen während der Ehe, etwa durch allgemeine Marktentwicklung oder durch Investitionen, erhöhen den Zugewinn.
Unternehmen und Beteiligungen
Unternehmenswerte und Beteiligungen zählen zum Vermögen und werden nach anerkannten Bewertungsmethoden ermittelt. Wertsteigerungen fließen in den Zugewinn ein. Der Ausgleich erfolgt in Geld; die unternehmerische Handlungsfähigkeit soll durch den Geldcharakter des Anspruchs grundsätzlich gewahrt bleiben.
Wertpapiere, Bankguthaben und digitale Vermögenswerte
Guthaben, Depots, Wertpapiere und auch digitale Vermögenswerte wie Kryptowährungen sind zu bewerten und einzubeziehen. Maßgeblich sind die Stichtagswerte; Kurs- und Preisentwicklungen bis dahin gehen in den Zugewinn ein.
Hausrat und persönliche Gegenstände
Hausrat unterliegt gesonderten Verteilungsregeln. Persönliche Gegenstände zählen grundsätzlich zum jeweiligen Vermögen, ihr Marktwert kann – soweit erheblich – in die Berechnung einfließen.
Altersvorsorge und Rentenrechte
Ansprüche aus der gesetzlichen, betrieblichen und privaten Altersvorsorge werden überwiegend in einem eigenen Verfahren ausgeglichen. Sie fallen in der Regel nicht in den Zugewinnausgleich, sondern werden getrennt berücksichtigt.
Modifikation durch Ehevertrag
Gestaltungsmöglichkeiten
Die Zugewinngemeinschaft kann durch notariellen Vertrag an individuelle Bedürfnisse angepasst werden. Möglich sind etwa eine vollständige oder teilweise Modifikation des Ausgleichs, die Festlegung bestimmter Bewertungsmaßstäbe, Freibeträge, Höchstgrenzen, Stichtage oder die Herausnahme einzelner Positionen. Auch ein Wechsel in einen anderen Güterstand ist vertraglich möglich.
Wirksamkeitskontrolle
Vereinbarungen unterliegen einer Angemessenheits- und Inhaltskontrolle. Übermäßig einseitige Regelungen oder solche, die zu einer gravierenden Benachteiligung führen, können angepasst oder unwirksam sein. Auch nachträgliche Veränderungen der Lebensverhältnisse können Einfluss auf die Beurteilung haben.
Ablauf, Durchsetzung und Verjährung
Auskunfts- und Belegpflichten
Zur Berechnung des Zugewinns bestehen wechselseitige Auskunfts- und Belegpflichten über Anfangs- und Endvermögen. Üblich sind geordnete Vermögensaufstellungen mit Nachweisen (z. B. Kontoauszüge, Depotauszüge, Verträge, Gutachten). Unvollständige oder unrichtige Angaben können berichtigt und notfalls gerichtlich durchgesetzt werden.
Sicherung des Anspruchs
Zur Sicherung des Zugewinnausgleichs kommen einstweilige Maßnahmen in Betracht, wenn eine Gefährdung des Anspruchs droht. Auch Vereinbarungen über Abschlagszahlungen oder Sicherheiten sind möglich, um eine geordnete Abwicklung zu gewährleisten.
Verjährung
Der Zugewinnausgleichsanspruch entsteht mit Beendigung des Güterstands und unterliegt den allgemeinen Verjährungsregeln. Die maßgeblichen Fristen knüpfen an Entstehung und Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände an.
Steuerliche Aspekte
Leistungen zur Erfüllung des Zugewinnausgleichs sind regelmäßig einkommensteuerlich unbeachtlich. Übertragungen von Vermögenswerten zur Erfüllung des Ausgleichs können von bestimmten Verkehrsteuern ausgenommen sein. Die schenkungsteuerliche Behandlung unterscheidet sich von freigebigen Zuwendungen, da der Zugewinnausgleich einen gesetzlichen Ausgleichsanspruch erfüllt.
Abgrenzung zu anderen Güterständen
Gütertrennung
Bei Gütertrennung bleiben die Vermögen dauerhaft getrennt; ein Zugewinnausgleich findet nicht statt. Jeder behält, was er erwirtschaftet, es sei denn, es bestehen gemeinsame Vermögensgegenstände oder gemeinsame Schulden.
Gütergemeinschaft
Bei Gütergemeinschaft gibt es – je nach Ausgestaltung – gemeinschaftliches Vermögen beider Ehegatten. Verwaltung und Haftung sind anders geregelt als in der Zugewinngemeinschaft; der Vermögensverbund ist enger.
Häufig gestellte Fragen
Was bedeutet Zugewinngemeinschaft konkret?
Es handelt sich um den automatischen Güterstand ab Eheschließung, bei dem beide Vermögen getrennt bleiben und bei Beendigung der Ehe der während der Ehe erzielte Vermögenszuwachs hälftig ausgeglichen wird.
Was zählt zum Anfangs- und Endvermögen?
Zum Anfangsvermögen gehören alle Vermögenswerte und Schulden bei Eheschluss (kaufkraftbereinigt), zum Endvermögen alle Vermögenswerte und Schulden zum Stichtag der Beendigung. Vermögenswerte werden mit ihrem Marktwert berücksichtigt, Verbindlichkeiten werden abgezogen.
Sind Erbschaften und Schenkungen ausgleichspflichtig?
Erbschaften und unentgeltliche Zuwendungen von Dritten während der Ehe werden so behandelt, als hätten sie bereits bei Eheschluss vorgelegen. Dadurch fällt nur die Wertsteigerung während der Ehe in den Zugewinnausgleich.
Muss für Schulden der anderen Person gehaftet werden?
Nein. Jede Person haftet grundsätzlich nur für eigene Schulden. Eine gemeinsame Haftung entsteht nur, wenn beide sich verpflichten oder besondere gesetzliche Gründe vorliegen.
Wie wird ein Unternehmen im Zugewinnausgleich berücksichtigt?
Ein Unternehmen zählt zum Vermögen und wird zum Stichtag bewertet. Wertsteigerungen während der Ehe erhöhen den Zugewinn. Der Ausgleich erfolgt in Geld; ein Anspruch auf Übertragung des Unternehmens besteht grundsätzlich nicht.
Welche Rolle spielen Rentenansprüche und Altersvorsorge?
Ansprüche aus Altersvorsorge werden regelmäßig getrennt von der Zugewinngemeinschaft ausgeglichen. Sie fallen überwiegend in ein eigenständiges Ausgleichssystem und sind nicht Teil des Zugewinnausgleichs.
Wann endet die Zugewinngemeinschaft und ab wann wird gerechnet?
Sie endet durch Scheidung, Tod oder vertraglichen Güterstandswechsel. Stichtage sind der Beginn der Ehe für das Anfangsvermögen und der Beendigungszeitpunkt für das Endvermögen; bei Scheidung ist regelmäßig die Zustellung des Scheidungsantrags der maßgebliche Stichtag.