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Zugewinngemeinschaft


Begriff und rechtliche Einordnung der Zugewinngemeinschaft

Die Zugewinngemeinschaft ist in Deutschland der gesetzliche Güterstand gemäß § 1363 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Sie tritt automatisch mit der Eheschließung ein, sofern die Ehegatten keinen abweichenden Güterstand durch Ehevertrag vereinbaren. Das System der Zugewinngemeinschaft vereint während der Ehe Eigenständigkeit des Vermögens beider Ehegatten und gewährleistet am Ende der Zugewinngemeinschaft einen fairen finanziellen Ausgleich.

Grundprinzipien der Zugewinngemeinschaft

Vermögenserhaltung während der Ehe

Während der Dauer der Zugewinngemeinschaft bleiben die Vermögen der Ehegatten grundsätzlich getrennt. Jeder Ehegatte behält sein eigenes Vermögen und kann über dieses grundsätzlich frei verfügen (§ 1364 BGB). Schenkungen, Erbschaften sowie das Vermögen, das in die Ehe eingebracht wurde, verbleiben im Eigentum des jeweiligen Ehegatten.

Zugewinnbegriff

Der sogenannte Zugewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Anfangsvermögen (Vermögen zum Zeitpunkt der Eheschließung) und dem Endvermögen (Vermögen bei Beendigung des Güterstandes) eines jeden Ehegatten (§ 1373 BGB). Der Zugewinn eines Ehegatten wird somit stets individuell berechnet.

Ablauf und rechtliche Wirkungen der Zugewinngemeinschaft

Beginn, Dauer und Beendigung

Die Zugewinngemeinschaft beginnt mit der Eheschließung, sofern kein anderer Güterstand vereinbart wird. Die Zugewinngemeinschaft endet entweder durch:

  • Auflösung der Ehe (z. B. durch Scheidung oder Tod eines Ehegatten)
  • Wechsel in einen anderen Güterstand (z. B. durch Abschluss eines Ehevertrages)

Bei Beendigung findet ein Zugewinnausgleich statt.

Zugewinnausgleich

Am Ende der Zugewinngemeinschaft erfolgt der Zugewinnausgleich (§§ 1378 ff. BGB). Jeder Ehegatte hat einen Anspruch auf die Hälfte des während der Ehe gemeinsam erzielten Zugewinns, sofern sein eigener Zugewinn geringer ist als der des anderen Ehegatten. Ziel ist die gleichmäßige Verteilung des während der Ehe zusammen erarbeiteten Vermögenszuwachses.

Berechnung des Zugewinns

  1. Ermittlung des Anfangsvermögens:

Jedes Anfangsvermögen wird zum Zeitpunkt der Eheschließung festgestellt (§ 1374 BGB). Schenkungen und Erbschaften, die während der Ehe zugeflossen sind, werden dem Anfangsvermögen hinzugerechnet (sogenanntes privilegiertes Anfangsvermögen).

  1. Ermittlung des Endvermögens:

Das Endvermögen ist das Vermögen am Tag der Beendigung des Güterstandes (§ 1375 BGB). Schulden werden abgezogen, negatives Vermögen führt zu einem Zugewinn von null.

  1. Ermittlung des Zugewinns:

Zugewinn = Endvermögen – Anfangsvermögen.

  1. Zugewinnausgleich:

Der Ehegatte mit dem geringeren Zugewinn hat einen Anspruch auf die Ausgleichszahlung in Höhe der Hälfte der Differenz.

Beispielsberechnung

  • Anfangsvermögen Ehegatte A: 10.000 €
  • Endvermögen Ehegatte A: 50.000 €
  • Zugewinn A: 40.000 €
  • Anfangsvermögen Ehegatte B: 5.000 €
  • Endvermögen Ehegatte B: 25.000 €
  • Zugewinn B: 20.000 €

Differenz: 40.000 € – 20.000 € = 20.000 €
Hälfte: 10.000 €
Ehegatte B hat gegen Ehegatte A einen Anspruch auf 10.000 €.

Besondere Vermögensregelungen und Schutzvorschriften

Verfügungsbeschränkungen

Bestimmte Rechtsgeschäfte sind durch das Gesetz geschützt. So benötigt ein Ehegatte zur Verfügung über das gesamte Vermögen oder um über Gegenstände des ehelichen Haushalts zu verfügen, grundsätzlich die Zustimmung des Partners (§§ 1365, 1369 BGB).

Haftung für Schulden

Jeder Ehegatte haftet während der Zugewinngemeinschaft grundsätzlich nur für seine eigenen Verbindlichkeiten. Eine gesamtschuldnerische Haftung entsteht nur, wenn beide Ehegatten einen Vertrag gemeinsam abgeschlossen haben (§ 1363 Abs. 2 BGB).

Schutz vor Vermögensverschiebungen

Verfügungen kurz vor dem Stichtag des Endvermögens, die den anderen Ehegatten benachteiligen sollen, können durch das Gericht ausgeglichen werden (§ 1375 Abs. 2 BGB).

Zugewinngemeinschaft im Erbrecht

Endet die Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten, erhält der überlebende Ehegatte neben dem Erbteil einen pauschalen Zugewinnausgleich. Nach § 1371 BGB erhöht sich in diesem Fall der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten um ein Viertel, unabhängig davon, ob tatsächlich Zugewinn erzielt wurde („Erbrechtlicher Zugewinnausgleich“).

Vertragsgestaltung: Ehevertrag und Modifikationen

Ehegatten können die Zugewinngemeinschaft durch Vertrag nach ihren Vorstellungen modifizieren (§ 1408 BGB). Möglich sind insbesondere:

  • Teilweise Ausschlüsse des Zugewinnausgleichs
  • Vereinbarung anderer Ausgleichsmechanismen
  • Wechsel in Gütertrennung oder Gütergemeinschaft

Alle vertraglichen Änderungen bedürfen der notariellen Beurkundung.

Vor- und Nachteile der Zugewinngemeinschaft

Vorteile

  • Automatischer Schutz am Lebensende oder bei Scheidung
  • Wahrung der Vermögensautonomie während der Ehe
  • Geringer verwaltungstechnischer Aufwand

Nachteile

  • Unterschiedliche Wertentwicklung des Anfangsvermögens kann zu Ausgleichsschwierigkeiten führen
  • Komplexe Vermögensaufstellungen und Bewer­tungen bei Scheidung

Zugewinngemeinschaft und internationale Bezüge

In Ehen mit Auslandsbezug gilt grundsätzlich das deutsche Recht, wenn die Ehe in Deutschland geschlossen wurde und die Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Das europäische und internationale Güterrecht kann im Einzelfall Abweichungen und Sonderregelungen vorsehen (z. B. nach EuGüVO).

Zusammenfassung

Die Zugewinngemeinschaft stellt den in Deutschland häufigsten gesetzlichen Güterstand dar. Sie schützt die wirtschaftlichen Interessen beider Ehegatten, insbesondere bei Beendigung der Ehe. Durch die rechtliche Ausgestaltung der Zugewinngemeinschaft bleiben die Vermögensmassen getrennt, während im Fall der Beendigung ein vertraglich oder gesetzlich definierter finanzieller Ausgleich erfolgt. Die Zugewinngemeinschaft bietet damit einen ausgewogenen Rahmen für die rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Ehegatten.

Häufig gestellte Fragen

Wie wird das Anfangs- und das Endvermögen bei der Zugewinngemeinschaft ermittelt?

Das Anfangsvermögen umfasst alle Vermögenswerte, die einem Ehegatten bei Eheschließung gehören, abzüglich bestehender Verbindlichkeiten. Maßgeblich ist der Wert zum Zeitpunkt der Eheschließung. Zum Endvermögen zählen sämtliche Vermögenswerte zum Zeitpunkt der Beendigung des Güterstandes (in der Regel: Zustellung des Scheidungsantrags oder Tod des Ehegatten), wiederum abzüglich der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Schulden. Um das Anfangs- und Endvermögen detailliert zu ermitteln, müssen beide Ehegatten für beide Stichtage vollständige und wahrheitsgemäße Vermögensverzeichnisse aufstellen. Nicht angegebenes Vermögen kann zum Nachteil dessen ausgelegt werden, der es verschwiegen hat (sog. negative Beweislast). Wertsteigerungen und Verluste während der Ehe sind dem jeweiligen Endvermögen zuzurechnen. Schenkungen oder Erbschaften sind zwar nicht Teil des Zugewinns, werden aber dem Anfangsvermögen zugerechnet.

Welche Vermögenswerte fallen beim Zugewinnausgleich in die Berechnung?

Es sind grundsätzlich alle Arten von Vermögensgegenständen relevant: Immobilien, Bankguthaben, Sparbücher, Wertpapiere, Bargeld, Schmuck, wertvolle Kunstgegenstände, Kraftfahrzeuge, Gesellschaftsanteile und auch Betriebsvermögen von freiberuflich oder gewerblich tätigen Ehegatten. Auch Ansprüche aus Lebensversicherungen, Rückkaufswerte von Versicherungen oder Rentenversicherungen gehören dazu. Maßgeblich ist jeweils der tatsächliche Markt- oder Verkehrswert zum Stichtag. Verbindlichkeiten, die tatsächlich bestehen, werden wertmindernd berücksichtigt. Private Haushaltsgegenstände werden regelmäßig nicht einbezogen, sofern sie nicht erhebliche Vermögenswerte darstellen.

Was passiert mit Schulden im Rahmen der Zugewinngemeinschaft?

Schulden werden bei der Berechnung des Anfangs- und Endvermögens jeweils abgezogen. Haben Ehegatten bei Eheschließung oder am Stichtag Schulden, kann das Anfangs- oder Endvermögen auch negativ sein. Ein negativer Zugewinn (d. h., wenn das Vermögen sich verringert hat oder gar ins Minus gerutscht ist) beeinflusst den Ausgleichsanspruch: Denn zum Zugewinn zählt nur eine tatsächliche Vermögenssteigerung. Ist der Zugewinn eines Ehegatten geringer oder negativ, verringert sich der Ausgleichsanspruch des anderen entsprechend.

Was ist bei der Bewertung von Immobilien im Zuge einer Zugewinngemeinschaft zu beachten?

Immobilien müssen zum jeweiligen Stichtag (Anfangs- und Endvermögen) mit ihrem Verkehrswert bewertet werden. Der Verkehrswert wird meist mittels eines Sachverständigengutachtens festgestellt. Wertsteigerungen, etwa durch Modernisierungsmaßnahmen während der Ehe, fließen in das Endvermögen ein. Bereits bei Eheschließung vorhandene Immobilien zählen mit dem seinerzeitigen Wert zum Anfangsvermögen. Auch Belastungen (wie Hypotheken oder Grundschulden) werden jeweils wertmindernd mit berücksichtigt. Bei gemeinschaftlichem Eigentum wird der Anteil entsprechend aufgeteilt.

Wie werden Schenkungen und Erbschaften behandelt?

Schenkungen und Erbschaften, die ein Ehegatte während der Ehe erhält, werden dem Anfangsvermögen fiktiv hinzugerechnet (§ 1374 Abs. 2 BGB). Sie erhöhen also das Anfangsvermögen des Empfängers unabhängig vom tatsächlichen Zeitpunkt des Zuflusses. So wird vermieden, dass Schenkungen und Erbschaften über den Zugewinnausgleich „geteilt“ werden müssen. Wertsteigerungen aus diesen Vermögenswerten nach dem Erwerb fließen aber in das Endvermögen ein und können somit einen Zugewinn begründen, der wiederum ausgleichspflichtig ist.

Kann der Zugewinnausgleichsanspruch verjähren?

Ja, der Zugewinnausgleichsanspruch unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB), beginnend mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Berechtigte von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Für Ehegatten, die rechtzeitig während des Scheidungsverfahrens Zugewinnausgleich geltend machen, beginnt die Verjährungsfrist daher in der Regel nach Rechtskraft der Scheidung. Wurde der Anspruch rechtskräftig tituliert, beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre (§ 197 BGB).

Welche Auskunfts- und Mitwirkungspflichten bestehen während des Zugewinnausgleichsverfahrens?

Beide Ehegatten sind verpflichtet, dem anderen auf Verlangen umfassend Auskunft über ihr Anfangs- und Endvermögen sowie über die einzelnen Vermögensbewegungen (Schenkungen, Erbschaften, größere Anschaffungen, Schuldentilgung etc.) zu erteilen (§ 1379 BGB). Die Auskunft muss wahrheitsgemäß, schriftlich sowie mit Belegen untermauert werden. Kommt ein Ehegatte dieser Pflicht nicht oder unzureichend nach, kann der andere Klage auf Auskunftserteilung oder eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit der Angaben erheben. Ist ein Ehegatte arglistig oder verschweigt er Vermögenswerte, kann dies zu Schadensersatzansprüchen führen.

Gibt es Möglichkeiten, den Zugewinnausgleich im Ehevertrag auszuschließen oder abzuändern?

Ja, nach § 1408 BGB steht es den Ehegatten frei, den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft vertraglich durch einen notariellen Ehevertrag auszuschließen, zu modifizieren oder durch einen anderen Güterstand (z. B. Gütertrennung oder Gütergemeinschaft) zu ersetzen. Der Ausschluss oder die Modifikation darf jedoch keine sittenwidrige Benachteiligung eines Ehegatten zur Folge haben, anderenfalls ist die Vereinbarung ganz oder teilweise unwirksam (§ 138 BGB). Eine Inhalts- und Ausübungskontrolle des Ehevertrages kann durch das Familiengericht erfolgen, insbesondere wenn ein Ehegatte in der konkreten Lebenssituation unverhältnismäßig benachteiligt würde.