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Zivilsachen

Begriff und Einordnung von Zivilsachen

Zivilsachen sind gerichtliche oder außergerichtliche Angelegenheiten, in denen es um Konflikte und Rechtsverhältnisse zwischen privaten Personen, Unternehmen oder sonstigen privaten Trägern geht. Im Mittelpunkt steht die Klärung und Durchsetzung privater Rechte, etwa aus Verträgen, aus Eigentum, aus Schadenersatzansprüchen oder aus familien- und erbrechtlichen Beziehungen. Zivilsachen betreffen damit das Privatrecht und stehen im Gegensatz zu Strafsachen, in denen staatliche Sanktionen im Vordergrund stehen, sowie zu verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten, in denen ein Hoheitsträger gegenüber Bürgerinnen und Bürgern auftritt.

Zum Bereich der Zivilsachen zählen sowohl streitige Verfahren (klassische Klagen) als auch Angelegenheiten der sogenannten freiwilligen Gerichtsbarkeit, in denen Gerichte gestaltend, bestätigend oder registrierend tätig werden (beispielsweise bei Betreuungen, Nachlasssachen oder Registerangelegenheiten). Auch wirtschafts- und handelsrechtliche Konflikte gehören dazu. Arbeitsrechtliche Streitigkeiten sind inhaltlich privatrechtlich, werden jedoch von einer eigenen Gerichtsbarkeit behandelt.

Abgrenzung zu anderen Verfahrensarten

Strafsachen

In Strafsachen verfolgt der Staat mögliche Straftaten. Ziel ist die Feststellung, ob eine Person eine strafbare Handlung begangen hat, und gegebenenfalls die Verhängung einer Strafe. In Zivilsachen hingegen geht es um die Klärung privater Ansprüche, zum Beispiel auf Zahlung, Unterlassung oder Herausgabe.

Verwaltungssachen

Verwaltungssachen entstehen aus dem Verhältnis zwischen Staat und Bürgerin oder Bürger. Hier überprüft die Verwaltungsgerichtsbarkeit hoheitliche Maßnahmen, etwa Bescheide. Zivilsachen betreffen demgegenüber die Rechtsbeziehungen auf Augenhöhe zwischen Privaten.

Arbeitsgerichtsbarkeit und weitere Fachgerichte

Streitigkeiten aus Arbeitsverhältnissen sind privatrechtlich, werden aber vor Arbeitsgerichten verhandelt. Weitere eigenständige Gerichtsbarkeiten (etwa Sozialgerichte) befassen sich mit besonderen Materien, die nicht zum klassischen Kern der Zivilsachen gehören, obwohl dort ebenfalls individuelle Rechte im Mittelpunkt stehen können.

Typische Gegenstände von Zivilsachen

Verträge und Forderungen

Dazu gehören Ansprüche aus Kauf-, Miete-, Dienst- und Werkverträgen, Darlehen, Bürgschaften sowie Rückabwicklungen und Rücktrittsfälle. Streitpunkt ist häufig, ob eine Leistung ordnungsgemäß erbracht wurde und welche Folgen Pflichtverletzungen haben.

Schadenersatz und Haftung

Hier geht es um Ausgleich für Vermögens- und Personenschäden. Beispiele sind Verkehrsunfälle, fehlerhafte Produkte, Verletzung von Schutzpflichten oder Verletzung immaterieller Rechte wie des Persönlichkeitsrechts.

Sachen- und Eigentumsrechte

Dazu zählen Besitz- und Eigentumsschutz, Herausgabeansprüche, Nachbarrecht, Wegerechte oder Fragen rund um bewegliche Sachen und Immobilien.

Familien- und Erbsachen

In diesen Angelegenheiten stehen persönliche Beziehungen und Vermögensfolgen im Vordergrund, etwa Unterhalt, Sorge- und Umgangsrecht, Güterrecht, Scheidungsfolgen sowie Erbauseinandersetzungen und Testamentsauslegung.

Miet- und Wohnungseigentum

Typische Themen sind Mietzins, Mängel, Kündigung, Betriebskosten, Modernisierung, sowie bei Wohnungseigentum Gemeinschaftsordnungen, Beschlüsse und Kostentragung.

Handels- und Gesellschaftsrecht

Hierzu zählen Streitigkeiten zwischen Kaufleuten, Gesellschaftern, Geschäftsführungsfragen, Haftungsfragen, Wettbewerbs- und Markenthemen sowie Auseinandersetzungen um Unternehmensbeteiligungen.

Verbraucherschutz

Beispielhaft sind Rücktrittsrechte, Widerruf, Gewährleistung, Klauselkontrolle, Fernabsatz und kollektive Rechtsdurchsetzung durch Verbände.

Verfahrensablauf in Zivilsachen

Einleitung und Parteistellung

Streitige Zivilsachen beginnen regelmäßig mit einer Klageschrift oder einem Antrag. Beteiligte sind die Parteien, die als Anspruchstellerin bzw. Anspruchsteller und als Anspruchsgegnerin bzw. Anspruchsgegner auftreten. Wer klagt, muss sein Begehren verständlich darstellen und begründen. Gerichte prüfen zunächst formale Voraussetzungen wie Zuständigkeit und ordnungsgemäße Antragstellung.

Darlegungs- und Beweislast

Grundsätzlich muss diejenige Partei die für sie günstigen Tatsachen vortragen und beweisen. Das Gericht entscheidet auf Basis des vorgetragenen Sachverhalts und der erhobenen Beweise. Bestimmte Tatsachen können unstreitig sein, wenn sie von der Gegenseite nicht bestritten werden.

Beweismittel

Häufige Beweismittel sind Zeugenaussagen, Urkunden (z. B. Verträge, Rechnungen), Augenschein (Besichtigung von Sachen oder Orten), Sachverständigengutachten bei fachlichen Fragen sowie Parteivernehmung. Das Gericht bestimmt, welche Beweise zu erheben sind, und würdigt die Ergebnisse im Urteil.

Mündliche Verhandlung und Entscheidungsformen

Nach dem schriftlichen Austausch findet regelmäßig eine mündliche Verhandlung statt. Das Verfahren endet mit einem Urteil oder, in geeigneten Fällen, mit einem Beschluss. Kommt eine Partei nicht zum Termin, kann unter Umständen ein Versäumnisurteil ergehen.

Vergleich und gütliche Beilegung

Viele Zivilsachen werden durch einen gerichtlich protokollierten Vergleich beendet. Ein Vergleich ist eine einvernehmliche Lösung, die den Streit ganz oder teilweise erledigt und einen vollstreckbaren Titel schaffen kann.

Besondere Verfahren

Das gerichtliche Mahnverfahren ermöglicht die vereinfachte Titulierung unbestrittener Geldforderungen. Einstweiliger Rechtsschutz soll vorläufige Regelungen schaffen, um wesentliche Nachteile bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu vermeiden.

Rechtsmittel und Überprüfung

Berufung und Beschwerde

Gegen viele Entscheidungen ist ein Rechtsmittel vorgesehen, mit dem die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht überprüft wird. Die Berufung richtet sich gegen Urteile bestimmter Instanzen, die Beschwerde gegen Beschlüsse oder bestimmte Zwischenentscheidungen.

Revision

Die Revision dient der Überprüfung auf Rechtsfehler und ist auf Rechtsfragen beschränkt. Sie setzt häufig eine besondere Zulassung oder bestimmte Voraussetzungen voraus.

Fristen und Form

Rechtsmittel sind an Fristen und formale Anforderungen gebunden. Versäumte Fristen können die Bestandskraft einer Entscheidung zur Folge haben.

Kosten und Finanzierung

Gerichts- und Vertretungskosten

Kosten setzen sich aus Gerichtsgebühren und den Kosten einer rechtlichen Vertretung zusammen. Die Höhe orientiert sich häufig am wirtschaftlichen Wert der Sache und am Umfang des Verfahrens.

Kostenverteilung

Grundsätzlich trägt die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der notwendigen Kosten der Gegenseite. Bei teilweisem Obsiegen findet eine anteilige Verteilung statt. Über die Höhe wird im Kostenfestsetzungsverfahren entschieden.

Finanzielle Unterstützung

Unter bestimmten Voraussetzungen kann staatliche Unterstützung für die Kosten des Verfahrens gewährt werden. Zudem existieren private Absicherungen wie Rechtsschutzversicherungen, deren Umfang vom jeweiligen Vertrag abhängt.

Vollstreckung zivilgerichtlicher Entscheidungen

Vollstreckbare Titel

Urteile, Beschlüsse, gerichtliche Vergleiche und Vollstreckungsbescheide können die Grundlage der Zwangsvollstreckung bilden. Sie müssen im Regelfall rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sein.

Arten der Vollstreckung

Bei Geldforderungen kommen Pfändung von Konten, Forderungen oder beweglichen Sachen in Betracht; bei Ansprüchen auf Herausgabe oder Handeln sind auch unmittelbare Maßnahmen möglich. Zuständig sind insbesondere Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher sowie Vollstreckungsgerichte.

Grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung

Entscheidungen aus dem Ausland können unter bestimmten Voraussetzungen anerkannt und im Inland vollstreckt werden. Maßgeblich sind internationale Abkommen und unionsrechtliche Vorgaben, deren Anwendung von der Art des Titels und der betroffenen Staaten abhängt.

Internationale Bezüge

Internationale Zuständigkeit

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten stellt sich die Frage, welches Gericht zuständig ist. Kriterien sind unter anderem der Wohnsitz der Parteien, der Erfüllungsort eines Vertrags oder der Eintrittsort eines Schadens.

Anwendbares Recht

Nicht immer wendet das zuständige Gericht das eigene Recht an. Anhand von Kollisionsregeln wird ermittelt, welche Rechtsordnung auf den konkreten Fall Anwendung findet.

Anerkennung ausländischer Entscheidungen

Ausländische Urteile können, abhängig von der Rechtslage zwischen den beteiligten Staaten, automatisch oder nach einem gesonderten Verfahren anerkannt werden. Die Anerkennung bildet die Grundlage für die spätere Vollstreckung.

Zeitliche Grenzen

Verjährung

Ansprüche sind nur innerhalb bestimmter Fristen durchsetzbar. Nach Ablauf der Verjährungsfrist kann die Gegenseite die Leistung verweigern. Die Länge der Fristen hängt von Art und Umständen des Anspruchs ab.

Hemmung und Neubeginn

Bestimmte Ereignisse können den Ablauf der Verjährung vorübergehend anhalten oder zu einem Neubeginn führen, etwa ernsthafte Verhandlungen zwischen den Parteien oder die Erhebung einer Klage.

Dokumente und Ergebnisse

Typische Schriftstücke

Wesentliche Dokumente sind Klageschrift, Klageerwiderung, Schriftsätze, Protokolle der mündlichen Verhandlung, Beweisbeschlüsse, Gutachten sowie das Urteil oder der Beschluss. Bei Abschluss eines Vergleichs wird dieser protokolliert und kann als vollstreckbarer Titel dienen.

Rechtskraft und Wirkung

Wird eine Entscheidung rechtskräftig, ist sie grundsätzlich verbindlich und abschließend. Sie entfaltet Bindungswirkung für die Parteien und dient als Grundlage der Vollstreckung, soweit ein vollstreckbarer Inhalt vorliegt.

Häufig gestellte Fragen zu Zivilsachen

Was gilt als Zivilsache?

Zivilsachen betreffen Streitigkeiten und Angelegenheiten zwischen privaten Personen oder Unternehmen, etwa aus Verträgen, Eigentum, Schadenersatz, Familien- oder Erbrecht. Der Staat tritt dabei nicht als strafender Hoheitsträger auf, sondern es geht um private Rechte und Pflichten.

Worin unterscheidet sich eine Zivilsache von einer Strafsache?

In Zivilsachen stehen private Ansprüche im Mittelpunkt, etwa auf Zahlung oder Unterlassung. In Strafsachen verfolgt der Staat mögliche Straftaten und verhängt gegebenenfalls Strafen. Beides kann nebeneinander vorkommen, betrifft aber unterschiedliche Ziele und Verfahren.

Welche Gerichte sind in Zivilsachen zuständig?

Zuständig sind die Zivilgerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit, die in mehreren Instanzen organisiert sind. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit richtet sich nach Art, Wert und Bezug des Streitfalls. Für arbeitsrechtliche Streitigkeiten sind die Arbeitsgerichte zuständig.

Welche Beweismittel kommen in Zivilsachen typischerweise vor?

Üblich sind Zeugenaussagen, Urkunden, Augenschein, Sachverständigengutachten und Parteivernehmungen. Das Gericht entscheidet, welche Beweise erhoben werden, und bewertet diese im Rahmen der freien Beweiswürdigung.

Wie lange dauern Zivilsachen?

Die Dauer hängt vom Umfang des Sachverhalts, der Beweislage, der Auslastung des Gerichts und etwaigen Rechtsmitteln ab. Einfache Verfahren können in wenigen Monaten abgeschlossen sein, komplexe Verfahren benötigen oft deutlich länger.

Wer trägt die Kosten eines Zivilverfahrens?

Grundsätzlich trägt die unterliegende Partei die Gerichtskosten und die notwendigen Kosten der Gegenseite. Bei teilweisem Obsiegen erfolgt eine anteilige Kostenteilung. Über die konkrete Höhe wird gesondert entschieden.

Was bedeutet die Rechtskraft einer zivilgerichtlichen Entscheidung?

Rechtskraft bedeutet, dass eine Entscheidung verbindlich wird und grundsätzlich nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln angegriffen werden kann. Sie entfaltet Bindungswirkung zwischen den Parteien und kann Grundlage der Zwangsvollstreckung sein.