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Zahlungsaufschub (Stundung)


Begriff und Rechtsgrundlagen des Zahlungsaufschubs (Stundung)

Der Zahlungsaufschub, im deutschen Recht überwiegend als Stundung bezeichnet, stellt die vertragliche oder gesetzliche Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner dar, durch die die Fälligkeit einer geschuldeten Leistung, insbesondere einer Geldforderung, hinausgeschoben wird. Die Stundung ist ein zentrales Instrument im Schuldrecht und findet in der Praxis breite Anwendung, insbesondere im Zusammenhang mit Darlehensverträgen, Mietverhältnissen sowie im Handels- und Steuerrecht. Die Stundung betrifft ausschließlich den Zeitpunkt der Leistungserbringung, nicht jedoch den Bestand oder den ursprünglichen Rechtsgrund der Forderung.

Rechtliche Grundlagen

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Die Stundung ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) nicht abschließend definiert, ergibt sich jedoch aus allgemeinen schuldrechtlichen Regelungen. Maßgebliche Vorschriften sind insbesondere §§ 271, 286, 348 und 362 ff. BGB. Nach § 271 BGB ist eine Leistung mit ihrer Entstehung fällig, soweit nicht aus dem Schuldverhältnis etwas anderes folgt. Durch eine Stundungsvereinbarung wird die Fälligkeit der Forderung abweichend geregelt.

Stundung im Schuldverhältnis

Die Stundung bedarf grundsätzlich einer Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger. Sie ist eine schuldrechtliche Nebenabrede, die regelmäßig formfrei, also auch mündlich oder durch schlüssiges Verhalten, getroffen werden kann, sofern nicht besondere Formvorschriften bestehen. Die Stundung kann sowohl befristet als auch unbefristet vereinbart werden.

Arten des Zahlungsaufschubs

Stundung als Vertrag (Stundungsvertrag)

Im Regelfall erfolgt der Zahlungsaufschub durch Abschluss eines Stundungsvertrags, der entweder ausdrücklich oder konkludent zustande kommen kann. Der Stundungsvertrag ist nicht mit einer Erlassvereinbarung (§ 397 BGB) oder einem Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) zu verwechseln, da er lediglich die Fälligkeit, nicht aber die Schuld selbst berührt.

Wesentliche Merkmale des Stundungsvertrags sind:

  • Hinausschieben des Zahlungszeitpunkts für eine bereits bestehende, aber noch nicht erfüllte Verbindlichkeit
  • Der Gläubiger kann die Erfüllung der Forderung erst nach Ablauf der Stundung verlangen
  • Die Verjährung wird gemäß § 205 BGB während der Stundung gehemmt, sofern die Stundung zwischen Schuldner und Gläubiger vereinbart wurde

Gesetzliche Stundungstatbestände

Neben der vertraglichen Stundung kennt das deutsche Recht auch verschiedene gesetzliche Regelungen, die einen Zahlungsaufschub gewähren. Beispiele hierfür sind im Steuerrecht (§ 222 Abgabenordnung – AO), im Sozialrecht sowie im Insolvenzrecht zu finden. In bestimmten Fällen kann eine Behörde auf Antrag die Stundung von Steuerforderungen oder Sozialversicherungsbeiträgen gewähren, sofern dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich erscheint.

Einseitige Stundung durch Gläubiger

In Ausnahmefällen kann ein Gläubiger auch einseitig einen Zahlungsaufschub gewähren, etwa durch eine ausdrückliche Mahnfristverlängerung oder eine Stundungserklärung ohne Mitwirkung des Schuldners. Die rechtliche Wirkung beschränkt sich jedoch auf den Zeitraum, in dem der Gläubiger auf die Geltendmachung der Forderung verzichtet.

Zivilrechtliche Folgen und Bedeutung der Stundung

Auswirkungen auf Fälligkeit, Verzug und Zinsen

Durch einen Zahlungsaufschub wird die Fälligkeit der Forderung hinausgeschoben. Der Gläubiger kann die Forderung erst nach Ablauf der Stundungsfrist geltend machen. Während des Stundungszeitraums ist der Schuldner nicht im Verzug, sodass keine Verzugsschäden oder Verzugszinsen nach § 286 BGB entstehen, es sei denn, dies wurde ausdrücklich anders vereinbart.

Stundungszinsen und Nebenpflichten

Es ist zulässig, im Rahmen der Stundungsvereinbarung Zinsen für die gestundete Forderung zu vereinbaren (Stundungszinsen). Fehlt eine solche Abrede, besteht grundsätzlich keine Pflicht zur Leistung von Zinsen, sofern nicht das Gesetz, etwa im Handelsrecht (§ 352 HGB), etwas anderes festlegt.

Mit der Stundung sind üblicherweise auch weitere Nebenabreden möglich, wie die Stellung von Sicherheiten oder die Ratenzahlung. Diese Nebenabreden bedürfen einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung.

Auswirkungen auf Verjährung

Die Verjährung einer Forderung ist während des Stundungszeitraums nach § 205 BGB gehemmt, sofern die Stundung schriftlich festgehalten wurde. Mit Ablauf der Stundung beginnt die Verjährung erneut zu laufen.

Besonderheiten und Anwendungsgebiete

Steuerrecht

Im Steuerrecht ist die Stundung nach § 222 AO ein bedeutsames Institut. Finanzbehörden können Steuerschulden stunden, wenn deren Einziehung eine erhebliche Härte bedeuten würde und der Steueranspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. Der Antrag auf Stundung muss in der Regel schriftlich erfolgen und konkret begründet werden.

Insolvenzrecht

Im Insolvenzverfahren kann die Stundung einzelner Forderungen einen Grund für die Insolvenzantragstellung darstellen. Das Insolvenzgericht kann eine Stundung der Verfahrenskosten gemäß § 4a InsO gewähren, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers dies rechtfertigen.

Mietrecht und Verbraucherschutz

Im Mietrecht gewinnen Stundungsvereinbarungen vor allem im Zusammenhang mit Zahlungsrückständen und Räumungsschutz an Bedeutung. Im Rahmen des Verbraucherschutzes werden Zahlungsaufschübe etwa bei Verbraucherinsolvenz- und Überschuldungsverfahren relevant, um dem Schuldner die geordnete Schuldenregulierung zu ermöglichen.

Unterschiede und Abgrenzung zu ähnlichen Rechtsinstituten

Erlass und Vergleich

Die Stundung unterscheidet sich vom Erlass (§ 397 BGB) dadurch, dass die Forderung nicht erlischt, sondern lediglich die Fälligkeit hinausgeschoben wird. Ein Vergleich (§ 779 BGB) kann ebenfalls Stundungskomponenten enthalten, ist jedoch auf die Beilegung eines Streits gerichtet und kann weitergehende Regelungen enthalten.

Ratenzahlungsvereinbarung

Die Ratenzahlung stellt einen Sonderfall der Stundung dar, bei der die Schuld in Teilbeträgen zu definierten Zeitpunkten zu erfüllen ist. Auch hier wird die Fälligkeit mittels vertraglicher Abrede modifiziert.

Beendigung und Widerruf der Stundung

Die Stundung endet mit Ablauf des vereinbarten Zeitraums. Sie kann grundsätzlich durch neue Abrede verlängert oder außerordentlich beendet werden, wenn wesentliche Voraussetzungen für die Stundung entfallen, etwa bei wesentlichen Vertragsverletzungen seitens des Schuldners. Ein einseitiger Widerruf ist, außer bei Vorliegen besonderer Umstände, rechtlich ausgeschlossen.


Dieser Artikel stellt eine umfassende und strukturierte Darstellung des Zahlungsaufschubs (Stundung) im deutschen Recht dar und bietet einen detaillierten Überblick über die rechtlichen Grundlagen, Auswirkungen und Anwendungsbereiche dieser wichtigen schuldrechtlichen Vereinbarung.

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen für die Bewilligung eines Zahlungsaufschubs (Stundung) rechtlich erfüllt sein?

Im rechtlichen Kontext setzt die Bewilligung eines Zahlungsaufschubs grundsätzlich voraus, dass der Schuldner einen entsprechenden Antrag stellt und dabei seine aktuelle finanzielle Lage offenlegt. Der Antragsteller muss nachweisen, dass er zum ursprünglich vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt nicht zur Zahlung imstande ist, ohne sich oder seine wirtschaftliche Existenz zu gefährden. Die Stundung darf insbesondere nicht dazu führen, dass der Gläubiger unzumutbar benachteiligt wird. Regelmäßig müssen dabei die Gründe für die momentane Zahlungsschwierigkeit glaubhaft gemacht werden, häufig durch Vorlage relevanter Unterlagen wie Einkommensnachweise, Kontoauszüge oder eine aktuelle Vermögensaufstellung. Die Entscheidung obliegt dem Gläubiger, wenn es vertraglich nicht anders geregelt ist. In bestimmten Konstellationen, etwa im Steuerrecht oder bei Behördenforderungen, ist die Stundung im Gesetz ausdrücklich geregelt (§ 222 AO für Steuern; § 18 Absatz 1 SGB IV für Sozialversicherungsbeiträge). Hier spielen regelmäßig Ermessensentscheidungen und der Nachweis einer besonderen Härte eine wichtige Rolle.

Ist ein Zahlungsaufschub ein einklagbarer Rechtsanspruch?

Ob ein Zahlungsaufschub als einklagbarer Anspruch durchgesetzt werden kann, hängt vom jeweiligen Rechtsverhältnis ab. In zivilrechtlichen Verträgen besteht in der Regel kein automatischer oder allgemeiner Anspruch auf Stundung; es handelt sich um eine zu vereinbarende Kulanzregelung, bei der der Gläubiger zustimmen muss. Eine Ausnahme sind gesetzliche Stundungsvorschriften, z. B. im Steuerrecht (§ 222 AO) oder Sozialgesetzbuch (§ 76 SGB IV), wo unter bestimmten Bedingungen ein Anspruch auf Stundung bestehen kann, sofern die gesetzlichen Kriterien erfüllt sind (z. B. Vorliegen einer erheblichen Härte, vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten und Sicherstellung der späteren Zahlung). Andernfalls bleibt es im zivilrechtlichen Verkehr beim Grundsatz: Ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage oder vertragliche Vereinbarung besteht kein rechtlicher Anspruch auf Stundung.

Welche rechtlichen Folgen hat die Gewährung einer Stundung für den Schuldner und Gläubiger?

Die rechtlichen Konsequenzen einer Stundung sind erheblich: Die Hauptwirkung besteht darin, dass die Fälligkeit der Forderung (also der Zeitpunkt, zu dem der Gläubiger die Zahlung verlangen kann) hinausgeschoben wird. Während der Stundungszeit kann der Gläubiger die Forderung nicht einklagen oder zwangsweise durchsetzen. Allerdings werden ausstehende Beträge regelmäßig weiterhin verzinst, sofern keine anderslautende Regelung getroffen ist. Ist die Stundung befristet, lebt die Zahlungspflicht nach Ablauf der Frist ohne weitere Mahnung wieder auf. Bereits titulierte Ansprüche (z. B. aus einem Vollstreckungsbescheid) bleiben bestehen, der Gläubiger darf jedoch während der Stundung keine Zwangsvollstreckung einleiten. Eine Verletzung der Stundungsvereinbarung durch verspätete oder ausbleibende Zahlungen kann zum sofortigen Wegfall der Stundung und zur Geltendmachung sämtlicher Ansprüche führen.

Können bereits laufende Mahn- und Vollstreckungsverfahren durch eine Stundung gestoppt werden?

Mit Bewilligung einer vertraglichen oder gesetzlichen Stundung sind Mahn- und Vollstreckungsverfahren grundsätzlich auszusetzen. Das bedeutet, dass während des Zeitraums, für den die Stundung gewährt wird, keine weiteren Zwangsmaßnahmen zulässig sind. Läuft ein gerichtliches Verfahren bereits, ist der Gläubiger verpflichtet, dies dem zuständigen Gericht anzuzeigen und entsprechende Anträge zu stellen, um z. B. einen Vollstreckungsaufschub zu beantragen. Im öffentlichen Recht (z. B. bei Steuerforderungen) ergibt sich ein gesetzliches Vollstreckungsverbot während der Stundungsdauer. Wird die Stundung nicht beachtet und trotz deren Bestehens vollstreckt, kann der Schuldner rechtliche Schritte (z. B. eine Vollstreckungsabwehrklage) einleiten.

Muss eine Stundung immer schriftlich vereinbart werden?

Aus rechtlicher Sicht besteht keine generelle Formvorschrift für die Vereinbarung einer Stundung, es sei denn, das Gesetz oder ein Vertrag schreibt dies ausdrücklich vor. Aus Gründen der Beweisbarkeit empfiehlt sich jedoch zwingend, die Stundungsvereinbarung schriftlich zu fixieren, insbesondere um Umfang, Dauer und sonstige Konditionen klar und rechtssicher nachweisen zu können. Im Geschäftsverkehr sowie im öffentlichen Recht (z. B. gegenüber Behörden oder Finanzämtern) wird der Antrag und die Zusage in der Regel schriftlich abgefasst. Fehlt eine schriftliche Dokumentation, trägt der Schuldner im Streitfall die volle Beweislast für eine getroffene Stundungsabrede.

Kann eine bereits gewährte Stundung widerrufen oder angepasst werden?

Eine rechtswirksam gewährte Stundung kann dann widerrufen oder angepasst werden, wenn dies vertraglich oder gesetzlich vorgesehen ist oder wenn sich die maßgeblichen Umstände nachträglich wesentlich ändern. Beispielsweise kann der Gläubiger im Einzelfall das Ende der Stundung herbeiführen, wenn der Schuldner gegen Auflagen verstößt (etwa vereinbarte Teilzahlungen nicht einhält) oder wenn erkennbar wird, dass die Zahlungsfähigkeit des Schuldners trotz Stundung dauerhaft nicht mehr gegeben ist. Im öffentlichen Recht ist der Widerruf einer Stundung regelmäßig durch Verwaltungsakt unter Anführung eines neuen Entscheidungstatbestands möglich. Jede Änderung sollte im gegenseitigen Einvernehmen – vorzugsweise erneut schriftlich – dokumentiert werden, um spätere Streitigkeiten auszuschließen.

Welche Auswirkungen hat eine Stundung auf Verjährungsfristen?

Die Stundung einer Forderung beeinflusst regelmäßig nicht automatisch die laufende Verjährungsfrist. Ohne gesonderte Vereinbarung oder gesetzliche Regelung läuft die Verjährung auch während der Stundungsdauer weiter. Unter Umständen kann aber durch Anerkenntnis der Schuld (z. B. durch die Stundungsbitte oder Ratenzahlung) eine Hemmung oder gar ein Neubeginn der Verjährungsfrist gemäß § 212 BGB ausgelöst werden. Daher sollte der Umgang mit Verjährungsfristen bei Stundungsvereinbarungen explizit geregelt, gegebenenfalls eine verjährungshemmende Klausel aufgenommen werden. Ohne solche Vereinbarungen kann der Gläubiger trotz Stundung am Ende der Verjährungsfrist seine Ansprüche verlieren.