Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) – Rechtlicher Hintergrund und Ausgestaltung
Begriff und Zielsetzung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds
Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) ist ein im Jahr 2020 im Zuge der COVID-19-Pandemie durch das Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz (WSFG) geschaffener staatlicher Sonderfonds der Bundesrepublik Deutschland, der der Stabilisierung der Realwirtschaft und insbesondere der Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen in außergewöhnlichen Krisensituationen dient. Hauptziel des Fonds ist die finanzielle Unterstützung systemrelevanter Unternehmen mit Schwerpunkt auf der Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Infrastruktur und der Sicherung von Arbeitsplätzen.
Rechtsgrundlagen
Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz (WSFG)
Die rechtliche Grundlage für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds bildet das Gesetz zur Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds (Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz, WSFG) vom 27. März 2020, BGBl. I S. 543, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 20. Dezember 2022, BGBl. I S. 2606. Hinzu kommen weitere relevante Gesetzestexte und Verordnungen, insbesondere im Zusammenhang mit Änderungen, Verlängerungen und der Umsetzung auf europäischer und internationaler Ebene (beispielsweise beihilferechtliche Genehmigungen nach EU-Recht).
Verwaltungsstruktur und öffentliche Kontrolle
Verwaltet wird der Wirtschaftsstabilisierungsfonds durch das Bundesministerium der Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Die operative Durchführung obliegt der Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH. Die parlamentarische Kontrolle erfolgt durch regelmäßige Informations- und Berichtspflichten gegenüber dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages.
Aufbau und Instrumente des Wirtschaftsstabilisierungsfonds
Umfang und Haushaltsrechtliche Einbindung
Der WSF wurde ursprünglich mit einem Garantierahmen von bis zu 400 Milliarden Euro ausgestattet, ergänzt durch 100 Milliarden Euro für Rekapitalisierungen und 100 Milliarden Euro zur Refinanzierung von KfW-Sonderprogrammen. Der Fonds ist als Nebenhaushalt im Sinne des Art. 110 Abs. 1 Grundgesetz konzipiert.
Stabilisierungsinstrumente
- Garantien (§ 6 WSFG): Der Fonds kann Garantien zur Absicherung von Verbindlichkeiten übernehmen, insbesondere um Liquidität sicherzustellen und die Kapitalmarktfähigkeit der Unternehmen zu erhalten.
- Rekapitalisierungsmaßnahmen (§ 7 WSFG): Hierzu zählen die Beteiligung des Bundes an Unternehmen (z.B. durch Erwerb von Aktien oder stillen Beteiligungen) und weitere Eigenkapitalmaßnahmen.
- Refinanzierung von Sonderprogrammen (§ 8 WSFG): Mittel können zur Finanzierung von Sondermaßnahmen, insbesondere der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), genutzt werden.
Zugriffs- und Bewilligungsvoraussetzungen
Der Zugang zu den Mitteln ist an strenge Auflagen geknüpft. Begünstigte Unternehmen müssen u. a. als systemrelevant eingestuft sein oder eine erhebliche Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland oder den Arbeitsmarkt aufweisen. Über die Vergabe entscheidet das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in Abstimmung mit dem Bundesministerium der Finanzen. Die Maßnahmen stehen unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit dem europäischen Beihilferecht (Art. 107 ff. AEUV).
Rechtliche Rahmenbedingungen der Mittelverwendung
Einhaltung des EU-Beihilferechts
Maßnahmen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds unterliegen der Notifizierung und Genehmigung durch die Europäische Kommission gemäß den Vorschriften über staatliche Beihilfen. Wesentliche rechtliche Grundlage dafür ist der „Befristete Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft infolge des Ausbruchs von COVID-19″ der Kommission (Temporary Framework), dessen Vorgaben zwingend einzuhalten sind.
Bindende Nebenbestimmungen und Compliance
Bei der Mittelvergabe sind Auflagen nach § 10 WSFG zu berücksichtigen, insbesondere hinsichtlich
- Dividenden- und Bonusverboten,
- Anforderungen an Unternehmensführung und Geschäftspolitik,
- Beschränkungen für Unternehmensübernahmen und
- Verpflichtungen zur Aufrechterhaltung des Betriebs und Erhalt von Arbeitsplätzen.
Regelmäßig ist die Zustimmung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages einzuholen, sofern ein bestimmter Wertumfang der Maßnahmen überschritten wird (§ 12 WSFG).
Gesetzliche Berichtspflichten und Kontrolle
Das WSFG sieht eine umfassende Berichtspflicht der Bundesregierung bezüglich Art, Umfang und Auswirkung der Maßnahmen vor (§ 14 WSFG). Es besteht eine laufende parlamentarische Kontrolle durch die entsprechenden Ausschüsse, insbesondere in Hinblick auf Transparenz und ordnungsgemäßen Mitteleinsatz.
Laufzeit und Anpassungen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds
Der Fonds wurde mehrfach in seiner Laufzeit und in seinen Modalitäten angepasst, zuletzt durch das „Gesetz zur Fortentwicklung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds zur Abfederung der Folgen des Krieges gegen die Ukraine“ (WSF-Energie). Damit wurden die Mittel und Instrumente des WSF für die Bewältigung der Energiepreiskrise modifiziert und erweitert. Die konkrete Laufzeit und etwaige Verlängerungen richten sich nach gesetzlicher Vorgabe und werden bei fortbestehender Krise jeweils gesetzlich angepasst.
Bedeutung und rechtliche Bewertung
Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds stellt eine herausragende Sondermaßnahme der Wirtschaftspolitik in Deutschland dar und ist von enormer rechtlicher Komplexität geprägt. Neben der originären gesetzlichen Ausgestaltung greifen zahlreiche Nebengesetze, Haushaltsvorgaben, EU-Vorschriften und beihilferechtliche Bestimmungen ineinander. Die rechtssichere Anwendung und Kontrolle des Fonds sind für die Wirksamkeit und für die Wahrung haushaltsrechtlicher Grundsätze grundlegend.
Zusammenfassung
Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds ist ein Instrument des Staates zur Unterstützung und Stabilisierung der deutschen Realwirtschaft in außergewöhnlichen Krisensituationen. Seine Rechtsgrundlage bildet das WSFG, flankiert durch zahlreiche weitere gesetzliche Regelungen, insbesondere auf europäischer Ebene. Der Fonds ist geprägt durch hohe Komplexität in der rechtlichen Ausgestaltung, strenge Vergabevoraussetzungen, weitreichende Kontrollmechanismen und die enge Einbindung parlamentarischer Gremien. Die Maßnahmen des WSF unterliegen zudem der ständigen Anpassung an wirtschaftliche und politische Erfordernisse.
Häufig gestellte Fragen
Unterliegt die Vergabe von Mitteln aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds einer spezifischen rechtlichen Kontrolle?
Die Vergabe von Mitteln aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) unterliegt einer Vielzahl rechtlicher Kontrollmechanismen, um Transparenz und Rechtsstaatlichkeit sicherzustellen. Grundlage ist das Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz (WSFG), das Verfahren, Voraussetzungen und Zuständigkeiten regelt. Die Zuteilung der Mittel erfolgt durch Entscheidungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz sowie des Bundesministeriums der Finanzen, welche die fondsverwaltenden Aufgaben wahrnehmen. Zudem gelten haushaltsrechtliche Vorschriften, insbesondere aus der Bundeshaushaltsordnung (BHO). Externe Kontrolle übt der Bundesrechnungshof aus, der sämtliche Mittelverwendungen auf Recht- und Zweckmäßigkeit prüft. Darüber hinaus besteht eine parlamentarische Kontrolle durch den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages, der über wesentliche Entscheidungen informiert wird und Einsicht in Unterlagen nehmen kann. Bei Streitigkeiten über Berechtigung oder Umfang von Unterstützungsleistungen können zudem verwaltungsgerichtliche Klagewege beschritten werden, wobei die Maßnahmen regelmäßig dem sogenannten behördlichen Ermessen unterliegen, das jedoch auf Rechtsfehler überprüfbar ist.
Welche beihilferechtlichen Vorgaben der EU müssen bei Maßnahmen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds beachtet werden?
Maßnahmen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds, insbesondere in Form von Bürgschaften, Rekapitalisierungen oder direkten Finanzhilfen, unterliegen den beihilferechtlichen Regelungen der Europäischen Union, insbesondere nach Art. 107 und 108 AEUV. Staatliche Beihilfen dürfen grundsätzlich nur gewährt werden, wenn sie zuvor von der Europäischen Kommission notifiziert und genehmigt wurden, um Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt zu vermeiden. Während der COVID-19-Pandemie galten zudem Sonderregelungen im Rahmen des „Temporary Framework“, das Erleichterungen bei der Genehmigung ermöglichte. Gleichwohl sind alle Maßnahmen so zu gestalten, dass sie mit den Vorgaben der Kommission, wie Angemessenheit, Verhältnismäßigkeit und Begrenzung auf das notwendige Maß, übereinstimmen. Werden die Genehmigungsvoraussetzungen nicht eingehalten, kann die Kommission Rückforderungsentscheidungen treffen, die wiederum nationale Umsetzungsakte erforderlich machen.
Welche Anforderungen gelten an die rechtliche Grundlage für Eingriffe in Gesellschafter- oder Gläubigerrechte bei Inanspruchnahme des Wirtschaftsstabilisierungsfonds?
Eingriffe in Gesellschafter- oder Gläubigerrechte, etwa durch Kapitalmaßnahmen, stille Beteiligungen oder Schuldenschnitte, erfordern eine explizite gesetzliche Grundlage. Im Rahmen des WSF erfolgt dies insbesondere durch das Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz, das in Verbindung mit gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Vorschriften steht. Bei Maßnahmen der Rekapitalisierung müssen beispielsweise Satzungsänderungen und Kapitalmaßnahmen nach den Regeln des Aktiengesetzes und unter Wahrung der Rechte der Aktionäre erfolgen. Ebenso sind Insolvenzschutzmechanismen zu beachten, wenn Gläubigerinteressen betroffen sind. Im Falle einer teilweisen Enteignung oder vergleichbaren belastenden Eingriffe kommt zudem Art. 14 GG (Grundgesetz, Eigentumsgarantie) zur Anwendung, sodass eine angemessene Entschädigung vorgesehen sein muss. Jegliche Maßnahmen bedürfen daher sorgfältiger juristischer Dokumentation, Zustimmungsgremien und ggf. gerichtlicher Überprüfungsmöglichkeiten.
Inwieweit besteht ein Rechtsanspruch auf Unterstützung aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds?
Ein ausdrücklicher Rechtsanspruch auf Hilfen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds besteht grundsätzlich nicht. Die Vergabe der Mittel steht im Ermessen der zuständigen Behörden, welches durch das WSF-Gesetz und die dazugehörigen Rechtsverordnungen strukturiert wird. Die Entscheidung erfolgt nach Maßgabe der Fördervoraussetzungen, wie drohende Insolvenz, Systemrelevanz oder gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Unternehmens. Bei Ablehnung eines Antrags besteht jedoch der Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung und eine Begründung nach § 39 VwVfG (Verwaltungsverfahrensgesetz), was gerichtlich überprüfbar ist. Bei willkürlicher oder diskriminierender Behandlung kann das Unternehmen Rechtsmittel, beispielsweise im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, einlegen.
Wie wird der Einsatz der Mittel des Wirtschaftsstabilisierungsfonds dokumentiert und veröffentlicht?
Die Dokumentation des Mittelabrufs und der Verwendung folgt den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung und der Haushaltsklarheit. Die verantwortlichen Ministerien führen detaillierte Verwendungsnachweise, die eine Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen gewährleisten sollen. Der Bund ist zudem verpflichtet, jährlich einen Bericht über die Tätigkeit des Wirtschaftsstabilisierungsfonds zu erstellen und dem Deutschen Bundestag zu übermitteln. Diese Berichte enthalten Informationen über die bewilligten Maßnahmen, deren Empfänger, Umfang sowie die beabsichtigte Zielerreichung. Ferner unterliegen die Daten den Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG), sodass Dritte unter bestimmten Voraussetzungen Einsicht verlangen können, sofern keine schutzwürdigen Geschäftsgeheimnisse betroffen sind.
Welche Rechtsfolgen drohen bei missbräuchlicher Mittelverwendung aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds?
Die missbräuchliche Verwendung von bereitgestellten Geldern kann unterschiedliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Zentral sind die Rückforderung der gewährten Mittel auf Grundlage der jeweiligen Zuwendungsbescheide bzw. Vertragsbeziehungen. Zudem können strafrechtliche Tatbestände, wie Subventionsbetrug gemäß § 264 StGB, verwirklicht werden. Daneben sind zivilrechtliche Schadensersatzansprüche möglich, die sowohl vom Staat als auch von Dritten geltend gemacht werden können. Bei schwerwiegenden Verstößen droht Unternehmen der dauerhafte Ausschluss von weiteren Fördermitteln, sowie Reputationsschäden durch öffentliche Berichterstattung im Rahmen der Transparenzpflichten des Bundes. Ferner finden Prüfungen durch Ermittlungsbehörden und die Rechnungshöfe statt, die auch Ordnungswidrigkeiten verfolgen können.