Legal Lexikon

Wilde Ehe


Wilde Ehe – Rechtliche Aspekte und Bedeutung

Definition und Abgrenzung

Die „Wilde Ehe“ ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für eine nichteheliche Lebensgemeinschaft, bei der zwei Menschen dauerhaft zusammenleben, ohne eine formale Ehe einzugehen. In der deutschen Rechtswissenschaft wird der Begriff „Wilde Ehe“ meist durch den präziseren Ausdruck „nichteheliche Lebensgemeinschaft“ ersetzt. Eine Wilde Ehe unterscheidet sich grundlegend von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft, da sie weder eine standesamtliche Trauung noch eine besondere vertragliche Form verlangt.

Historische Entwicklung

Der Begriff „Wilde Ehe“ entstand zu einer Zeit, in der das eheähnliche Zusammenleben ohne Trauschein gesellschaftlich tabuisiert war und rechtlich kaum Schutz genoss. Erst mit gesellschaftlichem Wandel und der rechtlichen Anerkennung verschiedener Familienformen wurde die nichteheliche Lebensgemeinschaft Gegenstand umfangreicher gesetzlicher und gerichtlicher Regelungen, vor allem seit den 1970er Jahren.


Rechtliche Einordnung der Wilden Ehe in Deutschland

Abgrenzung zur Ehe und zur eingetragenen Lebenspartnerschaft

Eine Wilde Ehe unterscheidet sich von der Ehe sowohl im gesellschaftlichen als auch im rechtlichen Sinne deutlich:

  • Keine Eheschließung: Es fehlt jede Form der rechtsgültigen Eheschließung nach § 1310 BGB.
  • Fehlende Mitwirkung des Staates: Das gemeinsame Leben unterliegt keinerlei staatlicher Eintragungs- oder Kontrollpflicht.
  • Keine Statusfolgen: Nichteheliche Lebensgemeinschaften begründen keinen besonderen rechtlichen Status zwischen den Partnern.

Auch gegenüber der (seit 2017 eingestellten) eingetragenen Lebenspartnerschaft (§ 1 LPartG) bestehen deutliche Unterschiede, da diese ähnlich wie eine Ehe staatlich registriert und rechtlich weitgehend gleichgestellt war.

Rechte und Pflichten der Partner

Persönliche Rechtslage

Innerhalb einer Wilden Ehe gibt es keine gesetzlich fixierten Rechte oder Pflichten der Partner gegenüber einander, wie sie zwischen Ehegatten bestehen. Hierzu zählen insbesondere:

  • Kein Anspruch auf Unterhalt nach Trennung oder während des Zusammenlebens
  • Kein gesetzliches Erbrecht im Todesfall eines Partners
  • Keine automatischen Ansprüche auf Hausrat oder Vermögensausgleich bei Trennung

Eigentumsverhältnisse

Beide Partner behalten ihr jeweiliges Vermögen und Eigentum. Gemeinsame Anschaffungen stehen regelmäßig im gemeinschaftlichen Eigentum, sofern dies nachweisbar vereinbart wurde oder sich aus den Umständen ergibt. Bezüglich gemeinsamer Vermögenswerte empfiehlt sich eine vertragliche Klarstellung, beispielsweise per Partnerschaftsvertrag.

Unterhaltspflichten

Für nichteheliche Lebensgemeinschaften bestehen keine gesetzlich normierten Unterhaltspflichten zwischen den Partnern. Es gibt lediglich eine Ausnahme für Mütter oder Väter nichtehelicher Kinder hinsichtlich des sogenannten Betreuungsunterhalts (§ 1615l BGB).

Versorgungsausgleich und Sozialversicherung

Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt, da dieser ausschließlich Ehegatten zusteht (§§ 1587 ff. BGB). Auch eine Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse, wie sie Ehegatten nutzen können, ist Partnern einer Wilden Ehe nicht eröffnet.

Vertretung und Auskunftsrechte

Im Krankheits- oder Notfall hat ein nicht verheirateter Partner keine gesetzliche Vertretungsbefugnis. Auskünfte oder Entscheidungen über gesundheitliche Belange erfordern eine Vorsorgevollmacht oder die ausdrückliche Zustimmung.


Auswirkungen im Fall der Trennung oder des Todes

Trennung

Im Falle der Trennung einer Wilden Ehe existieren keine Ansprüche auf Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich oder Unterhalt, sofern keine vertragliche Regelung getroffen wurde. Vermögensaufteilungen orientieren sich an allgemeinen schuldrechtlichen Prinzipien (wie Teilung nach Eigentumsanteilen, gemeinschaftlicher Erwerb, Schenkungsrecht oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts).

Todesfall

Stirbt einer der Partner, besteht kein gesetzliches Erbrecht für den Überlebenden. Dieser ist formal betrachtet fremder Dritter und hat ohne zusätzliches Testament keinen Anspruch auf Nachlass. Auch die Hinterbliebenenversorgung im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung ist der nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht eröffnet.


Kinder in der Wilden Ehe

Abstammung und Sorgerecht

Kinder, die innerhalb einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft geboren werden, sind rechtlich gleichgestellt mit ehelichen Kindern (Art. 6 Abs. 5 GG). Die Mutter ist automatisch sorgeberechtigt, der Vater muss die Vaterschaft anerkennen (§ 1592 ff. BGB), um ebenfalls sorgeberechtigt zu werden.

Unterhaltspflicht

Beide Elternteile sind unterhaltsverpflichtet, ungeachtet des Bestehens einer Ehe oder Lebensgemeinschaft.


Steuerrechtliche Aspekte

Einkommensteuer

Partner einer Wilden Ehe werden steuerrechtlich wie Einzelpersonen behandelt. Das Ehegattensplitting (§ 26b EStG) und der gemeinsame Veranlagungsweg stehen nur Ehegatten zur Verfügung.

Erbschaft- und Schenkungsteuer

Bei Erbschaften und Schenkungen zwischen Partnern einer Wilden Ehe gilt der hohe Freibetrag der Steuerklasse I für Ehegatten nicht. Partner werden in die ungünstigere Steuerklasse III einsortiert, mit entsprechend geringeren Freibeträgen.


Sozialrechtliche Besonderheiten

Bedarfsgemeinschaft im Sozialrecht

Im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II, „Hartz IV“) und weiterer Sozialleistungen werden Partner einer Wilden Ehe nach einer bestimmten Dauer des Zusammenlebens als Bedarfsgemeinschaft bewertet, sodass gegenseitige Unterhaltsvermutungen zu Lasten der Leistungsberechtigung beachtet werden (§ 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II).


Fazit: Chancen und Risiken der Wilden Ehe

Die Wilde Ehe ermöglicht Paaren ein freies, unreglementiertes Zusammenleben. Sie bietet keine durch das Gesetz vorgegebenen Rechte und Pflichten, was sowohl Vorteile als auch Risiken birgt. Schutz bei Trennung, Krankheit oder Todesfall kann nur durch gezielte vertragliche oder testamentarische Vorsorge sichergestellt werden. Wer zuverlässig rechtliche Bindungen oder Ansprüche auf Versorgung wünscht, muss eine Ehe schließen oder entsprechende Vorsorge treffen.


Einordnung im internationalen Vergleich

In anderen europäischen Staaten bestehen teils ähnliche, teils abweichende Regelungen zu nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Staaten wie Frankreich sehen mit dem „Pacte civil de solidarité (PACS)“ institutionalisierte Modelle vor, die zwischen Ehe und wilder Ehe angesiedelt sind. Die deutschen Regelungen zur Wilden Ehe gelten im europäischen Vergleich als besonders zurückhaltend mit Blick auf rechtliche Bindungen und Schutzmechanismen.


Siehe auch

  • Nichteheliche Lebensgemeinschaft
  • Ehe
  • Lebenspartnerschaftsgesetz
  • Partnerschaftsvertrag
  • Sorge- und Umgangsrecht

Dieser Artikel bietet eine umfassende Übersicht zur rechtlichen Bedeutung und Einordnung der Wilden Ehe in Deutschland und vermittelt das aktuelle Wissen über Rechte, Pflichten und Risiken für Betroffene.

Häufig gestellte Fragen

Hat ein Partner in der Wilden Ehe ein gesetzliches Erbrecht?

Ein Partner in einer sogenannten Wilden Ehe, also einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ohne formelle Eheschließung, hat grundsätzlich kein gesetzliches Erbrecht. Das deutsche Erbrecht (§§ 1922 ff. BGB) sieht die Erbfolge für Verwandte und den Ehegatten vor, nicht jedoch für den nichtehelichen Lebensgefährten. Stirbt einer der Partner, geht sein Vermögen ohne anderslautende Verfügung (z. B. durch ein Testament oder einen Erbvertrag) ausschließlich auf die gesetzlichen Erben, wie Kinder, Eltern oder Geschwister, über. Der überlebende Partner erhält keinerlei Anteil am Nachlass. Um dies zu berücksichtigen, können sich Lebensgefährten gegenseitig per Testament bedenken; ansonsten bleibt ihnen der Zugang zum Nachlass verwehrt. Auch besondere Regelungen zugunsten Ehegatten, etwa das gesetzliche Voraus oder das Wohnrecht in der Ehewohnung, finden keine Anwendung. Lediglich über ein privatschriftliches oder notarielles Testament kann der Partner bedacht werden, wobei jedoch ein Pflichtteilsrecht nicht besteht.

Besteht Anspruch auf Unterhalt nach einer Trennung?

Ein gesetzlicher Anspruch auf Unterhalt nach einer Trennung einer Wilden Ehe existiert nicht. Die entsprechenden Unterhaltsregelungen (§§ 1361, 1569 ff. BGB), die im Fall einer Scheidung Anwendung finden, greifen ausschließlich bei rechtlich verheirateten Paaren. Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sind nach der Trennung grundsätzlich selbst für ihren Lebensunterhalt verantwortlich. Eine Ausnahme kann allenfalls bestehen, wenn ausdrücklich vertragliche Vereinbarungen zur gegenseitigen Unterhaltsleistung getroffen wurden oder einer der Partner im Rahmen einer sogenannten „veranlassten Vermögensverschiebung“ Ausgleichsansprüche geltend machen kann, wobei dies sehr selten und jeweils vom konkreten Einzelfall abhängig ist. Kindern gegenüber besteht jedoch, auch in einer Wilden Ehe, eine gesetzliche Unterhaltspflicht.

Wie ist das gemeinsame Vermögen während und nach der Wilden Ehe geregelt?

Im Gegensatz zur Ehe mit Zugewinngemeinschaft gibt es in der Wilden Ehe keine gesetzlichen Regelungen zum gemeinsamen Vermögen. Jeder Partner bleibt grundsätzlich Eigentümer der von ihm eingebrachten sowie während der Partnerschaft erworbenen Vermögensgegenstände. Das sogenannte „Alleinverdiener-Privileg“ bleibt erhalten, das heißt, wer Anschaffungen tätigt, bleibt rechtlich gesehen deren Eigentümer, es sei denn, beide werden ausdrücklich beim Kauf als Miteigentümer geführt. Gemeinsame Anschaffungen gehören beiden nur dann, wenn beide Vertragspartner waren oder eine ausdrückliche Vereinbarung über gemeinsames Eigentum besteht. Im Falle einer Trennung ist eine gerichtliche Aufteilung, wie sie das Zugewinnausgleichsverfahren nach §§ 1373 ff. BGB für Ehegatten vorsieht, nicht vorgesehen. Für größere Vermögenswerte kann außergerichtlich ein Partnerschaftsvertrag sinnvoll sein, um Streitigkeiten vorzubeugen.

Haben Partner einer Wilden Ehe ein gesetzliches Auskunftsrecht über das Einkommen des anderen?

Ein gesetzliches Auskunftsrecht über das Einkommen des anderen Partners besteht in einer Wilden Ehe nicht. Entsprechende Informationsrechte ergeben sich für Ehegatten als Voraussetzung für Unterhaltspflichten oder Zugewinnausgleichsansprüche, nicht jedoch für nichtverheiratete Partner. Auch Steuerrechte, die etwa der Ehegatte geltend machen könnte (z. B. im Hinblick auf die Steuerklassenkombination), finden keine Anwendung. Nur ausnahmsweise kann im Zusammenhang mit gemeinsamen Kindern ein Auskunftsrecht bestehen, etwa zur Festsetzung des Kindesunterhalts, sofern einer der Partner zur Auskunft verpflichtet ist (§ 1605 BGB).

Welche Rechte bestehen im Krankheits- oder Notfall?

Im Krankheits- oder Notfall haben Partner einer Wilden Ehe keine automatischen gesetzlichen Vertretungsrechte. Während Ehegatten in medizinischen Notfällen unter bestimmten Voraussetzungen den Partner vertreten dürfen (§ 1358 BGB), sind Lebensgefährten rechtlich wie Fremde zu behandeln und benötigen eine Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung, um für den Partner entscheiden zu können. Ohne entsprechende Vollmachten besteht kein Anspruch, medizinische Auskünfte zu erhalten oder über medizinische Maßnahmen zu entscheiden. Um für den Ernstfall vorzusorgen, sollten Paare, die in einer Wilden Ehe zusammenleben, daher entsprechende Vollmachten und Verfügungen gegenseitig ausstellen.

Welche steuerlichen Vorteile oder Nachteile ergeben sich aus der Wilden Ehe?

Partner in einer Wilden Ehe werden steuerlich wie alleinstehende Personen behandelt. Ihnen stehen keine Vergünstigungen zu, wie sie durch das Ehegattensplitting oder durch die Wahl der Steuerklassen III/V oder IV/IV für Eheleute möglich sind. Auch andere steuerliche Vorteile, wie der höhere Freibetrag bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer für Ehepartner, gelten für Lebensgefährten nicht. Partnerschaften ohne Trauschein werden bezüglich Schenkungen und Erbschaften von Partner zu Partner grundsätzlich wie fremde Dritte behandelt, sodass nur der geringste Freibetrag (derzeit 20.000 €) und der höchste Steuersatz (bis zu 50 % Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer) zur Anwendung kommen. Eine steuerliche Gleichstellung gibt es ausschließlich für verheiratete Paare.

Gibt es besondere Regelungen für gemeinsam gemietete Wohnungen?

Für gemeinsam gemietete Wohnungen kommt es darauf an, wer als Mieter im Mietvertrag aufgeführt ist. Sind beide Partner Vertragspartner, haben auch beide ein Wohnrecht und sind entsprechend gemeinsam für die Miete verantwortlich. Steht nur einer der Partner im Mietvertrag, besteht für den anderen rechtlich kein Mietverhältnis mit dem Vermieter und damit auch kein Anspruch, nach einer Trennung weiterhin in der Wohnung zu verbleiben. Das Recht auf Übernahme des Mietvertrags nach einer Trennung, wie es für Ehegatten nach § 1568a BGB gilt, gibt es für nichteheliche Lebensgemeinschaften nicht. Es empfiehlt sich daher, bei gemeinsamer Haushaltsführung beide Partner in den Mietvertrag mitaufnehmen zu lassen, um Streitigkeiten und Benachteiligungen zu vermeiden.

Welche Ansprüche bestehen bei gemeinsam angeschafften Haushaltsgegenständen?

Haushaltsgegenstände, die während der Wilden Ehe gemeinsam angeschafft wurden, stehen grundsätzlich denjenigen zu, die sie gekauft haben. Gibt es keine schriftlichen Vereinbarungen, wird vermutet, dass Gegenstände, die zum gemeinsamen Gebrauch bestimmt waren und von beiden genutzt wurden, beiden anteilig gehören. Bei einer Trennung kann jeder der beiden Partner eine Teilung verlangen oder eine Auszahlung des Anteils fordern; muss dies jedoch im Streitfall zivilrechtlich durchsetzen. Sonderregelungen wie den hausratsrechtlichen Ausgleich aus dem Ehegesetz gibt es nicht. Eine faire Regelung sollte idealerweise im Vorfeld schriftlich festgehalten oder einvernehmlich getroffen werden.