Begriff und rechtliche Einordnung
Definition und Sprachgebrauch
Als „Wilde Ehe“ wird umgangssprachlich das dauerhafte Zusammenleben zweier Personen in einer auf Dauer angelegten Paarbeziehung ohne Eheschließung bezeichnet. Rechtlich üblich ist die Bezeichnung „nichteheliche Lebensgemeinschaft“. Der Ausdruck „Wilde Ehe“ hat einen historisch geprägten, teils wertenden Charakter und wird im modernen Sprachgebrauch seltener verwendet. Maßgeblich ist, dass keine Eheschließung stattgefunden hat und auch keine besondere staatliche Registrierung besteht.
Abgrenzung zur Ehe
Die Ehe begründet einen umfassenden, gesetzlich geregelten Status mit besonderen Rechten und Pflichten (etwa im Familien-, Erb-, Steuer- und Sozialrecht). In einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gelten diese Statusrechte grundsätzlich nicht. Partnerinnen und Partner bleiben rechtlich eigenständig, es entstehen keine automatischen Ansprüche wie etwa Zugewinnausgleich, Ehegattenunterhalt, gesetzliches Erbrecht oder steuerliche Splittingvorteile.
Entstehung und Beendigung
Die nichteheliche Lebensgemeinschaft entsteht formlos durch faktisches Zusammenleben als Paar. Ebenso formlos kann sie beendet werden. Es gibt keine besonderen Auflösungsverfahren, keine Trennungsfristen und keine gerichtliche Scheidung. Die rechtlichen Folgen richten sich nach allgemeinen Vorschriften, insbesondere Eigentum, Schuldrecht, Sachenrecht, Erbrecht sowie öffentlich-rechtliche Regelungen.
Vermögens- und Haftungsfragen
Vermögensordnung und Eigentum
Es besteht keine gesetzliche Güterordnung. Jede Person behält ihr eigenes Vermögen. Vermögenserwerb erfolgt nach allgemeinen Regeln, insbesondere nach dem Prinzip der Eigentumszuordnung.
Haushaltsgegenstände, Bankkonten, Immobilien
- Haushaltsgegenstände: Gehören grundsätzlich dem, der sie gekauft hat. Bei gemeinsamer Anschaffung kann Miteigentum entstehen.
- Bankkonten: Einzelkonten gehören der jeweiligen Kontoinhaberin oder dem Kontoinhaber. Gemeinschaftskonten stehen den Kontoinhabern gemeinschaftlich zu; die interne Verteilung richtet sich nach Absprachen und Beiträgen.
- Immobilien: Eigentum folgt dem Grundbucheintrag. Steht nur eine Person im Grundbuch, hat die andere ohne besondere Vereinbarung kein Eigentumsrecht.
Trennung und Ausgleichsansprüche
Bei Trennung gibt es keinen gesetzlichen Zugewinnausgleich. Ausgleichsansprüche können sich im Einzelfall aus allgemeinem Leistungs- und Vermögensrecht ergeben, etwa wenn eine Person die andere in erheblichem Umfang finanziert hat und dies nach den Umständen nicht dauerhaft unentgeltlich sein sollte. Für gemeinsam verfolgte Zwecke (z. B. Hausbau) kann unter Umständen eine gesellschaftsähnliche Zuordnung in Betracht kommen. Maßgeblich sind die konkreten Beiträge, Abreden und die gemeinsame Zielsetzung. Ohne Vereinbarung erfolgt die Verteilung nach Eigentums- und Bereicherungsgrundsätzen.
Schulden und Haftung
Eine Person haftet nicht automatisch für die Schulden der anderen. Eine Haftung entsteht nur bei eigener Verpflichtung (z. B. Mitunterzeichnung eines Vertrags), bei gemeinsamer Kontoführung oder in besonderen gesetzlichen Konstellationen. Lebensunterhaltspflichten unter Partnern bestehen grundsätzlich nicht.
Unterhalt, Kinder und Elternrechte
Partnerschaftsunterhalt
Zwischen Partnerinnen und Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft besteht kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch während des Zusammenlebens oder nach der Trennung. Etwas anderes gilt nur, wenn gemeinsame Kinder betroffen sind oder besondere gesetzliche Tatbestände greifen.
Kinder: Abstammung, Sorge, Umgang, Unterhalt, Name
- Abstammung: Die Mutterschaft ergibt sich aus der Geburt. Die Vaterschaft kann anerkannt werden oder gerichtlich festgestellt werden.
- Sorge: Bei nicht verheirateten Eltern hat die Mutter zunächst das alleinige Sorgerecht, sofern keine gemeinsame Sorgeerklärung vorliegt oder eine gerichtliche Entscheidung die gemeinsame Sorge anordnet. Bei gemeinsamer Sorge üben beide die elterliche Verantwortung gleichberechtigt aus.
- Umgang: Beide Elternteile haben ein Recht auf Umgang mit dem Kind; das Kindeswohl ist maßgeblich.
- Unterhalt: Kinder haben Anspruch auf Unterhalt gegen ihre Eltern, unabhängig vom Familienstand der Eltern. Der Elternteil, der das Kind betreut, leistet in der Regel Betreuungsunterhalt; der andere erbringt Barunterhalt. Zusätzlich kann der betreuende Elternteil im Zusammenhang mit der Geburt und Betreuung eines Kindes einen eigenen Unterhaltsanspruch gegenüber dem anderen Elternteil haben.
- Name: Tragen Eltern gemeinsam die Sorge, bestimmen sie den Geburtsnamen. Führt nur ein Elternteil die Sorge, trifft dieser die Namensbestimmung.
Adoption und Stiefkindkonstellationen
Eine gemeinsame Adoption ist in der Regel Eheleuten vorbehalten. Unverheiratete können grundsätzlich nicht gemeinsam adoptieren. Die Adoption des Stiefkindes ist regelmäßig an eine Ehe geknüpft. Eigenständige Einzeladoptionen folgen besonderen Voraussetzungen.
Erbrecht und Steuerrecht
Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteil
Zwischen Partnerinnen und Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft besteht kein gesetzliches Erbrecht. Ohne letztwillige Verfügung erben die gesetzlichen Angehörigen. Ein Pflichtteilsrecht besteht nur für nahe Verwandte und Ehegatten; der nichteheliche Partner hat keinen Pflichtteilsanspruch. Verfügungen von Todes wegen sind möglich, unterliegen aber den allgemeinen Form- und Inhaltsanforderungen.
Erbschaft- und Schenkungsteuer
Nichteheliche Partnerinnen und Partner werden erbschaft- und schenkungsteuerlich in eine für entfernte Personen vorgesehene Steuerklasse eingeordnet. Der steuerliche Freibetrag ist deutlich geringer als für Ehegatten. Schenkungen und Erbschaften zwischen unverheirateten Partnern können daher deutlich höher besteuert werden.
Einkommensteuer und sonstige steuerliche Aspekte
- Einkommensteuer: Es gibt keine gemeinsame Veranlagung und keinen Splittingtarif. Jede Person wird grundsätzlich einzeln veranlagt.
- Kindbezogene Vergünstigungen: Leistungen und Freibeträge für Kinder richten sich nach der Elternschaft und nicht nach dem Ehestatus.
- Grunderwerbsteuer: Beim Erwerb von Immobilien bestehen keine Vergünstigungen allein aufgrund des Zusammenlebens.
Wohnen, Mietrecht und Hausstand
Mietvertrag, Einzug, Auszug
Zieht eine Person in die Wohnung der anderen, ohne als Mitmieterin oder Mitmieter im Vertrag zu stehen, bestehen mietvertragliche Rechte vor allem gegenüber der Person, die den Mietvertrag hält. Für die Aufnahme weiterer Bewohner kann eine Zustimmung des Vermieters erforderlich sein. Stehen beide im Mietvertrag, haften sie regelmäßig gesamtschuldnerisch für die Miete. Beim Auszug endet die Haftung gegenüber dem Vermieter grundsätzlich erst mit Vertragsänderung oder -beendigung.
Fortsetzung des Mietverhältnisses im Todesfall
Verstirbt die oder der Hauptmietende, können Personen, die mit der verstorbenen Person einen gemeinsamen Haushalt geführt haben, unter bestimmten Voraussetzungen in das Mietverhältnis eintreten. Dazu zählen regelmäßig auch Partnerinnen und Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, sofern ein gemeinsamer Haushalt bestand.
Soziale Sicherung und Versorgung
Kranken- und Pflegeversicherung
In der gesetzlichen Krankenversicherung besteht keine beitragsfreie Familienversicherung für nichteheliche Partner. Eigene Mitgliedschaft oder anderweitige Absicherung ist erforderlich. In der sozialen Pflegeversicherung gelten entsprechende Grundsätze.
Hinterbliebenenversorgung und betriebliche Leistungen
Hinterbliebenenrenten der gesetzlichen Systeme sind an formelle familiäre Bindungen geknüpft. Nichtehelichen Partnern stehen diese Leistungen in der Regel nicht zu. Betriebliche oder private Versorgungen können Begünstigte zwar vorsehen; ein automatischer Anspruch allein aus der Partnerschaft ergibt sich jedoch nicht.
Sozialleistungen und Bedarfsgemeinschaft
Im Bereich der existenzsichernden Leistungen kann eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft angenommen werden. Einkommen und Vermögen des Partners können dann bei der Bedarfsberechnung berücksichtigt werden. Die Einordnung hängt von den tatsächlichen Lebensverhältnissen ab.
Medizinische Vertretung, Auskunftsrechte und Notfälle
Auskunft und Entscheidung im Krankheitsfall
Ohne besondere Bevollmächtigung besteht kein automatisches Recht auf medizinische Auskunft oder Entscheidung für die Partnerin oder den Partner. Ein gesetzliches Notvertretungsrecht ist für Ehegatten und eingetragene Partner vorgesehen; für nichteheliche Lebensgemeinschaften besteht ein solches nicht. Krankenhäuser und Ärztinnen bzw. Ärzte unterliegen der Schweigepflicht, sofern keine Entbindung vorliegt.
Zeugnisverweigerungsrechte und Besuchsrechte
Ein allgemeines Zeugnisverweigerungsrecht aufgrund einer nichtehelichen Partnerschaft besteht nicht. Besuchsrechte in Einrichtungen richten sich nach den jeweiligen Haus- und Besuchsordnungen sowie den Einwilligungen der behandelten Person.
Sonstige Rechtsfragen
Namensführung
Es gibt keinen gemeinsamen Ehenamen. Jede Person behält ihren Geburts- oder bisherigen Namen. Für gemeinsame Kinder gelten die Regeln zur Namensbestimmung der Eltern.
Schutz vor Gewalt
Schutzmechanismen gegen häusliche Gewalt und Stalking gelten unabhängig vom Familienstand. Zivilrechtliche Schutzanordnungen und Wohnungszuweisungen sind nicht an eine Eheschließung gebunden.
Aufenthaltsrechtliche Aspekte
Für den Familiennachzug und aufenthaltsrechtliche Privilegien wird regelmäßig an eine Ehe angeknüpft. Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft allein vermittelt in der Regel keine entsprechenden Ansprüche. In besonderen Konstellationen können sonstige humanitäre oder persönliche Gründe berücksichtigt werden.
Häufig gestellte Fragen
Begründet die „Wilde Ehe“ gegenseitige gesetzliche Unterhaltsansprüche?
Nein. Unterhaltsansprüche zwischen den Partnern bestehen grundsätzlich nicht. Unterhaltspflichten können jedoch im Zusammenhang mit gemeinsamen Kindern bestehen, einschließlich eines Betreuungsunterhalts für den Elternteil, der das Kind in den ersten Lebensjahren betreut.
Hat die Partnerin oder der Partner ein gesetzliches Erbrecht?
Nein. Ohne Verfügung von Todes wegen erben die gesetzlichen Angehörigen. Ein Pflichtteilsrecht besteht für den nichtehelichen Partner nicht. Steuerlich gelten im Erb- und Schenkungsfall ungünstigere Freibeträge als für Ehegatten.
Gibt es bei Trennung einen Zugewinnausgleich oder eine Vermögensaufteilung wie bei der Scheidung?
Nein. Es findet kein gesetzlicher Zugewinnausgleich statt. Die Vermögensverteilung richtet sich nach Eigentum, getroffenen Absprachen und gegebenenfalls Ausgleichsansprüchen aus allgemeinen Vorschriften.
Wer haftet für Schulden in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft?
Jede Person haftet für eigene Verbindlichkeiten. Eine Mithaftung entsteht nur durch eigene Verpflichtung, gemeinschaftliche Vertragsübernahme oder besondere gesetzliche Tatbestände.
Welche Rechte bestehen im Krankenhaus oder gegenüber Ärztinnen und Ärzten?
Ohne ausdrückliche Befugnis besteht kein automatisches Recht auf Auskunft oder Entscheidung. Ein gesetzliches Notvertretungsrecht ist Ehegatten und eingetragenen Partnern vorbehalten und gilt nicht allein aufgrund des Zusammenlebens ohne Eheschließung.
Wie werden gemeinsame Anschaffungen und die Wohnung bei Trennung behandelt?
Gemeinsame Anschaffungen werden nach Eigentumsverhältnissen zugeordnet; bei Miteigentum ist eine Einigung oder Verwertung möglich. Bei der Wohnung kommt es auf den Miet- oder Eigentumstitel an; stehen beide im Mietvertrag, bestehen gegenüber dem Vermieter regelmäßig gemeinsame Pflichten.
Welche Rechte haben unverheiratete Eltern gegenüber ihrem Kind?
Beide Eltern sind dem Kind gegenüber unterhaltspflichtig. Das Sorgerecht steht der Mutter allein zu, sofern keine gemeinsame Sorge vereinbart oder gerichtlich angeordnet wurde. Die Vaterschaft kann anerkannt oder festgestellt werden; der Umgang richtet sich nach dem Kindeswohl.
Bestehen steuerliche Vorteile ähnlich dem Ehegattensplitting?
Nein. Es gibt keine gemeinsame Veranlagung und keinen Splittingtarif. Kindbezogene Vergünstigungen knüpfen an die Elternschaft an und nicht an den Ehestatus.