Begriff und Allgemeines zum Wertpapiererwerb
Der Begriff Wertpapiererwerb beschreibt den Vorgang, durch den eine Person oder Organisation Eigentum oder Rechte an einem Wertpapier erlangt. Wertpapiere zählen zu den zentralen Anlage- und Finanzierungsinstrumenten des Wirtschaftslebens und umfassen beispielsweise Aktien, Anleihen, Investmentfondsanteile und Schuldverschreibungen. Der Wertpapiererwerb ist rechtlich vielschichtig und unterliegt den Regelungen des Zivilrechts, Wertpapierrechts, Kapitalmarktrechts sowie weiteren spezialgesetzlichen Vorgaben.
Der Erwerb von Wertpapieren ist sowohl im nationalen deutschen Recht als auch im europäischen Kontext relevant. Der rechtliche Erwerb kann durch unterschiedliche Rechtsgeschäfte und auf verschiedenen Wegen erfolgen, wobei Besitz, Eigentumsübergang, Rechteübertragung und die notwendigen Voraussetzungen für einen erfolgten Erwerb maßgeblich sind.
Rechtliche Grundlagen des Wertpapiererwerbs
Zivilrechtliche Grundlagen
Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sind grundlegende Regelungen zum Eigentumserwerb (§§ 929 ff. BGB) sowie zur Rechtsübertragung enthalten, die auch für den Erwerb von Wertpapieren maßgeblich sind. Je nach Art des Wertpapiers (Inhaber-, Order- oder Namenspapiere) gelten unterschiedliche Übertragungsmechanismen und rechtliche Anforderungen.
Inhaberpapiere
Inhaberpapiere (§ 793 BGB, z.B. Inhaberaktien, Inhaberschuldverschreibungen) werden rechtlich durch Einigung und Übergabe übertragen. Der Erwerber wird mit dem Erwerb unmittelbarer Besitzer und erlangt dadurch regelmäßig die Rechte aus dem Wertpapier.
Orderpapiere
Orderpapiere (§§ 363 ff. HGB, z.B. Wechsel, Namensaktien auf Order) erfordern die Indossierung, d.h. die Übertragung durch schriftlichen Vermerk (Indossament) auf dem Papier selbst sowie die Übergabe des Dokuments. Auch bei diesen Papieren muss der Rechtserwerb im Weg der Traditionskette nachgewiesen werden.
Namenspapiere
Namenspapiere (§ 371 HGB) werden durch schriftliche Abtretung (Zession) der im Wertpapier verbrieften Rechte sowie die Übergabe des Dokuments übertragen. Der Eintrag des Erwerbers in das Wertpapierregister kann erforderlich sein.
Eigentumserwerb und Gutglaubensschutz
Ein zentraler Aspekt des Wertpapiererwerbs bildet der Gutglaubensschutz. Gemäß §§ 932 ff. BGB wird beim Erwerb von Inhaber- und Orderpapieren in gutem Glauben von einem Nichtberechtigten regelmäßig der Erwerb des Eigentums und der Rechte aus dem Papier zu Gunsten des Erwerbers ermöglicht. Essentiell ist dabei stets der Besitz des Wertpapierdokuments sowie das Fehlen grober Fahrlässigkeit beim Erwerber hinsichtlich etwaiger rechtlicher Mängel.
Besonderheiten des Wertpapiererwerbs im Depotverkehr
Girosammelverwahrung und Depotgesetz
Im modernen Finanzwesen erfolgt der Wertpapiererwerb überwiegend nicht mehr durch Übergabe des physischen Wertpapiers, sondern durch gutschriftmäßige Übertragung im Rahmen der sogenannten Girosammelverwahrung (§§ 5 ff. DepotG). Eine zentrale Rolle spielt hierbei das Depotgesetz (DepotG). Der Erwerber wird in der Regel durch die Gutschrift des Wertpapiers in seinem Wertpapierdepot, das von einer Bank oder anderen depotführenden Stelle geführt wird, zum Inhaber der entsprechenden Rechte.
Übertragung im Wertpapierhandel
Im außerbörslichen und börslichen Wertpapierhandel (z.B. über Wertpapierbörsen) findet der Erwerb regelmäßig „effektiv“ statt, indem das Wertpapierdepot des Erwerbers nach Abschluss eines Kaufvertrages und Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen zur Gutschrift gebracht wird. Hierbei sind die gesetzlichen Regelungen zum Eigentumserwerb, zum Gewahrsam und zur Möglichkeit der Rechtsübertragung durch Buchung ausschlaggebend.
Erwerbsmodi und -formen
Originärer und derivativer Erwerb
Man unterscheidet den originären (ursprünglichen) Erwerb, etwa durch Emission oder Zeichnung (wodurch erstmals das Wertpapier an einen Inhaber ausgegeben wird), und den derivativen (abgeleiteten) Erwerb infolge einer Übertragung vom bisherigen Inhaber auf einen neuen Erwerber (z.B. Kauf, Schenkung, Tausch).
Einigung, Übergabe, Indossament, Abtretung
Die rechtlich relevante Übertragung hängt maßgeblich von der Wertpapierart ab:
- Inhaberpapiere: Einigung und Besitzübergabe
- Orderpapiere: Indossament und Übergabe
- Namenspapiere: Zession und Übergabe, ggf. Eintragung ins Register
Diese Erwerbswege sind zwingend durch gesetzliche Vorgaben strukturiert.
Einschränkungen und Grenzen des Wertpapiererwerbs
Erwerb von Nichtberechtigten und Ausschluss des Eigentumserwerbs
Rechtliche Grenzen bestehen insbesondere dann, wenn das Wertpapier von einer nichtberechtigten Person übertragen wird. Bei gutgläubigem Erwerb von Inhaberpapieren und ordermäßigen Papieren wird der Erwerb grundsätzlich geschützt, soweit der Erwerber nicht grob fahrlässig gehandelt hat. Dieser gutgläubige Erwerb ist bei Namenspapieren in der Regel ausgeschlossen.
Formvorschriften und Missbrauchsprävention
Der Erwerb kann an besondere rechtliche Formen oder Bedingungen geknüpft sein, u. a. durch zwingende Schriftform, Einhaltung börsenrechtlicher Vorgaben oder geldwäscherechtliche Pflichten. Banken und andere depotführende Stellen sind zu Identitätsprüfungen, Dokumentationen und Präventionsmaßnahmen verpflichtet.
Besonderheiten im internationalen Kontext
Harmonisierung und europarechtliche Vorgaben
Im grenzüberschreitenden Wertpapiererwerb spielen neben nationalen Gesetzen auch internationale Abkommen und EU-Richtlinien eine bedeutende Rolle. Maßgeblich sind insbesondere die europäische Zentralverwahrer-Verordnung (CSDR) sowie die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II), welche die Sicherheit und Effizienz bei Erwerb, Handel und Verwahrung von Wertpapieren europaweit harmonisieren.
Internationales Privatrecht
Die Frage, welches Recht auf den Erwerbsvorgang und die Rechte aus Wertpapieren anzuwenden ist, richtet sich nach den Vorschriften des internationalen Privatrechts (insbesondere Art. 43 EGBGB). Das betrifft vor allem die dinglichen Wirkungen von Übertragungen im internationalen Wertpapierverkehr.
Steuerrechtliche Aspekte des Wertpapiererwerbs
Der Erwerb von Wertpapieren kann steuerliche Auswirkungen haben, insbesondere im Zusammenhang mit der Kapitalertragsteuer, der Abgeltungsteuer sowie mit Meldepflichten nach dem Außenwirtschaftsgesetz. Der steuerliche Ansatz orientiert sich an der Art des Wertpapiers und dem Erwerbsgrund (entgeltlich, unentgeltlich, Erwerb im Rahmen einer Unternehmensumstrukturierung etc.).
Zusammenfassung
Der Wertpapiererwerb ist ein durchdachter und vielschichtig geregelter Rechtsakt, der die Übertragung von Eigentum oder sonstigen Rechten an einem Wertpapier umfasst. Je nach Wertpapierart sind unterschiedliche Übertragungsakte, Schutzmechanismen und zwingende Formvorschriften zu beachten. Neben dem klassischen physischen Erwerb gewinnen moderne depotbasierte Übertragungsmechanismen sowie die Einbeziehung europäischer und internationaler Regelwerke zunehmend an Bedeutung. Auch steuerrechtliche und aufsichtsrechtliche Anforderungen prägen den Erwerbsvorgang maßgeblich.
Siehe auch:
- Wertpapier
- Depotgesetz (Deutschland))
- [Kapitalmarktrecht]
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen beim Erwerb von Wertpapieren erfüllt werden?
Beim Erwerb von Wertpapieren müssen verschiedene rechtliche Voraussetzungen beachtet werden, die sich aus dem Wertpapier-, Kapitalmarkt- und Vertragsrecht ergeben. Zunächst ist die Geschäftsfähigkeit des Erwerbers erforderlich, das heißt, der Erwerber muss nach deutschem Recht gemäß § 104 ff. BGB volljährig und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte sein oder etwaige Zustimmung eines gesetzlichen Vertreters vorweisen. Weiterhin ist die Einhaltung eventueller aufsichtsrechtlicher Vorgaben notwendig. Wertpapiere dürfen in Deutschland grundsätzlich nur über lizenzierte Wertpapierdienstleistungsunternehmen (Banken, Broker) gehandelt werden, welche der BaFin-Aufsicht unterliegen und die Einhaltung von Vorschriften zur Geldwäsche- und Betrugsprävention sicherstellen müssen (vgl. § 32 KWG, GwG). Je nach Wertpapierart sind zudem spezifische Dokumentations- und Informationspflichten, wie die Bereitstellung eines Wertpapierprospekts nach der EU-Prospektverordnung (VO (EU) 2017/1129), zu beachten. Auch steuerliche Pflichten, etwa die Meldung und Dokumentation von Transaktionen zum Zwecke der Kapitalertragssteuer, sind zu berücksichtigen.
Welche gesetzlichen Informationspflichten bestehen beim Erwerb von Wertpapieren?
Rechtlich ist vorgeschrieben, dass dem Erwerber von Wertpapieren alle wesentlichen Informationen über das betreffende Wertpapier bereitgestellt werden müssen. Bei öffentlichen Angeboten sind insbesondere die Vorschriften der Prospektpflicht zu beachten, wonach ein ausführlicher Wertpapierprospekt, gebilligt von der BaFin, erstellt und dem potenziellen Anleger zur Verfügung gestellt werden muss (siehe § 3 WpPG und die EU-Prospektverordnung). Bei bestimmten komplexen Produkten (z.B. strukturierten Anlageprodukten oder Derivaten) ist zudem ein Basisinformationsblatt erforderlich (§ 7 WpPG). Darüber hinaus bestehen Informationspflichten im Rahmen der Kundenberatung gemäß §§ 63 ff. WpHG, nach denen Wertpapierdienstleistungsunternehmen ihre Kunden vor dem Erwerb über Risiken, Kosten und die Funktionsweise des Produkts aufklären müssen.
Welche Schranken und Beschränkungen gibt es bei der Übertragung von Wertpapieren aus rechtlicher Sicht?
Die rechtlichen Schranken bei der Übertragung von Wertpapieren sind unterschiedlich, je nachdem, ob es sich um Wertpapiere in Inhaber-, Namens- oder Orderform handelt. Inhaberwertpapiere können grundsätzlich formlos durch Übergabe und Einigung übertragen werden (§ 929 BGB i.V.m. Wertpapiergesetz). Bei Namens- und Orderpapieren ist hingegen die schriftliche Indossierung und die Übertragung im Register erforderlich. Für bestimmte Arten von Wertpapieren (z.B. Aktien, Optionsscheine) bestehen zum Teil statutarische oder gesetzliche Vinkulierungen, das heißt Zustimmungserfordernisse oder Vorkaufsrechte (vgl. § 68 AktG). Im Rahmen von Meldepflichten nach dem WpHG kann zudem die Überschreitung bestimmter Schwellenwerte (3%, 5% etc. der Stimmrechte bei Aktiengesellschaften) meldepflichtig sein (§ 33 WpHG).
Wie ist der Erwerb von Wertpapieren ausländischer Emittenten rechtlich geregelt?
Der rechtliche Erwerb von Wertpapieren ausländischer Emittenten unterliegt grundsätzlich ebenfalls den Vorschriften des deutschen Wertpapierhandels-, Prospekt- und Aufsichtsrechts, sofern das Angebot oder der Vertrieb an deutsche Anleger erfolgt. Emittenten aus dem EU-/EWR-Raum können sich dabei auf das „Passporting“-Verfahren berufen, sodass ein in ihrem Herkunftsland zugelassener Prospekt in Deutschland anerkannt wird (EU-Prospektverordnung). Außerhalb der EU/EWR müssen ausländische Emittenten in der Regel einen von der BaFin gebilligten Prospekt vorlegen. Zusätzlich sind ausländische Wertpapiere oft mit besonderer Sorgfalt hinsichtlich steuerlicher Behandlung und Meldung (Quellensteuer, Doppelbesteuerungsabkommen) zu prüfen.
Welche Rechte und Pflichten entstehen durch den rechtlichen Erwerb von Wertpapieren?
Mit dem Erwerb eines Wertpapiers gehen je nach Papiertyp verschiedene Rechte (Anspruch auf Dividende, Zinsen, Mitbestimmungsrechte, Bezugsrechte) und Pflichten (z.B. Einlageverpflichtung bei Aktien, Steuerpflichten) auf den Erwerber über. Diese sind im jeweiligen Emissionsdokument (z.B. Satzung, Anleihebedingungen) und gesetzlichen Vorschriften, wie insbesondere dem Aktiengesetz (AktG), Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) oder Investmentgesetz (KAGB), geregelt. Rechtlich verpflichtet der Erwerb außerdem zur Beachtung von Insider- und Ad-hoc-Publizitätsvorschriften (§§ 12, 14 WpHG) sowie zur Einhaltung eventueller Halte- oder Sperrfristen, beispielsweise im Rahmen von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen bzw. bei Börsengängen (§ 36 BörsG).
Wie wird der rechtliche Eigentumserwerb bei elektronischen Wertpapieren (digitale Wertpapiere) vollzogen?
Mit dem Gesetz zur Einführung von elektronischen Wertpapieren (eWpG) wurde geregelt, dass auch Wertpapiere ohne Urkunde, nämlich auf rein digitaler Basis in einem elektronischen Wertpapierregister, rechtlich übertragen werden können. Der Eigentumserwerb erfolgt hierbei durch die Eintragung im entsprechenden Register (z.B. Zentralregister oder Kryptowertpapierregister). Die Übertragung ist registrierungsbedürftig und wird gemäß § 13 eWpG durch die Einigung und Eintragung bewirkt, wobei das Register als Legitimationsgrundlage fungiert. Der Wegfall der physischen Urkunde ändert nichts am zivilrechtlichen Eigentumserwerb, allerdings bestehen spezifische aufsichtsrechtliche und datenschutzrechtliche Vorgaben für die Registerführung und Transaktionssicherheit.
Welche Melde- und Anzeigepflichten bestehen beim Erwerb bestimmter Wertpapiere?
Beim Erwerb bestimmter Wertpapiere, insbesondere solcher, die Stimmrechte an börsennotierten Gesellschaften verbriefen (z.B. Aktien), sieht das Wertpapierhandelsgesetz umfangreiche Melde- und Anzeigepflichten vor. Werden bestimmte Schwellen (3%, 5%, 10% usw.) der Stimmrechte direkt oder indirekt erreicht, überschritten oder unterschritten, ist dies der betroffenen Gesellschaft und der BaFin unverzüglich anzuzeigen (§§ 33 ff. WpHG). Es bestehen darüber hinaus Meldepflichten gemäß dem Marktmissbrauchsrecht (MAR) bezüglich Insidergeschäften und Eigengeschäften von Führungskräften. Verletzungen dieser Pflichten können zu erheblichen Bußgeldern und rechtlichen Konsequenzen führen.