Definition und rechtliche Einordnung des Wertpapiers
Ein Wertpapier ist ein privatrechtliches Dokument, das grundsätzlich ein Vermögensrecht in der Weise verbrieft, dass zur Ausübung des Rechts die Besitzergreifung des Urkundenoriginals regelmäßig erforderlich ist. Der Wertpapierbegriff ist im deutschen Zivilrecht nicht legaldefiniert, jedoch in der Rechtsprechung und Literatur fortgebildet. Maßgeblich ist, dass das in der Urkunde verbriefte Recht nicht ohne Vorliegen der Urkunde geltend gemacht werden kann. Die rechtliche Bedeutung und der Schutz des Wertpapierrechts stützen sich dabei auf den Grundsatz des „Recht aus dem Papier“.
Dogmatische Grundlagen
Gemäß allgemeiner Definition besteht das Wesen eines Wertpapiers darin, dass das darin verbriefte Recht mit dem Besitz der Urkunde untrennbar verbunden ist. Dies wird als Papierverkörperung des Rechts bezeichnet. Der Inhaber kann das in der Urkunde verbriefte Recht nur geltend machen, wenn er das Original besitzt – eine rechtliche Besonderheit, die das Wertpapier grundsätzlich von der Forderung oder sonstigen Rechten unterscheidet.
Im deutschen Recht haben sich verschiedene Kategorien von Wertpapieren entwickelt, die teils durch gesetzliche Vorschriften, teils durch Handelsbräuche entstanden sind.
Arten von Wertpapieren
Nach dem Typus des verbürgten Rechts
Forderungswertpapiere
Zu den häufigsten Wertpapieren zählen Forderungswertpapiere, wie:
- Schuldverschreibungen (§§ 793 ff. BGB): Sie verbriefen die Forderung auf Zahlung eines bestimmten Geldbetrags.
- Wechsel (§§ 1 ff. Wechselgesetz): Enthalten eine Anweisung zur Zahlung einer bestimmten Geldsumme.
- Scheck (Art. 1 Scheckgesetz): Stellt eine formalisierte Geldanweisung an ein Kreditinstitut dar.
Mitgliedschaftsrechtliche Wertpapiere
Hierunter fallen insbesondere Aktien, die Ansprüche und Rechte gegenüber einer Aktiengesellschaft, insbesondere das Stimmrecht und das Recht auf Dividende, verkörpern.
Sonstige Rechte
Wertpapiere können auch andere Rechte verkörpern, etwa Teilnahmerechte an bestimmten Gemeinschaften oder Ansprüche auf bestimmte Leistungen.
Nach der Übertragbarkeit
Wertpapiere werden nach der Art ihrer Übertragung unterschieden in:
- Inhaberwertpapiere: Übertragbar durch bloße Übergabe (z.B. Inhaberschuldverschreibung, Aktie, Inhaberoption).
- Orderpapiere: Übertragbar durch Indossament und Übergabe (z.B. Wechsel, Scheck).
- Namenswertpapiere: Übertragbar durch Abtretung nach §§ 398 ff. BGB und Übergabe (z.B. Namensaktien, Namensschuldverschreibungen).
Rechtliche Funktionen der Wertpapiere
Legitimationsfunktion
Der Besitz eines Wertpapiers legitimiert dessen Inhaber zur Geltendmachung des verbrieften Rechts gegenüber dem Schuldner (Prinzip: Recht aus dem Papier).
Transportfunktion
Das Urkundenoriginal ermöglicht häufig die Übertragung des verbrieften Rechts durch Übergabe (ggf. mit Indossament oder Abtretung) und sichert einen gutgläubigen Erwerb.
Beweisfunktion
Wertpapiere dienen auch zum Nachweis eines Rechtsinhabers sowie der Existenz und des Umfangs des verbrieften Rechts.
Gesetzliche Grundlagen in Deutschland
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Das BGB regelt die allgemeinen Vorschriften zu Wertpapieren und konkretisiert einzelne Wertpapiere in speziellen Normen. Die wesentlichen Vorschriften finden sich in den §§ 793 ff. BGB (Inhaberschuldverschreibung), die beispielhaft für die allgemeine Wertpapierkonzeption sind.
Handelsgesetzbuch (HGB) und Spezialgesetze
Das Handelsgesetzbuch ergänzt die Regelungen für Wertpapiere des Handelsrechts, beispielsweise den Wechsel und den Scheck. Für Aktien und Schuldverschreibungen bestehen eigene gesellschaftsrechtliche Gesetze wie das Aktiengesetz (AktG) und das Schuldverschreibungsgesetz (SchVG).
Internationale Übereinkommen
Für Wechsel und Schecks gelten in Deutschland das Wechselgesetz und das Scheckgesetz, welche sich an den Genfer Wechselrechtsabkommen (1930/1931) orientieren.
Formvorschriften und Inhalt eines Wertpapiers
Wertpapiere müssen bestimmten gesetzlichen und satzungsmäßigen Formerfordernissen genügen, damit sie ihre Wirkung entfalten. Die erforderlichen Angaben richten sich je nach Wertpapierart nach den jeweiligen gesetzlichen Vorschriften, wie etwa beim Wechsel gemäß Art. 1 WG.
Ein Wertpapier muss stets folgende Angaben enthalten:
- Bezeichnung des verbrieften Rechts,
- Name und ggf. Anschrift des Schuldners,
- eventuell Name des Gläubigers (bei Namenspapieren und Orderpapieren),
- Unterschrift des Ausstellers.
Übertragung von Wertpapieren
Inhaberpapiere
Die Übertragung erfolgt durch bloße Übergabe. Der Erwerber wird mit Besitz der Urkunde Inhaber des verbrieften Rechts; ein gutgläubiger Erwerb ist möglich.
Orderpapiere
Die Übertragung erfolgt durch Indossament (schriftlicher Übertragungsvermerk auf der Urkunde) und Übergabe der Urkunde. Auch hier kann ein gutgläubiger Erwerb stattfinden.
Namenspapiere
Namenspapiere werden in der Regel durch schriftliche Abtretung gemäß §§ 398 ff. BGB (Abtretungserklärung) übertragen. Bei manchen Namenspapiere (z.B. vinkulierte Namensaktien) besteht eine Eintragungspflicht oder Zustimmungserfordernis.
Verlust und Kraftloserklärung von Wertpapieren
Geht ein Wertpapier verloren, so verliert der Inhaber ohne das Dokument die Möglichkeit, das Recht geltend zu machen. Das Gesetz sieht die Möglichkeit der Kraftloserklärung von Wertpapieren gemäß §§ 799 ff. BGB oder nach den Vorschriften des Gesetzes über die Kraftloserklärung verlorener Urkunden (UKlaG) vor. Nach erfolgter Kraftloserklärung kann ein neuer Ausfertigung beantragt werden.
Schutz des gutgläubigen Erwerbs
Bei praktisch allen Wertpapierarten (insb. Inhaberpapiere und Orderpapiere) ist ein gutgläubiger Erwerb gesetzlich vorgesehen, um den Umlauf und die Verkehrsfähigkeit der Papiere zu sichern. Dies bedeutet, dass ein Erwerber, der im guten Glauben an die Berechtigung des Übergebenden handelt, Eigentümer des verbrieften Rechts werden kann, auch wenn der Veräußerer tatsächlich nicht berechtigt war.
Besondere Wertpapierformen
Wertrechte und elektronische Wertpapiere
Mit dem Gesetz zur Einführung von elektronischen Wertpapieren (eWpG) vom 3. Juni 2021 wurde in Deutschland die Möglichkeit geschaffen, Wertpapiere auch elektronisch zu begeben. Das elektronische Wertpapier stellt kein klassisches Wertpapier mehr dar, da keine Urkunde ausgestellt wird, genießt jedoch gemäß § 1 eWpG die gleiche Rechtswirkung.
Wertpapierähnliche Urkunden
Auch bestimmte Urkunden im Seehandelsrecht (Konnossemente) oder Transportrecht (Ladescheine) werden als Wertpapier im weiteren Sinne behandelt, sofern sie Rechte an Waren verbriefen.
Internationales und grenzüberschreitendes Wertpapierrecht
Grenzüberschreitend relevante Fragen ergeben sich insbesondere beim Erwerb, bei der Übertragung und im Fall des Rechtsverlusts. Zu berücksichtigen sind hierbei sowohl völkerrechtliche Abkommen als auch das internationale Privatrecht.
Zusammenfassung
Das Wertpapier ist ein zentrales Institut des Zivil- und Handelsrechts zur Verbriefung und Übertragbarkeit von Rechten. Seine rechtliche Bedeutung ist durch klare Formvorgaben, die Verbindung von Recht und Urkunde, besondere Übertragungsmechanismen sowie umfassende Schutzmechanismen für den Umlauf ausgezeichnet. Die deutschen und internationalen Vorschriften garantieren Rechtssicherheit und erleichtern die gesellschafts- und wirtschaftsrechtliche Funktion von Wertpapieren in einer zunehmend digitalisierten und globalisierten Welt.
Häufig gestellte Fragen
Welche gesetzlichen Grundlagen regeln den Handel mit Wertpapieren in Deutschland?
Der Handel mit Wertpapieren in Deutschland unterliegt einer Vielzahl von gesetzlichen Regelungen, die vor allem dem Anlegerschutz und der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts dienen. Zu den zentralen Gesetzen zählen das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), das Kreditwesengesetz (KWG), das Börsengesetz (BörsG) und das Wertpapierprospektgesetz (WpPG). Darüber hinaus sind europäische Vorgaben, insbesondere die MiFID II-Richtlinie (Markets in Financial Instruments Directive), maßgeblich. Diese Gesetze regeln unter anderem die Zulassung von Wertpapieren zum Handel, die Prospektpflicht, Publizitätspflichten von Emittenten sowie Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Hinzu kommt die Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die für die Kontrolle und Durchsetzung der gesetzlichen Vorgaben im Wertpapierbereich verantwortlich ist. Regelungen zu Insiderhandel, Marktmanipulation und Meldepflichten spielen ebenfalls eine zentrale Rolle im Wertpapierrecht.
Welche Rolle spielt die BaFin bei der Überwachung von Wertpapiergeschäften?
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist die zentrale Aufsichtsbehörde für den deutschen Finanzmarkt und hat insbesondere im Bereich des Wertpapierhandels weitreichende Überwachungs- und Kontrollbefugnisse. Die BaFin sorgt für die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften durch Marktteilnehmer und beaufsichtigt Emittenten, Banken, Finanzdienstleistungsinstitute und Börsenbetreiber hinsichtlich ihrer Aktivitäten mit Wertpapieren. Zu den wichtigsten Aufgaben zählen die Überwachung auf Marktmanipulation und Insiderhandel, die Prüfung der Einhaltung von Veröffentlichungspflichten, die Kontrolle der Prospektpflicht beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren sowie das Durchsetzen von Transparenzanforderungen. Die BaFin kann bei Verstößen Bußgelder verhängen, Maßnahmen zur Mängelbeseitigung anordnen und, in gravierenden Fällen, auch Verbote aussprechen.
Welche Pflichten bestehen beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren?
Beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren in Deutschland gelten strenge gesetzliche Vorgaben, insbesondere nach dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG). Grundsätzlich muss für jedes öffentliche Angebot ein von der BaFin gebilligter Prospekt erstellt werden, der alle für eine fundierte Anlageentscheidung erforderlichen Informationen enthält. Der Prospekt muss insbesondere Angaben über den Emittenten, die angebotenen Wertpapiere, die mit ihnen verbundenen Rechte und Risiken sowie die finanzielle Lage des Emittenten enthalten. Die Prospektpflicht gilt jedoch nicht uneingeschränkt, sondern sieht einige Ausnahmen vor, beispielsweise bei bestimmten Transaktionsvolumina oder bei Angeboten an bestimmte Anlegergruppen. Darüber hinaus sind Emittenten verpflichtet, den Prospekt auf dem neuesten Stand zu halten und etwaige wesentliche neue Umstände unverzüglich nachzutragen.
Welche rechtlichen Folgen hat ein Verstoß gegen Insiderhandelsvorschriften?
Ein Verstoß gegen die Insiderhandelsvorschriften wird in Deutschland sowohl strafrechtlich als auch zivilrechtlich verfolgt. Das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) stellt Insiderhandel als Straftat dar, für die Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen verhängt werden können. Darüber hinaus kommt auch eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit in Betracht, die mit Bußgeldern belegt werden kann. Zivilrechtlich können betroffene Anleger Schadensersatzansprüche geltend machen, wenn ihnen durch den verbotenen Insiderhandel ein Schaden entstanden ist. Die BaFin ist verpflichtet, Verdachtsfälle zu untersuchen und entsprechende Verfahren einzuleiten. Neben Sanktionen gegen Einzelpersonen können auch Unternehmen bei Organisationsverschulden zur Rechenschaft gezogen werden.
Welche Schutzrechte haben Wertpapierinhaber gegenüber dem Emittenten?
Wertpapierinhaber genießen eine Reihe von Schutzrechten, die sich je nach Art des Wertpapiers aus der jeweiligen gesetzlichen oder vertraglichen Grundlage sowie aus spezialgesetzlichen Vorschriften wie dem Aktiengesetz (AktG) oder dem Schuldverschreibungsgesetz ergeben. Dazu zählen insbesondere das Recht auf ordnungsgemäße Information (z. B. durch Quartals- oder Jahresberichte bei Aktien), das Recht auf Teilnahme und Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung, Dividenden- oder Zinsansprüche, und gegebenenfalls Bezugsrechte bei Kapitalmaßnahmen. Darüber hinaus greifen Sonderregelungen zum Gläubigerschutz, wie sie beispielsweise das Depotgesetz (DepotG) oder das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) vorsehen. Auch der Anspruch auf Herausgabe des Wertpapiers im Depot sowie Sonderkündigungsrechte in besonderen Fällen zählen zu den Schutzinstrumenten.
Wann besteht eine Prospektpflicht und wann kann von ihr abgesehen werden?
Die Prospektpflicht besteht grundsätzlich beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren an den allgemeinen Markt oder bei deren Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt. Abweichungen hiervon sind jedoch möglich, wenn bestimmte Schwellenwerte, Personenkreise oder Angebotswege eingehalten werden. Ausnahmen von der Prospektpflicht sind beispielsweise für Angebote an weniger als 150 Personen pro Mitgliedstaat, für Angebote von Wertpapieren mit einem Gesamtgegenwert von weniger als 1 Million Euro innerhalb von zwölf Monaten oder bei bestimmten Angeboten an qualifizierte Anleger vorgesehen. Die Einhaltung dieser Schwellen und Bedingungen ist jedoch sehr sorgfältig zu prüfen, da ein prospektfreies Angebot Unwirksamkeit der Kapitalmaßnahme und empfindliche Sanktionen nach sich ziehen kann.
Wie wird die Übertragbarkeit von Wertpapieren rechtlich gestaltet?
Die Übertragbarkeit von Wertpapieren ist ein zentrales Element ihres rechtlichen Charakters und bestimmt sich nach den für die jeweilige Wertpapierart geltenden Vorschriften. Bei Inhaberpapieren (z. B. Inhaberaktien, Inhaberschuldverschreibungen) erfolgt die Übertragung in der Regel durch Einigung und Übergabe gemäß §§ 929 ff. BGB, da diese wie bewegliche Sachen behandelt werden. Bei Namenspapieren (z. B. Namensaktien) ist darüber hinaus eine Indossierung oder Umschreibung auf den neuen Inhaber erforderlich. Orderpapiere (z. B. Wechsel) können mittels Indossament übertragen werden. Die rechtssichere Übertragung bedarf meist der Beachtung zusätzlicher Eintragungen im Aktien- oder Anleihebuch oder, bei Hinterlegung in einem Wertpapierdepot, der korrekten Umbuchung durch das depotführende Institut. Besondere Vorschriften wie das Depotgesetz oder das Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (WpPG) regeln die Einzelheiten.