Legal Lexikon

Wertersatz


Begriff und Bedeutung von Wertersatz

Der Begriff „Wertersatz“ bezeichnet im deutschen Zivilrecht die Verpflichtung, anstelle einer ursprünglich geschuldeten Leistung den Wert dieser Leistung zu erstatten. Wertersatz wird insbesondere dann relevant, wenn die Rückgewähr eines konkreten Gegenstandes oder die Erbringung einer Leistung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und stattdessen der Wert der Sache oder Dienstleistung zu erstatten ist. Die Wertersatzpflicht ist ein zentrales Instrument des Schuld- und Vertragsrechts und trägt zur Kompensation entstandener Vermögensnachteile bei.


Wertersatz im BGB

Gesetzliche Grundlagen

Die maßgeblichen Vorschriften zum Wertersatz finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Insbesondere sind folgende Regelungsbereiche relevant:

  • § 346 BGB (Rückgewähr bei Rücktritt): Im Rahmen eines Rücktritts vom Vertrag ist grundsätzlich die empfangene Leistung zurückzugewähren, alternativ der Wert zu ersetzen, soweit eine Rückgabe nicht möglich ist.
  • § 812 ff. BGB (Bereicherungsrecht): Bei einer ungerechtfertigten Bereicherung besteht die Verpflichtung, den Erlangten herauszugeben oder, falls dies unmöglich ist, Wertersatz zu leisten.
  • Verbraucherrecht (§ 357 BGB): Im Zusammenhang mit Widerruf und Rückgabe von Verbraucherverträgen.
  • Unmöglichkeit der Leistung (§ 818 Abs. 2 BGB): Bei Unmöglichkeit der Herausgabe eines Gegenstands oder Erlöses.
  • Sachenrechtliche Rückabwicklung (z.B. nach § 985 BGB): Auch hier kann Wertersatz in Betracht kommen, wenn die Herausgabe einer Sache ausgeschlossen ist.

Voraussetzungen für die Verpflichtung zum Wertersatz

Objektives Leistungshindernis

Wertersatzansprüche entstehen, wenn die Rückgabe der ursprünglich geschuldeten Leistung oder die Herstellung des ursprünglichen Zustands auf rechtlicher oder tatsächlicher Ebene ausgeschlossen ist. Beispiele hierfür sind die Zerstörung der Sache, deren Verbrauch oder Veräußerung an Dritte.

Sittenwidrigkeit und Ausschlussgründe

Bestimmte Ausschlussgründe können die Pflicht zur Leistung von Wertersatz beschränken oder entfallen lassen, etwa bei nicht schützenswerten Ansprüchen (§ 817 Satz 2 BGB).


Bemessung und Höhe des Wertersatzes

Bewertungsmaßstab

Die Höhe des Wertersatzes orientiert sich im Regelfall am objektiven Marktwert der herauszugebenden Sache zum Zeitpunkt der Rückgabe oder zum Zeitpunkt des Zugriffs. Maßgeblich ist ein objektivierter Verkehrswert, also der Wert, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu erzielen wäre.

Besonderheiten im Verbraucherrecht

Nach § 357 Abs. 7 BGB ist bei Verbraucherverträgen, insbesondere beim Widerruf, die Wertersatzpflicht an eine Verschlechterung der Ware gebunden, wenn diese auf einen Umgang zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Ware nicht erforderlich war. Nach aktueller Rechtsprechung ist der Wertersatz in der Regel auf den Minderwert der Sache durch diese Handlungen beschränkt.


Wertersatz im Bereicherungsrecht

Herausgabe des Erlangten und Unmöglichkeit der Rückgabe

Nach § 818 BGB ist, wenn die Herausgabe des Erlangten (beispielsweise einer Sache) dauerhaft unmöglich ist, der Wert zu ersetzen. Dies gilt auch für Nutzungen und Surrogate, also anstelle der originären Leistung gezogene Vorteile oder Ersatzgegenstände.

Entreicherung und Wertersatz

Im Falle einer sogenannten Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) kann die Höhe des Wertersatzes auf das noch vorhandene Vermögen beschränkt sein, sofern der Empfänger eines Vorteils nicht mehr bereichert ist.


Wertersatz bei Rücktritt und Widerruf

Rücktritt vom Vertrag (§ 346 BGB)

Tritt eine Partei vom Vertrag zurück, sind die empfangenen Leistungen zurückzugewähren; ist dies nicht möglich, ist Wertersatz zu leisten. Ist die Rückgewähr nur teilweise oder in verschlechtertem Zustand möglich, ist ein Wertersatz in Höhe des objektiven Minderwerts zu leisten.

Besonderheiten im Verbraucherschutz

Im Rahmen des Verbraucherwiderrufsrechts (§ 357 BGB) ist Wertersatz für eine Verschlechterung der Ware grundsätzlich dann zu leisten, wenn die Verschlechterung auf einen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist, der über die Prüfung der Eigenschaften und Funktion hinausgeht. Zudem muss der Verbraucher vorab ordnungsgemäß über die Wertersatzpflicht beim Widerruf belehrt worden sein, ansonsten entfällt die Verpflichtung.


Wertersatz im allgemeinen Vertragsrecht

Erfüllungsinteresse und Wertersatz

Wertersatz kann auch im Zusammenhang mit Schadensersatzforderungen im Vertragsrecht auftreten, insbesondere wenn eine ursprünglich geschuldete Leistung dauerhaft nicht erbracht werden kann und der Gläubiger den entgangenen Wert ersetzt verlangen kann.

Kontext der Geschäftsführung ohne Auftrag

Im Falle einer Geschäftsführung ohne Auftrag ist unter Umständen ebenfalls ein Wertersatz zu leisten, wenn der Geschäftsführer Gebrauchsvorteile oder eine andere Bereicherung aus dem Geschäft gezogen hat, die er nicht mehr konkret herausgeben kann.


Grenzen und Ausschluss der Wertersatzpflicht

Ausschluss bei Bösgläubigkeit und Verschulden

Die Anforderungen an die Wertersatzpflicht werden im Einzelfall von der Kenntnis des Leistungsempfängers und dessen Gut- oder Bösgläubigkeit beeinflusst (§§ 819, 820 BGB). Bei Bösgläubigkeit kann Wertersatz auch für nicht mehr Vorhandenes geschuldet werden.

Ausschluss bei vollständiger Entreicherung

Ist der Bereicherte nicht mehr im Besitz eines Vorteils und hat keinen Restwert, entfällt in bestimmten Konstellationen die Wertersatzpflicht (§ 818 Abs. 3 BGB).


Wertersatz im internationalen und europäischen Recht

Vergleichbare Regelungen

Auch im internationalen Privatrecht sowie im europäischen Recht gibt es vergleichbare Konstruktionen wie den Wertersatz, etwa im Rahmen von Rückabwicklungen bei Verbraucherverträgen nach Widerruf gemäß der Verbraucherrechterichtlinie.


Rechtsprechung zum Wertersatz

Die Rechtsprechung konkretisiert die Voraussetzungen und Grenzen der Wertersatzpflicht, insbesondere hinsichtlich der Bemessung des zu ersetzenden Wertes, des anzurechnenden Minderwerts sowie der Voraussetzungen für den Ausschluss des Wertersatzes, beispielweise durch unterlassene Belehrungen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Wertersatzpflicht nach Widerruf von Fernabsatzverträgen ist hier besonders hervorzuheben.


Zusammenfassung

Der Wertersatz stellt im deutschen Zivilrecht ein wesentliches Instrument dar, um Vermögenspositionen im Zuge von Rückabwicklungen, Rücktritten, Widerrufen und ungerechtfertigten Bereicherungen auszugleichen. Die Pflicht zur Leistung von Wertersatz ist eng an die Unmöglichkeit der Rückgabe der ursprünglichen Leistung geknüpft und setzt in der Regel einen objektiven Marktwert als Bemessungsgrundlage an. Vielfältige Sonderregelungen und Rechtsprechung stellen sicher, dass der Wertersatz stets im Licht konkreter rechtlicher und tatsächlicher Umstände angemessen und sachgerecht ausgestaltet wird.

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen für die Entstehung eines Wertersatzanspruchs im Rahmen eines Widerrufsrechts nach deutschem Recht erfüllt sein?

Ein Wertersatzanspruch entsteht im deutschen Recht gemäß § 357 Abs. 7 BGB insbesondere, wenn ein Verbraucher bei einem Fernabsatzvertrag von seinem gesetzlichen Widerrufsrecht Gebrauch macht und die empfangene Ware in einem Umfang genutzt oder mit einer Wertminderung versehen hat, der über die zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise erforderliche Handhabung hinausgeht. Voraussetzung für einen Wertersatz ist, dass der Unternehmer den Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht sowie die Möglichkeit und Bedingungen eines Wertersatzes belehrt hat. Fehlt diese Belehrung, so kann der Wertersatzanspruch ausgeschlossen oder eingeschränkt sein. Zu beachten ist, dass eine Nutzung, die lediglich der Prüfung der Ware – wie sie auch im Ladengeschäft üblich wäre – entspricht, gerade nicht zu einem Wertersatz führt, während darüberhinausgehende Nutzung oder eine Beschädigung (z.B. getragene Textilien, bereits benutzte Elektrogeräte) typischerweise einen Wertersatzanspruch auslöst.

Wie wird die Höhe des Wertersatzes nach einem Widerruf berechnet?

Die Berechnung des Wertersatzes richtet sich nach § 357 Abs. 7 BGB und erfolgt anhand der Wertminderung, die durch die Nutzung oder einen etwaigen beschädigenden Umgang mit der Ware entstanden ist. Maßgeblich ist die Differenz zwischen dem ursprünglichen Wert der Sache bei Übergabe und dem verminderten Wert im Zeitpunkt der Rückgabe durch den Verbraucher. Hierzu wird in der Praxis oftmals eine Schätzung vorgenommen, wobei als Richtschnur auch Wiederverkaufswerte oder – insbesondere bei länger genutzten Produkten – ein angemessener prozentualer Abzug herangezogen werden kann. Der Unternehmer hat dabei darzulegen, inwiefern und in welchem Umfang durch eine Handlung des Verbrauchers ein Wertverlust eintrat. Eine starre Pauschale ist grundsätzlich unzulässig; jede Bewertung hat unter Berücksichtigung der konkreten Umstände und des Einzelfalls zu erfolgen.

Wer trägt die Beweislast für eine etwaige Pflichtverletzung, die den Wertersatz auslöst?

Bei der Geltendmachung von Wertersatz trägt der Unternehmer die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Verbraucher die Sache in einem Umfang genutzt hat, der über das zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise erforderliche Maß hinausgeht und hierdurch eine Wertminderung eingetreten ist. Dies ergibt sich aus den allgemeinen Beweislastregeln sowie aus dem Umstand, dass der Verbraucher nicht für den Nachweis eines „ordnungsgemäßen“ Umgangs beweispflichtig ist. Der Händler muss also konkret vortragen, inwiefern eine Werteinbuße erfolgt ist, und dies im Streitfall beweisen.

Kann der Anspruch auf Wertersatz vertraglich ausgeschlossen oder modifiziert werden?

Vertragliche Ausschlüsse oder Einschränkungen des gesetzlichen Widerrufsrechts einschließlich der Regelungen zum Wertersatz nach § 357 BGB sind gegenüber Verbrauchern grundsätzlich unwirksam, wenn sie zu deren Nachteil vom gesetzlichen Leitbild abweichen (§ 312g Abs. 2 BGB; § 355 Abs. 1 BGB). Allerdings ist es zulässig, vertraglich konkrete Maßstäbe für die Wertermittlung festzulegen, solange diese die Rechte des Verbrauchers nicht unangemessen beschränken oder einschränken. Pauschale Ausschlüsse oder Erschwerungen der Geltendmachung des Wertersatzanspruchs sind ebenfalls unzulässig. Im unternehmerischen Verkehr sind abweichende Regelungen hingegen möglich.

Welche Bedeutung hat eine fehlerhafte oder unterbliebene Belehrung über den Wertersatz?

Fehlt eine ordnungsgemäße Belehrung über die Voraussetzungen und den Umfang eines potentiellen Wertersatzes im Zusammenhang mit der Widerrufsbelehrung, so ist ein Anspruch auf Wertersatz regelmäßig ausgeschlossen. Das Gesetz sieht hier eine Schutzfunktion zugunsten des Verbrauchers vor, sodass der Unternehmer ohne ordnungsgemäße Belehrung selbst im Fall einer erheblichen Nutzung der Ware keinen Wertersatz fordern kann (§ 357 Abs. 7 Satz 3 BGB). Die rechtzeitige und inhaltlich richtige Belehrung ist daher unerlässlich für den Erhalt eines eventuellen Wertersatzanspruchs.

Gibt es Ausnahmen, in denen trotz Nutzung kein Wertersatz verlangt werden kann?

Ja, in bestimmten Fällen ist auch bei einer Nutzung, die über das zur Prüfung Notwendige hinausgeht, kein Wertersatz zu leisten. Dies betrifft beispielsweise Fälle, in denen die Ware aufgrund ihrer Beschaffenheit schnell verderben kann (§ 312g Abs. 2 Nr. 2 BGB) oder bei entsiegelten Ton- oder Videoaufnahmen und Software, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde (§ 312g Abs. 2 Nr. 6 BGB). Zudem ist kein Wertersatz für solche Wertminderungen zu leisten, die auf einen Umgang mit der Ware zurückzuführen sind, der zur Prüfung ihrer Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise erforderlich war – also das, was auch im stationären Handel möglich wäre.