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Werkunternehmerpfandrecht


Definition und Rechtsnatur des Werkunternehmerpfandrechts

Das Werkunternehmerpfandrecht ist ein gesetzlich geregeltes Sicherungsrecht zugunsten eines Werkunternehmers an beweglichen Sachen und bestimmten sonstigen Gegenständen, die er im Rahmen eines Werkvertrags hergestellt, bearbeitet oder instandgesetzt hat. Es verleiht dem Werkunternehmer das Recht, die Herausgabe des ihm überlassenen Gegenstandes zu verweigern, bis seine Forderungen aus dem Werkvertrag vollständig erfüllt sind. Die maßgebliche gesetzliche Regelung findet sich in § 647 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Begriff und Abgrenzung

Das Pfandrecht des Werkunternehmers ist ein gesetzliches Pfandrecht und steht im Gegensatz zu vertraglichen oder gesetzlichen Sicherungsrechten, wie beispielsweise dem Vermieterpfandrecht oder dem Pfandrecht des Spediteurs. Es bezieht sich spezifisch auf Gegenstände, an denen durch den Werkunternehmer eine werkvertragliche Leistung erbracht wurde. Der Sicherungszweck besteht darin, die Vergütungsansprüche des Werkunternehmers gegen den Verlust der zurückgegebenen Sache abzusichern.

Gesetzliche Grundlagen

Das Werkunternehmerpfandrecht ist in § 647 BGB geregelt:

„Der Unternehmer kann wegen seiner Forderung auf Vergütung des Werklohns und auf Ersatz von Aufwendungen ein Pfandrecht an den ihm zum Zwecke der Herstellung oder Bearbeitung übergebenen beweglichen Sachen und vertretbaren Sachen geltend machen, wenn die Sachen durch die Bearbeitung oder Herstellung verändert worden sind.“

Daneben sind ergänzende Reglungen unter anderem im Bürgerlichen Gesetzbuch sowie der Insolvenzordnung zu beachten.

Voraussetzungen des Werkunternehmerpfandrechts

Werkvertragliche Grundlage

Voraussetzung für das Entstehen eines Werkunternehmerpfandrechts ist ein wirksamer Werkvertrag im Sinne der §§ 631 ff. BGB, durch den der Unternehmer verpflichtet wird, ein Werk herzustellen oder zu verändern.

Übergabe der Sache

Der Kunde muss dem Werkunternehmer die betreffende bewegliche Sache oder ein sonstiges pfandfähiges Gut übergeben haben. Eine Bearbeitung oder Veränderung an der Sache muss dann durch den Werkunternehmer erfolgen. Nicht erfasst sind unbewegliche Sachen oder Grundstücke.

Bearbeitung oder Herstellung

Das Pfandrecht entsteht nur, wenn die Sache im Zuge der Werkleistung verändert oder hergestellt wurde. Bloße Verwaltungshandlungen oder Überwachungsleistungen begründen kein Werkunternehmerpfandrecht.

Fällige Forderung

Das Pfandrecht dient der Sicherung der Forderung des Unternehmers auf die Werkvergütung und auf Ersatz notwendiger Aufwendungen. Die Forderung muss zum Zeitpunkt der Zurückbehaltung zumindest dem Grunde nach entstanden und noch nicht erfüllt sein. Das Zurückbehaltungsrecht besteht bis zur vollständigen Bezahlung.

Umfang und Reichweite des Pfandrechts

Pfandrecht an beweglichen Sachen

Das Pfandrecht erstreckt sich grundsätzlich auf alle beweglichen Sachen, die dem Werkunternehmer zur Ver- oder Bearbeitung tatsächlich übergeben wurden. Dazu gehören insbesondere Kraftfahrzeuge, Maschinen, individuelle Werkstücke und andere Sachen des täglichen Lebens. Nicht umfasst sind unbewegliche Sachen oder grundstücksgleiche Rechte.

Erweiterter Pfandrechtstatbestand

Das Pfandrecht kann sich auch auf sonstige, insbesondere vertretbare Sachen wie Material-, Ersatz- und Austauschteile erstrecken, sofern diese unter einer einheitlichen Werkleistung im Sinne des Vertrages bearbeitet oder verändert wurden.

Reichweite der gesicherten Forderungen

Das Sicherungsrecht erstreckt sich auf die reine Vergütung und den Ersatz von vereinbarten sowie gesetzlich zulässigen Nebenforderungen, zum Beispiel Zinsen oder notwendige Aufwendungen im Zusammenhang mit der Werkleistung.

Wirkung des Werkunternehmerpfandrechts

Zurückbehaltungsrecht

Durch das Pfandrecht ist der Werkunternehmer berechtigt, die Herausgabe des Werkgegenstands zu verweigern, bis seine Forderungen aus dem Werkvertrag erfüllt wurden. Dies wird als „Zurückbehaltungsrecht“ bezeichnet. Die tatsächliche Geltendmachung erfolgt regelmäßig durch Weigerung der Herausgabe des Werkes.

Abtretung und Verwertung

Das Werkunternehmerpfandrecht ist grundsätzlich nicht abtretbar und besteht nur zugunsten des ursprünglich berechtigten Werkunternehmers. Im Falle der Nichtbefriedigung kann der Werkunternehmer die Pfandsache nach den Regeln des Pfandverkaufs (§§ 1228 ff. BGB) verwerten lassen. Der Verwertungserlös wird zunächst zur Tilgung der gesicherten Forderung verwendet; ein etwaiger Überschuss wird dem Besteller ausgekehrt.

Rang und Konkurrenz zu anderen Rechten

Das Werkunternehmerpfandrecht tritt häufig in Konkurrenz zu anderen dinglichen Sicherungsrechten, etwa Sicherungseigentum oder dem Insolvenzbeschlag. Es gilt im Zweifel der Grundsatz, dass das frühere Recht im Rang vorgeht. Bestehen mehrere Pfandrechte an einer Sache, ist deren Rangfolge von entscheidender Bedeutung für die Verwertung.

Erlöschen des Werkunternehmerpfandrechts

Das Pfandrecht des Werkunternehmers erlischt durch die freiwillige Herausgabe der Sache, durch Erfüllung der gesicherten Forderung oder bei Untergang der Pfandsache. Eine Vereinbarung zwischen Besteller und Unternehmer kann das Pfandrecht ebenfalls aufheben. Auch bei einer späteren Insolvenz des Unternehmers oder des Bestellers können sich Änderungen hinsichtlich des Bestandes und der Verwertbarkeit ergeben.

Besonderheiten im Insolvenzfall

Im Falle der Insolvenz des Werkunternehmers oder des Bestellers bestehen für das Werkunternehmerpfandrecht Besonderheiten. Nach der Insolvenzordnung kann der Insolvenzverwalter die Herausgabe des Werkes fordern; das bestehende Pfandrecht hat jedoch in der Regel insolvenzfesten Charakter und der Werkunternehmer kann vorrangig die Befriedigung seiner Forderungen aus dem Erlös verlangen.

Ausschlüsse und Einschränkungen

Das Werkunternehmerpfandrecht ist ausgeschlossen, wenn eine andere gesetzliche Regelung eingreift oder die Voraussetzungen des § 647 BGB nicht erfüllt sind. Ebenso kann mittels vertraglicher Abreden der Anwendungsbereich eingeschränkt oder der Ausschluss des Pfandrechts vereinbart werden.

Typische Ausschlussgründe

  • Fehlende Veränderung oder Bearbeitung der Sache
  • Keine Übergabe des Gegenstandes
  • Erfüllung der Forderung oder Verzicht auf das Pfandrecht

Praxisrelevanz und Anwendungsbeispiele

In der Praxis dient das Werkunternehmerpfandrecht häufig als effektives Sicherungsmittel zur Durchsetzung von Werklohnforderungen, zum Beispiel im Kraftfahrzeuggewerbe (Autowerkstätten), bei Reparaturbetrieben, Fahrradläden, Instandsetzungsbetrieben oder bei der Bearbeitung von Maschinen. Durch das Pfandrecht wird das Risiko des Forderungsausfalls erheblich reduziert.

Literatur und Weblinks

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 647
  • Literaturangebote zum Werkvertragsrecht (z.B. Beck’scher Online-Kommentar BGB)
  • Weiterführende Materialien auf den Webseiten der Landesjustizverwaltungen und Fachverlage für Zivilrecht

Hinweis: Dieser Eintrag dient der umfassenden Darstellung des Werkunternehmerpfandrechts. Die Informationen sind auf Rechtsnormen, Literatur und gängige Praxis gestützt und bieten eine ausführliche Orientierung über Voraussetzungen, Wirkungen und Grenzen des gesetzlichen Pfandrechts des Werkunternehmers.

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen für die Entstehung des Werkunternehmerpfandrechts nach § 647 BGB vorliegen?

Das Werkunternehmerpfandrecht entsteht nur, wenn bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllt sind. Zunächst muss ein wirksamer Werkvertrag im Sinne der §§ 631 ff. BGB zwischen dem Werkunternehmer und dem Besteller bestehen. Entscheidend ist, dass der Werkunternehmer eine bewegliche Sache zur Herstellung, Bearbeitung oder Ausbesserung erhält; auf unbewegliche Sachen findet § 647 BGB grundsätzlich keine Anwendung, hier gelten stattdessen besondere Sicherungsrechte bei Bauwerken. Ferner muss eine offene Forderung (Werklohnforderung) des Unternehmers gegen den Besteller bestehen. Das Pfandrecht sichert also nur tatsächlich entstandene und fällige Forderungen im Rahmen des konkreten Werkvertrags. Schließlich muss der Werkunternehmer noch den unmittelbaren Besitz an der beweglichen Sache haben. Das Pfandrecht entsteht ausschließlich durch ein gesetzlich geregeltes Besitzrecht – ein vertraglich vereinbartes Besitzverhältnis allein genügt nicht.

Wann und in welchem Umfang kann das Werkunternehmerpfandrecht geltend gemacht werden?

Das Werkunternehmerpfandrecht wird grundsätzlich im Zeitpunkt der Besitzverschaffung an der beweglichen Sache durch den Besteller begründet. Es sichert den Anspruch auf Werklohn für das hergestellte Werk, einschließlich etwaiger Nebenforderungen wie Kosten für Materialien oder Ersatzteile, sofern diese im Vertragsverhältnis entstanden sind. Der Unternehmer kann das Pfandrecht aber nur so lange geltend machen, wie er den unmittelbaren Besitz an der Sache innehat. Gibt er die bewegliche Sache etwa freiwillig heraus, erlischt das Pfandrecht – es sei denn, eine Herausgabe erfolgt lediglich unter Vorbehalt des Pfandrechts. Das Pfandrecht kann jedoch auch dann geltend gemacht werden, wenn der Unternehmer die Sache nach Verstreichen einer angemessenen Nachfrist zur Zahlung bis zur Befriedigung seiner Forderung zurückbehält und im Falle der Nichtzahlung ggf. im Wege der Pfandverwertung seine Forderung befriedigt.

Kann das Werkunternehmerpfandrecht auch gegenüber Dritten geltend gemacht werden?

Das Pfandrecht nach § 647 BGB kann grundsätzlich auch gegenüber Dritten, insbesondere Erwerbern der Sache, geltend gemacht werden, sofern diese nach Entstehung des Pfandrechts Eigentum an der Sache erlangt haben. Allerdings gibt es Ausnahmen, beispielsweise wenn ein gutgläubiger Erwerb nach § 932 BGB stattgefunden hat oder der Unternehmer beim Erwerb hinsichtlich des Pfandrechts bestimmte Mitteilungspflichten verletzt hat. Zudem bleibt das Pfandrecht auch gegenüber Sicherungseigentümern und Vorbehaltskäufern bestehen, die sich allgemeiner Sicherungsrechte bedienen. Im Falle eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Bestellers besteht das Werkunternehmerpfandrecht als Absonderungsrecht fort und wird nach den Vorschriften der Insolvenzordnung behandelt.

Welche Rechte und Pflichten hat der Werkunternehmer im Rahmen des Pfandrechts?

Der Werkunternehmer ist berechtigt, die herauszugebende bewegliche Sache bis zur vollständigen Zahlung der gesicherten Forderung zurückzubehalten (Pfandrecht ausüben). Er übernimmt damit zugleich die gesetzlichen Pflichten eines Pfandgläubigers gemäß §§ 1204 ff., insbesondere die sorgfältige Verwahrung und den angemessenen Umgang mit der Sache. Kommt es zur Verwertung, muss diese nach den gesetzlichen Bestimmungen, also im Regelfall durch öffentliche Versteigerung, erfolgen. Der Überschuss aus der Verwertung steht dem Eigentümer zu; der Unternehmer darf sich also nicht einfach durch Aneignung der Sache befriedigen („faustpfandrechtliche Lösung“). Etwaige Schäden an der Sache während der Verwahrung oder falsche Handhabung können schadenersatzpflichtig machen.

Wie kann das Werkunternehmerpfandrecht erlöschen?

Das Werkunternehmerpfandrecht erlischt grundsätzlich mit dem freiwilligen Besitzverlust an der verpfändeten Sache sowie durch vollständige Zahlung der gesicherten Werklohnforderung (samt etwaiger Nebenansprüche). Ebenso führt der Verzicht auf das Pfandrecht ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten (z.B. Herausgabe ohne Vorbehalt) zum Erlöschen. Bei Zwangsvollstreckungen, Insolvenz oder gesetzlichen Sonderregelungen kann das Pfandrecht ebenfalls nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften erlöschen oder durch andere Rechte verdrängt werden. Entscheidend ist immer, dass das Pfandrecht eine akzessorische Sicherung zur Werklohnforderung darstellt und nicht mehr besteht, wenn die zugrundeliegende Forderung entfällt oder erlischt.

Welche Unterschiede bestehen zwischen dem Werkunternehmerpfandrecht und anderen gesetzlichen Pfandrechten?

Das Werkunternehmerpfandrecht nach § 647 BGB ist speziell an den Werkvertrag und den unmittelbaren Besitz an der bearbeiteten beweglichen Sache geknüpft. Im Unterschied zu anderen gesetzlichen Pfandrechten – etwa dem Vermieterpfandrecht (§ 562 BGB) oder dem Frachtführerpfandrecht (§ 441 HGB) – besteht das Werkunternehmerpfandrecht nur zugunsten desjenigen, der eine Sache im Rahmen eines Werkvertrages bearbeitet oder hergestellt hat. Außerdem unterscheidet sich die Rechtsfolge: Während beim Werkunternehmerpfandrecht hauptsächlich Werklohnforderungen gesichert werden, dienen die übrigen Pfandrechte der Sicherung anderer Vertragsforderungen. Die Regelungen zur Verwertung, Haftung und Rechtsposition des Pfandgläubigers sind jedoch weitgehend vereinheitlicht. Ein besonderer Unterschied besteht bei Bauleistungen, die durch das sog. Bauhandwerkersicherungshypothek und nicht durch das Werkunternehmerpfandrecht abgesichert werden.

Wie verhält sich das Werkunternehmerpfandrecht im Falle eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Bestellers?

Kommt es zur Insolvenz des Bestellers, bleibt das Werkunternehmerpfandrecht als sogenanntes Absonderungsrecht in der Insolvenz bestehen. Der Werkunternehmer hat das Recht, seine gesicherte Forderung vorrangig aus der verpfändeten Sache zu befriedigen, § 50 InsO. Ihm stehen bei Verkauf der Sache dieselben Rechte wie außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu, allerdings ist die Verwertung durch den Insolvenzverwalter durchzuführen und der Unternehmer erhält aus dem Erlös vor allen anderen Gläubigern seine gesicherte Forderung. Ein etwaiger Überschuss aus der Verwertung fällt an die Insolvenzmasse. Besondere Aufmerksamkeit ist hier der insolvenzrechtlichen Verwertung und etwaigen Verwertungserleichterungen im Insolvenzfall zu widmen.