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Werklieferungsvertrag

Werklieferungsvertrag: Begriff, Einordnung und Bedeutung

Ein Werklieferungsvertrag ist eine Vereinbarung, bei der sich ein Unternehmen zur Herstellung und Lieferung einer beweglichen Sache verpflichtet, die nach Vorgaben der anderen Vertragsseite gefertigt wird. Die Besonderheit liegt darin, dass nicht ein bereits vorhandener, standardisierter Gegenstand geliefert wird, sondern ein Produkt, das erst noch hergestellt wird und bei dem die liefernde Seite in der Regel das Material selbst beschafft oder bereitstellt. Rechtlich verbindet der Werklieferungsvertrag Elemente des Kaufs (Lieferung einer Sache) mit Elementen der Werkherstellung (Erreichen eines bestimmten Erfolgs gemäß Spezifikation), wird jedoch überwiegend nach den Regeln über den Kauf beweglicher Sachen behandelt.

Abgrenzung zu Kaufvertrag und Werkvertrag

Gegenüber dem Kaufvertrag ist der Werklieferungsvertrag dadurch gekennzeichnet, dass der Lieferant die Sache erst herstellt und hierfür üblicherweise eigenes Material einsetzt. Gegenüber dem Werkvertrag unterscheidet er sich dadurch, dass das Ergebnis eine bewegliche Sache ist, die hergestellt und anschließend geliefert wird. Erbringt die herstellende Seite ihre Leistung dagegen überwiegend auf einem Grundstück der anderen Vertragsseite oder nutzt maßgeblich von dieser bereitgestellte Stoffe, kann die Einordnung als Werkvertrag näherliegen.

Vertragsgegenstand und Pflichten

Herstellung und Lieferung einer beweglichen Sache

Gegenstand ist die Herstellung eines konkreten Produkts nach vertraglich vereinbarten Anforderungen (z. B. Maße, Material, Funktion, Design) und dessen Übergabe. Das Ergebnis muss die vereinbarte Beschaffenheit und den vereinbarten Verwendungszweck erfüllen.

Materialbeschaffung und Stoffrisiko

Die herstellende Seite trägt typischerweise die Verantwortung für die Auswahl, Beschaffung und Eignung der Materialien. Das Risiko, dass die benötigten Stoffe beschaffbar und für die vereinbarte Qualität geeignet sind, liegt grundsätzlich bei der liefernden Seite, soweit nichts Abweichendes vereinbart wurde.

Mitwirkung des Bestellers

Die andere Vertragsseite wirkt häufig durch Vorgaben mit, etwa durch Zeichnungen, Muster, Stücklisten, Freigaben oder Zulieferteile. Art und Umfang dieser Mitwirkung beeinflussen sowohl die Leistungspflichten als auch die Verantwortlichkeit für die Zielerreichung.

Vergütung und Kalkulation

Die Vergütung kann als Festpreis, Preis nach Aufwand (z. B. bei Entwicklungsanteilen) oder in Mischformen vereinbart werden. Bei Serien mit Individualisierungen sind Staffelpreise, Mindestabnahmemengen oder Werkzeugkosten üblich. Preisbestandteile wie Werkzeug- und Einrichtungskosten, Prototypen, Prüfungen oder Dokumentation werden häufig separat geregelt.

Vertragsschluss und Gestaltung

Leistungsbeschreibung und Qualitätsmerkmale

Die genaue Beschreibung des Produkts ist zentral. Technische Spezifikationen, Normbezüge, Toleranzen, Prüfpläne, Freigaben sowie Muster- oder Zeichnungsstände bestimmen, welche Beschaffenheit geschuldet ist. Änderungen an Spezifikationen erfordern klare Verfahren, etwa Änderungsmitteilungen und deren Freigaben.

Lieferfristen, Teillieferungen und Verzögerungen

Liefertermine und -fristen sind wesentliche Vertragspunkte. Teillieferungen können vereinbart werden. Bei Verzögerungen kommen vertragliche Regelungen zu Fristverlängerungen (z. B. bei Mitwirkungsverzögerungen) und zu Rechtsfolgen in Betracht.

Eigentums- und Gefahrübergang

Der Eigentumsübergang richtet sich nach den getroffenen Vereinbarungen, häufig unter Einschluss eines Eigentumsvorbehalts bis zur vollständigen Zahlung. Der Gefahrübergang, also der Übergang des Risikos des zufälligen Untergangs oder der Verschlechterung, orientiert sich an den Regeln für den Kauf beweglicher Sachen und kann durch Lieferklauseln näher ausgestaltet werden.

Verpackung, Transport und Versendung

Art und Umfang der Verpackung, Transportmittel, Versicherung und Kostenverteilung werden vertraglich festgelegt. Internationale Handelsklauseln können zur Konkretisierung dienen.

Rechte an Zeichnungen, Werkzeugen und Ergebnissen

Fragen zu Nutzungsrechten an Zeichnungen, Modellen, Softwareanteilen, Werkzeugen oder Vorrichtungen sowie zu Schutzrechten und deren Verletzungsfreiheit sind für Werklieferungen typischerweise von Bedeutung. Auch die Herausgabepflichten für Werkzeuge oder die Trennung zwischen Werkzeugkosten und Eigentum werden regelmäßig geregelt.

Gewährleistung und Haftung

Mängelbegriff bei Werklieferungen

Ein Mangel liegt vor, wenn das hergestellte Produkt nicht der vereinbarten Beschaffenheit, Funktion, Menge oder Ausführung entspricht oder sich nicht für die vertraglich vorausgesetzte oder gewöhnliche Verwendung eignet. Auch Abweichungen von Mustern, Montagefehler oder fehlerhafte Anleitungen können zu Mängeln führen.

Rechte bei Mängeln

Bei Mängeln kommen Ansprüche auf Beseitigung des Mangels oder Lieferung einer mangelfreien Sache in Betracht. Weitergehende Rechte wie Vertragsauflösung oder Preisreduktion sowie Schadensersatzansprüche können hinzutreten, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Bei individuell hergestellten Produkten kann die Nacherfüllung in Form der Nachbesserung gegenüber einem vollständigen Neuanfertigen im Vordergrund stehen.

Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten im B2B-Verkehr

Im unternehmerischen Geschäftsverkehr bestehen besondere Pflichten zur Untersuchung der gelieferten Ware und zur Anzeige von erkannten oder erkennbaren Mängeln innerhalb angemessener Fristen. Die Verletzung dieser Obliegenheiten kann Rechte wegen bestimmter Mängel beeinträchtigen.

Verjährung von Mängelansprüchen

Die Fristen für Mängelansprüche entsprechen grundsätzlich denen für Kaufverträge über bewegliche Sachen. Für Produkte, die bestimmungsgemäß in ein Bauwerk eingebaut werden und dessen Mangelhaftigkeit verursachen können, gelten längere Fristen. Vertragliche Abweichungen sind im unternehmerischen Verkehr verbreitet, unterliegen aber gesetzlichen Grenzen.

Besonderheiten im Verhältnis zu Verbrauchern

Informations- und Widerrufsrechte

Bei Verträgen mit privaten Bestellern gelten besondere Informationspflichten, insbesondere bei Fernkommunikationsmitteln. Für individuell nach Kundenspezifikation hergestellte Waren kann das Widerrufsrecht gesetzlich eingeschränkt sein.

Montage- und Bedienungsanleitungen

Fehlerhafte Montage- oder Bedienungsanleitungen können einen Mangel begründen. Abhilfe kann durch korrekte Anleitung oder geeignete Unterstützung erfolgen, sofern die Voraussetzungen vorliegen.

Einbau- und Ausbaukosten

Werden Waren entsprechend ihrer Art eingebaut und stellt sich später ein Mangel heraus, kommen Regelungen zu Aufwendungen für den Ausbau der mangelhaften und den Einbau der mangelfreien Sache in Betracht. Die Reichweite solcher Ansprüche variiert je nach Beteiligtenkreis und gesetzlicher Ausgestaltung.

Abnahme, Übergabe und Dokumentation

Übergabe und abnahmeähnliche Regelungen

Der Schwerpunkt liegt bei der Lieferung beweglicher Sachen auf der Übergabe. Gleichwohl werden in der Praxis abnahmeähnliche Verfahren vereinbart, etwa Prüf- und Freigabeprozesse bei Prototypen oder Vorserien, die den späteren Serienlieferungen zugrunde liegen.

Prüf- und Funktionsnachweise

Dokumentationen wie Prüfprotokolle, Messberichte, Konformitätserklärungen und Rückverfolgbarkeitsnachweise sind häufig Bestandteil der vertraglich geschuldeten Leistung und dienen der Qualitäts- und Rechtssicherheit.

Typische Anwendungsfälle

Beispiele aus der Praxis

Werklieferungsverträge finden sich etwa bei maßangefertigten Möbeln, individuellen Maschinen oder Anlagenkomponenten, kundenspezifisch konfigurierten Serienprodukten, Prototypen und Kleinserien, Bauteilen aus additiver Fertigung sowie in der Zulieferindustrie, wenn nach Zeichnung gefertigt und geliefert wird.

Internationale Bezüge

Grenzüberschreitende Lieferungen

Bei internationalen Werklieferungen spielen Fragen des anwendbaren Rechts, der Gerichtsstände, der Geltung internationaler Kaufrechtsregeln und der Verwendung standardisierter Handelsklauseln eine Rolle. Qualitätssicherung, Konformität und Exportkontrolle werden häufig gesondert geregelt.

Abgrenzung zu Bau- und werkbezogenen Verträgen

Einordnung bei Bauleistungen

Werden bewegliche Sachen hergestellt und geliefert, die später eingebaut werden, liegt in der Regel ein Werklieferungsvertrag vor. Steht hingegen die Errichtung, Veränderung oder Instandsetzung eines Bauwerks oder einer vergleichbaren Anlage im Vordergrund, spricht dies für einen Werk- bzw. Bauvertrag mit eigenständigen Regelungen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Worin unterscheidet sich ein Werklieferungsvertrag vom Kaufvertrag?

Der Werklieferungsvertrag betrifft die Herstellung und Lieferung einer noch zu fertigenden beweglichen Sache nach Vorgaben der Bestellseite, häufig unter Verwendung eigener Materialien des Lieferanten. Ein Kaufvertrag bezieht sich demgegenüber auf die Lieferung einer bereits vorhandenen oder standardmäßig produzierten Sache ohne individualprägende Fertigung.

Wann liegt statt eines Werklieferungsvertrags ein Werkvertrag vor?

Ein Werkvertrag liegt nahe, wenn die Leistung wesentlich auf der Baustelle oder am Standort der Bestellseite erbracht wird, wenn überwiegend beigestellte Materialien verarbeitet werden oder wenn der Erfolg in einer nicht nur vorübergehenden Veränderung eines Grundstücks oder Bauwerks besteht.

Wer trägt das Risiko der Materialbeschaffung?

Regelmäßig trägt die liefernde Seite das Beschaffungsrisiko und die Verantwortung für die Eignung der eingesetzten Materialien. Abweichungen können vertraglich vereinbart sein, etwa bei bereitgestellten Stoffen oder auf Wunsch festgelegten spezifischen Bezugsquellen.

Welche Rechte bestehen bei Mängeln einer individuell hergestellten Sache?

Bei Mängeln kommen Ansprüche auf Nachbesserung oder Neulieferung sowie, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, weitergehende Rechte wie Vertragsauflösung, Preisreduktion und Schadensersatz in Betracht. Inhalt und Reihenfolge dieser Rechte orientieren sich an den Regeln über den Kauf beweglicher Sachen.

Ist eine Abnahme erforderlich?

Bei Werklieferungen steht die Übergabe im Vordergrund. Gleichwohl werden in der Praxis häufig abnahmeähnliche Prüfungen und Freigaben vereinbart, insbesondere bei Prototypen, Vorserien oder komplexen Komponenten.

Wie verhält es sich mit dem Widerrufsrecht bei individuell angefertigten Waren?

Für Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt oder eindeutig personalisiert sind, kann das Widerrufsrecht gesetzlich eingeschränkt sein. Die genaue Einordnung hängt von den Umständen des Einzelfalls und der gesetzlichen Ausgestaltung ab.

Welche Besonderheiten gelten im B2B-Handel hinsichtlich der Untersuchung und Rüge?

Zwischen Unternehmen bestehen gesteigerte Pflichten zur unverzüglichen Untersuchung und zur Anzeige von Mängeln. Unterbleibt eine rechtzeitige Rüge, können Rechte hinsichtlich bestimmter Mängel eingeschränkt sein.

Wann gehen Eigentum und Gefahr auf den Besteller über?

Der Eigentumsübergang wird oft durch Vereinbarungen zum Eigentumsvorbehalt geprägt. Der Gefahrübergang richtet sich nach den Regeln für den Kauf beweglicher Sachen und kann durch vertragliche Lieferklauseln näher bestimmt werden, etwa hinsichtlich Ort und Zeitpunkt der Übergabe.