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Werklieferungsvertrag


Werklieferungsvertrag

Der Werklieferungsvertrag ist ein zentrales Vertragsmodell des deutschen Zivilrechts und nimmt eine bedeutende Stellung im Spannungsfeld zwischen Werkvertrag und Kaufvertrag ein. Er wird insbesondere dann relevant, wenn die Herstellung und Lieferung einer noch zu fertigenden beweglichen Sache vereinbart wird. Die rechtliche Einordnung und Abgrenzung zu anderen Vertragstypen ist wesentlich für die Anwendbarkeit spezifischer Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sowie des Handelsgesetzbuchs (HGB).


Begriff und Abgrenzung

Definition

Ein Werklieferungsvertrag ist ein gegenseitiger Vertrag, bei dem sich der Unternehmer zur Herstellung und Lieferung einer beweglichen Sache aus neu zu beschaffendem Material verpflichtet. Im Gegensatz zum reinen Werkvertrag ist beim Werklieferungsvertrag die Verschaffung des Eigentums an der hergestellten Sache geschuldet. Von einem Kaufvertrag unterscheidet er sich durch den werkbezogenen Herstellungsanteil, der über die reine Lieferung hinausgeht.

Gesetzliche Grundlagen

Die zentralen Vorschriften zum Werklieferungsvertrag finden sich in § 650 BGB a.F. (alte Fassung, aufgehoben seit 1.1.2018 für neue Verträge) sowie abweichend in §§ 433 ff. BGB, die grundsätzlich für Kaufverträge gelten. Für Werklieferungsverträge gelten nach aktueller Rechtslage die kaufrechtlichen Vorschriften, mit Ausnahme der Vorschriften über den Rücktritt wegen nicht vertragsgemäßer Leistung, die gemäß § 650 Satz 1 BGB Anwendung finden. Damit wird dem Produktionsaspekt Rechnung getragen.

Abgrenzung zu anderen Vertragstypen

Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB): Schwerpunkt auf der Herstellung eines Werkes ohne die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung an einer Sache.
Kaufvertrag (§§ 433 ff. BGB): Verpflichtung zur Lieferung bereits vorhandener Sachen oder zum Erwerb fertiger Waren.
Werklieferungsvertrag: Die zu liefernde Sache muss erst noch hergestellt werden, wobei das Material in der Regel vom Unternehmer zu beschaffen ist.


Wesentliche Merkmale des Werklieferungsvertrages

Vertragsparteien

Vertragsparteien sind typischerweise ein Besteller (Kunde) und ein Unternehmer, der die Herstellung und Lieferung übernimmt. Im Rahmen von Verbraucherverträgen gelten besondere Vorschriften, bspw. das Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften.

Vertragsgegenstand

Gegenstand des Werklieferungsvertrags ist regelmäßig die Herstellung und anschließende Lieferung einer individuellen beweglichen Sache, beispielsweise maßgefertigte Möbel, Maschinen oder Bauteile.

Materialbeschaffung

Das für die Herstellung verwendete Material stammt grundsätzlich vom Unternehmer. Überlässt jedoch der Besteller das benötigte Material, ist regelmäßig ein Werkvertrag anzunehmen, sofern nicht die Eigentumsübertragung im Vordergrund steht.


Rechtsfolgen und Besonderheiten

Anwendbare Regelungen

Mit der Angleichung des Werklieferungs- an das Kaufrecht unterliegen Werklieferungsverträge den kaufrechtlichen Vorschriften über Mängelansprüche, Gefahrübergang sowie Rücktritt- und Nacherfüllungsrechte (§§ 433 ff. BGB).

Gefahrübergang

Bei Werklieferungsverträgen, die der Versendungskaufregelung gemäß § 447 BGB unterliegen, geht die Gefahr mit Übergabe an den Transporteur auf den Besteller über.

Sachmängelhaftung

Die Rechte des Bestellers bei Mängeln richten sich nach den kaufrechtlichen Vorschriften (§§ 434 ff. BGB). Dazu zählen Nacherfüllung, Rücktritt, Minderung und Schadensersatz. Für den Eintritt der Verjährung ist zumeist die regelmäßige Verjährungsfrist von zwei Jahren maßgeblich (§ 438 BGB).

Eigentumsübertragung

Die Übertragung des Eigentums an der gefertigten Sache erfolgt regelmäßig nach § 929 Satz 1 BGB durch Einigung und Übergabe. Die Erfüllung der Leistungspflicht ist abgeschlossen, wenn die gelieferte Sache vertragsgemäß dem Besteller ausgehändigt wurde.


Praxisbeispiele und Anwendungsbereich

Individuell bestellte Möbel: Ein Kunde beauftragt einen Tischler mit der Anfertigung und Lieferung eines Esstisches nach Maß. Material wird vom Tischler gestellt.
Maschinenbau: Ein Maschinenhersteller fertigt eine Spezialmaschine für einen Kunden und liefert diese aus.
Individueller Bekleidungsauftrag: Ein Modedesigner fertigt und liefert ein maßgeschneidertes Kleidungsstück.


Besondere Konstellationen

Verbraucherschutz

Im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs, bei dem ein Unternehmer an einen Verbraucher liefert, finden ergänzend die besonderen Vorschriften zum Verbraucherschutz Anwendung. Hierzu zählen insbesondere die Vorschriften zu Fernabsatzgeschäften sowie Informationspflichten und das Widerrufsrecht.

Montageverträge

Wird zusätzlich zur Lieferung auch die Montage der Sache geschuldet, spricht man von einem sogenannten Werklieferungsvertrag mit Montageverpflichtung. Auch hier findet Kaufrecht Anwendung, soweit die Montage nicht das Übergewicht gegenüber der Lieferung einnimmt.


Verhältnis zu internationalen Verträgen

Im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr können Werklieferungsverträge unter den Anwendungsbereich des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) fallen, sofern keine Ausnahme nach Art. 3 CISG vorliegt. Hierbei ist die Unterscheidung zwischen Lieferung herzustellender Sachen (CISG-anwendbar) und Werkdienstleistungen (CISG-grundsätzlich nicht anwendbar) besonders relevant.


Zusammenfassung

Der Werklieferungsvertrag bildet die Schnittstelle zwischen Werk- und Kaufrecht im deutschen Zivilrecht. Er ist maßgeblich für Sachverhalte, bei denen eine bewegliche Sache individuell angefertigt und anschließend geliefert wird, wobei das Material durch den Unternehmer beschafft wird. Die rechtliche Behandlung orientiert sich überwiegend an den Vorschriften des Kaufrechts, unter besonderer Berücksichtigung des Herstellungsaspekts. Praxisrelevant ist der Werklieferungsvertrag vor allem in der Möbel-, Bekleidungs- und Maschinenherstellung sowie im Anlagenbau und Handwerk. Die korrekte Einordnung hat erhebliche Bedeutung für die Anwendbarkeit von Mängelrechten, Gefahrübergang und Verjährungsfristen.


Häufig gestellte Fragen

Wie erfolgt die Abgrenzung zwischen Werkvertrag und Werklieferungsvertrag?

Die rechtliche Abgrenzung zwischen Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB) und Werklieferungsvertrag (§ 650 BGB) richtet sich maßgeblich nach dem Schwerpunkt des Vertragsinhalts. Beim Werkvertrag verpflichtet sich der Unternehmer zur Herstellung eines bestimmten Werks, wobei das Material in der Regel vom Besteller gestellt wird. Beim Werklieferungsvertrag hingegen ist typisch, dass der Unternehmer eine bewegliche Sache herstellt oder erzeugt und diese an den Besteller liefert; das Material wird dabei in der Regel vom Unternehmer selbst beschafft. Ausschlaggebend ist nach der Rechtsprechung und der gesetzlichen Regelung, wer das Material stellt sowie die Frage, ob es sich bei dem geschuldeten Werk um eine „bewegliche“ Sache handelt. Ein weiterer bedeutender Unterschied besteht in der Anwendung der Vorschriften des Kaufrechts, insbesondere hinsichtlich des Gefahrübergangs, der Mängelrechte und der Untersuchungs- und Rügepflichten gemäß §§ 377, 381 HGB, die beim Werklieferungsvertrag grundsätzlich Anwendung finden. Die Einordnung des Vertrags hat wesentliche Auswirkung auf Gewährleistung, Gefahrtragung und Rücktrittsrechte.

Welche Mängelrechte bestehen bei einem Werklieferungsvertrag?

Im Rahmen eines Werklieferungsvertrags richten sich die Mängelrechte nach dem Kaufrecht, insbesondere §§ 433 ff. und §§ 434 ff. BGB, sowie bei beiderseitigen Handelsgeschäften nach §§ 377, 381 HGB. Der Besteller hat, bei Vorliegen eines Mangels, vorrangig Anspruch auf Nacherfüllung (Nachbesserung oder Ersatzlieferung) gemäß § 439 BGB. Schlägt die Nacherfüllung fehl oder wird sie verweigert, stehen dem Besteller die weiteren Rechte wie Minderung, Rücktritt vom Vertrag sowie Schadensersatz zu. Es gelten zudem die kaufrechtlichen Besonderheiten, beispielsweise die Untersuchungs- und Rügepflicht bei Handelsgeschäften; bei Verletzung dieser Pflicht verliert der Besteller grundsätzlich seine Rechte auf Gewährleistung. Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche beträgt in der Regel – wie im Kaufrecht – zwei Jahre ab Ablieferung der Sache.

Wann geht beim Werklieferungsvertrag die Gefahr auf den Besteller über?

Der Gefahrübergang beim Werklieferungsvertrag erfolgt grundsätzlich nach den Vorschriften des Kaufrechts (§ 446 BGB); das heißt, die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung geht mit der Übergabe der Sache auf den Besteller über. Bei Versendungskauf (§ 447 BGB) – also wenn der Unternehmer auf Wunsch des Bestellers die Sache an einen anderen Ort als den Erfüllungsort versendet – geht die Gefahr mit der Übergabe an die Transportperson über. Damit unterscheidet sich der Werklieferungsvertrag vom reinen Werkvertrag, bei dem die Gefahr in der Regel erst mit der Abnahme auf den Besteller übergeht.

Welche Pflichten treffen den Unternehmer bei einem Werklieferungsvertrag?

Der Unternehmer ist verpflichtet, eine bewegliche Sache herzustellen und zu liefern, die der vereinbarten Beschaffenheit entspricht oder den gewöhnlichen sowie den etwa nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendungszweck erfüllt. Er schuldet die mangelfreie Übergabe der hergestellten oder bearbeiteten Sache. Die Pflicht zur ordnungsmäßen Verpackung und, soweit erforderlich, zum Versand der Sache sind ebenso Teil der Leistungspflichten. Ist nichts anderes vereinbart, trägt der Unternehmer zudem die Beschaffungsgefahr für die zur Herstellung erforderlichen Materialien. Neben der Primärpflicht zur Herstellung und Lieferung bestehen Sekundärpflichten, zum Beispiel zur Information und Beratung, sofern der Besteller auf den Sachverstand des Unternehmers angewiesen ist.

Wie verhält sich der Werklieferungsvertrag zum Verbraucherschutz?

Bei Werklieferungsverträgen mit Verbrauchern (Verbrauchsgüterkauf) finden die besonderen Vorschriften zum Verbraucherschutz Anwendung (§§ 474 ff. BGB). Dazu gehört insbesondere der Ausschluss der Haftungsbeschränkung für Mängel an neuen Sachen, das Verbot der Verkürzung der gesetzlichen Verjährungsfristen sowie die Beweislastumkehr innerhalb der ersten zwölf Monate nach Gefahrübergang (§ 477 BGB). Zudem besteht ein Widerrufsrecht, sofern der Vertrag als Fernabsatzvertrag oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde. Diese besonderen Schutznormen gehen als zwingendes Recht den allgemeinen Regelungen des BGB vor und dürfen zum Nachteil des Verbrauchers nicht abbedungen werden.

Welche Besonderheiten bestehen bei der Vertragsgestaltung im Werklieferungsvertrag?

Bei der Gestaltung eines Werklieferungsvertrags ist es aus rechtlicher Sicht wesentlich, klare Regelungen zu Vertragsgegenstand, Beschaffenheitsvereinbarungen, Lieferterminen, Vergütung, Gefahrübergang, Eigentumsvorbehalt und eventuellen Rügepflichten aufzunehmen. Besondere Sorgfalt ist auf die Festlegung der Beschaffenheitsmerkmale zu legen, da beim Fehlen einer solchen Vereinbarung auf die gewöhnliche Verwendung und die übliche Beschaffenheit abgestellt wird. Ferner ist bei grenzüberschreitenden Werklieferungen die Regelung des anwendbaren Rechts und gegebenenfalls die Vereinbarung der Geltung des UN-Kaufrechts (CISG) zu beachten. Falls spezielle Anforderungen oder Zertifizierungen einzuhalten sind, sollte dies ausdrücklich geregelt werden. Auch Haftungsbeschränkungen, Vertragsstrafen und Zahlungsmodalitäten bedürfen klarer rechtlicher Regelungen, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

Wie ist das Rücktrittsrecht beim Werklieferungsvertrag ausgestaltet?

Das Rücktrittsrecht beim Werklieferungsvertrag orientiert sich an den kaufrechtlichen Vorschriften (§ 323, § 437 Nr. 2, § 440 BGB). Besteht ein wesentlicher Mangel und schlägt die Nacherfüllung fehl oder wird sie vom Unternehmer verweigert, kann der Besteller vom Vertrag zurücktreten. Voraussetzung ist in der Regel eine erfolglos abgelaufene angemessene Fristsetzung zur Nacherfüllung, sofern diese nicht nach § 440 Satz 2 BGB entbehrlich ist. Der Rücktritt führt zur Rückabwicklung des Vertrags nach §§ 346 ff. BGB. Bei Verträgen mit Verbrauchern gelten zusätzlich verbraucherschützende Vorschriften, die das Rücktrittsrecht stärken. Besondere Bedeutung kommt hierbei der Beweislast im Gewährleistungsfall zu, insbesondere im Hinblick auf den Nachweis, dass der Mangel bereits bei Übergabe bestand.

Welche Unterschiede bestehen bei der Verjährung von Mängelansprüchen im Werklieferungsvertrag im Vergleich zum Werkvertrag?

Die Verjährung von Mängelansprüchen beim Werklieferungsvertrag richtet sich grundsätzlich nach den kaufrechtlichen Regelungen (§ 438 BGB). Für neu hergestellte Sachen beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist zwei Jahre ab Ablieferung, bei Bauwerken oder für Sachen, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet werden, fünf Jahre. Im Gegensatz dazu sieht das Werkvertragsrecht (§ 634a BGB) teilweise abweichende Verjährungsfristen vor, insbesondere bei Herstellung, Wartung oder Veränderung von Bauwerken. Zudem kann beim Werklieferungsvertrag die Verjährung unter Kaufleuten durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) weiter verkürzt werden, während dies unter Verbrauchern strengen Beschränkungen unterliegt. Die Verjährung beginnt beim Werklieferungsvertrag mit der Ablieferung, beim Werkvertrag in der Regel mit der Abnahme des Werkes.